Mit Googles Riesenfröschen durch Raum & Zeit

Kann es sein, dass es einen heimlichen Journalistenwettbewerb um den abwegigsten Zeitungsartikel über Google Street View gibt? Falls ja, ist die „Welt“ am vergangenen Samstag uneinholbar in Führung gegangen.

Feuilletonkorrespondent Paul Jandl hat etwas entdeckt, das Google Street View noch kaputt macht (außer allem anderen): die Literatur. Nämlich dadurch, dass man sich jetzt die realen Schauplätze großer Romane einfach im Internet angucken kann und dabei feststellt, dass es sich in Wirklichkeit um schnöde Orte handelt.

Montauk, zum Beispiel, ist auf Street View nur ein Ort, „Montauk“ bei Max Frisch hingegen ein Sehnsuchtsort. Jandl schreibt:

Die autobiografische Erzählung ist Literatur mit Schauplatz. Google ist bloßer Schauplatz. Ohne Aura, reine Plattheit! Will man rufen und Datenschutz fordern.

Ich will rufen: Was haben Sie denn gedacht? Das eine ist ein realer Ort, das andere seine literarische Überhöhung. Wäre beides dasselbe, würden die Menschen Ansichtskarten sammeln statt Bücher zu lesen. Und wenn Sie das nicht sehen wollen, will ich weiter rufen, wenn Sie sich das Bild von Montauk bewahren wollen, das Max Frisch in Ihnen geweckt hat, dann gehen Sie doch einfach nicht auf Google Street View, statt es gleich verbieten zu wollen.

Vielleicht ist Paul Jandl jemand, der abends verzweifelt zu seiner Frau sagt: „Verdammt, Schatz, Bauer hat einen neuen Fruchtjoghurt mit Kirsch-Kiwi-Geschmack rausgebracht, jetzt muss ich den auch noch essen.“ Vielleicht macht er den Kurzschluss aber auch nur im Internet, dass er jedes neue Angebot nicht als Angebot, sondern als Pflicht wahrnimmt.

Jandl meint ernsthaft, dass Google Street View nicht nur den Literaturgenuss von ihm, den Zwangs-Google-Street-View-Nutzer, bedroht, sondern die Literatur an sich. Er schreibt: „Solange der Streit um Street View dauert, ist die Literatur noch halbwegs aus dem Schneider.“ Und dann formuliert er diesen Satz:

(…) die topografische Wahrheit des Unternehmens Google Street View ist auch ein Eingriff in die Privatsphäre der Literatur.

Das ist in einem Maße prätentiöser Unsinn, in sprachlicher wie in logischer Hinsicht, dass es schwer fällt, sich damit überhaupt auseinanderzusetzen, weshalb ich einfach darauf verzichte.

Jandl fährt fort:

Will der Leser denn wirklich wissen, wie die Froschperspektive der Google-Kameras Joyces Dublin sieht?

Gute Frage, deren Antwort vermutlich seine ganze Kolumne überflüssig machen würde. Andere Frage: Wo fände der Leser, der Joyces Dublin sehen wollte, auf Google Street View Aufnahmen der irischen Stadt von der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts? Und was ist das für ein drei Meter großer Frosch?

Am Ende kommt Marcel Proust zu Wort:

„Hätten meine Eltern mir erlaubt, den Schauplatz eines Buches, das ich las, selber aufzusuchen, so hätte das meiner Meinung nach einen unschätzbaren Fortschritt in der Eroberung der Wahrheit bedeutet.“

Warum Jandl diesen Satz zitiert, ist unklar, denn dem „Welt“-Journalisten geht es ja nicht um die Eroberung der Wahrheit, sondern die Bewahrung der Fiktion. Aber Proust war, wenn ich Jandl richtig verstehe, ein glücklicher Mensch, weil er in einer Zeit lebte, als es das noch nicht gab, was er sich wünschte. Er wusste nicht, „was auf die Welt noch zukommt“.

Und aus der „Welt“, möchte ich hinzufügen.

100 Replies to “Mit Googles Riesenfröschen durch Raum & Zeit”

  1. Ich schäme mich ja fast zu fragen: Ist der Text nicht vielleicht ironisch gemeint? Zumindest ist das die einzig mögliche Erklärung, die ich mich so vorstellen kann. So etwas denkt doch niemand wirklich. Hoffe ich.

  2. Das finde ich jetzt aber doof. Ich lese gerade ein Buch, dass in Köln spielt. Darf ich jetzt nie mehr raus in die Welt? Verdammt!

    Noch ´ne Kleinigkeit:
    „… will ich weiter rufen, wenn sich sich das Bild von Montauk bewahren wollen …“ „sich sich“ sicher oder nicht doch „sie sich“?

  3. Bin auch etwas perplex ob das ernstgemeint sein kann oder hier ein Autor seine Leser (und seine Redaktion) auf den Arm nimmt.
    Man wundert sich ja oft was für einen Schwachfug manche Leute ernst meinen, aber im Bezug auf Google-Berichterstattung/Kritik schlägt das hier ja wirklich dem Fass den Boden aus.
    Vieleicht ist es auch ein TITANIC Artikel den der Autor ausversehen dem falschem Blatt geschickt hat?

    Nein, nein. Ich glaube nicht das dies ernst gemeint ist. HAHA! Der Mann hat Humor! Brilliant! Wunderbar die Redaktion verarscht und keiner hat´s gemerkt! Einfach klasse wie er das Thema auf diese absurde Art auf die Spitze treibt das auch der letzte merkt das alle zur zeit reichlich paranoid damit umgehen! Ein Held! Ein Held! gebt ihm einen Preis!!!

  4. Ich will rufen: Was haben Sie denn gedacht?

    Hatte gerad‘ nen freudschen Verleser: „Ich will rufen: Was haben Sie denn geraucht?“

  5. Und ich will rufen! Kann es aber nicht, denn ich muss lachen. Laut lachen.. ;-) Abend gerettet!
    Danke für diese beiden tollen Artikel.

  6. Auch wenn es mir widerstrebt, muss ich doch hier die „Welt“ gegenüber Herrn N. in Schutz nehmen. Es handelt sich doch klar um eine Glosse („aber da steht doch Editorial drüber“ – ja, trotzdem!).

    Jandl fordert nicht ernsthaft, man möge Google wegen vorsätzlicher Illusionsberaubung o.s.ä. verbieten sondern gibt einer sentimentalen Rührung Raum, die vielleicht etwas weinerlich kommt, aber in der Sache für mich nachvollziehbar ist.

    Der verbissene Ernst, mit dem das hier behandelt wird, verwundert mich und kommt mir sehr reflexhaft vor – „Ah. die Welt redet wieder vom Internet, Zeit, denen zu beweisen, dass sie nichts davon verstehen“.

    Sie würden doch auch nicht das Streiflicht oder die „Briefe an die Leser“ in der Titanic (der Vergleich mit der Welt tut mir auch weh) auf ihre Tauglichkeit in der echten Welt überprüfen.

  7. Oh, ein Jandl! Was für wonnige Lallereien prousten mich denn jetzt an?! Liiitle und die Gogolerallala … nein … Stuart Little goes Lord Gaga … hä … Mondquark statt Moontalk … Lidlladl Hosenstadl … Voller Joyce ruft mein Freund Harvey: Molly makes the world go round. – Pardon, das letzte Glas war schlecht. Oder: Man kann gar nicht so schlecht schreiben, wie einem davon werden könnte.

  8. @Florian: Aber, aber. Das Streiflicht ist doch keine Satire. Ergo nicht mit dem Satire-Magazin Titanic zu vergleichen. Wer eine Glosse ausschließlich als Satire sieht, hat die Glosse nicht verstanden. Und Überspitzung heißt nicht, dass die Aussage des Textes nicht ernst zu nehmen ist.

    Zum Inhalt des „Welt“-Editorials: Bin derzeit noch am Überlegen, inwieweit ich den Text ernstnehmen soll. Nach der – zugegeben süffisant aufbereiteten – Analyse von Stefan Niggemeier musste ich eher herzhaft lachen.

  9. Werter, verehrter Kampfstrampler. Während ich noch grüble, ob (es) Jandl wirklich Ernst ist, waren Sie schon mit Harvey einen Lüpfen. Ich vermute ja, dass Paul Jandl (wer ist eigentlich Paul?) in seinem „Editorial“ mal den Bildungsbürger raus hängen lässt. (OK, kommt der auch mal an die frische Luft.) und die geneigten LeserInnen mit seinem Literaturwissen beeindrucken möchte. Na gut. Sind wir nicht alle etwas Paul?

    btw: in meiner einäugigen Klarsichtigkeit weiße ich darauf hin, dass es vermutlich nicht das letzte Glas, sondern dessen (ehemaliger) Inhalt war, der Ihnen ihre Magenschleimhäute von lechts auf rinks gezogen hat.
    Mein Beruf und Niggemeier-Konsum haben mich pingelig gemacht. :-)

  10. @Frederic: Glosse vs Satire – mag sein, ich will mich auch nicht über Begrifflichkeiten in der Publizistik streiten.

    Mein Störgefühl rührt daher, dass ich den Tenor in Jandls Text durchaus nachvollziehen kann – das die (virtuelle, StreetView) Realität leider oft die Literatur entzaubert und Google das noch befördert. Joyce ist hier vielleicht zu hochgestochen, aber ich gehöre zur großen Schar jener, die als Jugendlicher The Beach gelesen haben, um dann Jahre später von der Realität herb enttäuscht zu werden. Natürlich kein Grund, GSV oder die Realität zu verbieten, aber vielleicht doch Grund zu leicht wehmütigem Klagen?

    Die Kritik hier allerdings lautet zusammengefasst in etwa so: „haha, der Idiot, in GSV gibts doch gar keine Froschperspektive“. Daher mein Urteil, selber haha, Thema verfehlt.

  11. Spräche man den Autor Paul Jandl auf die Dummheiten in seinem Text an, so wird er – vermute ich – wohl etwas sagen wie „Ha, ha, ist doch nicht so ernst gemeint“. Ändert nichts daran, dass es Dummheiten sind.

    Zu 99% finde ich die Gedanken nur plump und unlustig. 1% sind überlegenswert (was sind die Nebenwirkungen von solchen Diensten), aber das wird durch die 99% völlig überdeckt. Setzen.

  12. ich vermute der welt autor versucht die altbewährte methode des trollings in die printwelt hinüberzuhieven, auch hier sollte gelten: don´t feed the troll…

  13. Wie geistlos hier manch einer ist. Paul Jandl ist Teil der Jury des Bachmannpreises und hat sich bereits in seiner Diplomarbeit intensiv mit der Raumthematik in Hermann Burgers Roman „Schilten“ auseinandergesetzt. Er hat den Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik erhalten und steht somit in der großen Tradition von Ulrich Weinzierl, Thomas Rothschild und Wendelin Schmidt-Dengler. Ihm Ironie, gar Satire vorzuwerfen grenzt fast an eine Kabale.

  14. @ ellas
    Hat die Verlagsleitung schon berücksichtigt:

    Liebe Leser, WELT ONLINE hat aus technischen Gründen die Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

  15. Plädiere für einen neuen „Jandl-Paragraphen“ im StGB um Google aber mal SOWAS von dranzukriegen:

    Kopfkino-Diebstahl!

    ;-)

  16. Amüsant, sagte doch Ken Follet jüngst, Google Earth wäre für ihn ein Segen, bräuchte er einmal schnell die Ansicht eines sibirischen Dorf, um einen Eindruck für eine Geschichte zu bekommen.

    (Bitte alle Follet-Dooffinder ihm off topic hier nun literarisches Talent absprechen.)

  17. Follet is doof. ☑
    Und der Westen war auch viel schöner, als wir noch nich hinfahren konnten.
    Überhaupt, diese ganze Realität da draußen … nee, geht mir weg damit ….

  18. Tja, hier hats auch nicht viel länger gedauert als beim Bildblog. Die Revolution frisst mal wieder ihre Kinder.

  19. Was mich ja an Google (nicht Street View) aufregt, ist, dass ich in Suchergebnissen immer wieder auf Verweise stoße, die sich auf Springer-Publikationen beziehen. Ich habe das Gefühl, dass sich meine Gehirnzellen zu tausenden in den Freitod stürzen, sobald mein Blick auch nur wenige Wörter dieser Einträge streift.

  20. […] 22. September 2010 von Heinrich Ich beziehe mich auf den Artikel von Paul Jandl in der WELT bei dem die Kommentarfunktion abgeschaltet werden musste, weil einige Menschen sich mal wieder nicht benehmen können. Dann wird die Diskussion im Internet eben outgesourced. Hier ein schönes Beispiel bei Stefan Niggemeier. […]

  21. Der Jandl interessiert mich herzlich wenig. Das Grundsätzliche an dem Gefühl, das er beschreibt, beschäftigt mich aber auch.

    Bereitet man heute eine Reise vor, sucht man ein Hotel im Internet. Kommt man an, kennt man schon die Fassade, das Foyer, die Bar, die Abendkarte und den Cocktail des Tages und natürlich auch schon das Zimmer. Einzig der derbe Duft des Portiers am Ende seiner Schicht ist mir dann noch unbekannt. Ach so, die Musik in der Bar gab es auch schon als CD oder Download und begleitete mich während des Websiteaufenthaltes.

    Man reist quer durch die Welt und kommt nur noch an bekannten Orten an. Das hat schon etwas Entzauberndes. Das Thema ist aber eher eine freie Denkübung über unsere Zeit und kein google-Thema. Aber dann würde es nicht so viele Klicks bringen.

    Das Grundsätzliche an diesem Thema könnte man literarisch ausweiten. Das wäre mein Link zur Literatur.

  22. So ist das eben mit Satire. Die einen verstehen sie, die anderen nehmen sie für bare Münze und echauffieren sich darüber…

  23. Ich stimme Florian zu (#15, #21). Ich habe für wehmütige Klagen über vergangene Zeiten wenig übrig, aber von allen Klagen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, war Jandls Version die sympathischste und dezenteste.

    Seien wir doch froh, dass sich da jemand Gedanken über die kulturellen Auswirkungen von GSV macht, ohne gleich nach einem Verbot zu rufen. Jandl meint nicht „ernsthaft“, dass GSV die Literatur bedroht, sondern nur, dass es imstande ist, sie zu entzaubern. Und das stimmt sogar!

  24. Realen Schauplätze großer Romane im Internet angucken, zerstörtIllusionen?

    Ja, klar. Der alte 50 DM-Schein (mit Holstentor auf der Rückseite) war in meinen Augen auch nichts mehr wert, als ich das Tor in Lübeck im Original gesehen hatte und feststellte, dass es eher klein ist.

    ;-)

  25. @1 Muriel:
    Großartige Idee, da bin ich sofort dabei. Als Protestaktion lege ich mich gleich mal mit Laptop an einen hawaiianischen Traumstrand, um dort meine Umwelt vehement zu ignorieren.
    Die Realität ist ja eh nicht integrationswillig.

  26. die topografische Wahrheit des Unternehmens Google Street View ist auch ein Eingriff in die Privatsphäre der Literatur.

    DAS ist ein Instant-Klassiker der Poesie
    WO hat der Mann diesen Satz geschrieben? Auf welches Stadtviertel fiel sein Blick?

    …damit ich mir das gleich mal in Street View anschauen kann

  27. Ich kann in Jandls Artikel (ein Editoral, keine Glosse…) keine Ironie oder Satire entdecken… Er meint was er schreibt. Das Zitat am Ende widerspricht seinen vorangegangenen Ausführungen.
    Street View scheint für die Einen eher eine Bedrohung ihrer Fantasie zu sein, für die Anderen, so wie mich, ist es eher eine Erweiterung meiner Wahrnehmung (ganz abgesehen von den unzähligen praktischen Vorteilen)

    PS: Wir alle werden Street View nutzen… Alle. All die Jandls und Aigners. All die Häuserverpixler… wir werden durch die Straßen gleiten, fremde oder lang nicht mehr besuchte Orte besuchen, unseren Urlaub vorbereiten, bei Verwandten vorbeischauen, unser Geburtshaus entdecken… und wir werden euphorisch und begeistert sein.

  28. Lieber Stefan Niggemeier,
    habe erst hier herzlich gelacht (Andere Frage: Wo fände der Leser, der Joyces Dublin sehen wollte, auf Google Street View Aufnahmen der irischen Stadt von der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts? Und was ist das für ein drei Meter großer Frosch? made my day :) und dann nochmal bei Paul Jandl. Vielen Dank dafür. Die Überschrift ist übrigens göttlich :))

  29. Um es gleich vorweg zu sagen: Beide Texte, Jandls wie die Replik darauf, sind wie leider so vieles Journalistische knorrig und sperrig. Es wird nicht so recht bzw. nicht so leicht deutlich, was die Dichter überhaupt sagen wollen.
    Nichtsdestotrotz halte ich das Thema für keinesfalls so abwegig wie viele hiesige Kommentatoren, zumal es sämtliche, jedes Menschen Betrachtung der Welt betrifft, nicht nur die literarische. Wie ich das Problem ebensowenig für besonders schwerwiegend halte. Bereits Google Earth hat die Welt in Einheit mit dem Fotodienst Panoramio optisch weitgehend verfügbar gemacht. Das führt natürlich zu einem gewissen Verlust der Neuheit und Unmittelbarkeit erster Eindrücke vor Ort. Andererseits haben Google Earth und Street View die Möglichkeiten exponentiell erhöht, sich in Bälde ein Bild von fast jedem Ort auf der Erde verschaffen zu können und sich damit sozusagen am eigenen Computer von der gesamten Welt indirekt verzaubern und anregen zu lassen. Den Verlust des allerersten Sehens sämtlicher Plätze vor Ort halte ich dagegen für eher verschmerzbar, wenn man dagegen den Blick auf fast sämtliche Plätze dieser erhält. Zumal man einen Ort und seine Atmosphäre ohnehin nur direkt vor Ort erleben und erfahren kann und Fotodienste dafür nur ein Surrogat der Vorkenntnis und „Vorerfahrung“ sein können. Fotos von der Welt gab es ja längst vor Google, z.B. in Bildbänden, Zeitungen, Fernsehreportagen usw. – optisch völlig unbekannt war die Welt also auch vor Google schon nicht.

  30. „Liebe Leser, WELT ONLINE hat aus technischen Gründen die Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen. Wir bitten um Ihr Verständnis.“

    lol

  31. @38: Verstehe ich das richtig, dass sie Ihr Urlaubserlebnis über die Hotelfassade, das Foyer, die Bar und den Cocktail des Tages definieren? Nicht über die (am besten mit lieben Mitmenschen geteilte) Erfahrung des Besuchs des Hotels (oder, weniger schnöde, interessanter Orte in dessen Umgebung)?

  32. „Jandl“ – der Name klingt nach Österreich. Wikipedia sagt: IST Österreich.
    Reicht das? Eigentlich nein, denn die „Erkenntnisse“ über Jandls Denkweise würden dann ja nur auf Vorurteilen gegenüber Österreichern beruhen. Darum wäre es hilfreich zu wissen, ob Jandl Katholik ist und/oder der ÖVP anhängt…

    (Wer Ironie… – wissenschon)

  33. Ich wünsche mir einen Blogeintrag von Stefan Niggemeier zu dem Unsinn, den Frank Schirrmacher über das www denkt.
    Ich habe den gestern wieder im TV gesehen bzw. gehört wie er irgendeinen Unsinn über das www und Mobiltelefone geredet hat.

  34. Aha. Jetzt kann ich einen Roman schreiben, und der Ort, an dem der spielt, muss dann abgesperrt werden. Sonst könnte da doch jemand hingehen! Und sich die Illusion rauben lassen! Uah!

  35. Ich gebe mal die Mady Riehl: Ein „sich“ ist doppelt, das müsen wir abziehen, bzw durch „Sie“ ersetzen (vor „das Bild von Montauk bewahren“).
    Zur Sache: Ich bin froh, dass ich Artikel wie den des Herrn Jandl nicht zu Gesicht bekomme, weil ich die Welt nicht lese. Und wenn mich der gute Herr N. darüber in Kenntnis setzt, dass ich mich wenigstens nicht mehr darüber aufregen muss, weil er das schon viel amüsanter für mich erledigt hat.

  36. Unter dem Artikel ist zu lesen: „Liebe Leser, WELT ONLINE hat aus technischen Gründen die Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen. Wir bitten um Ihr Verständnis.“ Aus „technischen“ Gründen?? Liebe Welt, wenn die Kommentatoren schreiben, was für ein Blödsinn der Artikel ist, ist das kein technischer Defekt. Will man rufen und Leserschutz fordern.

  37. @ Alex (#59): Wieso Leserschutz? Der wird dort doch gerade sehr ernst genommen: Man schützt die Leser vor den unsinnigen, böswilligen und danebenen Kommentaren, die die ganzen Niggemeier-Claqueure dort wahrscheinlich zu Dutzenden abladen würden, wenn man sie denn ließe.

  38. Google Brainview ist gut. Dann kann vielleicht im Hirn des Autors jeder künftige Romanschauplatz im voraus erahnt werden. Und plötzlich gehen in einer bestimmten Straße die Mieten hoch, weil sie bald Schauplatz eines Bestsellers werden wird. Und der Autor vorher dort alles aufgekauft hat.

  39. Es wird zwar viel dummes Zeug über Google Street View geschrieben – aber einer journalistischen Gattung sehe ich jede Kritik nach: Wenn im Feuilleton der Verlust von sentimentaler Ahnungslosigkeit und simplem Fernweh beklagt wird, dann ist das absolut in Ordnung.

    Es steht dick Editorial drüber. Und ebenso wie mancher Google-Kritiker zu reflexartig reagiert, ist manchmal die ebensolche Kritik daran übertrieben.

    Als eifriger Buchleser kann ich nachempfinden, was Herr Jandl da eigentlich beklagt. Und dass Google hier nur zum Symbol wird. Eigentlich geht’s aber um etwas anderes: Dass alles ans Licht gezerrt wird und für die Vorstellung und die Fantasie kein Raum mehr bleibt vor lauter Wahrheit und Realität.

    Nur mal am Rande.

  40. Bin erst mal ganz geil geworden, bei dem Gedanken an den Frosch, der einer Joyces Dublin beim nackig machen zuschaut, dann hat mich die Realität wieder eingeholt. Aber im Ernst: bei manchen Redakteuren, wäre ich froh, wenn sie vor einem Bericht mal den Ort ihrer Beschreibungen googeln würden. Unwissenheit macht sicherlich auch sexy, aber Fiktion und Prosa sollten immer schön getrennt bleiben. Zudem: wer die „Welt“ lesen muß (warum sollte ich das freiwillig tun???), der hat ganz andere Probleme!

  41. Guter Text, nicht anders zu erwarten, aber alle, wirklich alle verfügbaren Daumen hoch gibts für die göttliche Überschrift. Wenn das mal kein Sinnbild für die gesamte Diskussion darstellt^^

  42. @keks (65): Vielleicht lässt sich das ja auch irgendwann andersrum nutzen, so wie Lautsprecher und Mikrofon zumindest prinzipiell austauschbar sind. Dann könnte man, ausreichende Liquidität vorausgesetzt, irgendein Nest komplett aufkaufen, dann Ken Follett oder John Grisham oder so jemandem die Idee ins Hirn blasen, dort ihren nächsten Roman spielen zu lassen, und bei dem dann einsetzenden Run auf die Immobilien kräftig absahnen.

    Gegen solche Manipulationen wollen die Leute sich natürlich schützen. Also wird jemand Software zum Schutz des Hirns gegen das unbefugte Auslesen der Hirnströme auf einen Chip schreiben, den man sich dann irgendwo implantieren lässt. Oder man versucht, das Auslesen durch andere Mittel zu verhindern, etwa mit Bleimützen o.ä. Ein ganzer Industriezweig wird sich daran goldene Nasen verdienen, und das ganze wird die Entwicklung in Richtung Cyborg wesentlich beschleunigen.

  43. Aus Literatensicht kann Google Street View ja eigentlich nur helfen. Zitat aus einem Q&A mit William Gibson:

    Q How much steeping do you do in your locations while writing? Hotels, cities, transportation options?
    A […] I do virtual steeping. Google Earth Street View is a spooky thing, that way.

  44. Also ich hab schon in einigen Städten Urlaub gemacht. Und die sahen auch nicht so aus wie in manchen Romanen. Und nun? Urlaub verbieten?

  45. @ 68 Carsten:

    Moechte Ihnen gern Recht geben.
    Aber Jandl kommt aufgekratzt daher wie ein Schirrmacher auf wasauchimmer, weshalb ich ihm Ihre klugen Ueberlegungen nicht so zuschreiben kann.
    Vielleicht ist es ein Internet-Phaenomen, dass jetzt auch Feuilletonredakteure unbedingt aktuell heissdiskutierte Schlagworte in ihre Texte einpflechten, um ueber Google hohe Klickzahlen zu erreichen – unabhaengig davon, wie gut sie zum Thema passen.
    Vielleicht haette sich Jandl auch auf so schreckliche Technikmonster wie diese verfluchte >>Photographie<< stuerzen sollen. Es waere nur konsequent.

  46. Danke an den Hausherrn für den Hinweis auf dieses Kleinod. Die Kritik halte ich für unangebracht. Ich finde Jandls Text beeindruckend. Ich mag Romantiker eigentlich nicht so sehr, aber in einer Technologie-Diskussion ist Jandls Standpunkt wahrscheinlich die Meta-Ebene – das hat Witz, das regt an. Er widerspricht sich in meinen Augen überhaupt nicht, er liefert einen sehr persönlichen Beitrag. Hat er gut gemacht.

  47. Beeindruckende Logik, die Herr Jandl da an den Tag legt. Wenn er das wirklich ernst meint – dann müssen wir uns alle einschließen und nie mehr vor die Tür gehen.

    Vor Jahren hab ich mal einen Kurzurlaub in Dublin verbracht. Sicher, das ist nicht das Dublin von Joyce, dafür bin ich etwas zu spät dran – aber immer noch früher als GSV.

    Heißt das jetzt, ich darf niemals Joyce lesen, weil ich Dublin schon gesehen habe?

    Dann hoffe ich für den Durchschnittsdeutschen, dass nie ein Roman den Ballermann als Handlungsort hat. (Obwohl, das dort anwesende Klientel kommt literaturtechnisch vermutlich nicht über die Warnaufdrucke auf den Zigarettenschachteln hinaus.)

  48. @JOdysseus:

    Ich alter, grauer polyphem
    gesteh, dass ich mich etwas schäm.
    Ich machte es mir zu bequem.
    Lehrt mich doch WIKIPEDIA:
    „Ein Blender kommt von Ithaka
    und bringt dein Auge in Gefahr.“

    Bei Jandl kann ich nicht Ernst bleiben. Aber ich will mich bessern und zukünftig auch Wikipedia konsultieren, bevor ich hier allzu spontan mein stupendes Nichtwissen zelebriere.

  49. Der Artikel von Jandl ist jedenfalls besser als seine Einlassung darauf.
    Man hat beinahe den Eindruck, dass St. Niggemeier ihn unbedingt missverstehen möchte.
    „Google schreibt an einem eigenen Roman, der die Entdeckerlust anstachelt, um die Fantasie zu enttäuschen.“ Steht doch exakt da, wie es gemeint ist.

    Jandls Denkfehler liegt aber eher darin(nimmt man ihn wörtlich), das wer heute literarische Orte googelt, bereits ein spezifisches Interesse für Literatur zeigt, denn bei ihm das Gegenteil davon zu vermuten. Und das trifft dann eben doch auf die wenigsten zu.

  50. Die idee, kafkas schloss per street view besuchen zu wollen, die hat schon was. Steht das ding eigentlich gleich neben den sprichwörtlichen böhmischen dörfern? Ich würd mir gern auch camelot anschaun. Und entenhausen sowieso. Aber ich fürchte, all diesen wünschen steht die realität im wege.

    Ok, dass jandl kafkas schloss in diesem zusammenhang erwähnt, spricht, neben der allgemeinen absurdität des artikels, für die absicht, sowas wie eine satire schreiben zu wollen. Leider kann man aber nicht behaupten, dass dem autor die umsetzung besonders gut gelungen wäre.

    Selbst wenns nur eine art von poetischer reflexion sein soll, sind mir dafür zuviele faktische fehler drin. Zb. hab ich mir die mühe gemacht, mir die streetview-bilder vom comer see anzuschauen. Entgegen jandls behauptung sind die passanten dort sehrwohl verpixelt bzw. „verwischt“. Im gegensatz übrigens zu den kunden und bediensteten eines chinesischen massage-salons auf einem foto nur 2 klicks entfernt auf welt.de http://www.welt.de/vermischtes/article9631425/Hier-wurden-Chinas-Beamte-beim-Schwaenzen-ertappt.html . Aber da nicht allzuviele bekannte romane von diesem etablissement handeln, ist das wahrscheinlich nicht so schlimm. Und chinesen schaun angeblich eh alle gleich aus.

  51. @68 das war aber ziemlicher Humbug am Rande. Denn niemandem ist sein sentimentales Fernweh genommen, da niemand gezwungen wird, die ganze „Wahrheit und Realität“, die „ans Licht gezerrt wird“ wahrzunehmen.
    Oder sollen auch alle Ihre Telefone einstampfen und das Internet nicht mehr nutzen, weil postkutschenbeförderte Briefe viel romantischer waren? …

  52. #60 Neiiiiiien! Bitte keine Science-Fiction lesen, denn sonst wissen Sie ja schon, wo Sie zu einem gewissen Zeitpunkt in der Zukunft nicht hin dürfen!

    Ansonsten bastel ich mir nachher eine Hardwarelösung für das Problem, muss noch ne alte Brille und schwarzen Autolack besorgen.

  53. An einigen Kommentaren hier finde ich problematisch, dass sie Jandl unterstellen, er befürworte ein Verbot. Das tut er nicht. Und wir müssen uns auch nicht alle „einschließen“ oder unsere „Telefone einstampfen“. GSV schafft einen Reiz, dem nachzugeben man hinterher vielleicht bereut. So wie zuviel Alkohol trinken. Wer sagt: „Von Alkohol kann man einen Kater bekommen“, verlangt noch keine Prohibition.

  54. @polyphem
    Ach, vergessen Sie mal Wikipedia und nehmen Sie mich bitte nicht so wichtig; ich bin doch nur Niemand. – Wir sollten lieber mal einen trinken gehen…

  55. @ 77 janosch

    Schöner Verweis auf die Fotografie – die ja nach Jandls Logik auch nichts anderes täte als Joyces Dublin unverstellt zu zeigen. Vielleicht nicht einmal aus der Frosch-Perspektive, sondern aus allen möglichen…

    @ 83 Jan

    Humbug? Ich habe lediglich kommentiert, dass Jandls Text ganz offensichtlich keine ernsthafte Kritik an Googles Street View war, sondern eher ein feuilletonistischer Bezug. Und das ist auch völlig legitim, selbst wenn Herrn Jandl da einige „Argumente“ etwas durcheinandergeraten sind.

    Ich habe überhaupt keine Aussage darüber getroffen, dass am Ende jeder selber entscheiden muss, ob und wie er Angebote wie Street View nutzt. Dass das so ist, ist doch völlig unstrittig. Insofern verstehe ich nicht, wieso mein Beitrag Humbug sein sollte.

  56. @Gregor Keuschnig #89: Der Leser muss aber schon wirklich sehr seh sehr geneigt sein, um bei Jandl Ironie erkennen zu wollen.

  57. @JO: Niemand ist mir so wichtig wie Sie.

    Einen trinken. Gern. Wählen Sie Zeit, Ort und Flaschen.
    Brauchen wir Sek(t)und(T)anten?

  58. Großartig! Comedy Gold! Chapeau, Herr Jandl! Ich bin für die Zusammenlegung der Ressorts „Kulturpessimismus“ und „ich sitze im Bundestag“ für einen neuen Quotenbrecher unter den Fernsehhumorsendungen.

  59. Ich hätte den Artikel nun auch für eine gar nicht mal so schlechte Satire gehalten, welche etwas verspätet die ganze Weltuntergangsommerlochhysterie um Street View auf’s Korn nimmt. Auf die Idee, der Autor könne das womöglich ernst meinen, wäre ich ehrlich nicht gekommen. *kopfkratz*

  60. Ach, ihr Abkürzungsfanatiker. Erst ab Kommentar 42 ging mir langsam das Licht auf, dass GSV hier keineswegs „Geschlechtsverkehr“ bedeutet. Danke.

  61. @ 46 „PS: Wir alle werden Street View nutzen… Alle. All die Jandls und Aigners. All die Häuserverpixler… wir werden durch die Straßen gleiten, fremde oder lang nicht mehr besuchte Orte besuchen, unseren Urlaub vorbereiten, bei Verwandten vorbeischauen, unser Geburtshaus entdecken… und wir werden euphorisch und begeistert sein.“

    Ist das jetzt die hier andauernd erwähnte „Ironie“?

  62. Ich habe gerade mein Nachbarhaus fotographiert. In Verbindung mit meinem Internetzugang ergebe ich jetzt wohl eine ziemlich prekäre Kombination.

  63. Ich gestehe, ich habe GSV nie unter dem Gesichtspunkt des Herrn Jandl gesehen. Ich bin aber dankbar für diesen neuen Gedankengang.

    Ich hab mit 12 Via Mala gelesen, war total begeistert, meine Großmutter fuhr dann mit mir hin, ich war schwer entäuscht, daß es gar nicht so der Beschreibung entsprach.
    Ähnlich ging es mir bei den Buddenbrocks und dem Zauberberg.

    Wenn ich denke, was ich dank GSV jetzt wohl an Reisekosten sparen kann. Das ist enorm.

    Ich weiß nur noch nicht -aber vielleicht findet Herr Jandl oder ein anderer dafür eine Lösung – wie ich damit umgehen soll, daß ich trotz der Enttäuschung die Bücher immer noch mag, obwohl ich weiß, daß die Beschreibung im Buch und die Tatsachen irgendwie…na ja…lassen wir das.

    Ich glaube, ich werde in Zukunft nur noch Bücher lesen die entweder langweilig, da phantasielos sind oder vielleicht ein bißchen Sci-Fi – oder gibt es auch im Weltall schon GSV?

    Gehören zum Springer Konzern eigentlich keine Reiseveranstalter oder Hotelketten?

  64. Da suche ich über GOOGLE etwas über Ernst Jandl und lande ausgerechnet hier. ;-)

    Zur Welt, die bringt teilweise schon absurde Artikel, z.B. McCarthy war ein Gutmensch, über Amateurgolfmeisterschaften in Pjöngjang, über den Parteitag der kommunistischen Partei Japans, oder daß die Arbeitslosen in D viel zu viel Geld bekommen und deshalb die Anreize fehlen eine Arbeit aufzunehmen.

    Sollte sich vielleicht in PARALLEL-WELT umbenennen.

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