Fort Boyard

Der Star ist die Festung. Ab Sonntag läuft FORT BOYARD — eine Abenteuershow, die vom Atlantik aus fü die ganze Welt produziert wird.

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Das Ding ist wirklich eine Attraktion. Kein Andenkenladen an der französischen Atlantikküste rund um La Rochelle, der nicht Postkarten, Wanduhren und Aschenbecher vom Fort Boyard hat. Künstler verkaufen Miniaturen; Boote nehmen Kurs auf die 150 Jahre alte Festung — doch rein kommt man nicht als Tourist, rein kommt man nur als Kandidat. Vor elf Jahren hat der Staat das Fort, dessen Bau Napoleon begann, an den heute 76-jährigen Jacques Antoine verpachtet, einen Verrückten, der sich für alles begeistert, was mit Abenteuer zu tun hat: Seine Firma Expand benutzt die Feste als Spielfeld für Fernsehshows, die sie in alle Welt verkauft. Zuvor wurden für sieben Millionen Dollar bröckelnde Mauern repariert, die Fassaden poliert und Kabel verlegt, Verließe in Spielkammern, Regieräume und Garderoben verwandelt. Selbst eine Kantine für die 100 Mitarbeiter gibt es. Jetzt ist Fort Boyard den ganzen Sommer ausgebucht. Bis September kommen Teams aus zehn Ländern und nehmen insgesamt 150 Shows auf. Mitbringen müssen sie nur ihre Kandidaten und Moderatoren — alles andere macht Expand. Für Länder wie Ungarn, Polen oder Argentinien die einzige Möglichkeit, sich eine aufwendige Abenteuershow leisten zu können.

Auch Deutschland ist dieses Jahr wieder da. Vor zehn Jahren lief „Fort Boyard“ schon einmal auf Sat 1, doch damals wollte es kaum einer sehen. Nun versucht es Pro Sieben vom kommenden Sonntag an mit sechs neuen Folgen, immer um 18 Uhr. Und mit Prominenten wie Suzanne von Borsody und Ingo Appelt, die durch Spinnen krabbeln oder Bungee springen müssen, nur um ihr Preisgeld am Ende für einen guten Zweck ihrer Wahl zu spenden. Alles läuft am Fließband: Bei der letzten deutschen Aufzeichnung sind schon die Argentinier da, um am nächsten Tag anzufangen, ihre Folgen aufzunehmen.

Die Produzenten aus dem Ausland können aus einem Expand-Katalog von 55 unterschiedlich schweren Aufgaben diejenigen auswählen, die sie ihren Kandidaten zumuten wollen. „Psychologie und Emotionen funktionieren überall auf der Welt gleich“, sagt Patrice Laurent, der Abenteuerchef bei Expand, die Details lassen sich anpassen: „Ein Produktionspartner aus dem Zielland ist immer dabei und weiß, was dort ankommt.“ Die Skandinavier etwa sehen ihre Stars gern in Extremsituationen, die Franzosen selbst mögen Mystery in ihren Shows; Pro Sieben hat sich für Harmloseres entschieden. Sie ersetzten etwa einen greisen Turmwächter mit Zaubererbart durch die „Glücksrad“-Buchstabenfee Sonya Kraus.

Wenn im Herbst die See um das Fort zu rau wird, zieht ein Teil des Expand-Teams in die jordanische Wüste, vor die Dominikanische Republik oder nach Mexiko, um dort ähnliche Abenteuerspiele im Sand, unter Wasser und auf Eisenbahnschienen aufzunehmen. Für die Zug-Show hat Expand acht Kilometer Gleise verlegt — mit Parallelstrecke für die Kameras. Der Aufwand ist nötig, behauptet Laurent: Gameshows im Studio hätten nie den gleichen Reiz. Jahrhundertealte Steine, echte Tiger oder die Brandung des Meeres wie rund ums Fort Boyard lassen sich nicht nachbilden. Dass die Fluten der Atlantik sind oder der Sand in Jordanien liegt, ist dem internationalen Publikum egal. Burg, Meer, Wüste — so etwas funktioniert immer und überall.

Deshalb könnten Abenteuershows nicht nur Ländergrenzen überschreiten, sondern auch Trends wie den Reality-Boom überdauern. Von Experimenten wie dem „Inselduell“ hält Laurent wenig: „Die Angst auf den Gesichtern der Kandidaten kriegen wir auch hin, ohne sie echter Gefahr aussetzen zu müssen.“

Pro Sieben hat sich eine Option auf alle Expand-Shows gesichert; Tresor-TV, der deutsche Produktionspartner, will zum Experten für das Genre werden. Und in ein paar Jahren wird vielleicht eine Sehenswürdigkeit in Deutschland zum Spielfeld, auf dem Kandidaten aus aller Welt herumturnen. Muss ja nicht gleich Neuschwanstein sein.

(c) Stern