stern.de: Anatomie einer Attrappe

Auf den ersten Blick ist es leicht, stern.de mit dem hochwertigen journalistischen Angebot zu verwechseln, als das es sich ausgibt. Auf der Startseite verbinden Fotos aktuelle Themen zu großen Blöcken; im Inneren sprudeln rund um die Uhr die Nachrichten.

Der Verlag Gruner+Jahr nennt stern.de „eine Art ‚Antwortmaschine‘ von Menschen für Menschen. Alle Nachrichten werden auf ihre Bedeutung für den User fokussiert und mit weiterführenden multimedialen Inhalten verlinkt“. Der Werbevermarkter ems schreibt, stern.de richte sich „an alle, die aktuelle Themen nicht nur wissen, sondern deren Bedeutung für ihr Leben verstehen wollen“. Chefredakteur Frank Thomsen zählt seine Seite zur „Spitzengruppe“ der „News-Websites“.

Nun.

367 Artikel hat stern.de gestern veröffentlicht. Knapp 300 davon sind Agenturmeldungen, die vollautomatisch in den „Nachrichtenticker“ von stern.de einfließen. Es verbleiben 76 Artikel (Übersicht).

Davon sind:

  • 33 Text-Meldungen von Nachrichtenagenturen
  • 23 Videos der Nachrichtenagentur Reuters
  • 4 Promotion-Artikel für „Stern-TV“
  • 3 Übernahmen aus anderen Medien (RTL, „Finanztest“, FTD)
  • 5 Bilder-Galerien

Es verbleiben:

  • 8 Eigenberichte

Die mehr oder weniger eigenen Berichte sind:

Davon müsste man jetzt, streng genommen, noch den Artikel über die neuen Gepäckregeln bei der Lufthansa abziehen, der vor allem aus der — teils wörtlichen — Übernahme einer Lufthansa-Pressemitteilung besteht.

Die eigene journalistische Leistung von stern.de bestand gestern also im Wesentlichen aus einem Videointerview mit den Söhnen Mannheims, einem Stück über die Bundeswehrreform und einem Artikel über Kritik an Vogelruf-Apps.

Nun steckt natürlich auch in den Agenturmeldungen, die stern.de nicht bloß in den Nachrichtenticker fließen lässt, Arbeit. Die Redaktion redigiert oder kürzt sie, baut Links zu eigenen Seiten und Quellen ein und denkt sich gelegentlich originelle Überschriften aus. Die Meldung, dass sich Xavier Naidoo keinen Stadtplan auf seinen Rücken tätowieren lassen will, betitelt sie: „Xavier Naidoo: Ein Stadtplan auf dem Rücken“.

Das war an einem zufälligen Tag (gestern) das Internetangebot des „Stern“: Knapp sieben eigene Artikel und fünf Bildergalerien, angereichert mit Hunderten von Agenturen eingekauften Meldungen, die exakt oder annähernd wortgleich überall sonst stehen.

Das Online-Angebot des „Stern“ hat sich in den vergangenen Jahren von einem großen Teil seiner Mitarbeiter und ungefähr jedem inhaltlichen Anspruch verabschiedet. Als nicht mehr genug Leute da waren, um damit die acht Textressorts zu füllen, löste man die Ressorts auf. Unter den Namen „Projekt Blau“ wurde das zur strategischen Entscheidung verbrämt. Seitdem gibt es nur noch die Ressorts Nachrichten und Wissen — sowie anscheinend eine Stabsstelle, die sich überraschend Formulierungen über die Arbeitsweise der Redaktion ausdenkt, die weitestmöglich von der Realität entfernt sind. So sagte Frank Thomsen im vergangenen Jahr im Braanchendienst „Meedia“:

Wir wollen künftig mutiger auswählen, entschiedener im Umgang mit den News sein. Wir werden uns redaktionell auf die Topthemen konzentrieren und dazu mehr und vertiefende Inhalte anbieten. (…) Der Grundgedanke lautet: mehr in die Tiefe als in die Breite denken und lieber am Rand etwas weglassen. Austauschbare Nachrichten gibt es genug. (…) Wir setzen auf die großen Themen, hier wollen wir Fachkompetenzen bündeln.

Das wäre eigentlich ein treffender Werbeslogan für stern.de: „Austauschbare Nachrichten gibt es genug, und bei uns stehen sie alle!“

Dass auf stern.de praktisch keine wertvollen Inhalte stehen, ist kein Versehen, sondern Absicht. Beim „Stern“ ist man überzeugt, dass das das Schlimmste wäre, das man tun könnte: Dinge mit Wert für den Nutzer kostenlos abgeben. Deshalb finden sich praktisch keine Inhalte aus der Zeitschrift auf stern.de. Und deshalb lassen sich die meisten „Stern“-Redakteure auch nicht dazu herab, für stern.de zu schreiben.

Erstaunlicherweise nennt stern.de-Chefredakteur Frank Thomsen sein Angebot dennoch ein „modernes journalistisches Angebot, das u.a. junge Zielgruppen an die Marke stern bindet und das Geld verdienen soll“. Woher Menschen, die Medien eher im Internet als auf Papier konsumieren, ahnen sollen, dass es sich beim „Stern“ nicht um eine Illustrierte handelt, in der eine Agenturmeldung an die andere gereiht wird, bleibt bei diesem Vorgehen, das man nicht einmal euphemistsich „Strategie“ nennen möchte, natürlich offen.

Das Online-Angebot des „Stern“ ist die Antwort des Verlags Gruner+Jahr auf die Frage: Was machen wir im Internet, wenn wir nichts im Internet machen wollen? Es ist der Versuch, mit überwiegend eingekauftem Allerweltsmaterial durch geschickte Verpackung ein eigenständiges Medium zu simulieren. Relevanz ist dabei verzichtbar, solange die Reichweite stimmt.

Und tatsächlich steigen gerade die Besucherzahlen von stern.de. Es ist der Rumpfproduktion offenbar gelungen, ihren aufgemotzten Agenturticker so zu präsentieren, dass er von Google und vielen Lesern tatsächlich versehentlich für ein eigenständiges journalistisches Angebot gehalten wird. Man muss sie für diesen Erfolg bemitleiden.

Nachtrag / Korrektur 18:35 Uhr. Ich hatte einen Artikel übersehen. Eine ganz exakte Zählung ist allerdings auch deshalb schwierig, weil stern.de das Veröffentlichungsdatum teilweise nachträglich zu ändern scheint.

106 Replies to “stern.de: Anatomie einer Attrappe”

  1. Reich-Ranicki würde jetzt sagen: „Danke für die Warnung!“
    Das nützlichste, was diese Website bietet, ist das Inhaltsverzeichnis der gedruckten STERN-Hefte. Wo man das findet? Ganz versteckt, unter http://www.stern.de/magazin

  2. Ist es angesichts der Print-Ausgabe des „Stern“ andererseits verwunderlich, dass die Online-Ausgabe qualitativ minderbemittelt ist? Oder anders gefragt: liegt der Schwerpunkt beim „Stern“ nicht sowieso eher auf gutem Bildmaterial als auf inhaltlicher „Tiefe“?

  3. „Wenn im Wald die Smartphones zwitschern“ – Gefahrenquelle Vogelruf-Apps. Allein dieses brennendheiße Beispiel eines so investigativen wie preisverdächtigen Journalismus verdient Hochachtung. Aber allerhöchste! ;-)

    Danke für den Beitrag!!

  4. „Und tatsächlich steigen gerade die Besucherzahlen von stern.de. Es ist der Rumpfproduktion offenbar gelungen, ihren aufgemotzten Agenturticker so zu präsentieren, dass er von Google und vielen Lesern tatsächlich versehentlich für ein eigenständiges journalistisches Angebot gehalten wird.“

    Also: Gute Journalisten und schlechtes Management. Wie momentan (fast) überall in der Branche…

  5. Es gibt mindestens noch einen weiteren Eigenbericht vom 17. Mai 2011, in dem bezeichnenderweise gleich der erste Satz daneben liegt: Die 45.000 Zuschauer beziehen sich auf das Gelände des Kennedy Space Centers, zu dem das Flugzeug sicherlich nicht gehört. Insgesamt sahen den Start vor Ort rund um Cape Canaveral geschätzt eine halbe Million Menschen.

  6. Jetzt lassen wir mal die leeren Phrasen beiseite die in dieser Form sicher viele (deutsche) Zeitungs- und Medienmenschen zum besten geben, wie dass hier stellvertretend fuer den Stern geschildert wird und es bleibt (nach Massgabe von G+J) ein erfolgreiches Web-Projekt uebrig: Mit wenig Eigenanteil und Leuten ein passables Webangebot aktuell halten das sich sogar leicht steigender Beliebtheit erfreut-Win! So denken (deutsche) Verleger und solange sich der Papier-Stern gut verkauft wird sich an dieser Haltung auch nichts aendern. Das Modell funktioniert noch ganz brauchbar und somit hat Stefan eigentlich nur das tolle Marketing von stern.de beleuchtet ;)!

  7. @9 Ja, „noch“. Aber wie überzeugen Sie die jungen Leute davon, sich einen Stern auf Papier zu kaufen? Ti*** auf dem Titel reichen heute nicht mehr (muss auch noch Ar*** sein..Och nee, nicht wieder Guttenberg)

  8. Die entscheidende Frage ist am Ende doch: Mit welchem Geschäftsmodell kann ich als Verlag im Internet Geld verdienen? Bei dem minimalen Aufwand, den der Stern für ein dann doch häufig genutztes Angebot betreibt, kann ich mir gut vorstellen, daß man beim Stern darauf eine Antwort gefunden hat.

  9. „Online-Redakteure“ heissen die Angestellten der Verlage oft gar nicht mehr, „Content-Aggregatoren“ und ähnliche Selbstbezeichnungen treffen es besser. Was die Reichweite betrifft: Sie können locker ihre Abrufe um 10, 20 Mio PIs im Monat steigern, indem Sie Reichweite einkaufen. Das funktioniert so gut, dass sich mancher Verlag fragt, warum er statt dessen in teuren Journalismus investieren sollte, der dazu noch nicht einmal kurzfristig die Abrufe nach oben treibt.

  10. Ich meine mich zu erinnern, dass es am 4. März und am 25. April auch eigene Berichte gegeben hat. Auf lange Sicht kommt also doch einiges zusammen.

  11. Jetzt würde mich die selbe Auswertung für Spiegel & Co. interessieren. Wer mag? Das wäre ein toller Vergleich, zumindest zu einem fixen Zeitpunkt.

  12. Ich glaube ich war noch nie auf der Seite vom Stern. Eine Auswertung der anderer Seiten, also Spiegel, Focus, und wie sie alles heißen, wäre bestimmt genauso erschreckend.

  13. Schöner Artikel! Der ESC war ja nett, aber das alte Handwerk (wenn ohne Sympathien die Meinungen knirschen) ließt sich einfach am besten =)

  14. Thomas Osterkorn, Chef vom Holz-Stern, war einer der Gäste beim letzten Media Coffee neben u.a. Sascha Lobo und Katharina Borchert. Seinen genauen Wortlaut hab ich schon vergessen, aber ich erinnere mich noch an das Gefühl, die Karikatur eines ahnungs- und konzeptlosen Redakteurs zu sehen, der angesichts der Bedrohung seines Standes durch das Internet von seinem hohen Ross herunter dicke Backen macht. Das scheint sich ja wie ein roter Faden durch den Laden zu ziehen.

  15. @aristokitten (22): Angesichts der Moderation Knüwers dachte ich, dass Konzeptlosigkeit das, nunja, Konzept dieser Sendung war. Insofern hat sich Osterkorn doch ganz gut geschlagen.

    stern.de macht wohl recht viel falsch. Eine gute Entscheidung war jedoch seinerzeit, sich als Partner der Trollsenke shortnews.de verabschiedet zu haben. Dort hat man offenbar einen Schock für das Leben erfahren, was eine große Mitarbeiterzahl (in Form von unbezahlten Leser-Schreibern) angeht.

  16. … eine wirklich interessante Auflistung. Wobei man denke sollte, daß das Online-Angebot auch immer Appetit auf die Printausgabe machen sollte. Bei Gruner + Jahr ist man offensichtlich anderer Meinung.

    @ Technikfaultier

    Zitat: „Eine Auswertung der anderer Seiten, also Spiegel, Focus, und wie sie alles heißen, wäre bestimmt genauso erschreckend.“

    Eben nicht. Sonst würde stern.de ja nicht so negativ hervorstechen. Vor allem für SPIEGEL-Online gilt das nicht. Auch dort stört zwar die zunehmende Boulevardisierung, und doch gehört SPON noch immer zu den lesenswertesten deutschen Internet-Angeboten.

  17. Man kann stern.de wegen wenig Eigenleistung ebenso kritisieren wie Stefan Niggemeier wegen seiner tagelangen Beschäftigung mit dem Schlager-Wettbewerb.
    In beiden Fällen fehlt mir eine einsichtige Grundlage für Kritik. Stefan Niggemeier kann bloggen, was er will. Und G+J kann stern.de so betreiben, wie es dem Konzern lieb ist.

    Es gibt eine Menge Medien im Papier und im elektronischen Sektor, welche nicht annähernd das bieten, was sie versprechen. Ja, und?
    Kann man es G+J vorwerfen, nicht mehr in ein Format zu investieren, welches nichts abwirft? Falls jemand eine Idee präsentieren kann, wie anspruchsvoller journalistischer Inhalt hierzulande im Web gewinnbringend geboten werden kann, wäre das jetzt eine Gelegenheit.
    Über Medien und Journalismus zu schimpfen, ist leicht. Was wir aber viel mehr brauchen, sind Ideen und konstruktiv-realistische Vorschläge.

  18. .. und von der Art wie dieser Content dann (mit so ziemlich dem aufdringlichsten was ich bisher an Werbetricks und Clickjacking Bannertechnik gesehen habe) vermarktet wird wollen wir lieber gar nicht erst anfangen!

  19. @ theo

    … Ihre Kritik kann ich nicht nachempfinden. Früher waren Stern und Spiegel mal fast ebenbürtig, was den Erfolg betraf. Und deshalb überrascht es mich schon seit einiger Zeit, warum ich bei stern.de oft schon nach wenigen Minuten kaum noch Interessantes finde. Kein Wunder, wenn man das meiste schon auf anderen Portalen gelesen hat. Daß dort aber der Fremd-Anteil derart hoch ist, weiß ich erst seit jetzt.

  20. @ Ben-99:
    nee, das stimmt leider nicht. ich lese SpOn auch sehr gerne, aber von qualität (ausschließlich) kann da nun nicht die rede sein. die themen sind sehr viel boulevardesker geworden seit ein paar jahren, die übernahme von agenturmeldungen ist auch sehr hoch, und teilweise sind die artikel auch in ärgerlichen klickstrecken untergebracht. ich verstehe aber, dass sie es nicht wahrhaben wollen; war bei mir auch lange so. es ist einfach der mangel an alternativen, der SpOn immer noch gut aussehen lässt. auch für mich.

  21. allerdings – zu SpOns ehrenrettung: da hat man tatsächlich manche magazin-artikel (quasi als teaser fürs print-magazin), und manche ein paar tage nach heft-veröffentlichung. das find ich schon gut.

  22. Großes Dankeschön für diese hervorragende und bissige Analyse! Es freut mich, mal wieder einen „Niggemeier at his best“-Eintrag hier zu sehen, der nicht von persönlichen Ressentiments beeinflusst ist ;-)

  23. Da hat sich ein Printmagazin also für eine reduzierte Online-Strategie entschieden, die auch durchaus performt und keine Lügen berichtet, obgleich keine Tiefenberichte bietet, und dann kommt unser Muffelchen und findet das nicht gut, hat aber außer dem üblichen Pauschalgehader nichts auf der Pfanne, schon gar keine ökonomisch begründeten Gegenrezepte und noch nicht einmal eine ökonomisch fundierte Betrachtung des Gesamtmarktes, der nur wenigen newsgetriebenen Angebote Luft zum refinanzierbaren Atmen lässt? Ach Muffelchen, muffel on my dear, na klar, aber lüfte trotzdem manchmal durch.

  24. Zumal der Artikel von Naidoo schon ein paar Jahre alt zu sein scheint, denn er handelt von einer in der Zukunft liegenden Albumveröffentlichung im Jahr 2007. *räusper*

  25. @theo (und andere)

    Ihre Meinung in allen Ehren – ich stimme sogar zu, aber hier geht es in erster Linie nicht (nur) um die Inhalte selbst, sondern vielmehr um die schreiende Diskrepanz dieser Inhalte zum Selbstverständnis und zur Außendarstellung des Mediums. Wenn ich den Anspruch auf hochwertigen Journalismus abseits austauschbarer Agenturmeldungen erhebe, dann muss ich ihn auch erfüllen.

  26. StePi:
    Sehe ich genauso wie Sie,

    Aber wenn man dieses Kriterium (Anspruch und Wirklichkeit) mal einen Tag lang auf alle Produkte gleichwelcher Art anlegt, bekäme man Kopfschmerzen. Gerade eben im WDR-Radio auch wieder ein Bejubeln des eigenen Senders gehört… never ending story…

  27. @32 Maik:
    Wenn es bei stern.de darum geht „eine reduzierte Online-Strategie“ zu bringen, sollte Frank Thomsen das nicht „redaktionell auf die Topthemen konzentrieren und dazu mehr und vertiefende Inhalte anbieten“ nennen.
    Niemand hat was dagegen, wenn jemand ein erfolgreiches Online-Produkt auf den Markt bringt. Aber das dann „eine Art ‚Antwortmaschine’ von Menschen für Menschen“ zu nennen, die „alle Nachrichten auf ihre Bedeutung für den User fokussiert“ ist das schon seltsam…

  28. Die Fangemeinde begrüsst ihren Protagonisten zurück bei der Arbeit. Und das direkt mal mit einem hervorragenden Artikel.

  29. Interessant ist in meinen Augen vor Allem der letzte Satz: Google berücksichtigt die Inhalte also so, als wären es die eigenen. Das bedeutet zumindest schon einmal, dass die Online-„Redakteure“ nicht Agenturmeldungen nicht nur umlayouten, sondern auch textlich verändern – andernfalls würden Suchmaschinen die Einträge ja als „Duplicate Content“ betrachtet und nicht ins Ranking einbeziehen. Die eigentlich Arbeit liegt demnach im Umstellen von Sätzen, kürzen und zusammenfügen – bezahlen würde dafür keiner, also alles strategieadäquat!

  30. @ Anja

    Ich finde es wirklich interessant, dass es für Vögel schädlich ist wenn sie so angelockt werden und werde das nicht tun. Hohn über diesen Artikel finde ich daher unangebracht.

  31. @trillian: Tatsache. Das ist anscheinend auch ein Teil der Attrappen-Strategie von stern.de: Zu aktuellen Meldungen oder Videos scheinbar passende alte Meldungen aus dem Archiv rauskramen und umdatieren.

  32. (Ich weiß ja immer noch nicht, worüber ich bei „Braanchendienst meedia“ mehr lache: Über das doppelt a oder über das „Branchendienst“.)

  33. Die „news“, die ich über die Tante Gugl von der süddeutschen erhalte, bestehen aus gefühlten 95% auch aus dem newsticker. So gesehen ist der Stern wohl kein Einzelfall. Hauptsache ist die Clicks-Generierung.

  34. @39 Google erkennt den kopierten Content leider nicht, zumindest nicht immer. Gerade die Süddeutsche kopiert mit Vorliebe dpa-Meldungen und zwar komplett mit dem Titel und wird bei Google News trotzdem an erster Stelle gerankt und bekommt die entsprechenden Klicks. Da scheint Google einfach zu viel Respekt vor den „Namen“ zu haben. Kleinere Seiten können sich das nämlich nicht leisten, die werden sofort rausgeschmissen!

  35. Das fängt ja gut an: 367 Artikel wurden veröffentlicht. 300 davon sind Agenturmeldungen. Wieviele von den 367 sind also keine Agenturmeldungen? Hmm..? Richtig: 76! – Zumindest laut Stefan Niggemeier, seines Zeichens kritischer, stellenweise zur Pedanz neigender „Medienjournalist“.

  36. Davon sind:

    33 Text-Meldungen von Nachrichtenagenturen
    23 Videos der Nachrichtenagentur Reuters
    4 Promotion-Artikel für „Stern-TV”
    3 Übernahmen aus anderen Medien (RTL, „Finanztest”, FTD)
    5 Bilder-Galerien

    Es verbleiben:

    8 Eigenberichte

    Richtig: 76!

  37. Das, was man spürt, wenn man sich auf stern.de aufhält, wird hier mit Fakten belegt. Danke, Stefan Niggemeier für diesen Artikel. *Flattr*!
    und @49: lesen sollte man schon genau. Es ist die Rede von „knapp 300“ Artikeln (≠300!). Unglücklich für ausschließlich auf Zahlen fixierte Menschen ist vielleicht, dass dies nach einem Rechenfehler (Dreher) aussieht: 367, 300, 76. Aber darum geht es in diesem Beitrag gar nicht.

  38. Ich kann zum inhaltlichen Scheitern des Stern noch beitragen, daß ich Stern.de seit dem letzten Relaunch in meinen Vorträgen immer als Paradebeispiel für sinnlosen Quellcode nutze. Der Quellcode ist so grottenschlecht, daß er an die Anfangszeit des Web erinnert, nur ohne Layouttabellen. Da kann dann mal ausnahmsweise die Redaktion nichts dafür. Da ist evtl. eine miserable Software vor Jahren gekauft worden. Denn die Agentur, die den Auftritt zu verantworten hat, hat beim ADAC fast zeitgleich gezeigt, daß sie doch ein wenig mehr von HTML verstehen, als Stern.de vermuten läßt.

    Es ist vermutlich wie fast immer das Management.

  39. Ganz davon abgesehen, dass die mehrmals verlinkten Bildergalerien ein Unding sind, finde ich generell gesehen auch, dass die Auswahl an Arikeln und vor allem Titelthemen des Sterns in letzter Zeit unglücklich war. Statt da die Revolution in Nordafrika in den Blick zu nehmen, wird über die heilsame Kraft des Fastens berichtet. Da entfuhr mir doch glatt ein lauter Lacher vor dem Zeitschriftenregal. Der Stern sollte also nicht nur seine „Aktualität“ des Internetauftritts überdenken, sondern manchmal auch die des Magazins…

  40. @Maren: Das hat der Stern aber mit dem ehemaligen Nachrichtenmagazin SPIEGEL und den meisten anderen Qualitätsmedien gemein, oder? Boulevard wo man nur hinschaut. Einzig die FAZ, die Süddeutsche und die ZEIT scheinen Qualität rüberzuretten. Die FR wird ja leider abgewickelt.

  41. @Jens Grochtdeis: Natürlich gibt es fast nur Boulevardthemen und lokale Schmunzelgeschichten, die das Bild prägen. Man will die Menschen ja a) nicht mit wirklich aktuellem und erschreckendem Inhalt schon am Frühstückstisch verängstigen, b) den Lesern das Gefühl von Sicherheit und Leichtigkeit mitten im Chaos zu vermitteln und c) die fremdgesteuerte Meinungsbildung fördern, indem man eigene Ansichten mehr als deutlich präsentiert.
    Aber ob wir neben dem Blättchen mit dem großen „B“ wirklich noch mehr reißerischen Inhalt brauchen, ist doch wirklich fraglich. Schon allein der Fakt, dass die FAZ (auch mein Favorit), ein Exot im „Superstardschungel der Medien“ ist, hat und wird für mich immer ein Armutszeugnis für die deutsche Medienlandschaft bleiben. Ich hoffe es teilen noch mehr Menschen diese Ansicht und finden sich nicht einfach mit diesem „Zustand“ ab.

  42. Unter den deutschsprachigen Zeitungen zeichnet sich nur noch eine einzige durch ihre hohe Qualität aus und das ist die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Das sieht man schon an den Gastbeiträgen, die von Intellektuellen und den angesehensten Professoren stammen. Dahinter kommen weit abgeschlagen SZ und FAZ. Der Stern und der Spiegel und wie die anderen Hochglanzmagazine noch so heißen bedienen das spießige Kleinbürgertum und unterscheiden sich sogar in ihrer Sprache nur noch sehr wenig von BILD und Bunte.

  43. Top Artikel !
    Mit Sorgen erkennt man in den letzten Jahren was bei vielen Zeitungen JORNALISMUS noch ausmacht….. Nur Abschreiben von Agenturen und mit Werbung bzw. ggf. einem Bild hinterlegen. Das war es dann. Keine Recherchen, keine Auswertungen usw. Dann werden die TOPTHEMEN noch hervorgehoben (Irgendwelche „Superstars“ bzw. Prominente in Hirnlos-Shows, nackte Bilder oder Autos, wer mit wem gerade was hat)… Das ist ganzer „Journalismus“ und dies nicht nur beim Stern. Genau das Richtige für die Generation Doof. Danke an die Zeitungen !
    Und was lesen wir im Duden u.a. unter Journalismus:
    „charakteristische Art der Zeitungsberichterstattung; für Journalist(inn)en typischer Schreibstil“
    Interessant oder ?

  44. Mir war ja gar nicht bewußt, das Magazine wie Stern und Spiegel zu den niveauvollen, journalistischen Meisterleistungen zählen. Geschweige das ich mich je auf deren Internetportale verirrt habe!

  45. lol, das gefällt mir und bringt es auf den Punkt:
    Das wäre eigentlich ein treffender Werbeslogan für stern.de: „Austauschbare Nachrichten gibt es genug, und bei uns stehen sie alle!”

    Danke für die Recherche!

  46. Es ist wie immer: Die Journalisten werden ausgedünnt, immer billigere Praktikanten an die Computer gesetzt, das tägliche Arbeitspensum ist enorm und das Management redet seine Entscheidungen in vollmundigen Aussendungen schön.
    Dass die Leute, die dort die tatsächliche Arbeit machen nicht schon längst alles hingeschmissen haben, liegt wohl auch an deren ökonomischen Zwängen. Aber ich weiß, dass dort Spaß und Begeisterung mit der Lupe zu suchen sind.
    BTW: Dafür, dass es sehr wenig Indianer gibt, ist die Zahl der Häuptlinge bei stern.de überraschend groß…

  47. @ Karin

    Das lässt sich erklären: Von Häuptlingen trennen sich die Häuptlinge eben nur ungern, was m.E. ganz ähnlich plausibel ist wie die mangelnde Popularität der Selbstenthauptung im Allgemeinen…
    ;-)

  48. Ich finde es mal gut, dass jemand mal klar und deutlich sagt, wieviel Qualität eigentlich hinter einer Seite steht. Denn wenn ich Stern lese, erwarte ich normalerweise auch eine gewisse Qualität, die auch von der Zeitung propangiert wird.
    Das dies im Online-Bereich leider nicht so ist, ist jammerschade.
    Was man besser machen könnte? Entweder viel weniger veröfftenlichen oder Themen veröffentlichen, die es in die Zeitschrift nicht geschafft haben. Wenn diese dann doch gut ankommen, könnte man einen ausführlichen Text in der Zeitschrift veröffentlichen. Dann könnte man das Onlineportal eher als Testbereich, Stimmungsauslotung etc nutzen.
    Geld damit zu verdienen? Weiß nicht.

    Nun noch mein Trackback, da dieser nie ankommt: http://www.nachsitzen.org/qualitaetsjournalismus-und-wir/

  49. Geil find ich ja wenn in der Sommerpause die Gerüchteküche zum Thema Spielerwechsel brodelt, und ein Wechsel als wahrscheinlich gilt, die Formulierung

    „nach übereinstimmende Medienberichten“.

    Dass in allen Zeitungen und Internetauftritten von Zeitungen derselbe Quark steht, heisst nicht, dass etwas wahr ist. Sondern es kann sein, dass sie alle denselben Ursprungstext variieren, wenn überhaupt.

  50. […] Welche Zutaten dabei die tragende Rolle spielen sollten, ob Fertigprodukte oder frisches aus eigener Herstellung, darüber gibt es seit gestern erneut heftige Diskussionen, nachdem Olaf Storbeck den Kollegen von Spiegel Online zumindest in einem konkreten Fall “Copy&Paste-Methoden” attestiert hatte. Im selben Beitrag zitiert er unter anderem auch “Focus Online”-Geschäftsführer Oliver Eckert, der gegenüber Meedia im Mai mutmaßte, dass 80 Prozent der Inhalte deutscher Nachrichtenportale aus identischem Agenturmaterial bestünden. Losgetreten hatte die zugehörige Debatte Stefan Niggemeier, der einen Tag lang stern.de unter die Lupe genommen hatte und 300 von 367 Stern-Meldungen als Ticker-Nachrichten einordnete. […]

  51. […] Hier gehts zum Artikel. Stefan Niggemeier schlüsselt in einem fundierten Artikel auf, woher stern.de seine Inhalte bezieht. Nämlich nicht – wie man vermuten würde – zum größten Teil aus den Reihen der eigenen Redaktion. Es lebe die Text-(Bild/Video)-Maschine, gefüttert von Agentur-Robots und ähnlich tausendfach wiedergekäuten »Nachrichten« und (sic!) Hintergründen. Hier gehts zum Artikel. […]

Comments are closed.