Handgeschriebene Visitenkarten sind so schwer zu entziffern

Und dann war da noch Norbert Tiemann, Chefredakteur der „Westfälischen Nachrichten“. Ich glaube, man tut ihm kein Unrecht, wenn man unterstellt, dass er am Freitagabend, als er den folgenden Text schrieb, nichts wusste über die Attentate, ihre Hintergründe und das Leben in Norwegen. Trotzdem wusste er all das zu kommentieren und den Lesern seiner Zeitung zu erklären:

Der Terror macht die Freiheit zur Falle
Entsetzliche Gewalt

Tote, Verletzte, Bilder der Verwüstung, die an den 11. September erinnern: Der feige und blutrünstige Terrorismus versetzt Europa und die gesamte westliche Welt wieder in Schockstarre. Schwere Explosionen erschüttern das Regierungsviertel in Oslo, ein Regierungschef ist auf der Flucht vor perfider Gewalt. Und die Visitenkarte der Attentäter trägt, das lassen die Indizien vermuten, die Handschrift islamistischer Terroristen. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurfte, dass der Tod Osama bin Ladens nicht das Ende kaltblütigen Terrornetzwerkes El Kaida bedeuten würde — der katastrophale Anschlag könnte alle Zweifel beseitigen. Noch gibt es dafür aber keine Bestätigung. Obwohl es in der Vergangenheit in Skandinavien Anschläge gegeben hat, wähnte sich das liberale Norwegen — trotz seines militärischen Engagements in Afghanistan und Libyen — offenbar nicht direkt im Fokus der fanatischen “Gotteskrieger” und leistete sich womöglich laxere Sicherheitsvorkehrungen. Die islamistischen Terrorbanden in ihrem blindwütigen Hass auf die westliche Zivilisation und deren Werte schrecken nicht davor zurück, die gelebte Freiheit der demokratischen Welt als todbringende Falle zu missbrauchen. Mit Mord und martialischer Verwüstung hat sich der fundamentalistische Terror inmitten einer westeuropäischen Metropole entsetzlich in Erinnerung gebracht.

Vielleicht könnte man diesen Text in einem dieser „Zeitung in der Schule“-Projekte verwenden, die für das Lesen von Gedrucktem werben. Gemeinsam können Lehrer und Schüler staunen, wie schnell ein souveräner Chefredakteur es schafft, all das Gerümpel aus Würdes und Könntes, Offenbars und Womöglichs, die er erst in seinen Text stellen musste, sofort wieder aus dem Weg und aus dem Kopf zu räumen, um am Ende in stolzem Indikativ formulieren zu können.

Andererseits zeigt das Beispiel auch die große Stärke des Mediums Internet für Zeitungen, denn als sich herausstellte, dass Tiemanns Kommentar nicht vollständig realitätskompatibel war, wurde der Artikel online natürlich ohne weitere Erklärung entfernt.

[via Kommentare]

62 Replies to “Handgeschriebene Visitenkarten sind so schwer zu entziffern”

  1. Soso… die Zeitungen depublizieren also freiwillig.

    Rufen die eigentlich auch die Blätter zurück wenn so ein Artikel versehentlich mal gedruckt wird?

  2. @BlueKO: In ein paar Jahren kommt dann ein Verlagsmensch mit dickem, schwarzen Filzstift zu den verbliebenen 15 Abonnenten und streicht die fehlerhaften Stellen durch.

  3. Sapperlot, Herr Niggemeier, jetzt woll’n Sie’s aber wissen! Sie haben die Zeitungskommentatoren ganz schön in der Reiß’n, wie man in Bayern sagt.

    Aber natürlich sind Eitelkeit und Ego mancher Kommentatoren, wie in der Journaille überhaupt, sehr groß. Mancher berauscht sich an seinen Wortgirlanden, die nicht weniger wolkig und inhaltsleer sind als bei manchem Talkshow-Politiker, und geht am Erscheinungstag seines Kommentars erhobenen Hauptes über den Hauptplatz seiner überschaubaren Stadt: „Sauber hab’n S‘ wieder gschrieb’n, großartig, Herr Chefredakteur!“

    Oberpeinlich natürlich, wenn man so danebenhaut wie Herr Tiemann.

  4. So sieht also „Verantwortung übernehmen“ im Jahr 2011 aus.

    „[Delete], oops, weitergehen, hier gibt es nix zu sehen.“
    Qualitätsjournalismus vom Allerfeinsten.

    Ich weiß schon, warum ich die WN seit 12 Jahren nicht mehr lese…

    Grüße aus Münster

  5. Angesichts der brandstiftenden Xenophobie, die aus all diesen Kurzschluß Artikeln trieft, wirkt diese irreale Tat irgendwie garnicht mehr so irreal -> „Die Geister die ich rief…“

  6. Als einfacher Kommentator, der auch mal deutliche Worte findet, war ich bisher davon ausgegangen, dass altgediente Journalisten, zumal mit Chef- vor dem „Redakteur“, reflektieren, bevor sie in die Tasten greifen. Aber das ist offenbar eine naive Vorstellung.

    Was ist eigentlich schlimmer? Der leicht zu erregende Mob im Netz, der bisweilen durch die Kommentarspalten wütet, oder der Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten?

  7. Auch sonst bekleckert sich die Zeitung nicht mit Ruhm. Z.B. ist der Verleger Hüffer gleichzeitig Präsident der IHK Nord Westfalen. Was dann dabei herauskommt, ist solche Werbung hier http://goo.gl/Kq5DN im redaktionellen Teil der Zeitung.

  8. Ich finde es gäbe keinen passenderen Moment die Recherchen der ARD über die BILD Zeitung (wie anderswo geschrieben wurde die nicht existierende rechts-konservative Partei) zu veröffentlichen.

  9. Ich weiß gar nicht, was Ihr wollt: In einem Paralleluniversum ist es doch wirklich so, dass Al Quaida den Anschlag verübt hat. Und, Moment, ich erfahre gerade von der Regie: Die Titanic ist damals auch gar nicht gesunken. You’ve read it here first.

  10. Print schafft sich ab. Wäre ich in Münster und hätte ’ne Stunde Zeit, mich über Norwegen zu informieren – was würde ich wohl tun?
    Das lokale Käsblatt für 1,80 Euro (?) kaufen oder mich ins nächste Internet-Cafe setzen? Die Frage erübrigt sich.

  11. Ich bin vor einigen Jahren hier nach Münster zugezogen und war vorher die „Nürnberger Nachrichten“ gewohnt, die ich wirklich als gut empfinde.
    Die „Westfälischen Nachrichten“ habe ich ein paar Mal gekauft und mich entschlossen, auf andere Informationsquellen umzusteigen. Die Zeitung empfinde ich als wirklich schlimm.
    Wobei ich das Konkurrenzblatt „Münstersche Zeitung“ subjektiv als noch schlimmer empfinde (das war das Blatt mit dem umgefallenen Blumenkübel vor einem Jahr).

  12. Die Liberalen sind doch schuld an genau solchen Anschlaegen.
    Gut, dass da jetzt einer Kinder weggebombt hat.
    Das waeren dann wieder Liberale geworden, die solche Anschlaege verursachen!
    -Ich kann garnicht soviel fressen, wie ich kotzen moechte.-

  13. Hier sieht man wieder, wie stark der öffentliche Raum der Öffentlichkeit entglitten ist. Spezialinteressen dominieren überall in den Staats- und Konzernmedien. Warum spricht über dieses Faktum als Ganzes, über seine Ursachen? Irgendwas stimmt mit unserem Charakter nicht.

  14. Für mich ist das alles kaum nachvollziehbar. Ich gucke kein Fernsehen (ARD bis Kable 1) und lese keine Zeitung, habe nur den Tagesschau RSS Feed. Als ich dort las, habe ich nicht ansatzweise an Al Kaida denken müssen. Es ist nahezu bizarr jetzt rückwirkend die Diskussion mitzuverfolgen.

    In einer Folge „This American Life“ („This Week“) wurde neulich über die Jubelstürme von College-Studenten über den Tod bin Ladens berichtet. Die Reporterin konnte die Freude nicht nachvollziehen, bis ihr eine 21-Jährige erklärte, dass für sie als sie 11 war bin Laden und Al Kaida der absolute Angstfaktor waren.

    Ich persönlich habe andere Ängste.

    Vielleicht ist dieses Verhalten der Zeitungen nachvollziehbar wenn man weiß dass es Menschen gibt dir nicht zwischen ihrer irrationalen Angst und der Wirklichkeit unterscheiden können. Mich beängstigt, dass wir in einer Welt leben, in der sofort in allem ein Sinn gefunden werden muss, und man unbedingt und sofort die eigenen Ängste bestätigt sehen will.

    Es ist der Unterschied zwischen dem rationalen, skeptischen Menschen und dem der die Welt nur als eine Summe von Regeln und Mechanismen begreifen kann.

    Das Beängstigende für mich ist, dass dieses Verhalten dem eines Lynchmobs so ähnlich ist. Wir schreiben 2011 und noch immer wird getestet, ob die Hexe schwimmt…

  15. Gut, dass es keine Atmosphäre des geistigen Brandstiftertums gibt.

    Und ich kann es immer wieder nicht fassen, dass die jeweiligen und schon so lange hetzenden Entitäten jetzt keinerlei Verantwortung übernehmen.

  16. WN typisch. Erhellend zu wissen, dass die CDU im Münsterland flächendeckend immer noch 50+ % bekommt.

  17. Münster (tiefschwarz) und Fulda (rabenschwarz) an der Spitze.
    Warum wundert mich das nicht?

    Nichts aus Paderborn?

  18. Am meisten verunsichert mich, dass so gern der Konflikt Freiheit vs. Sicherheit aufgemacht wird. Ich fühle mich ständig dem Überredungsversuch ausgesetzt, dass das Heil der Freiheit zu suchen sei in einer Einstampfung derselben. Warum ist dieses Anliegen den Kommentatoen so wichtig? Warum klingt das immer wie ein: „Siehste!“, gerichtet an die Norweger?

  19. @Burschel
    Nein, in Paderborn strickt man wahrscheinlich gerade noch am Spin, warum der Islam jetzt doch am Attentat schuld ist. Islam->Islamisten->Verbitterung->Katholisten->Attentat
    Oder so.

  20. Sollen Journalisten etwa vorher über das nachdenken, was sie berichten? Die müssen doch auch was essen. Da war bestimmt Redaktionsschluss und so. Denkt doch mal an die Kinder, bevor ihr hier mit Ansprüchen kommt.

    (Außerdem: Auch im norwegischen Ermittlungsbehördenumfeld vom ZDF-Umfeldexperten Elmar Theveßen hat alles ganz lange darauf hingedeutet, dass es Islamisten waren.)

  21. Der Herr Tieman ist ein außerordentlich fleissiger Zensor vor dem Herrn, wie ich grad feststellen musste.

    Ein Glückwunsch meinerseits (unter Verweis auf diese Site) wurde ratz-fatz gelöscht, während im selben Thread ein Verteidiger Broders zur Höchstform aufläuft (incl episch langem ungekennzeichnetem Broderzitat).

    Auch der Hinweis auf seinen Aufstieg in die erste Liga zu den Fleischhauers und Broders dieser Welt hat ihn anscheinend nicht so wirklich erfreut. Naja, der Mann ist bestimmt nur schüchtern und stellt sein Licht ein wenig unter den Scheffel.

  22. Und jetzt ist es wieder Zeit für: „Leser fragen – Die Redaktion antwortet“.

    Jens aus Berlin möchte wissen:
    Liebe Redaktion, ich finde meinen Dönermann eigentlich ganz nett und bin immer freundlich zu ihm. Jetzt habe ich aber gelesen, dass man sich zum Opfer macht, wenn man Muslimen nicht abwehrend begegnet. Bin ich in Gefahr?

    Die Redaktion meint:
    Lieber Jens, wahrscheinlich hat es dich schon längst erwischt, ohne dass du es gemerkt hast. Hat dich der Dönermann mal gefragt, was du alles draufhaben möchtest? Dann hat er deine gelebte Freiheit als heimtükische Falle verwendet, indem er dich dazu gebracht hat dich selbst um den vollen Umfang der bezahlten Leistung zu bringen. Jede Tomate, die du nicht isst, bedeutet ein Plus auf dem Konto für islamische Aktivitäten!
    Hat er dir diese Frage aber nicht gestellt, so bedeutet das eine aktive Untergrabung unserer freiheitlichen Werte. Dahinter steckt der Versuch der Fremdbestimmung deiner Esskultur!

    Eigentlich können wir uns eh nicht erklären, warum er dich nicht gleich über die Theke hinweg erschossen hat. Bist du vielleicht ein Schläferagent?

  23. Die nächste Frage stellt sich mir wenn ich sehe wie detailiert die Medien aus dem 1500 seitigen Manifest und seinem Youtube Video berichten. Für was ist das wichtig? Genügt nicht eine allgemeine Beschreibung wie „rechtsextremer, konvservativer, christlicher, Islam-Hasser“? Alles weitere ist in meinen Augen nur Nährboden für Rechtesextreme (Breivik kann sagen: Ziel erreicht). Getreu dem Motto: Besser Schlechte Presse als gar keine…

  24. Spannend finde ich, wie die Rechten bei jedem Terroranschlag von Islamisten fordert, dass der normale Moslem auf die Straße geht und gegen diese Taten demonstriert. Das Ausbleiben wird als Sympathisieren gewertet.

    Demnach müssten am kommenden Wochenende die Tausenden von Lesern und Kommentatoren der heiß geliebten Hassprediger-Plattform alle auf die Straße.

    Stattdessen werden die Opfer ungesühnt als „Judenhasser“ verunglimpft.

  25. @ knorke/22

    Da geht es mir genauso wie Ihnen.
    Spätestens seit gestern macht sich da ein Medientenor in vielen Zeitungs-/Online-/TV-Kommentaren breit, der sich ungefähr so zusammenfassen lässt:

    „Es ist ja erstaunlich/unfassbar wie zivilisiert/ungebrochen die Norweger mit der Tragödie umgehen. Die Offene Gesellschaft ist aber trotzdem ein Auslaufmodell. Die Norweger müssen jetzt endlich realistisch sein und mehr zum Law-and-Order übergehen, weil die müssen doch wollen, das sowas nicht nochmal passiert. Das ein durchgeknallter Islamhasser jetzt so ein Blutbad angerichtet hat, beweist ja wohl, dass auch die Norweger in Sachen Multikulti tief gespalten sind. Deshalb muss man jetzt den Islamhasser zumindest ein kleines Stück entgegenkommen, damit sich alle wieder lieb haben. Auf die unfähige Polizei kann man sich sowieso nicht verlassen. Und was ist das überhaupt für ein Land ohne Sicherheitsverwahrung, Todesstrafe etc.etc.“

    Dieser, wenn auch häufig nur unterschwellig angebrachte Sicherheitsfanatismus macht mir ehrlich gesagt mittlerweile ebensolche sorgen wie die kopflose „Die Islamisten waren´s“-Hysterie vom Freitag.

  26. @ meykosoft

    Herzlichen Dank für den Link. So eine Dosis nüchterner Realitätsbetrachtung tut nach Tagen voller hysterischem Gedröhne echt gut!

  27. @meykosoft:
    „In einem Schauspielhaus fingen die Kulissen Feuer, der Bajazzo trat vor, um das Publikum zu benachrichtigen. Man glaubte, es sei ein Witz, und applaudierte. Er wiederholte die Anzeige, man jubelte noch lauter. So, denke ich, wird die Welt unter allgemeinem Jubel witziger Köpfe zugrunde gehen, die da glauben, es sei ein Witz.“
    (Søren Kierkegaard)

  28. Die Artikel sind nicht nur Lehrstücke für konkretes Scheitern an der Realität, sie wären auch erbärmlich, wenn hinter den Anschlägen tatsächlich, Gott sei uns gnädig, Islamisten steckten: „laxe Sicherheitsvorschriften“, liberale Demokratien als Gefahrenquelle, Freiheit wird mit Tod bestraft. Es braucht nicht mal einen Subtext, weil der primäre schon mehr als eindeutig ist: Paßt auf, ihr Linken. Entweder ihr gebt euren Widerstand gegen totale Überwachungsstaaten auf oder ihr werdet von den Islamisten hingerafft.
    Gleichzeitig würde die Hetzkampagne gegen Menschen muslimischen Glauben fortgesetzt und der Verweis noch vieltausendmal in unsere Köpfe gesetzt, daß sich Iman auf Terrorismus reimt – bis die Moscheen brennen (der Koran brennt ja schon in einigen „freiheitlichen“ Ländern).

    Die Pointe ist, daß sich herausstellt, daß der Attentäter eines Sinnes mit den Kommentatoren ist: gemeinsam hassen sie Muslime, Linke und Freiheit. Die rechte Journaille und der Attentäter von Oslo haben, wie sich anhand des veröffentlichten Materials einwandfrei nachweisen läßt, eine identische Gedankenwelt.

  29. Fällt das keinem auf: Dieses Verallgemeinern von Printjournalisten und Medien (alle blöd, recherchefaul, oberflächlich, gleichgeschaltet, rechts etc.) ist genau das gleiche, was die Kritiker hier den Redakteuren und Printkommentaronen vorwerfen: Nicht zu differenzieren, nicht über das Offensichtliche hinauszudenken, alle in einen Topf werfen, sich vorschnell eine Meinung bilden, arrogant über die anderen pauschal urteilen…

    Es gibt auch viele andere. Und die Art und Fähigkeit von Selbstkritik, die Medien, wie zeit, Süddeutsche und andere in ihren Kommentaren (zu Norwegen, oder auch schon nach Guttenberg) üben, möchte ich mal hier von den hiesigen Kommentarteilnehmern lesen.

  30. @ Falk/35

    Lieber Falk, keiner hat hier irgendetwas von „Gleichschaltung“ der Presse gesagt. Wie Sie anhand der Kommentarspalte hier und unter „Feiges Journalistenpack“ sehen können, ist es diesmal aber vielen Leuten sauer aufgestoßen, dass zahlreiche (!, nicht alle) TV/Online/Print-Journalisten sich in Sachen Norwegen völlig unprofessionell verhalten haben.

    Neben den von Herrn Niggemeier angeführten Beispielen, hat auch so mancher Kommentator einen konkreten Link mit einem weiteren Beispiel eingebracht.

    Nennen Sie doch erstmal konkrete Beispiele (mit Link) für die „vielen anderen“, die bei der Norwegen-Berichterstattung bisher alles richtig gemacht haben, bevor Sie sich hier zum Kritiker der Kritiker aufschwingen.

  31. @polyphem
    „In einem Schauspielhaus fingen die Kulissen Feuer, der Bajazzo trat vor, um das Publikum zu benachrichtigen. Man glaubte, es sei ein Witz, und applaudierte. Er wiederholte die Anzeige, man jubelte noch lauter. So, denke ich, wird die Welt unter allgemeinem Jubel witziger Köpfe zugrunde gehen, die da glauben, es sei ein Witz.“
    (Søren Kierkegaard)

    Schönes Bild von Herrn Kiekegard – und es gibt sogar Parallelen.
    Wenn man sich an einen Ort (Bühne) stellt, von dem aus üblicher Weise Theatralisches, Komisches, Ausgedachtes und Geschauspielertes dargeboten wird, und man dann von dort eine ernsthafte Warnung ausspricht, darf man sich nicht wundern, wenn sie nicht ernst genommen wird.
    Einige Medien arbeiten augenscheinlich hart daran, immer weniger ernst genommen zu werden und so könnte es auch dem einen oder anderen Journalisten eines Tages ergehen, wie dem Bajazzo im Schauspielhaus.

    Meine Verehrung

  32. @Falk
    Was lernen wir denn daraus, das nicht alle Journalisten und Redaktionen schlampen? Dass man die nicht kritisieren darf?

    Mir persönlich war das zu übergeigt. Es war auch beileibe nicht das erste Mal, aber wieder mal ein unrühmliches Beispiel.

    Wenn’s so wichtig ist: Ja, bestimmt haben es so manche „Terrorismus-Experten“, Moderatoren, Kommentatoren, Analysten, und Korrespondenten richtig gemacht. Mich ärgert, dass so viele es falsch gemacht haben, und anscheinend auch keine der zugehörigen Redaktionen der Meinung war, der Abgesang aufs Abendland sei – nur eventuell – etwas verfrüht.

    Wie sieht das eigentlich mit „den Kommentateilnehmern“ aus? Sollte man da nicht differnezieren? So als öhm… Kommentarteilnehmer?

  33. Ich mag das Internet, weil es Daten, die sonst einfach unter den Teppich gekehrt würden, für viele Menschen sichtbar macht. Dazu tragen Blogs wie dieser hier viel bei, danke für das gute Gespür und die gleichzeitige Kritik an der Schnelligkeit der Onlinewelt und der universell anwendbaren Beliebigkeit einiger Themen.
    Ich lese hier gerne, das bildet. Bildet differenziert.

  34. Ich habe den Artikel eben mal auf die Facebook-Seite der Westfälischen Nachrichten gepostet mit der Bitte, dazu Stellung zu nehmen.

    Nach 1 Minute war er nicht mehr drauf (und das, obwohl ich höflich gefragt habe).

  35. @ Sasch (42)
    „Nach 1 Minute war er nicht mehr drauf (und das, obwohl ich höflich gefragt habe).“

    Ich kommentiere schon ziemlich lange und auch oft auf den W-N (über deren Ableger Tageblatt). Das war heute das erste mal überhaupt, dass Kommentare (gleich 2) von mir gezielt gelöscht wurden. Desweiteren hab ich noch nie gesehn, dass da so schnell was gelöscht wurde. Eventuell wurde ja extra ein Praktikant abgestellt für die Aufgabe ;)

    Tja, da liegen die Nerven wohl blank grade. Vielleicht is es an der Zeit die Sache mal auf 4chan zu posten. Let’s do the Streisand agaaaain ;)

  36. Ein Doktor sei er, der Norbert Tiemann, so lautet ein lustiger Eintrag in seiner Vita. Ob dies einer kundigen Überprüfung standhielte? Werden wir das je erfahren?

  37. Der hatte sich wohl auch schon drauf gefreut, dass die liberalen Norweger jetzt zu einer Nation von Hasspredigern mutieren würden.

  38. @48, Josh: Wenn Sie ordentlich recherchieren, kriegen Sie’s raus. Hopp, hopp, warum auf andere warten!

  39. Auf Bayern 5 Aktuell kam heute auch immer, dass die Norweger diskutieren, ob ihr Justizsystem dieser Tat gerecht werden könne. Die Höchststrafe sei 21 Jahre und danach gebe es nur „Verwahrung, aber immer nur für fünf Jahre“. In der Langfassung räumte man ein, dass man den Täter somit sehr wohl lebenslang einsperren könne. In der Kurzfassung jedoch hörte sich das so an, als könnte es insgesamt nur 5 Jahre „Verwahrung“ geben. Total unglaublich liberal, diese Norweger mit ihren verrückt kurzen Gefängnisstrafen und der lustigen Idee, alle fünf Jahre zu überprüfen, ob ein Täter auch wirklich noch gefährlich ist. Als ob dieser Typ seine Taten unterlassen hätte, wenn 50 Jahre Gefängnis gedroht hätten…

  40. @inga

    Es mag Ihnen bei der Analyse entgangen sein, das Strafen gar nicht nur zur Abschreckung da sind, sondern auch, um den Täter zu beSTRAFEN. Man munkelt gar, dass sie deshalb so heißen.

    Und da finde ich eine Diskussion darüber, ob 21 + X Jahre Gefängnis die angemessene Strafe sind, wenn jemand Dutzende von Menschen willkürlich abknallt. Ich finde es diskussionswürdig, ob es für solche Fälle nicht auch tatsächlich eine lebenslange Strafe geben sollte, und zwar eine, die lebenslang ist UND auch so heißt.

    Da geht es für mich nicht darum, ob der Täter „noch gefährlich ist“. Sondern ausnahmsweise mal einfach nur um Schuld und Sühne.

  41. Wieviele genau müsste man denn abknallen, um in den Genuss der von Ihnen geforderten Höchstsrafe zu kommen, Herr Justizminister?

  42. Ich gehe ja davon aus, dass diverse Redaktionen seit ein paar Jahren solche Texte vorbereitet liegen haben, über den schrecklichen islamistischen Terroranschlag in [hier Stadt eintragen]. So wie bei den Nachrufen auf Prominente, wird man schon irgendwann gebrauchen können. Und jetzt schien endlich die Gelegenheit da zu sein, die mal aus der Schublade zu holen.

    Wollen wir hoffen, dass sie nicht demnächst auch zwecks Arbeitsersparnis Templates für — hmm, wie nennen wir sie? — politisch inkorrektistische Terroristen vorbereiten müssen.

  43. Zudem hat es in seiner 1500-seitigen Arbeit aus fremden Werken zitiert ohne Anführungszeichen und Fußnoten zu setzen!

  44. Sehr geehrter Herr Niggemeier,

    nachdem die Debatte etwas abgeflaut ist – Zeit für eine Zwischenbilanz. Sie sind ja nun mutmaßlich der bekannteste und erfahrenste Watchblogger der Medienszene (siehe Bild-Blog), der so einen Scoop zum wiederholten Mal durchzieht.
    – Was ist damit nun erreicht?
    – Wie fällt Ihre Bilanz aus?
    – Worin, insbesondere, liegt der Erkenntnisgewinn und damit der Sinn dieser Aktion und der breiten Debatte?

    Ich habe diese Diskussion intensiv und mit großem Interesse verfolgt, warte aber immer noch auf meinen persönlichen Erkenntnisgewinn. Letztlich ging es meines Erachtens anhand eines bzw. zweier extremer publizistischer Fälle des Printbereichs doch um ein breitangelegtes Journalisten- und Medien-Bashing, das dem Haberfeldtreiben gegen Politiker in nichts nachsteht. Darin spiegelt sich aber nicht die Realität. Wenn ich die paar (letztlich wenig ins Gewicht fallenden) Ausreißer – die hier von Ihnen vorgestellten und einige wenige andere – in dieser Art in den Fokus rücke, hat das mit der tagtäglichen Medien-Wirklichkeit hierzulande letztlich so wenig zu tun wie der norwegische Attentäter Breivik mit der alltäglichen Wirklichkeit der freien, gewaltlosen und toleranten norwegischen Gesellschaft, meine ich.

    Nochmals: Sie haben, Herr Niggemeier, große Erfahrung mit Blogs und ihren Ergebnissen, ich nicht. Worin also liegt der Erkenntnisgewinn oder worin ist der gewinnbringende Aspekt dieser Interaktion mit Usern zu finden? Oder sollte zu finden sein. Sagen Sie es mir bitte, damit ich hinzu- und fürs Leben lerne.

    Für Antwort dankt freundlichst

  45. Meine Anmerkung/Frage (#59) sollte eigentlich unter „Feiges Journalistenpack“ abgespeichert werden, aber hier ist’s auch okay.

  46. Ist der Begriff „Scheinheiligkeit“ eigentlich noch gebräuchlich? Oder sagt man das heutzutage irgendwie anders?

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