Mit „Future Trend“ zurück in die Zukunft

Diese Geschichte hat zwei Pointen. Eine einfache und eine komplizierte.

Die einfache zuerst:

Ein Beitrag über Weblogs, der vor fast genau einem Jahr in der ProSieben-Sendung „Focus TV“ zu sehen war, wurde gestern im RTL-Zukunftsmagazin „future TREND“ wiederholt.

Und jetzt die komplizierte:

Eine der bizarrsten Regelungen in der an bizarren Regelungen nicht armen deutschen Fernsehlandschaft ist die Sache mit den Fensterprogrammen. Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt vor, dass Sender, die mehr als zehn Prozent Marktanteil erreichen, Programme „unabhängiger Dritter“ zeigen müssen. So soll die „Meinungsvielfalt“ gesichert werden. Konkret übernimmt diese Aufgabe meist Alexander Kluge, der dann gerne experimentiert, ob sich durch den Verzicht auf alle Möglichkeiten, die das Medium Fernsehen bietet, die Einschaltquote auch in negative Bereiche bringen lässt (er ist schon ganz nah dran).

Auch die Firma AZ Media ist ein solcher „unabhängiger Dritter“ mit festen Programmflächen bei RTL, was schon einigermaßen abwegig ist, da ihr Chef Andre Zalbertus vorher bei RTL gearbeitet hat und nach wie vor Sendungen für RTL produziert, was vielleicht etwas über die „Unabhängigkeit“ dieses Veranstalters aussagt. Die AZ Media dient der Meinungsvielfalt durch so segensreiche Sendungen wie „anders TREND“, „europa TREND“, „bosporus Trend“, „money TREND“, „natur TREND“, „single TREND“, „sommer TRE—

Sind Sie noch da?

—ND“, „glaubens TREND“ und „future TREND“.

„future TREND“ wird nun aber nicht von AZ Media produziert, sondern von Focus-TV für AZ Media. Und was produziert Focus-TV auch? Richtig: „Focus TV“. Auf Pro Sieben. Und die schönen Beiträge, die man da herstellt, wären natürlich viel zu schade, um sie nur einmal zu zeigen. Und so kommt es vor, dass bei „future TREND“ einfach Sachen wiederholt werden, die schon in „Focus TV“ zu sehen waren.

Jetzt noch einmal zum Mitdenken: Das deutsche Privatfernsehen wird von einem Duopol aus RTL und ProSiebenSat.1 beherrscht. Damit unter diesem eingeschränkten Wettbewerb der Pluralismus nicht leidet, müssen beide Anbieter „unabhängigen Dritten“ Sendezeiten einräumen. Und in diesen Fensterprogrammen, die die Meinungsvielfalt garantieren sollen, werden dann auf RTL ausgerechnet Beiträge von ProSiebenSat.1 gezeigt. Wie bizarr ist das?

26 Replies to “Mit „Future Trend“ zurück in die Zukunft”

  1. hatte den beitrag auch gesehen und wunderte mich der alten schlagzeilen im bildblog …

    was deine zweite theorie angeht, schau dir nur die firmenstrukturen im tv-gewerbe an … die antwort kommt sehr nah daran.

  2. Und sobald der Bericht dann 2009 auch in „Planetopia“ gezeigt wurde und uns der dortige Computerexperte (der mit den hektischen Mausbewegungen) ergänzend das Einstellen eines neuen Artikels gezeigt hat – dann, ja dann, werden Blogs RICHTIG populär. Ich freu mich.

  3. dieser passus im rstv ist ja an sich schon an anachronistik nicht mehr zu übertreffen. die kluge-sendungen sind wie ein schwarzes loch im ansonsten schreiend bunten süßen brei von prosiebensat1rtl … daß nun alte sendungen recycelt werden bringt wahrscheinlich irgendwem geld und uns die erkenntnisse:

    1. diese Programme „unabhängiger Dritter“ tragen zur sicherung der meinungsvielfalt soviel bei, wie die beilage der „konkret“ zur BILD-regionalausgabe hamm-uentrop

    2. keiner versteht blogs … wie eigentlich immer. welche unwahrheiten gesendet werden ist da ja eigentlich egal …

    und jetzt werden auch noch rundfunkgebühren auf pc’s erhoben … DAS ist bizarr!

  4. hat eigentlich jemand zahlen, wie sich die marktanteile der sendergruppen in den letzten 12 monaten pro altersgruppen verschoben haben? hintergedanke: aufkommende digitalisierung u.a. der kabelnetze, entstehen von kleinen sendergruppen wie MTV (MTV, Viva, Nick, ComedyCentral) oder NBC Universal (das Vierte, 13th Str, SciFi, History).

    sozusagen die „long-tail-isierung“ des fernsehens.

  5. @dogfood: die verschiebungen sind erstaunlicherweise minimal, auch über 5 jahre gesehen, auch bei den jüngeren zuschauern.

    die größten bewegungen sind innerhalb der sendergruppen: rtl verliert bei jungen zuschauern heftig, vox gewinnt. pro7 verliert, kabel 1 gewinnt.

  6. Interessante Entwicklung – oder genauer gesagt. Nichtentwicklung. Wobei ich mich im Fall der RTL-Familie auch frage, ob es nicht auch ein Stück weit strategisch so gewollt gewesen sein könnte, das Beiboot Vox gegenüber dem Flaggschiff RTL zu stärken. Das Problem von RTL ist ja traditionell, dass der Sender seinen Vorsprung als Marktführer nicht mit einem entsprechenden Mehr an Werbeeinnahmen kapitalisieren kann. Denken wir an die Programmkosten, die es verschlingt, RTL an der Spitze zu halten, dann kann es durchaus sein, dass Vox seine Zuschauermarktanteile in Relation zu den niedrigeren Programmkosten effizienter in klingende Münze umwandelt.

  7. @meister: wie du vielleicht siehst, sind die kommentare von gestern, da gehörte das blog noch formal mir. heute ist alles anders :o)

  8. […] Gibt´s nicht, sagen Sie? Gibt´s doch, hat Stefan Niggemeier herausgefunden – und sich gleichzeitig noch ein paar interessante Gedanken zu den Verquickungen im deutschen TV-Markt gemacht.  Von cjakubetz Reaktionen auf diesen Beitrag via RSS 2.0 Bitte kommentieren Sie! Pings sind derzeit nicht möglich. Kommentare Bitte kommentieren Sie! […]

  9. Das mit den negativer Zuschauerquote wird Alexander Kluge nie schaffen. Wegen mir. Gucke die Sendungen nämlich gerne. Bin nicht normal, weiß ich schon.

  10. der Kluge ist das Beste was das deutsche Fernsehen zu bieten hat und er ist der Einzige, dem ich vertraue. Er ist einer der ganz wenigen, die sich in der Maschinerie der Medien mit dem Medium selbst konsequent kritisch auseinandersetzen.

    Ich würd mir gerne mal die Quoten von Kluges Sendungen ansehen… Wo findet man die denn im Netz?

  11. @mathias:

    „news & stories“ (sonntags gegen 23.30 uhr auf sat.1) hatte im september im schnitt 250.000 zuschauer und einen marktanteil von 2,7 prozent.

    „10 vor 11“ (in der nacht von montag auf dienstag) hatte im september im schnitt 380.000 zuschauer und einen marktanteil von 8,4 prozent.

    bei den jüngeren zuschauern sind die quoten sogar ein bisschen besser.

    ich muss zugeben: das ist viel mehr, als ich gedacht habe.

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