Das Hornauer Schießen

Sehr geehrter Herr Niggemeier, wir vertreten Herrn Thomas Hornauer. In Ihrem Medienblock "Stefan Niggemeier" führen Sie unter der Überschrift "Thomas Hornauer" unter anderem folgendes aus: "Herr Thomas Hornauer ist am ehesten wohl mit den traurigen wirren Monologisierern, die entweder in der Mitte der Fußgängerzone zur Welt predigen oder am Rand der Fußgängerzone zu ihrem Bier. [...] Lesen ist nicht seine Stärke, aber Reden, Gucken, Charisma ausstrahlen auch nicht. Richtig gut ist er nur im peinliche Momente entstehen lassen und Geld verdienen."

So fängt das Schreiben an, das ich im vergangenen Oktober bekommen habe. Und lustig ist — neben allem anderen — schon mal, dass es sich bei dem kursiven Text zwischen den Anführungszeichen nicht, wie man annehmen sollte, um ein wörtliches Zitat handelt.

Herr Thomas Hornauer hatte über einen eigenen, „bewusstseinserweiternden“ Fernsehsender unter anderem dazu aufgerufen, ihm per kostenpflichtigem Anruf Geld als „Energieausgleich“ zukommen zu lassen. Seine Anwälte wiesen mich nun darauf hin, dass ich ihren Mandanten als „Scharlatan“ bezeichnet hätte. Dies stelle eine unzulässige Schmähkritik dar. Unzulässig sei auch, dass ich schrieb:

„Herr Thomas Hornauer fällt durch Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen auf.“

(Satz auch eher aus dem Gedächtnis zitiert.)

Dies sei jedenfalls unwahr. Ich sollte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben und insgesamt 1.196,43 Euro Rechtsanwaltsgebühren zahlen.

(Immerhin sollte ich diesmal nicht für das Wort „Fisselhaare“ blechen.)

Mein Anwalt antwortete:

Erstens scheine Herrn Hornauer die Sache „nicht sonderlich dringlich“ zu sein. Der Text (der ursprünglich aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ stammt) sei über dreieinhalb Jahre alt, und Hornauer habe aus meinem Blog sogar schon vor Jahren im Fernsehen vorgelesen.

Zweitens enthalte der Text keine Schmähkritik — der „erforderliche Sachbezug“ sei das teils justiziable Geschäftsgebaren Hornauers und die Art, wie er sich öffentlich präsentiere.

Drittens enthalte der Text keine unwahren Tatsachenbehauptungen.

Ich hatte gedacht, die Sache wäre damit erledigt. Aber Hornauer verklagte mich. Ich bekam eine Vorladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart.

Es ging nun nicht mehr um die Fußgängerzone, das Bier, das Lesen und das Charisma. Es ging nur noch um die sektenähnlichen Gruppen („Der Kläger hat keinerlei Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen“) und den „Scharlatan“ („Es ist nicht erkennbar, inwiefern mit der Bezeichnung ‚Scharlatan‘ eine Auseinandersetzung in der Sache geführt werden soll“).

Die Erwiderung wurde dann etwas länger. Auf insgesamt 15 Seiten (ohne Anlagen) erklärte mein Anwalt, warum die Klage fehlerhaft beantragt, ein möglicher Anspruch verwirkt und die Formulierung als Meinungsäußerung zulässig sei.

Ich glaube aber, er hatte besonderen Spaß daran, die Absätze zu formulieren, in denen es um den „hinreichenden sachlichen Bezug“ meiner Formulierung geht, Hornauer habe Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen:

Bei der „Wankmiller-Sekte“, die sich auch selbst als „Stamm der Likatier“ bezeichnet, handelt es sich um eine kommunenähnliche Lebensgemeinschaft, die 1974 von dem ehemaligen Hausmeister Wolfgang Wankmiller gegründet worden ist.

Wankmiller fungiert bis heute als ihr Oberhaupt und hält sich für eine Reinkarnation von Jesus, Einstein und Ludwig II.
Diese Gruppierung wird von Kritikern und Medien als „Sekte“ bezeichnet, denn die Mitglieder hängen einer eigenen esoterischen Weltanschauung an, haben sich eine eigene Zeitrechnung gegeben und eine eigene Währung. (…)

Zu dieser Sekte hat der Kläger auch nachweisliche Verbindungen, die er selbst eingeräumt hat.

Zudem habe das Verwaltungsgericht Stuttgart 2007 in seinem Urteil über die Zwangseinstellung von Hornauers Fernsehsender festgestellt:

Es sollten „Heilungsgottesdienste“ gesendet werden, wohingegen Polizeireporte aus dem Programm entfernt werden sollten, weil diese zu viel „negative Energie“ verbreiteten.

Der Sender sollte zum „Lichtsender“ werden, zum „Sprachrohr Gottes“. „Es sollten jeden Tag 1.500 Leute ins Studio kommen, um dort geheilt zu werden; er [Hornauer] habe die besten Heiler an der Hand.“ Zudem habe der Sender „auch drei Tage lang (von Donnerstag bis Samstag) Heilungsgottesdienste vom ‚G.-Forum‘ in Stuttgart mit einem Wunderheiler aus W. aufgezeichnet…“

Mein Anwalt folgerte:

Angesichts all dieser feststehenden Fakten hat die Meinungsäußerung, er [Hornauer] unterhalte Kontakte zu sektenähnlichen Gruppen, jedenfalls einen ausreichenden Tatsachenbezug und stellt damit keine Schmähkritik dar.

Und was den „Scharlatan“ angeht, schrieb mein Anwalt nach längerer Hinführung:

Wer aber gegen Geld Wahrsagerei anbietet und sich überdies als „Herrscher“ und „Retter“ bezeichnen lässt, muss es auch hinnehmen, wenn man ihn einen Scharlatan nennt.“

Ich weiß nicht, was dieses Schreiben bei der Gegenseite ausgelöst hat. Man möchte einem Menschen wie Hornauer ja auch nicht grundlos etwas wie Einsicht unterstellen. Aber kurz vor dem Gerichtstermin hat er die Klage zurückgezogen.

[Mit Dank an Thorsten Feldmann und Ansgar Koreng von JBB Rechtsanwälte.]

28 Replies to “Das Hornauer Schießen”

  1. hornauer … –
    ich habe stunden hypnotisiert-fasziniert hornauers onanierem zugesehen.
    energieausgleich na ja,
    aber die telefonate, in denen horni mit zaghafter kritik konfrontiert wurde .. und wie er dann .. also, da ist die ganze jung&spontan-intelligenzia von zdf.neo ein berechenbarer bausparvertrag.

  2. Hach.

    Ich weiß auf jeden Fall schon mal, welche Anwälte ich konsultiere, wenn ich mal Probleme bekomme. Das ist ja herrlich!

    Und außerdem sehr schön, dass solche Abmahnungen auch einfach mal verpuffen – zu oft lese ich von erfolgreichen Einschüchterungen – auch wenn die oft von mächtigeren Gegnern (Verzeihung, Herr Hornauer) kommen.

  3. Da kann man ja fast froh sein dass Herr Hornauer bereits Klage erhoben hatte, denn so durfte er dann wohl Ihre Anwaltskosten zahlen, auf denen Sie sonst vermutlich hängen geblieben wären…
    Auch eine Art der Genugtuung :)

  4. Vielen Dank an Stefan Niggemeier dafür, mich mit dem Phänomen Hornauer bekannt gemacht zu haben. Die Youtube-Videos haben mich über Wochen zuverlässig in den Schlaf gewiegt. Ich weiss aber immer nie, was die angemessene Reaktion auf solche Erscheinungen ist. Es ist doch vor allem bestürzend, dass sich immer auch „Gläubige“ finden, die man auf den ersten Blick für vernunftbegabte Zeitgenossen halten würde. Ich bin ratlos und fasziniert.

  5. hach schade warum hat der das fallen gelassen es hätte noch so schön werden können ;-)

    sowas ist realsatiere. dennoch glückwunsch zur einstellung

  6. „Man möchte einem Menschen wie Hornauer ja auch nicht grundlos etwas wie Einsicht unterstellen. “ – Danke für diesen Satz!

  7. Schön. Nun muss noch die Primavera-Klage hier abgehandelt werden. Die Firma hat ihren Sitz mittlerweile nach Mönchengladbach verlegt (Quelle: Handelsregister) und ein Herr Beiten ist GF.

    „Mehr dazu in den nächsten Tagen in diesem Blog“…

  8. Schlimm genug, dass Ihnen dadurch noch Anwaltskosten entstehen. Trotzdem hab ich mich sehr amüsiert :)

  9. Hornauer ist einer der Gründe, weswegen ich heilfroh für die Illusion bin, das Schwabentum hinter mir gelassen zu haben. (Was natürlich nicht stimmt. Du bekommst den Jungen aus Schwaben raus, nicht aber Schwaben aus dem Jungen.)

  10. „Wankmiller […] hält sich für eine Reinkarnation von Jesus, Einstein und Ludwig II. […] die Mitglieder […] haben sich eine eigene Zeitrechnung gegeben“

    Eine Zeitrechnung, die es erlaubt, dass sich eine Seele nacheinander in (meinem beschränkten Verständnis nach) gleichzeitig lebenden Personen aufhält — spannend! Aber vielleicht war der „Kini“ deshalb in seinen letzten Jahren so wunderlich…

  11. Ups, mein Kommentar wurde gelöscht.
    Nehme ich natürlich nicht krumm; nur aus Interesse:
    Lag es an dem Wort, mit dem ich Herrn H. bezeichnet habe, oder an dem „juristischen Rat“, den ich ihm erteilt habe?

  12. Vielleicht saugt Hornauer ja genügend Nektar aus dem „gewonnenen“ Prozess gegen den „Gründer“ Eric Hordes vom 22.3.2012 am Landgericht Stuttgart.

  13. Hach, danke. Das hat mir den Abend erheitert. Wehe wenn Horny mal losgelassen…dann isch um. Jetzt wird jeder verklagt.

  14. @Patrick (#13): Keine Angst, zumindest die Prozesskosten muss der Gegner erstatten (wenn er denn kann).

  15. Es hat schon seine Gründe, warum ich nicht mehr als Rechtsanwaltsfachangestellte arbeiten will (das liegt nicht an den Anwälten), aber in diesem Falle – wow, wenn ich die Antwortschreiben hätte tippen dürfen, hätte ich zu jedem genussvoll einen Rotwein geschlürft. :)
    (P.S.: ich hoffe, die Pause war angenehm und entspannend)

  16. Die Suchmaschinensuche hat mir verraten, dass ich von Horny Hornauer auch schon mal irgendwas gelesen habe. Ich bekenne mich und schäme mich. Lachen darf’s auch sein.

    Hornauer kann ja nun wirklich keiner ernst nehmen. Ich fand daher den Artikel sehr unterhaltsam und amüsant.

    Stefan Niggemeier made my day. :)

  17. @kottan

    Hornauer hat den Prozess gegen Eric Hordes verloren!

    Bzw. es gab eine Einigung zu Gunsten Hordes‘ – der Film „Der Gründer“ muss dem Hornauer im Vorfeld gezeigt werden. Wenn Änderungswünsche von Seiten des Klägers erbeten werden, muss der Beklagte dem nicht nachgehen, falls es sich nicht um Ehrverletzungen handelt. Also ist doch alles in Butter :)

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