Medienlexikon: Punktetacho

Der Spiegel

Punkte-Tacho, der: Gerät zur Maximierung der Berichterstattung um den Preis der Lächerlichkeit.

Es lag eher nicht an der undurchdringlichen Komplexität der Materie. Und man muss auch nicht annehmen, dass die Menschen im Bundesverkehrsministerium gesagt hatte: „Leute, das versteht keiner, dass in Zukunft schon bei acht Punkten der Führerschein weg ist, lass uns das aufmalen, mit Zahlen von eins bis acht, im Dreiviertelkreis angeordnet auf einer Scheibe, die wie ein überdimensionaler Tachometer aussieht, mit verschiedenen Farben, die die wachsende Gefahr und unterschiedliche Warnstufen symbolisieren, und einem Zeiger, so dass die Menschen das, wenn sie es im Fernsehen gesehen haben, später im Geist nachvollziehen können: zwei Punkte — geht noch; acht Punkte — Lappen weg.“

Es war wohl eher so, dass die Verantwortlichen gesagt haben: Wäre doch schön, wenn wir ein buntes Motiv für die Fotografen hätten, vor dem der Minister stehen könnten. Dann steigern wir erstens die Chance, dass er auf die Titelseiten kommt, und verhindern zweitens, dass die Medien sich eigene Symbolfotos ausdenken müssen. (Der Online-Auftritt von „Bild“ illustriert Artikel über die Verkehrssünderkartei seit Jahren mit einem Foto, auf dem jemand schwarze Klebepunkte mit einem Radiergummi von seinem Führerschein rubbelt.)

Und so standen am Dienstag bei der Vorstellung des geplanten neuen Punkte-Systems im Verkehrsministerium zwei große „Punkte-Tachos“ herum, eines hinter dem Rednerpult und eines in einer eigenen Foto- und Interviewsituation.

Das mit dem „Tacho“ war natürlich schon deshalb Unsinn, weil das Ding keine Geschwindigkeit anzeigt. Und die Farben könnten, wenn man sie ernst näme, auch eher verwirren: Anders als an der Ampel darf man bei Rot (sechs und sieben Punkte) nämlich noch fahren, erst die Schwarze Acht bedeutet ein Fahrverbot — vermutlich muss man froh sein, dass Peter Ramsauer sein System nicht am Billardtisch vorführte.

Die Strategie mit dem „Punkte-Tacho“ ist insoweit aufgegangen, als Ramsauer am Tag danach tatsächlich groß auf und in vielen Zeitungen zu sehen war — bevorzugt mit einem Motiv, auf dem er mit einer Hand den Zeiger auf acht dreht und mit der anderen ein Daumen-Runter-Zeichen macht. Das Motiv strahlt die Natürlichkeit, Spontaneität und Ernsthaftigkeit einer Donald-Duck-Sammelfigur aus Plastik aus, aber Ramsauer ist ein Typ Politiker, der es in Kauf nimmt, eine Lachnummer zu sein, solange er überhaupt eine Nummer ist. Notfalls sogar die Acht.