Annette Frier

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Natürlich wäre es albern, sie als eine „Entdeckung“ zu bezeichnen. Wer Annette Frier und ihr schauspielerisches und komödiantisches Können bislang nicht entdeckt hat, muss schon sehr angestrengt nicht aufgepasst haben beim Fernsehgucken in den vergangenen zehn Jahren. Sie brachte ein Funkeln in die Serien, Shows und Filme, bei denen sie mitspielte, eine ganze eigene Kombination von ironischer Distanz und Lebensfreude. Und Witz, natürlich. Aber tatsächlich schien es oft, als würde das gar nicht genug bemerkt.

Doch wenn sich das Fernsehvolk ab morgen nicht endlich kollektiv in sie verliebt, ist ihm auch nicht zu helfen. Ab morgen (Sat.1, 21.15 Uhr) spielt Annette Frier in der gleichnamigen Serie Danni Lowinski, eine Frau aus kleinen Verhältnissen, die keine Lust mehr hatte, Friseurin zu sein, auf dem zweiten Bildungsweg Anwältin wurde, aber statt einer Stelle in einer Kanzlei nur einen Platz zwischen dem Eingang zum Parkhaus und dem Schlüsseldienst in einer Einkaufspassage fand, wo sie nun für ein Euro die Minute ihre Dienste anbietet. Diese Danni ist natürlich ein typisches Seriengeschöpf mit ihrer Kombination aus Dreistigkeit und Unsicherheit, wie sie abwechselnd ihre im täglichen Kampf ums Überleben gestählte Lebenserfahrung ausspielt und an der Welt verzweifelt. Aber Annette Frier macht diese Figur auch in ihren unwahrscheinlichen Momenten realistisch und lebendig und wahr, gibt ihr eine angenehme natürliche Prolligkeit – und lässt einen über einige papphafte Nebenfiguren, Inszenierungen und vor allem Kulissen hinwegsehen.

Wenn es sich nicht nach einer Beleidigung anhören würde, könnte man sagen: Sie passt wunderbar zu Sat.1. Annette Frier und „Danni Lowinski“ sind so, wie der chronisch nach seiner Identität suchende Sender sein müsste: warmherzig und leicht, aber nicht glatt und doof. Das Schöne an den Geschichten ist, dass sie bei aller Märchenhaftigkeit erkennbar im Hier und Jetzt spielen, auch das soziale Millieu der Zukurzgekommenen aus der Hochhaussiedlung wirkt nicht karikiert oder aufgesetzt. Die 1-Euro-Anwältin lebt hier in einer winzigen Wohnung mit ihrem behinderten Vater, und dass das bei aller Grundsympathie füreinander häufig ein Alptraum ist, verschweigt die Serie auch nicht.

„Das ist das Gute am Armsein“, ruft die trotzig-naive Danni ihrem arroganten Porsche-Kollegen zu: „Man hat so wenig zu verlieren.“ Aber dann steht sie neben einer 16-Jährigen, die sich um ihre kleinen Geschwister kümmern muss, weil die Mutter gestorben und der Vater überfordert und gewalttätig ist, und das Aufmunterndste, das sie ihr sagen kann, ist: „Im nächsten Leben wird’s vielleicht einfacher. Aber durch das hier müssen wir noch durch.“