Was Angela Merkel alles nicht weiß und deshalb auch nicht bewerten wird

Mir ist bewusst, dass das Interview, das die Bundeskanzlerin der „Zeit“ gegeben hat, jetzt schon ein paar Tage alt ist und dass sie in der Zwischenzeit längst ein weiteres gegeben hat. Aber ich kann das alte, das aus der „Zeit“, noch nicht ganz fassen.

Die Interviewer stellen ihr eine Reihe von Fragen zu dem Abhörskandal. Angela Merkel sagt daraufhin jeweils mehrere Sätze, die aus großer Ferne betrachtet fast wie so etwas ähnliches wie Antworten wirken könnten.

Antworten gibt sie nicht.

Zum Beispiel:

ZEIT: Sind Sie nicht überrascht über das Ausmaß, in dem uns ausländische Dienste offenbar ausspähen?

Merkel: Dass Nachrichtendienste unter bestimmten und in unserem Land eng gefassten rechtlichen Voraussetzungen zusammenarbeiten, entspricht ihren Aufgaben seit Jahrzehnten und dient unserer Sicherheit. Von Programmen wie Prism habe ich durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen. Inwieweit die Berichte zutreffend sind, wird geprüft.

Testfrage: Ist Angela Merkel überrascht über das Ausmaß, in dem uns ausländische Dienste offenbar ausspähen, oder nicht?

Weiter:

ZEIT: Ist der Verzicht auf Privatsphäre in Ihren Augen der Preis für die Sicherheit?

Merkel: Freiheit und Sicherheit müssen immer in der Balance gehalten werden. Deshalb muss alles dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehorchen. Mit immer neuen technischen Möglichkeiten muss die Balance zwischen dem größtmöglichen Freiraum und dem, was der Staat braucht, um seinen Bürgern größtmögliche Sicherheit zu geben, immer wieder hergestellt werden. Die Diskussion darüber, was verhältnismäßig ist, müssen wir deshalb ständig führen und gleichzeitig alles tun, um uns vor terroristischen Anschlägen bestmöglich zu schützen, was ohne die Möglichkeit einer Telekommunikationskontrolle nicht ginge.

Merkel redet darüber, worüber man reden müsste, ohne darüber zu reden. Sie sagt, dass man die Diskussion führen muss, was verhältnismäßig ist, um nicht die Diskussion führen zu müssen, was verhältnismäßig ist. Das haben an dieser Stelle sogar die Interviewer von der „Zeit“ gemerkt und haken nach:

ZEIT: Was ist denn „verhältnismäßig“?

Merkel: Ein Vorgehen, das den Schutz der Privatsphäre mit dem Schutz vor Terror im Gleichgewicht hält und beiden Zielen bestmöglich dient. (…)

Ah: Verhältnismäßig ist, was verhältnismäßig ist.

ZEIT: Die Behauptung, 50 Anschläge seien verhindert worden, ist schwer überprüfbar. Können Sie den amerikanischen Aussagen vertrauen?

Merkel: Amerikanische Hinweise haben ohne jeden Zweifel im Ergebnis zu Verhaftungen geführt und damit nach menschlichem Ermessen großen Schaden verhindert. Jeder Anschlag wäre einer zu viel.

Keine Antwort auf die Frage.

Gut, vielleicht lässt sich das indirekt wenigstens als eine Antwort auf eine Frage weiter vorne lesen. Wenn jeder Tote im Straßenverkehr einer zuviel wäre, wären Autos womöglich verboten. Ganz sicher gäbe es viel strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Wenn jeder Anschlag einer zuviel wäre, dann müsste man alles tun, um auch den einen zu verhindern. Jede Aufgabe der Privatsphäre wäre dafür hinzunehmen. Dann heiligt der Zweck auch die Mittel. (In der ARD hat sie heute das Gegenteil gesagt, aber wer wäre überrascht, wenn sie übermorgen wieder das Gegenteil sagt und überübermorgen, dass wir unbedingt eine Debatte darüber führen sollten, unter welchen Voraussetzungen der Zweck die Mittel heiligen würden könnte; eine Debatte, an der sie natürlich selbst nicht teilnähme.)

ZEIT: Haben Sie nach Ihren Gesprächen mit dem amerikanischen Präsidenten den Eindruck, dass die Geheimdienstaktivitäten nach den Anschlägen auf das World Trade Center aus dem Ruder gelaufen sind?

Merkel: Nach meinem Eindruck nimmt der amerikanische Präsident die Sorgen in Europa ernst. Ich warte jetzt die Ergebnisse der Expertengespräche in Washington ab. Dann werden sie bewertet, dann folgen die nächsten Schritte.

Tja. Hat die Kanzlerin den Eindruck, dass die Geheimdienstaktivitäten aus dem Ruder gelaufen sind? Man weiß es nicht. Man wird es nie erfahren. Es ist aussichtslos, sie zu fragen.

ZEIT: Edward Snowden bekommt nun vermutlich Asyl in Venezuela. In Deutschland hat man das aus formalen Gründen abgelehnt. Es gäbe aber auch andere Begründungen, ihn nach Deutschland zu holen. Hätten Sie das nicht tun müssen, wenn Ihnen wirklich so viel an Aufklärung gelegen ist?

Merkel: Das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt sind nach ihrer Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für politisches Asyl oder eine Aufenthaltsgewährung aus anderen Gründen nicht vorlagen.

Andere Leute haben da geprüft und sind zu irgendwelchen Ergebnissen gekommen. Was soll Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, da noch eine Haltung zu entwickeln?

ZEIT: Es gab in der Vergangenheit Fälle wie Lew Kopelew oder Alexander Solschenizyn, in denen Bundeskanzler aus übergeordneten Interessen oder humanitären Aspekten an formalen Kriterien vorbei anders entschieden haben.

Merkel: Ich kann nur wiederholen, dass nach Prüfung der beiden Ministerien die Voraussetzungen im aktuellen Fall nicht vorlagen.

Andere Leute haben da geprüft und sind zu irgendwelchen Ergebnissen gekommen. Was soll Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, da noch eine Haltung zu entwickeln?

ZEIT: Was denken Sie über Edward Snowden?

Merkel: Ich erlaube mir kein persönliches Urteil über einen Mann, über den ich lediglich das eine oder andere lese.

Was für eine Wohltat, diese Antwort. Weil Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, sich immerhin dazu herablässt, relativ unverschlüsselt zu sagen: Ich gebe Ihnen darauf keine Antwort. Ich sage Ihnen nicht, was ich von dem Mann halte.

Es ist natürlich völlig absurd anzunehmen, dass sich die Kanzerlin keine persönlichen Urteile erlaubt über Menschen wie Edward Snowden oder wenigstens eine Bewertung seiner Handlungen. Aber so anspruchslos bin ich inzwischen geworden: Ich freue mich, dass sie immerhin sagt, dass sie dazu nichts sagt, ohne dass man selbst das nur mühsam zwischen den Zeilen herauslesen oder aus ihren Nicht-Antworten-Antworten interpretieren muss.

ZEIT: Halten Sie es für verhältnismäßig, dass mehrere europäische Länder dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales wahrscheinlich auf Betreiben der Amerikaner Überflugrechte verwehrt haben?

Merkel: Ich kenne die Hintergründe dieses Vorgangs nicht und werde ihn deshalb auch nicht bewerten.

Okay, ich nehm’s zurück. Ich bin raus. Da hilft jetzt auch nicht mehr die unverstellte Klarheit, mit der die Bundeskanzlerin sagt: Mir doch egal.

Mir doch egal, was da passiert ist.

Mir doch egal, ob Sie mir abnehmen, dass ich mich nicht über die Hintergründe dieses bizarren und empörenden Vorganges kundig gemacht habe.

Mir doch egal, ob ich gerade noch gesagt habe, dass wir über Verhältnismäßigkeiten reden müssen.

Mir doch egal, wie da mit Staatspräsidenten umgegangen wird und mit Whistleblowern und überhaupt.

Geht mir am Arsch vorbei, sagt die Bundeskanzlerin.

Natürlich würde man sich wünschen, dass die Interviewer an dieser Stelle sagen würden: „Wissen Sie was, Frau Bundeskanzlerin, bei allem Respekt: Aber wenn Sie sich nicht äußern wollen über diese Themen, wenn Sie uns Ihre konkrete Einschätzung dieser außerordentlichen Vorgänge nicht sagen wollen, dann brechen wir das Interview an dieser Stelle ab. Dann stellen wir fest: Die Bundeskanzlerin weiß nicht, was unsere Verbündeten so machen, und wenn sie es weiß, dann sagt sie es nicht. Und in jedem Fall weigert sie sich, ihre Haltung dazu der Öffentlichkeit mitzuteilen, weshalb ein Interview mit ihr sinnlos ist.“

Im Zweifel würde aber natürlich auch ein Interviewer von einer geringeren Geschmeidigkeit als Giovanni di Lorenzo nicht so reagieren. Und tatsächlich ist ja das Interview immerhin insofern sachdienlich, als es die fehlende Bereitschaft der Kanzlerin, Antworten zu geben, für jeden, der sie sehen will, sichtbar macht.

Vielleicht ist meine Empörung an dieser Stelle auch abwegig. Genauso gut hätte ich mich vermutlich auch beim vorletzten, vorvorletzten oder vorvorvorletzten Interview mit Angela Merkel empören können. (Tatsächlich habe ich auch vor drei Jahren schon über ihre bizarr blutleere, abstrakte Sprache geschrieben, mit der sie uns alle in die Besinnungslosigkeit redet.)

Aber dies war der Punkt, an dem mein Kragen geplatzt ist. Natürlich vermeiden viele Politiker klare Aussagen. Aber dass es so normal geworden ist, dass eine Kanzlerin sich systematisch und dreist der kleinsten inhaltlichen Festlegung verweigert, dass so ein Interview wie das in der „Zeit“ gar keinen Schluckauf in dieser Hinsicht mehr auslöst. Und dass diese Kanzlerin größte Zustimmungswerte im Volk genießt und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, die zukünftige Regierung zu führen. Das bestürzt mich dann doch.

118 Replies to “Was Angela Merkel alles nicht weiß und deshalb auch nicht bewerten wird”

  1. Ich stimme der Gesamtbewertung zu, habe aber im Detail schon ein paar Einwände.

    Testfrage: Ist Angela Merkel überrascht über das Ausmaß, in dem uns ausländische Dienste offenbar ausspähen, oder nicht?

    Die Antwort hätte ich sogar gelten lassen. Sie sagt ja, dass sie das Ausmaß nicht kennt, und dann kann sie natürlich auch noch nicht darüber überrascht sein.
    Andererseits würde ich ja eigentlich behaupten, dass niemand von dem Ausmaß an Überwachung überrascht sein kann, der die letzten paar Jahre nicht in einer Höhle im Himalaya verbracht hat, ab von den üblichen Bergsteigerrouten und ohne zwischendurch mal zur Yetijagd rauszugehen.

    Wenn jeder Anschlag einer zuviel wäre, dann müsste man alles tun, um auch den einen zu verhindern. Jede Aufgabe der Privatsphäre wäre dafür hinzunehmen. Dann heiligt der Zweck auch die Mittel.

    Ich denke, dass diese Deutung die Aussage weit überdehnen würde. Natürlich ist jeder Anschlag einer zu viel. Es wird doch niemand der Meinung sein, dass es eine richtige Anzahl von Anschlägen gibt, und wenn die Terroristen darunter bleiben, dann waren es zu wenig.

    Es ist natürlich völlig absurd anzunehmen, dass sich die Kanzerlin keine persönlichen Urteile erlaubt über Menschen wie Edward Snowden oder wenigstens eine Bewertung seiner Handlungen

    So absurd finde ich das gar nicht. Ich zum Beispiel habe da auch keine Meinung zu. Nun bin ich weit davon entfernt, Kanzlerin zu sein, aber ich glaube auch nicht, dass das für die Frage eine große Rolle spielt.

  2. Tschuldigung, darf ich noch mal…

    Es wird doch niemand der Meinung sein, dass es eine richtige Anzahl von Anschlägen gibt, und wenn die Terroristen darunter bleiben, dann waren es zu wenig.

    *Außer den Terroristen natürlich.

  3. „Und dass diese Kanzlerin größte Zustimmungswerte im Volk genießt und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, die zukünftige Regierung zu führen. Das bestürzt mich dann doch.“ Genau das ist es. was ich immer weniger verstehe. Laut Umfragen wohl gemerkt, die müssen nicht stimmen, scheint alles von Merkel abzuprallen. Man möchte fast hoffen, dass ein Stück von der ganzen Scheiße an ihr kleben bleibt, weil man dann sieht. dass die Dame echt ist. Sie wirkt doch mittlerweile wie „über allen Dingen schwebend“. Wann hört der Spuk endlich auf?

  4. Bei Interviews mit Angela Merkel fällt mir immer wieder die Martin Sonneborn-Phrase „Ich danke Ihnen für diese Frage, möchte nun zunächst aber eine gänzlich andere beantworten.“ ein.
    Damit trifft er so den Stil dieser Bundeskanzlerin ganz gut.

  5. Ein wunderbarer Blog-Eintrag. Ich teile Ihre Empörung. Diese Kanzlerin produziert nur Sprachmüll.

  6. > Und dass diese Kanzlerin größte Zustimmungswerte im Volk genießt und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, die zukünftige Regierung zu führen. Das bestürzt mich dann doch.

    naja, das ist jetzt ja nicht soo schwer zu verstehen. merkel mag in der disziplin „zustimmungsfähige dinge sagen“ konstant auf der 0-linie liegen, aber um da rankommen, müsste steinbrück sich erst von unten ranarbeiten.

  7. Dank Wikileaks („Angela Teflon Merkel“) wissen wir, dass diese Qualitäten der Kanzlerin auch international gewürdigt werden.

  8. Natürlich kann man es so sehen, dass Frau Merkel dem Skandal kein allzu großes Interesse entgegenbringt und kaum Antworten auf die gestellten Fragen liefert. Gleichzeitig ist es aber auch sehr angenehm, dass unsere Bundeskanzlerin sich sehr nüchtern an die ihr bekannten Fakten hält und sich damit nicht an den teils wilden Spekulationen und Forderungen beteiligt.

    Ein Beispiel: Trittin und andere Politiker forderten lauthals, dass Snowden in Deutschland aufgenommen werden müsse. Merkel hingegen sagt, „dass die Voraussetzungen für politisches Asyl oder eine Aufenthaltsgewährung aus anderen Gründen nicht vorlagen.“ Statt populistische Forderungen aufzustellen, betont sie damit lediglich, dass es keine rechtlichen Grundlagen für die Aufnahme von Snowden gibt. Welche Meinung oder Haltung sie selbst zu dieser Frage hat, ist damit eigentlich ziemlich egal.

  9. Und dass diese Kanzlerin größte Zustimmungswerte im Volk genießt und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, die zukünftige Regierung zu führen.

    Hervorhebung von mir. Ähm, nein, nicht im Volk, sondern bei denen, die noch wählen gehen. Das ist eben längst nicht mehr das gesamte Volk. Es haben zu viele schon aufgegeben, an der Politik noch etwas ändern zu wollen.

  10. @mspro: Ich glaube nicht, dass Merkel auf Grund der schlechten Alternative (Steinbrück) derart ungebrochene Beliebtheit genießt. Die SPD (oder auch andere) hätten eine eierlegende Wollmilchsau, Marx, Jogi Löw oder Gott persönlich aufstellen können: An Mutti kommt merkwürdigerweise niemand vorbei. – Vielleicht jemand, der nach Außen ebenso nicht politisch ist.
    Würde deine Vermutung zutreffen, dann müsste Merkel schlechte Beliebtheitswerte in den Umfragen haben und als das kleinere Übel gewählt werden. – Dem ist aber nicht so. Die Leute mögen Mutti, die unpolitischste Politikerin aller Zeiten. Denn sie hat klar gemacht: Merkel ist alternativlos!
    Darauf einen Schnaps. Prost!

  11. Ja, Ja und verdammt nochmal JA zu diesem Text, Stefan!

    „Der Merkel-Sound funktioniert wie Fahrstuhlmusik. Er gibt allen Insassen das Gefühl, dass in diesem Apparat nichts Beunruhigendes passieren könnte. Denn Aufregung kann Merkel nicht brauchen, vor der Wahl schon gar nicht.“ – So treffend schreibt es Lutz Meier im stern:
    http://www.stern.de/politik/deutschland/interview-zu-prism-und-snowden-angela-merkel-die-valium-politikerin-2037058.html

    Auch sehr schön der Bericht von einer Pressekonferenz, die hinsichtlich ihres Informationsgehalts dem Zeit-Interview Konkurrenz macht:
    http://www.taz.de/Regierung-informiert-ueber-NSA-Affere-/!119599/

    Laut der gegenwärtig so beliebten Sonntagsfragenumfragen wollen über 40% der Bevölkerung diese Frau inklusive ihres Wahlvereins wählen. Wofür eigentlich? Diese Frage stelle ich mir jedesmal, wenn ich eine der aktuell so beliebten Sonntagsfragenumfragen sehe. An ihr selbst mag ja nichts hängenbleiben, aber wenn man sich nur einen Moment lang anguckt, was diese Regierung in den letzten vier Jahren so alles fabriziert hat, sehe ich (aus Sicht des Ottonormalbürgers, nicht der Wirtschaft) kein einziges Argument, dieser Kanzlerin auch nur einen weiteren Tag im Amt zu gönnen.

  12. Ähm … und? Genau das macht sie doch seit 8 Jahren!? Sie wartet so lange ab, bis sich die Mehrheit für eine Richtung entschieden hat und dann rennt sie nach vorne und will die Bewegung anführen. Das hat sie bei Fukushima so gemacht, bei der Hauptschule, Wehrpflicht, römischer Dekadenz, usw.

  13. Falls sich jemand fragt, warum der Interviewer trotz Nichtbeantwortung der Fragen auf Nachfragen verzichtete, dafür ist die, bei vielen deutschen Printmedien verbreitete Unsitte des „Autorisierens“ verantwortlich: Die Fragen werden vorher eingereicht, dann treffen sich die Beteiligten entweder tatsächlich zum Gespräch, dessen Aufzeichnung dem Pressesprecher des Interviewten anschließend zur „Korrektur“ vorgelegt werden muss, sofern dieser die Nichtbeantwortung eines Pseudo-Interviews (ohne Treffen) nicht gleich selbst formuliert.
    Diese Art der Zensur klappt natürlich nur in Printmedien, die nur selten darüber berichten. Im TV ist diese Unsitte an den Augen untrainierter Live-Interviewpartner zu erkennen, ob sie ihre vorformulierten Antworten vom Teleprompter ablesen oder direkt in die Kamera oder zum eingeblendeten Interviewer schauen.
    Eine Zensur findet natürlich niemals nicht statt…

  14. @ Michael

    Warum soll die Forderung von Trittin & Co populistisch gewesen sein?

    Merkel:
    „Von Programmen wie Prism habe ich durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen. Inwieweit die Berichte zutreffend sind, wird geprüft.“

    Wie will Frau Merkel das Überprüfen, wenn Edward Snowden nicht ins Land darf? Oder glauben sie ernsthaft das die US Amerikaner schön brav die Wahrheit sagen, wenn man sie z.B. fragt, ob sie Wirtschaftsspionage betreiben? Ich hoffe nicht das sie so (gespielt?) Naiv wie unser Innenminister sind!?

    Es ist natürlich unglaublich leicht dezent darauf hinzuweisen, das der Whistleblower Edward Snowden vieleicht ja gar nicht die Wahrheit sagt, wenn man die Beweise überhaupt nicht prüfen möchte.

    Und im übrigen hält sich Frau Merkel nicht nüchtern an bekannte Fakten. Wenn sie das Interview nochmal gründlich lesen, werden sie feststellen das sie praktisch gar keine Fakten nennt sondern in erster Linie ausweicht, wie von Stefan Niggemeier gut dargelegt wurde.

    Ich denke aber das ihr Kommentar indirekt aber die Antwort auf die Frage ist, warum Merkel so beliebt ist.

    MfG

  15. […] Viele verstehen nicht, wie man an Angela Merkel etwas auszusetzen hat. Die ist ja immer nett und selbst an einer besonnenen Handlungsweise gibt es ja wenig auszusetzen. Das Schlimme ist meines Erachtens nach, wie sehr diese scheinbare Besonnenheit aalglatter Ignoranz Vorschub leistet. Der von mir sehr geschätzte Medienjournalist Stefan Niggemeier hat in einem aktuellen Blogeintrag einmal ein aktuelles Interview auseinandergenommen. […]

  16. Links anne Ruhr (15.07.2013)…

    Bochum Total: Einzigartiges Fest mit mehr als 600.000 Besuchern (Ruhr Nachrichten) – Dortmund: Erinnerung an die Opfer: Einweihung der NSU-Opfer-Gedenkstätte durch OB Ulli Sierau (RP-Online) – Datteln/Waltrop: Unterschriftenkampagne: ….

  17. Die Strategie der ausweichenden Antwort dürfte Angela schon zu DDR-Zeiten perfektioniert haben. Man braucht einige Intelligenz und Aufmerksamkeit dafür, ähnlich wie in dem KInderspiel, bei dem man auf Fragn antworten muss, ohne jemals „Ja“ oder „Nein“ zu verwenden. Merkel kapselt sich regelrecht ein im Bemühen, dass ihr niemand irgendetwas anhängen kann. Sie hat jetzt nur das Lavieren gegenüber der alten DDR-Bürokratie ersetzt durch das Lavieren vor der demokratischen Öffentlichkeit und den Wählern.

  18. Von System „TINA“ (There Is No Alternative) zu Radio „TIRANA“ (That Is Really A Nutty Alternative).

  19. Es ist Wahlkampf…..
    Okay, eigentlich ist immer irgendwo Wahlkampf.
    Was leider immer wieder vergessen wird: Egal wie oft uns internettlich der Kragen platzt, egal wie oft ein Blogger einen Rant loslässt, die Wahl wird immer noch im RL entschieden. Und nicht einmal in Berlin, sondern in Gemeinden, für die Berlin „wie New York, ein weit entfernter Ort* ist. Und für mindestens 50% Menschen um mich herum ist das Internet tatsächlich #Neuland.
    Es wird derjenige gewinnen, der Samstags vor dem EDEKA die schönsten Werbegeschenke verteilt, am besten Kugelschreiber, kann man immer gebrauchen. Und die örtliche CDU hat IMMER Kugelschreiber.

    *Zitat von Bosse, aus dem neuesten Radio-Dudel-Hit

  20. Mich bestürzt vor allem, dass es für die Kanzlerin bei dem Thema immer „nur“ um Freiheit und Sicherheit geht und sie in keinem Satz das Wort „Vertrauen“ verwendet (das Wort „nur“ angesichts der anderen zwei nicht falsch verstehen, mir ist deren Bedeutung sehr wohl bewusst).

    Wie soll das funktionieren? Wie will ein Rechtsstaat Freiheit und Sicherheit garantieren, ohne das Vertrauen seiner Bürger zu haben? Denn genau an diesem Punkt sind viele mittlerweile angelangt: Sie vertrauen dieser Regierung nicht mehr. Anscheinend weiß das Frau Merkel auch, denn sie bittet nicht mal mehr darum. Schallendes Gelächter wäre die Antwort.

    Man muss sich das vor Augen halten: Die Bundeskanzlerin spricht beim Thema Internet von „Neuland“ und der Bundespräsident bei der massenhaften Datenspeicherung von Aktenordnern. Die wissen nicht einmal, was sie nicht wissen. Folglich verstehen sie es auch nicht. Gute Nacht, Deutschland.

  21. Der Interviewer war aber auch nicht besonders gut, oder? Z.B. bei der ersten Frage kann man sagen, ok, sie weiss noch nicht ob dies das wirkliche Ausmass ist. Aber ein guter Interviewer hätte dann doch fragen müssen „Und wenn sich bei genauer Prüfung herausstellt, dass all diese Vorwürfe zutreffen, wären sie dann überrascht?“

  22. Die Kanzlerin hat mal wieder das gemacht, was sie am besten kann: rumlavieren.
    „Vielleicht ist meine Empörung an dieser Stelle auch abwegig.“ Auf keinen Fall. Mir gings genauso. Ich frage mich, wieso sie überhaupt noch gewählt wird.

  23. Ich erinnere mich anders an das Sommerinterview.

    Sagte Merkel nicht: “Der Zweck heiligt NICHT IMMER die Mittel.“?

    Das hieße ja was ganz anderes und würde sich auch mit ihrer Politik decken. Denn laut CDU-Programm heiligt die Verhinderung von Verkehrstodesfällen noch lange nicht die generelle Tempobeschränkung auf der Autobahn. Die Aufklärung von krassen Verbrechen wie Diebstahl oder Grasanbau heiligt aber so was von die Vorratsdatenspeicherung…

  24. >Natürlich würde man sich wünschen, dass die Interviewer an
    >dieser Stelle sagen würden: »Wissen Sie was, Frau
    >Bundeskanzlerin, bei allem Respekt: Aber wenn Sie sich nicht
    >äußern wollen über diese Themen, wenn Sie uns Ihre konkrete
    >Einschätzung dieser außerordentlichen Vorgänge nicht sagen
    >wollen, dann brechen wir das Interview an dieser Stelle ab.

    Stefan, das schreibst du in der Annahme, die Kanzlerin hätte das, was in der Zeitung steht, in dem Interview gesagt. Hat sie aber nicht. Und das ist eigentlich noch schlimmer – dass sie da um sich herum einen Stab hat, dessen einzige Aufgabe darin zu bestehen scheint, jegliche konkrete Aussage in eine Wolke Nullsprech zu verkehren.

  25. @32, wenn das bekannt ist, kann man diese Info nicht an die Leser weitergeben? Z.B. in einem kleinen Stück über den Stab der Nullsprechler und Sprachnivelierer?

    Ist natürlich heikel, weil man sich dann als Leser von nun an das Lesen von Merkel-Interviews getrost sparen kann. Naja, vielleicht hören wir mehr von ihr im Untersuchungsausschuss nach der Wahl als in all der Zeit, in der sie regieren durfte.

  26. So ist das halt, wenn man sich auf die Praxis einlässt, dass Interviews autorisiert (heißt: vom Interviewten umgeschrieben) werden. Dann hat man nachher nur die Wahl zwischen drucken oder nicht drucken. Oder man manch einen generellen Redaktionsschwanz „Unsere Interviews werden den Interviewpartnern zur Autorisierung vorgelegt und geben nicht unbedingt das gesprochene Wort wieder.“Ein Kommentar im Einzelfall wäre irgendwie albern.

  27. @ZEIT-Redakteur
    Das ist ja noch schlimmer. Wenn Frau Dr. Merkels Phrasen-Drisch-Apperat das Interview bei der Authorisierung in einen neuen Text umwandelt, dann druckt es doch einfach nicht. Stattdessen schreibt wie es ist. Die Verwaltung ist der Meinung die Bundeskanzelrin darf nichts sagen.

  28. es ist doch wunderbar zu wissen, daß das nichtregieren auch eine möglichkeit ist. und warum es den deutschen dabei noch so gut geht, es einfach keine plausible erklärung gibt. täten wir was, so wäre ja eine ursache vielleicht zu erkennen. so gilt die alte weißheit: in der ruhe liegt die kraft ,)

  29. Ah, herrlich! Da die meisten Deiner Kolleghen selbstverständlich NICHT über des Kaisers neue Kleider schreiben dürfen – liest sich die Analyse dieses Pseudointerviews fast schon wie wie ein halber Murakami! :)

  30. Die Zeit will keine kontroversen Interviews. Das habe ich von di Lorenzo selbst erfahren, als ich ihn auf ein völlig unkritisches Middelhoff-Interview ansprach. Der Interviewte soll sich sozusagen selbst entlarven. Man kann das intellektuell finden. Oder naiv.

  31. Naja, zumindest bei einigen Fragen kann ich die Zurückhaltung von Merkel schon verstehen. Was soll sie sich zu Snowdens Asylantrag äußern? Das ist eine Sache der zuständigen Stellen. In Russland mag das so laufen, dass Putin das entscheidet und dann die entsprechenden Ämter und Gerichte ihre Entscheidungen und Urteile entsprechend hinbiegen.
    Und zu der Überflug-Sache musste sie sich nicht äußern, weil die Bundesrepublik gar nicht betroffen war. Und sie hat ja Recht: Was da genau passiert ist, wer da wen um was wann gebeten hat, ist unklar.

  32. Vielen vielen vielen vielen Dank für diesen guten Text!!!!
    Sehr sachlich aber nicht so feige zurückhaltend politisch-korrekt wie sich selbst die Opposition gibt.
    Danke!

  33. Es wurde oben die Frage genannt, ob es eine richtige Zahl von Anschlägen gibt.

    Terroristen sind keine kriegstreibenden Nationen. Ihr Ziel ist nicht, aktiv einen Feind zu bezwingen, sondern ihre Agenda über Furcht und Terror durchzusetzen. Zu zeigen, was hinter ihrer Agenda steckt und „dem Feind eins auszuwischen.“ Den meisten Terroristen, auch wenn man sich entsprechende Videos ansieht, sehen ihre Taten als eine Art Freiheitskampf, einen Kampf gegen Unterdrückung in dem ihr eigenes Opfer ein Zeichen setzt. Die Wenigsten setzen sich der Illusion aus, mit 1000 Mann Truppenstärke eine Nation zu besiegen. Es ist Furcht, Terror, die Nachricht, dass sie dort sind, die uns erreichen soll.

    Und in dem Moment, in dem wir unsere Freiheit aufgeben, unsere Werte verraten, die Privatsphäre des Bürgers einschränken für das Gut der nicht herstellbaren immerwährenden Sicherheit, hat der Terrorist sein Ziel erreicht. Er hat seine Nachricht gesendet. Sie ist angekommen. Leiden tut darunter nie die Regierung, nie der Terrorist, sondern immer der Bürger des Landes, dass sich nun einschränkt.

    Und aus diesem Grund sage ich etwas politisch unkorrektes: Es gibt eine richtige Anzahl Anschläge, die nicht verhindert wird. Es ist die Anzahl Anschläge die stattfindet, weil wir uns weigern, unsere Bürger unter Generalverdacht zu stellen, in ihre Wohnzimmer einzudringen und es ist die Anzahl Anschläge die stattfindet, weil wir unsere Werte nicht verraten. Wenn wir gar nicht reagieren, keine Reaktion zeigen, und uns anstattdessen anderen Dingen zuwenden, wird Terrorismus seine Macht verlieren. Terror, le terreur, das ist die Angst.

    Und der Preis der Freiheit sind einige wenige, die dadurch sterben, dass wir Terroristen nichtmal annähernd die Zeit und Aufwand geben, dass sie überhaupt Aufmerksamkeit wert sind. Wer ein großes Maß an Sicherheit über die Freiheit stellt, hat damit den Kampf gegen den Terrorismus bereits verloren. Denn er hat sich auf ein Spielfeld eingelassen, auf dem der Terrorist ein Meister ist. Das Spielfeld der Angst.

    Der Preis der Freiheit ist dass Menschen betrogen werden, verletzt werden, dass sie sterben, dass sie Unfälle haben, dass sie falsche Entscheidungen treffen und auch, das Menschen, die solch ein System nicht mögen, Menschen töten werden. Doch eine freiheitliche Republik, wo Menschen und Grundrechte uns den Weg weisen, sollte diesen Menschen nicht mal ansatzweise die Bühne geben, die man ihnen gibt. Sondern sie mit Schweigen und Ignoranz strafen, genau wie sie es verdienen.

    Und sie als ein Zeichen nutzen. Denn die Freiheit, die wir haben, hat Millionen leben gekostet, weil die Menschen nicht bereit waren. Und diejenigen, die unter der Hand von menschenverachtenden Irren sterben, sollten kein Grund für eine Einschränkung sein, sondern ein Mahnmal für den Preis der Freiheit und die Bedeutung. Wir sollten bei jedem Anschlag unsere Freiheit feiern und unseren Stolz, eine freie Nation sein zu wollen.

    Ein Leichenschmaus erster Güte. Man mag dies pervers oder verrückt nennen, doch nur auf diese Weise nimmt man den Terroristen ihre Macht. Terroristen sind das für die Welt, was Trolle im Internet sind: Füttert man sie, vermehren sie sich und kommen wieder. Ignoriert man sie, amüsiert sich bei ihren Taten, werden sie Vergessenheit sein. Auch wenn dies ein ultimativer schmerzhafter Preis ist, den wir bezahlen. Sehr ungerne bezahlen, versteht sich von selbst.

  34. Das sind halt die „Allgemeinplätzchen“, die im großen „Umluftherd“ der Kanzlerin gebacken werden und dem Wahlvolk immer noch schmecken. Ein Volker Pispers lebt schon seit ihrem Antritt als Kanzlerin davon, dieses Phänomen in Deutschland aufzuzeigen. Der Deutsche lacht artig darüber und fühlt sich ansonsten bei der Kanzlerin gut aufgehoben. Es fehlt nur noch der Hinweis, dass wir uns im Westen nicht „auseinanderdividieren lassen“ dürfen und eine „gemeinsame Lösung“ (also überhaupt keine Lösung) für den Datenschutz anstreben müssen. Das kommt wohl erst im 2. Akt. Bis zu den Wahlen zieht es sich ja noch etwas hin.

    Es ist halt unsere Wohlfühlkanzlerin, die keine klaren Worte benutzt, um keine Wähler zu vergraulen. Die Deutschen finden das gut. Die Umfragen geben Ihr da ja auch recht! Das ist aber schon seit Ihrem Antritt als Kanzlerin so. Oder wie Volker Pispers es so oft hörte: „Die macht es doch gar nicht so schlecht. Die macht das besser als erwartet!“

    Ich glaube nicht, dass die ZEIT oder ein anderes Medium diese Magie brechen kann.

  35. Also erst mal: Guter Text!

    Aber ich muss sagen, dass ich verstehe, dass sie nichts dazu sagt. Sie kann doch nur verlieren. z.B. die Snowden-Frage:

    Sie ist in der günstigen Position, dass sie keinerlei Verantwortung trägt. Warum sollte sie sich also ohne Not in Schwierigkeiten bringen? Was bleibt denn als Antwort?

    1.) Joa, persönlich ist der Snwoden schon nen Held für mich. Aber ich möchte für Deutschland nicht unsere guten Beziehungen zur USA gefährden. Also muss er zusehen wie er klar kommt. Zum Glück gibts ja andere Länder die ihn aufnehmen.
    (Resultat -> Trotz der Relativierung würden sich die USA brüskiert fühlen, dass die deutsche Staatschefin mit Snowden sympathisiert.)
    2.) Er ist ein Tatverdächtiger, gesucht wegen Geheimnisverrat. Wir sind ein Rechtsstaat und unterstützen deshalb die USA. Wir werden keinesfalls aufgrund von Sympathien des Volkes für eine Person gegen geltendes Recht handeln. Es gilt das Gesetz und daran müssen wir uns halten. Damit kommt es nicht in Frage, dass er in D Asyl bekommt.
    (Resultat -> Sie verliert Stimmen beim Volk.)

    Ist es aus ihrer Perspektive wirklich schwer nachzuvollziehen warum es besser für sie ist die Klappe zu halten?

    Und nochmal zu Pispers Spruch, den ich eigentlich auch sehr treffend und lustig fand. Aber denkt mal drüber nach! Ist eine Kanzlerin die sich ihre Meinung erst bildet, wenn das Volk sich entschieden hat in einer Demokratie so falsch? Wieso wird hier eine führende Kanzlerin gefordert wenn doch das Volk regiert? Wieso wird ihr vorgeworfen ihr Fähnchen nach dem Wind zu hängen, wenn ein guter Volksvertreter doch eben genau das tun sollte? Nämlich nicht eine eigene Meinung aufgrund (meist) ungenügender Informationen zu formen und diese dann im Zweifel gegen den Willen des Volkes durch zu drücken. Waren 4 Jahre Schröder nicht genug?

  36. Es ist doch beinahe urkomisch, wie sich der Journalist seiner Pflicht mit Verweis auf die Wünsche, Forderungen oder auch Mechanismen der Politik entledigt. Es ist ja schön und gut, dass Interviews von Mitarbeiterstäben redigiert werden, nur dann stehe ich als Journalist doch genau vor der Frage, ob ich sinnentleerte Interviews nun bringe, weil der Name (Stichwort Sommerinterview mit BKin Angela Merkel etc. pp) ein gewisses Interesse (oder eine gewisse „Kaufbereitschaft“) beim Leser weckt oder ob ich damit meiner (ja auch selbstzugeschriebenen) Aufgabe der Meinungsbildung und Information nachkommen will. Dass nun hier evtl. die „Zeit“ selbst erklärt, dass sie – als Wochenzeitung des Bildungsbürgertums – freiwillig auf letztere Funktion zugunsten ersterer verzichtet, hat einen gar herrlichen Geschmack.

    Denselben übrigens, den Spiegel, FAZ, SZ und sonstige Meinungsbildungsorgane tagtäglich servieren, um hinterher über Auflage, Konkurrenz des Internets etc. zu wehklagen. Vielleicht ist insoweit mal ein wenig Selbstkritik angebracht. Hier sei im übrigen angemerkt, dass ich es den Wettbewerbern in der Politik gar nicht mal verdenke, dass sie im eigenen Machtinteresse handeln. Aber genau dort erwarte ich medial ein Korrektiv, was eingreift, kritisch ist und sich im Zweifelsfall auch über Autorisierungen hinwegsetzt, wenn es im Interesse der Information der Öffentlichkeit geschieht. Es ist ja gerade im Falle der Angela M. auch anzumerken: Wo wäre die Gefahr? Ein verbitterter Merkel-Stab? Und weiter? Das bedeutet dann, statt inhaltsleeren Zeit-Interviews von Frau Merkel keine Zeit-Interviews von Frau Merkel mehr. Den inhaltlichen Verlust mag ich nicht erkennen, maximal einen finanziellen. Und komischerweise folgen Verlage dann dort wieder derselben Logik wie Politiker, die konkrete Aussagen vermeiden, um ihr Image bzw. ihr Kapital nicht zu gefährden.

    Andererseits ist es dann aber geradezu lächerlich, mit welcher „Geilheit“ sich andererseits auf Skandale und Skandälchen gestürzt wird nach dem Motto „hurra, endlich dürfen wir losschlagen“. Nur zeugt es weder von Qualität noch sonderlichem Mut, wenn man dies nur dann tut, wenn es soweiso alle tun. Mehrheitlich lässt man sich freudig vor den Demobilisierungszug spannen und reibt sich die Hände über Politiker, die scheinbar blöd genug sind, interpretationsfähige bis grenzwertige Aussage in der Öffentlichkeit zu tätigen.

    Sicherlich kann man sagen: Die Inhaltsarmut solcher Interviews steht dem Leser ja offen vor Augen. Er muss nur zugreifen, wie dieses Blog es tut. Andererseits halte ich die Zeit nicht für die dpa, wo schlicht Nachrichten im Minutentakt rausgejagt werden, sondern für ein Medium, das gerade vom Kommentar, der Aufbereitung und der Qualität der Arbeit lebt. Um Dasjenige zu lesen, was Frau Merkel (oder ihr Stab) über Frau Merkel lesen will, reicht jedem das Studium ihrer und der CDU-Pressemitteilungen vollkommen aus. Meinungsbildende Medien haben gerade nur dann eine Berechtigung, wenn sie das bieten, was der Betroffene eben nicht unbedingt über sich lesen will.

  37. Nachkorrigierte Politiker-Statements, die weit über Grammatik-Korrekturen hinausgehen, sind für mich ganz klar unaufrichtig und ein Betrug am Wähler. Ich frage mich gerade, seit wann das eigentlich schon so gemacht wird?
    Bei Antworten auf spontane Zwischenfragen im Bundestag wird schließlich auch nicht nachträglich etwas rausgeschnitten oder gar nachvertont (oder sind wir mittlerweile schon soweit?)
    Halbwegs ehrliche Antworten sind wohl nur noch bei Formaten wie „Kinder fragen, Politiker antworten“ zu erwarten…

  38. Eins mal vorweg: Auch ich bin von der Führungsschwäche (besser: -verweigerung) der Kanzlerin, die Pispers sehr treffend beschreibt, maßlos genervt und kann mir nicht erklären, wie Sie so zu diesen guten Umfragewerten kommt.

    Aber: In diesem Interview ist es mal ganz wohltuend, dass eine Person in diesem ganzen Whistleblower-Hype dazwischen flüstert: „Audiatur et altera pars“ Oder anders: Lasst uns doch erstmal das Bild vervollständigen, bevor wir es bewerten. Natürlich nutzt Frau Merkel das in ihrer Art, um Zeit zu gewinnen, bis sich der erste Staub gelegt hat. Dann kann sie in Ruhe abwarten, was die Mehrheit des Wahlvolks von ihr erwartet: Und das macht sie dann. Führen durch Hinterherlaufen.

    Ich vermute, dass die Kanzlerin mit der Bewertung der Meinung der Mehrheit richtig liegt: den allermeisten Menschen ist es ziemlich egal, dass US-Geheimdienste uns ausspionieren. Das Ausmaß – so die Darstellungen von Snowden den stimmen – mag zwar überraschen. Überraschender wäre aber die Meldung gewesen, daß die Amerikaner uns gar nicht ausspionieren. Ich persönlich fühle mich dadurch übrigens – auch für mich selbst überraschend – in keinster Weise in meiner Freiheit beschränkt. Ich glaube, es geht vielen anderen wie mir.

  39. Mimikri, und genau das ist das Problem.

    Denn, wenn ständig ein NSA Agent neben dir säße, sagen würde „Ah bevor sie das essen, lassen sie mich mal kurz schauen. Ah, ja, das haben sie letzte Woche Dienstag gegessen, als sie diesen japanischen Porno geschaut haben. Stimmt ja. Wollen sie eigentlich ihr Auto dahinten stehen lassen? Ist ja Parkverbot. Naja, ist ja auch egal, ich wollte nur Bescheid sagen, gehen sie doch mal zu ihrem Sohn rüber, der hat grad ein Spiel runtergeladen und schaut sich die ganze Zeit Gina Wild Filmchen an. Ach Mimikri, dieses Buch würde ich jetzt nicht lesen, dass ist ein wenig verpönt, steht bei uns auf der Liste. 25% der Menschen, die dieses Buch lesen, sind leider Verbrecher. Ich meine, ich wollts nur gesagt haben. Und gestern Abend mit ihrer Frau, *augenzwinkern*, einsame Spitze.“

    Und wie fühlen sie sich, wenn irgendwann aufgrund eines Algorithmus morgens ihre Tür aufgebrochen wird und ein SEK im Zimmer steht, weil sie „Auf ein Profil gepasst haben?“

    Oder stellen sie sich vor, sie rufen dazu auf, die Bücher zu lesen, die Islamisten lesen. Damit man gute Argumente hat. Aber privat, auf Facebook nur unter ihren engsten 30 Freunden. Und die nächsten Tage steht ein netter Herr vor der Tür. Nach vier Tagen kommt er dann vorbei und sagt „Ich hab gesehen, dass sie die ganze Zeit nach ihrem WLAN Schlüssel suche, also ich wollt ihnen helfen. Geben sie doch einfach ein NSA12345PRISMINTERNAL5678AUTHORIZE. Genau, Genau! Sehen sie, ist ganz einfach. “

    Und dieses Szenario mag humoristisch sein, aber die technischen Gegebenheiten, sind längst im Wohnzimmer.

  40. Was mich zunehmend nervt, ist, dass man den Namen „Edward Snowden“ nicht mehr ohne den Zusatz „Whistleblower“ lesen kann. Noch blöder war da nur SPON, wo Snowden in einem Artikel mal als „Ex-Whistleblower“ bezeichnet wurde (was vermutlich mittlerweile verändert wurde).

    Da die Überwachungspraxis der USA nach US-amerikanischen Rechtsverständnis höchstwahrscheinlich weitestgehend legal war und ist, kann die Enthüllung durch Snowden aus US-Sicht kein Whistleblowing sein – es ist schlicht Verrat. Deshalb wird Snwoden ja auch von den USA gejagt, obwohl Whistleblower in den USA Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung genießen. Aus unserer Sicht ist das natürlich ein höcht ehrenvoller Verrat – aber eine Begriflichkeit haben wir dafür nicht. Letzlich bewahrheitet sich nur wieder das Sprichwort vom Verrat und dem Verräter.

    Aus deutscher Sicht kann Snowden auch keine Whistleblower sein. Das deutsche recht kennt den Begriff gar nicht. Auch ist der Whistleblower in Deutschland nicht unter einen dem angloamerikanischen recht vergleichbaren Schutz gestellt. Ein deutscher Whistleblower muss im Gegenteil mit Repressalien durch Staat, Arbeitgeber oder Öffentlichkeit rechnen.

    Mir ist wirklich schleierhaft, warum Snoden mit einer derartigen Penetranz mit diesem Etikett versehen wird.

  41. @Klonk: Mir sind solche Horrorszenarien durchaus bewusst. Aber – wie gesagt: zu meiner eigenen Überraschung – es berührt mich praktisch nicht. Ich fühle mich nicht einen Deut weniger unfrei als vor zwei Monaten. Und auch wenn ich als liberaler Geist empört bin, ist meine persönliche Betroffenheit gleich Null.

    Darüberhinaus weiß ic auch nicht so recht, gegen wen sich mein Groll richten sollte. Ich halte es für völlig legitim, wenn die Russen bei uns spionieren. Und ich vermute mal, daß wir auch in Russland oder China spionieren. Ich habe so meine Zweifel, ob Aufwand und Nutzen bei diesen ganzen Geheimdienstaktivitäten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Aber wenn wir als Deutsche als einzige auf Spionage verzichten würden, fänd ich das irgendwie auch doof.

    Und ganz ehrlich: Übel nehmen kann ich den Amerikanern nun auch nicht, dass sie bei uns spionieren. Warum sollen sie darauf verzichten? Weil wir Freunde sind?! Da muss ich doch herzlich lachen. Gerade diejenigen, die sich jetzt am lautesten öffentlich empören, wären doch vermutlich die letzten, die sich als Freunde der USA und verlässlicher Partner bezeichnen würden. Die Wahrheit ist: Wir sind bei weitem keine so engen Freunde der USA wie England oder Australien. Dass die uns ausspionieren finde ich blöd – aber ernsthaft übel nehmen kann ich das den Amerikanern genausowenig wie den Russen oder Chinesen.

  42. @mimikri
    Hier wird recht unaufgeregt erklärt, wie wohl die meisten Meschen den Ausdruck verstehen:
    „Ein Whistleblower (von engl. to blow the whistle, „in die Pfeife blasen“; im deutschen Sprachraum auch „Enthüller“, „Skandalaufdecker“ oder „Hinweisgeber“) ist eine Person, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringt. Dazu gehören typischerweise Missstände oder Verbrechen wie Korruption, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenschutzmissbrauch oder allgemeine Gefahren, von denen der Whistleblower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen erfährt. Im Allgemeinen betrifft dies vor allem Vorgänge in der Politik, in Behörden und in Wirtschaftsunternehmen.

    Whistleblower genießen in Teilen der Öffentlichkeit ein hohes Ansehen, weil sie für Transparenz sorgen und sich als Informanten selbst in Gefahr begeben oder anderweitige gravierende Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Arbeit riskieren.“
    http://de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower

  43. @48 Zapfenfred
    „Nachkorrigierte Politiker-Statements, die weit über Grammatik-Korrekturen hinausgehen, sind für mich ganz klar unaufrichtig und ein Betrug am Wähler. Ich frage mich gerade, seit wann das eigentlich schon so gemacht wird?“

    Soweit ich mich erinnere, erfolgte dieses »Entgegenkommen« der Journalisten irgendwann,weil es in Interviews immer mal wieder zu verkürzten oder missverständlichen Zitaten kam.

    »Es gehört zum guten Stil, sich Interviews von seinen Gesprächspartnern autorisieren zu lassen[…] Genau genommen sind Sie dazu nicht verpflichtet, aber aus Respekt sollten Sie in diesem Punkt nicht kleinlich sein.
    […] Die Notwendigkeit der Autorisierung hängt mit dem Recht am eigenen Wort zusammen. Danach kann jeder Mensch z.B. selbst bestimmen, ob seine Aussagen zu einem Thema veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Eine Veröffentlichung gegen den Willen des Betroffenen oder auch ein Verdrehen von Aussagen aus einem gekürzten Interview führen zu einer Persönlichkeitsverletzung, die Ansprüche auf Gegendarstellung und Widerruf, aber auch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld auslösen kann.“

    (http://phlow.de/journalismus/darstellungsform/interview.php)

  44. Bullshit kann man schlecht greifen, das fein ausformulierte Nichtssagende lässt sich vielleicht besser als Parodie erfahrbar machen.

    Stellt Euch vor, die Merkel wäre Supermarkt-Kassiererin.
    Kunde: Was kosten die Nudeln?
    Merkel: Der Preis berechnet sich aus dem Einkaufspreis und der Handelsspanne. Es können auch weitere Überlegungen noch eine Rolle spielen.
    Kunde: Und was kosten die Nudeln jetzt?
    Merkel: für die Festsetzung des Preises ist letztendlich die Zentrale in Essen zuständig.
    Kunde: Hier klebt kein Preisschild drauf!
    Merkel: Dafür ist meine Kollegin verantwortlich.Wir werden über das fehlende Preisschild reden.
    Kunde: (ohne Ironie) Ich muss zugeben, Sie wirken kompetent! Ich nehme acht Packungen von den Nudeln.

  45. Deutsche Politiker haben vor allem vor einem Angst: Shitstorm

    Besonders in Deutschland DARF kaum ein Politiker sagen was er denkt, vor allem wenn es um Dinger geht die in der Bevölkerung generell als rotes Tuch gelten, auch wenn vieles im Detail Sinn macht.

    Wir sind vielleicht das einzige demokratische Land auf dieser Welt der mit sowas wie Vorratsspeicherung/Abhören/sonstigen Geheimdienstliche/polizeiliche Aktionen solche Probleme hat. Ich weiss nicht warum genau, vermutlich durch unsere Geschichte und auch unsere schulische Bildung. Die innere Angst „dem Staat“ zu misstrauen sitzt tief auch wenn jeder Ausländer die Deutsche Demokratie als eine der am tiefsten verankerten sieht.

    Wie sollen in einem solchen Umfeld sinnige Entscheidungen getroffen werden? Was genau soll denn die Bundeskanzlerin aussagen? Wenn sie auch nur ein Sterbenswörtchen über irgendwas zu diesem Thema preisgibt wird das medial ausgeschlachtet und es kommt der shitstorm! Ob die Entscheidung in Wirklichkeit Sinn macht wird dann überhaupt nicht mehr diskutiert. Gar nicht auszumalen wenn irgendwo ein kleiner Fehler steckt.

    Wir kriegen die Politiker die wir uns machen. Die Shitstorm-Deutschen eben nichtssagende Politiker! Wenn wir das dann den Politikern auch noch vorwerfen ist das Paradoxon komplett. Aber Denkarbeit scheint es nur in eine Richtung hier zu geben…

  46. @meykosoft: Ich bestreite nicht, daß das Wort im hiesigen gebrauch mittlerweile eine andere Bedeutung angenommen hat als es in den USA hat. Durch die flächendeckende Benutzung des Wortes mit einer anderen als der ursprünglichen Bedeutung wird aber eine aus meiner Sicht legitime Diskussion über die Rolle Snowdens im Keim erstickt. Gauck hatte sich ja mal im ZDF durchaus differenziert Gedanken über die Rolle Snowdens gemacht. Komischerweise wurde das nie aufgegriffen.

  47. Wenn Frau Merkel wenigstens klar sagen würde, „Ich als Bundeskanzlerin habe Verantwortung nicht nur für den Datenschutz, sondern auch für die Sicherheit und die internationalen Beziehungen. Ich darf keine voreiligen Urteile abgeben oder spekulieren, was wäre wenn.“ …
    Wenn der Interviewer statt nach ihren Gefühlen, ihrer Meinung oder „hättekönntewürde“, sie stattdessen nach konkreten Maßnahmen fragen würde: „Wer ist zuständig, die in den Medien zu lesenden Vorwürfe zu prüfen? Zu wann erwarten Sie Ergebnisse, die Sie der Öffentlichkeit präsentieren können? Reicht es aus, Snowdons Aussagen nur aus den Medien zu erfahren, oder müssten deutsche Staatsanwälte (oder wer auch immer sonst) nicht persönlich mit ihm sprechen?“ …

  48. Lieber Muriel,
    ich bin ein aufrichtiger freiheitsliebender Mensch, dem seine Privatssphäre wichtig ist. Ich vertrete meine Meinung und stehe für sie ein und wenn es sein muss auch gerade. Ich kann dank dieser Aufrichtigkeit und diesem Bekenntnis zur Wahrheit eine Demokratie von einer Farce unterscheiden… Du kannst es offensichtlich nicht. Deine Aussagen sind nichts als Haarspalterei und versuchen die Aussagen deiner „Herrin Merkel“ irgendwie in ein anderes Licht zu rücken, doch endest du damit in einer ganz dunklen Ecke indem du selbst zugibst keine Ahnung zu haben aber davon soviel, dass du gern deine Meinung mitteilst (achso nee, die hast du ja angeblich garnicht). Irgendwie hast du dann aber doch soviel ahnung, dass du dir dieses phantasievolle Bespiel mit dem Yeti strickst. Und hast du denn schonmal darüber nachgedacht, dass Prism ein „Anschlag“ auf die Privatssphäre von Millionen unschuldiger Bürger ist!? Die Todesopfer durch Anschläge sind lächerlich – deswegen halte ich dagegen: Wer immernoch versucht mit dem Rattenfänger „Terrorgefahr“ die Leute in ihren Grundrechten zu beschränken ist der wahre Terrorist und eine echte Gefahr für die demokratische Grundordnung – soviel zu deiner geheuchelten Verhältnismässigkeit! Und kein Asyl für Edward Snowden??? Der mann wird mit allen kräften die die USA haben politisch Verfolgt. Ihm drohen ein Prozess und vielleicht die Todesstrafe in seinem Heimatland. Man hat seinen Reisepass für ungültig erklärt. Also wie viele Gründe braucht es noch jemandem Asyl zu gewähren – wozu ist Asyl überhaupt gedacht, wenn nicht zum schutze politisch Verfolgter. Also ganz ehrlich: Menschen mit einer Fahrlässig-schwammigen Meinung wie du sind die wahre Gefahr für uns alle. Denn sie schlossen sich gehorsam nickend Hitler an, schlossen die Augen vor dem Holocaust, sahen zu wie ihre Mitbürger abtransportiert wurden und wusste anschließend von nichts. Verräter!

  49. Die Problematik ist bekannt. Politiker wollen möglichst nicht anecken, weil sie wiedergewählt werden wollen. Aber, höhö – Sie schreiben
    „Wir kriegen die Politiker die wir uns machen.“
    Na denn.

    Da fällt mir in diesem Zusammenhang immer wieder Folgendes ein:

    Dieses ersteinmal naheliegende und immer mitschwingende Argument, die Verbraucher hätten ja eigentlich auch „selbst Schuld“. Es ärgert mich maßlos.

    Und deshalb hier eine kleine, wohl unvollständige Liste, anhand derer die Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger noch einmal deutlich erkennbar ist.

    Denn angeblich:

    steuern wir mit dem Kaufverhalten unsere Ernährungsqualität;

    bekommen alle mit einer guten Ausbildung, auch einen ordentlichen Arbeitsplatz;

    beherrschen wir mit dem Verbraucherverhalten unsere Energiepreise;

    verschmutzen wir mit dem industriell hergestellten Verpackungsmüll die Umwelt;

    bekommen wir das TV-Programm, welches wir verlangen;

    steuern wir mit dem Kaufverhalten unsere Kleidungsqualität;

    befeuern wir mit unserem Wohnverhalten die steigenden Mietpreise;

    beeinflussen wir mit dem Leserverhalten den Medien-, bzw. Zeitungsmarkt

    und steuern wir mit dem Userverhalten das Internet.

    Das mag ja einander teilweise beeinflussen, aber die meisten Bürger haben doch vermutlich nicht die „Partei ihres Vertrauens“ gewählt, damit ihnen in schwierigen Zeiten gesagt wird, sie seien doch irgendwie auch selbst Schuld.

  50. @meykosoft
    ich habe doch gar nicht von „Schuld“ geredet. Einfach eine logische Tatsache. Extreme Meinungen oder auch nur Meinungen gegen den Strom werden abgestraft, ergo weicht man aus.

    Selbst wenn man 90% mit dem Strom und nur 10% gegen den Strom zu einem bestimmten Thema steht, werden die 10% nicht nach aussen kommuniziert weil sie davon ausgehen können das genau die 10% die medialen Schlagzeilen beherrschen werden.

    Sie können es drehen und wenden wie sie möchten, im Endeffekt kommt genau meine Aussage heraus: Wir machen uns unsere Politiker selbst.

  51. #62 war für @57 lord gedacht, sorry

    Vielleicht das noch zum freien Konsumentenverhalten:
    Ich vermute dahinter ja eher eine jahrelange Verquickung von Politik und Wirtschaft (Stichwort Lobbyismus), die in voller Absicht dazu neigt, dem Verbraucher in beinahe allen Bereichen die Verantwortung zuzuschieben. Er solle sich doch einfach richtig informieren. Alles genau durchlesen, die Preise vergleichen und keinem Verkäufer vertrauen. Wer nicht genau hinsieht und eventuell kein „Untersuchungslabor“ dabei hat, ist demnach selbst Schuld, wenn er übervorteilt wird.

  52. 63 lord
    „Sie können es drehen und wenden wie sie möchten, im Endeffekt kommt genau meine Aussage heraus: Wir machen uns unsere Politiker selbst.“
    Na, dann macht ma. ;-)

  53. Mimikri, mir geht es da ähnlich, aber ich weiss, auf wen ich sauer bin.

    Auf die Firmen, die sich darauf einlassen. ISPs die einfach schlucken, anstatt zu sagen „Hey moment, das geht so nicht.“ ISPs, die keinerlei Anstalten haben, mir eine End to End Verschlüsselung und Anonymisierung im Netz zu gewährleisten, weil es sie schlicht weg nicht interessiert, weil ihnen der Aufwand und die rechtlichen Fragen zuwider sind.

    Microsoft, die es schaffen, inmitten dieser Kampagne, in der klar wird, dass sie direkten Zugriff auf Outlook Daten bei Nachfrage gewähren, mit dem Slogan „Wir nehmen ihre Privatsphäre ernst“ werben. Anstattdessen wäre es besser gewesen, die Daten serverseitig so zu verschlüsseln, dass man selber nicht dran kommt.

    Google, die ich eigentlich mag, aber viel zu naiv mit ihren Diensten umgehen, aber gleichermaßen imstande wären, mir eine brauchbare Datenverschlüsselung zu bieten.

    Und die deutschen Netzbetreiber, die anstatt die Kapazitäten im eigenen Land zu erhöhen, lieber ihre Kunden dafür bestrafen, dass man Traffic braucht, anstatt darüber nachzudenken, wie man seinem Kunden wirkliche Sicherheit bieten kann.

    Jede Firma, die ein Produkt mit einem Zugang entwickelt, gehört ebenso attackiert, denn was man verstehen muss, ist das jede Lücke, ob legal oder nicht, eine Sicherheitslücke darstellt.

    Von mir aus können Geheimdienste versuchen, zu knacken, was sie wollen. Aber sie sollten keine Sicherheitslücken verlangen dürfen. Das ist idiotisch.

  54. Ich lese die ZEIT seit 28 Jahren und freue mich immer noch regelmäßig über interessante und gut recherchierte Beiträge. Aber dem Politik-Ressort schenke ich schon lange keine große Aufmerksamkeit mehr.
    Wenn ein ZEIT-Redakteur den Abdruck dieses „Interviews“ per Kommentar jetzt auch noch rechtfertigen will, fehlen mir schlicht die Worte. Mutig wäre gewesen, kurz zu erläutern, warum man sich dagegen entschieden habe, Null-Aussagen auf fast zwei Seiten auszubreiten. Aber dann würde man möglicherweise künftig nicht mehr zum Kreis der erlauchten „Gesprächspartner“ gehören. Und könnte auch nicht mehr auf der Titelseite das „erste Interview zum NSA-Skandal“ ankündigen.
    Was bisher noch unerwähnt blieb: Die Fotos, mit denen das „Interview“ garniert war, könnten ohne weiteres für Wahlplakate verwendet werden. Statt nur die Gesprächssituation zu zeigen, sehen wir eine überlebensgroße Angela Merkel in Denkerpose. Mit dieser Frau an der Spitze des laut Philipp Rösler „coolsten Landes der Welt“ kann doch einfach nichts schiefgehen!

  55. Lieber Stefan

    Ich teile jedes Wort deines Textes. Nur: du schreibst, daß dir der Kragen geplatzt sei. Das ist nur zu verständlich. Aber was hast du dann gemacht in deiner kragenlosen Wut?
    Dieses „Das bestürzt mich dann doch.“ finde ich irgendwie zu wenig. Da fehlt noch etwas.

  56. Nennt es Arbeitsteilung. Die Zeit fragt und Niggermeier oder zerreißen den Interviewten. Man muss doch ehrlich mal sagen. Das Niggemeiers Sich-Ärgern ist so schön, das ist mehr als 5 Seiten in der Zeit wert.

  57. Nichts für ungut: VG Wort usw. ist auch ein wichtiges Thema. Dennoch schön, dass auch hier im Blog DAS Thema zur Zeit doch noch stattfindet. War überfällig…

  58. Also insgesamt ein guter Blogbeitrag, auch wenn er nicht überraschend ist und etwas Neues enthält. Es ist eben ein tpyisches Merkel-Interview. Warum auf eine Sache festlegen, wenn man damit nur Wähler verprellen kann?
    Nicht ohne Grund nannten die Amerikaner in den Cables Teflon-Kanzlerin. Der Begriff sollte genau dieses Verhalten beschreiben.

  59. Ich lese überhaupt keine Interviews mit Politikern mehr, da ich das Vertrauen in ehrliche Aussagen dererseits verloren habe. Und was beim Interviewtermin vielleicht aus Unachtsamkeit doch rausrutscht, wird bei der Autorisierung rausgestrichen.

  60. Eine wunderbare Analyse!
    Wen wundert es noch, dass (fast) keiner mehr auf die Straße geht. Eine Haltung zu zeigen – das passiert wohl nur noch auf einigen wenigen Blogs. Schöne neue Welt.

  61. Seltsam: Mir ist vor allem aufgefallen, dass die Redaktion fast nur geschlossene Fragen gestellt hat. Von den hier zitierten waren es genau zwei nicht. Was erwarten Redakteure bei solcher Art Fragen? Ich kann den Stab der Kanzlerin da schon verstehe, denn was soll Merkel auf die Frage nach Überraschung antworten? Sagt sie ja, empört sich jeder (Wie? Die Kanzlerin hat keine Ahnung?), sagt sie nein, empört sich ebenfalls jeder (Die Kanzlerin lässt ihr Volk wissentlich ausspionieren.). Sollte es ein Interview oder ein Verhör werden?
    @ ZEIT-Redakteur: Wenn das redigierte Interview nicht dem entspricht, wie es geführt wurde, sollte man den Mut haben, es nicht oder nur in Ausschnitten zu drucken. Oder einen zweiten Versuch mit anders formulierten Fragen starten, um den erhofften Erkenntnisgewinn eben doch noch zu bekommen.

  62. Das Perfide an der Frau ist ja, sich mit ihrem angeblichen Nichtwissen jedesmal aus der Verantwortung zu stehlen. Man sollte nicht unterschätzen, dass wir als Bürger durch ihre Satrapen immer wieder mit konkreten Verschlimmbesserungen konfrontiert werden (Beispiele hierfür sind u.a. Energiepolitik bzw. SGB II).
    Letztendlich zieht Merkel ihr 2003 in Leipzig verkündetes Programm gnadenlos mit Hilfe von Ministerien und Behörden zugunsten der Lobbyisten durch. Wir können jetzt schon gespannt sein, wie uns das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA im Detail verkauft wird. Deutschland spielt zwar in der EU eine tragende Rolle, bei Entscheidungen zu unseren Ungunsten sind natürlich die Kommission und das Europaparlament zuständig…

  63. Die Frage, ob man Interviews autorisieren lassen sollte oder nicht, wird ja schon länger diskutiert. Wenn man sich aber dafür entscheidet, heißt das nicht, dass man jede Änderung kommentarlos zu akzeptieren hat.
    Mir wurde in meinem Volontariat gesagt: „Du musst um Dein Interview kämpfen.“ Also um MEIN Interview, nicht um das, das meinem Interviewpartner in den Kram passt. Das heißt: Nochmal anrufen, erklären, warum man das lieber so formulieren möchte als so. Mit dem Interviewpartner diskutieren.
    Wenn er sich stur stellt, es entweder in den Papierkorb schmeißen oder volles Risiko gehen. Ersteres würde ich im Fall Merkel nicht empfehlen. Denn sie hat ja allem Anschein nach gerade deswegen so hohe Zustimmungswerte, weil sie nie etwas sagt. Weil man ihre Äußerungen sofort wieder vergisst. Weil sie eben so nichtssagend sind. Weil sie nie für oder gegen etwas ist. Denn jeder, der sich für oder gegen etwas ausspricht, macht sich damit auch Feinde. Wer keine Meinung äußert, hat auch keine Feinde. Deswegen ist es im Hinblick auf ihre Beliebtheitswerte irrelevant, ob ein Interview mit hohlen Phrasen erscheint oder kein Interview. Nicht allzu viel genützt hätte auch ein Hinweis, in dem sinngemäß steht: „Hier hätte eigentlich ein Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel stehen sollen. Da ihre Presse-Heinis es aber für eine gute Idee hielten, das an sich durchaus interessante Gespräch beim Autorisieren in eine nicht enden wollende Ansammlung hohler, nichtssagender Phrasen umzuwandeln, die vor allem nicht das Geringste mit unseren Fragen zu tun hatten, haben wir uns entschlossen, dass es Quatsch wäre, dieses, wie sollen wir sagen, Interview, zu veröffentlichen.“
    Ich finde, die Zeit hätte es andersrum machen müssen: Es drauf ankommen lassen und das unautorisierte Original-Interview erscheinen lassen. Was wäre Merkel dann übrig geblieben? Hätte sie die Zeit verklagen können? Hätte sie sich als ein Opfer journalistischer Hinterhältigkeit stilisieren können? Ich glaube nicht, dass das ihren Beliebtheitswerten genützt hätte.
    Aber der Mut dazu fehlte der Zeit offenbar. Das ist schade. Für ein Intelligenzblatt, das so überzeugt von sich selbst ist, umso mehr.

  64. Das Schlimme ist nicht Frau Merkel – sie ist ein Phänomen. Das Schlimme ist, dass der Großteil der Leute beim Zuhören oder Lesen dieser Phrasen nicht merkt, dass er geblendet wird und sie wiederwählt. Das waren noch Zeiten, als man nach einer Aussage von Strauß oder Kohl schon mal wusste, wo man auf keinen Fall sein Kreuzchen machen wird.

  65. Volker Pispers nannte das man „Schrödern“. War zwar ein anderer Kanzler, aber irgendwie das gleiche Schema.

  66. „Once the rockets are up, who cares where they come down. That’s not my Deparment,“ says Wernher von Braun.

  67. aus meiner Sicht ist es ein wenig naiv, von Frau Merkel gerade bei diesem Thema eindeutige, Position beziehende Aussagen zu erwarten. Es geht um die Arbeit der Geheimdienste, und deren Tätigkeiten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, widerspricht irgendwie dem Sinn des ganzen. Dann braucht man auch keine Geheimdienste, wenn deren Arbeit nicht mehr im geheimen statt findet.
    Für die Kontrolle ist der entsprechende parlamentarische Ausschuss zuständig, und die müssen im Rahmen ihrer Möglichkeiten schauen, dass da alles ordentlich läuft.
    Mag etwas widersinnig klingen, vor dem aktuellen Hintergrund, aber ein wenig Vertrauen in die Strukturen braucht es dann schon.
    Ansonsten ist es ja Standard, dass Politiker eher nicht direkt auf gestellte Fragen antworten, sondern in erster Linie das sagen, was sie sagen wollen. Ihre Message rüber bringen.
    Wobei bei Frau Merkel diese „Message“ meistens erstaunlich inhaltsleer ist, und sich aus meiner Sicht üblicherweise auf die Formel, „Macht euch keine Sorgen, Mutti kümmert sich“ runterbrechen lässt. ;)
    Und das scheint zu funktionieren.
    Von der „Zeit“hätte man vielleicht erwarten können, dass sie dem vorhersehbaren Gesprächsverhalten der Kanzlerin etwas entschiedener entgegen tritt, aber offenbar war man dazu nicht bereit.
    In der Sache bin ich zwiegespalten. Einerseits bin ich gegen die umfassende Ausspähung und Überwachung meiner Kommunikationsdaten durch ausländische Geheimdienste.
    Andererseits bin ich nicht so naiv zu glauben, dass nicht jede Regierung auf der Welt mit allen Mitteln versucht, ihre eigenen Interessen ( und die ihrer Bürger ) zu schützen, und zwar auf politischer, wirtschaftlicher, und militärischer Ebene. Das ist die Aufgabe jeder Regierung. Die NSA tut das, wozu sie erschaffen wurde. Und ich nehme an ( und hoffe ), dass auch wir entsprechende Maßnahmen ergreifen.
    An Freundschaften zwischen Staaten glaube ich nicht. Wenn überhaupt, gibt es zeitweilige Interessens-Übereinstimmungen und daraus ergeben sich Kooperationen.
    Von unserer Regierung erwarte ich nichts weniger als die Vertretung unserer Interessen, und den Schutz unserer verfassungsmäßigen Rechte. Auch gegenüber „Verbündeten“.

  68. Man muss Merkel nicht in Schutz nehmen wollen, um zu sehen, dass viele der Interview-Fragen Fangfragen sind, die kein gutes Gespräch aufkommen lassen können. Die Interviewer verlassen sich auf das Prinzip des double bind, bei dem jede Antwortmöglichkeit die Falsche ist. Das Bild-Prinzip in Lang-Form. Zwei Beipiele:

    ZEIT: Sind Sie nicht überrascht über das Ausmaß, in dem uns ausländische Dienste offenbar ausspähen?
    – Ja, ich bin völlig überrascht, die Bundesregierung und ich, wir hatten und haben ja keine Ahnung!
    – Nein, überhaupt nicht, wir stecken mit denen ja schon lange unter einer Decke!

    ZEIT: Die Behauptung, 50 Anschläge seien verhindert worden, ist schwer überprüfbar. Können Sie den amerikanischen Aussagen vertrauen?
    – Ja, und zwar blind. Ich vestehe mich selbst Bestens auf schwer überprüfbare Aussagen.
    – Nö, wir haben das Vertrauen in die Amis völlig verloren – die immer mit ihren schwer überprüfbaren Aussagen.

  69. Danke für den Artikel – er drückt so ziemlich meine Gedanken beim Lesen des Interviews aus. Nicht, dass ich noch irgendwelche Illusionen über das Entstehen derselben hätte – dazu habe ich zu viel Praxiserfahrung. Was mich aber immer wieder ärgert ist, dass die Zeitungen das unkommentiert stehen lassen. Ich würde es sehr befürworten, wenn unter jedem Interview ein kleiner Kasten „Entstehungsgeschichte“ erläutert, wie das ablief: Die Fragen wurden vorher eingereicht, die Antworten im Anschluss autorisiert, das Interview wurde nicht im Wortlaut abgedruckt o.Ä. Das würde gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der Medien erhöhen UND den Druck auf die Interviewten, von dieser Praxis zu lassen. Wirklich gute PR wäre dann nämlich ein Interview, von dem man sagen kann: Es wurde wirklich so geführt, wir sind authentisch, wir haben es nicht nötig, Aussagen zu streichen. Mich wundert, dass noch niemand darauf gekommen ist…

  70. Inzwischen, angesichts der sehr hohen Bedeutung der wahrscheinlichen Totalausspähung von Millionen Menschen, hat auch bei mir Angela Merkel die Grenzlinie überschritten. Wo sind die Journalisten, die Redaktionen und Herausgeber, die Klartext reden und handeln – auch gegenüber der Bundeskanzlerin.

  71. Mir war dieses Stück sogar noch perfekter:

    ZEIT: In letzter Zeit haben Sie, auch bei internationalen Veranstaltungen, sehr häufig von „Wettbewerbsfähigkeit“ geredet. Wenn Sie von Reformen sprechen, geht es oft um andere Länder. Was ist denn die Anstrengung, die wir Deutsche leisten müssten, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

    eine ganz unkritische Aufforderung zur unverschämten Schleichwahlwerbung.

  72. „Aber dies war der Punkt, an dem mein Kragen geplatzt ist. Natürlich vermeiden viele Politiker klare Aussagen. Aber dass es so normal geworden ist, dass eine Kanzlerin sich systematisch und dreist der kleinsten inhaltlichen Festlegung verweigert, dass so ein Interview wie das in der »Zeit« gar keinen Schluckauf in dieser Hinsicht mehr auslöst. Und dass diese Kanzlerin größte Zustimmungswerte im Volk genießt und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, die zukünftige Regierung zu führen. Das bestürzt mich dann doch.“

    Das kann ich so unterschreiben.
    Habe das Interview im Urlaub beim Fruehstueck gelesen und wusste gar nicht, wohin mit dem Puls.

    Speziell beim bewussten Missverstehen des Wortes „Dienste“:

    ZEIT: Ist sowohl bei der Empörung als auch beim Aufklärungseifer nicht eine Menge Heuchelei im Spiel, weil viele Politiker von der Praxis des US-Geheimdienstes geahnt haben und weil die deutschen Sicherheitsbehörden in den letzten Jahren in erheblichem Maße von den amerikanischen Diensten profitiert haben?
    Merkel: Wir haben international allen Grund, uns immer wieder über den Umgang mit Daten zu beraten. Die sich rasant verändernden technischen Möglichkeiten greifen tief in unser Alltagsleben ein. Wir bestellen ein Buch im Internet oder schicken ein Päckchen mit der Post und können in jeder Phase verfolgen, wo es sich auf dem Weg gerade befindet. Von jedem von uns, der sich im Internet bewegt, werden ständig Daten wahrgenommen. Die zugrundeliegenden Technologien sind oft keine europäischen, und wir sind oft nur ihre Nutzer. Wir haben in Europa keine Suchmaschine von der Größenordnung von Google. Wenig von dem, was unser Leben heute bestimmt und was wir ganz selbstverständlich nutzen, hat Europa selbst erfunden.

    Man beachte – DIE ZEIT spricht von „Diensten“ im Sinne von „Geheimdiensten“. Merkel interpretiert „Dienste“ aber als „Webdienste“ (wie Google), was im Zusammenhang der Frage null Sinn ergibt. Ergebnis: Lange Antwort, die absolut nichts mit der Frage zu tun hat, aber ihr immerhin erlaubt, unterschwellig zu erklaeren, dass man den USA dankbar sein sollte.

    Ihre phrasenhafte und absolut inhaltsleere Antwort zum Thema Technikbeherrschung, in der sie so tut, als sei SAP die einzige IT-Firma, die Deutschland ueberhaupt hat – und die sie obendrein wirrerweise in eine Reihe mit Cisco und Huawei stellt – ist da schon fast geschenkt. Illustriert aber doch ihre absolute Ahnungslosigkeit, die sie zum Prinzip erkoren hat.

  73. […] Stefan Niggemeier: Was Angela Merkel alles nicht weiß und deshalb auch nicht bewerten wird // “Die Interviewer stellen ihr [Merkel] eine Reihe von Fragen zu dem Abhörskandal. Angela Merkel sagt daraufhin jeweils mehrere Sätze, die aus großer Ferne betrachtet fast wie so etwas ähnliches wie Antworten wirken könnten. Antworten gibt sie nicht.” […]

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