Wie die Banditen von Union und SPD die „Spiegel“-Leute ausplündern wollen

Der „Spiegel“ hat in dieser Woche also das gleiche Motiv auf dem Titel wie der „Focus“. Das ist peinlich — nicht für den „Focus“ — aber wenn die beiden deutschen Zeitschriften, die sich als Nachrichtenmagazine verstehen, denselben Gedanken haben, dann muss es wohl stimmen: Die Bundeskanzlerin und der Vorsitzende der SPD sind Banditen, die uns, notdürftig maskiert, ausrauben wollen.

(Der neue „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner hat auf Twitter sogar stolz noch einen weiteren Cover-Entwurf gezeigt, auf dem Angela Merkel und Sigmar Gabriel „uns“ mit vorgehaltener Waffe „ausplündern wollen“.)

Also: Wem soll da was weggenommen werden?

Der Kern der „Spiegel“-Geschichte ist, wenn ich es richtig verstehe, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Fachleute schon mal etwas durchrechnen lässt, was unter dem Codewort „Nord-Ost-Verschiebung“ läuft. Das Modell sieht vor, die sogenannte Reichensteuer für Einkommen ab 250.000 Euro bei Ledigen von 45 Prozent auf 46, 47 oder 48 Prozent zu erhöhen, dafür aber die Einkommensteuertarife so zu verschieben, dass die jeweiligen Sätze erst bei höheren Einkommen greifen.

Die Reichsten zahlen ein bisschen mehr, dafür wird der Effekt der „kalten Progression“ gemindert. Das heißt: Merkels und Gabriels Bankräuber-Forderung „Geld her!“ vom Cover richtet sich gar nicht gegen den durchschnittlichen Bürger oder Leser, sondern eher an den, sagen wir, „Spiegel“-Ressortleiter. Das räumt sogar die „Spiegel“-Geschichte ein:

der überwiegende Teil der Bürger [würde] sogar weniger Steuern zahlen.

Der „Spiegel“ geht entsprechend davon aus, dass der „uns“ ausplündernde Staat durch die Steuerreform weniger Steuern einnimmt und rechnet nun viele Zeilen lang vor, wie dieses Minus ausgeglichen werden könnte. Zum Beispiel durch einen „moderaten Anstieg“ des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent. Mit anderen Worten: Nicht nur der „Spiegel“-Ressortleiter, sondern auch der gewöhnliche „Spiegel“-Redakteur wäre im Visier der Beutezüge von Merkel und Gabriel.

Weil aber auch die Erlöse daraus nicht reichen, haben sich „die“ Politiker auf Bundes- und Landesebene angeblich „längst“ eine weitere Einnahmequelle „ausgesucht“: die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Der „Spiegel“ schreibt:

Nun fordert die SPD, den Abgabesatz auf Zinsen und Kursgewine auf 32 Prozent zu erhöhen.

Das ist ein interessantes „Nun“. Es ist nicht, wie man beim flüchtigen „Spiegel“-Lesen denken könnte, ein überraschendes „Nun“ des maskierten Banditen Sigmar Gabriel. Die Forderung nach einer Erhöhung der Abgeltungssteuer findet sich schon im Wahlprogramm der SPD.

Bis hierhin ist deutlich mehr als die Hälfte der „Spiegel“-Geschichte vorbei, und wir sind immer noch bei einem plusminus Null bei den Einnahmen — mit einer stärkeren Belastung der Bestverdiener zugunsten der Mittelverdiener.

Nun muss also der Raubzug von Union und SPD beginnen, und er kommt — als Konjunktiv. Der „Spiegel“ rechnet Möglichkeiten vor, wie die Bundesländer an mehr Geld kommen „könnten“. Ein Szenario: „Der Solidaritätszuschlag könnte in den normalen Einkommensteuertarif integriert werden.“ Das würde, so der „Spiegel“, „die Bürger nichts kosten“. Na sowas.

Eine zweites Szenario, laut „Spiegel“: Die vielen Ausnahmen der Mehrwertsteuer abschaffen, „ein bürokratisches Monstrum“, wie der „Spiegel“ selbst schreibt. „Wechselt ein Maulesel den Besitzer, werden nicht einmal halb so hohe Abgaben fällig wie beim Kauf eines Hausesels.“ Eine Reform wäre also ein echter Schlag für die Maulesel-Import-Export-Branche.

Weil das aber auch nur ein paar Milliarden brächte, werden CDU/CSU und SPD wohl einfach die Mehrwertsteuer erhöhen, schreibt der „Spiegel“. Quelle: Das „prophezeien bereits einige“. Na dann.

Später schockiert das Blatt die Leser, die ihm aus schwer nachvollziehbaren Gründen bis hierhin gefolgt sind, mit der Information, dass die beiden größeren Parteien die Leistungen für Demenzkranke verbessern und die Altersversorgung langjährig Versicherter aufbessern wollen. Es stellt sich die Frage, ob das Skandalöse dieser — im Wahlkampf angekündigten — Pläne wirklich durch Politiker als maskierte Räuber angemessen drastisch dargestellt wurde oder nicht mindestens eine Parallele zu Mördern oder Amokläufern hätte gezogen werden sollen.

Der „Spiegel“ behauptet:

Es ist ein trauriger Rekord: Noch bevor sich die neuen Koalitionäre zum ersten Mal getroffen haben, ist der Ruf des Bündnisses bereits lädiert, und die Bürger rechnen schon mal nach, wie viel sie das Wahlergebnis kosten könnte.

Ich vermute, die Autoren glauben das wirklich — tatsächlich gab es ja zwischen allen Bürgern auf dem Flur des Ressorts eine verblüffende Übereinstimmung in dieser Frage.

Vor zwei Wochen hat der „Spiegel“ in einer besinnunsglosen Tirade denjenigen, die es wagen, nicht wählen zu gehen und sich womöglich dafür nicht einmal schämen, vorgeworfen, die Demokratie zu gefährden. Der „Spiegel“ hingegen gefährdet nicht die Demokratie — dieser Satz gilt völlig unabhängig davon, was der „Spiegel“ gerade macht, und sei es, Politiker noch vor dem ersten Sondierungstreffen einer möglichen Koalition schon einmal als Wahlbetrüger und Räuber darzustellen.

Die Versprechungen prominenter Unionspolitiker, unter keinen Umständen die Steuern zu erhöhen, hat der „Spiegel“ jetzt schon einmal sicherheitshalber in Stein meißeln lassen. Ach nee, das war die „Bild“-Zeitung. Man kommt so leicht durcheinander dieser Tage.

44 Replies to “Wie die Banditen von Union und SPD die „Spiegel“-Leute ausplündern wollen”

  1. Ich frage mich, was los gewesen wäre, wenn die SPD mit der Linken überhaupt reden würde. Wahrscheinlich wären dann Gysi, Trittin und Steinbrück mit zerfetzten Leichenteilen unter Hammer und Sichel dargestellt worden. Ansonten Qualitätsjournalie as usual.

  2. Habe grad nochmal mitbekommen, dass es bei uns keine prüfbaren Unterlagen über die wirklich großen Vermögen gibt. Für eine Besteuerung wären jedoch Vermögensnachweise eine Voraussetzung.
    (War das nicht auch ein „griechisches“) Problem?
    Die Lobby der Vermögenden möchte also nicht nur keine Steuern bezahlen, es soll auch keiner wissen wie viel sie eigentlich „auf der hohen Kante“ haben…

  3. Ich würde wirklich gerne wieder eine wöchentliche Publikation lesen, die sich mit deutscher Gesellschaft und Politik beschäftigt.
    Der SPIEGEL ist wie gezeigt wurde ein Witz. Die ZEIT unter di Lorenzo zum Wohlfühlblättchen für grüne Großstädter degeneriert (Tenor jedes zweiten Titels: Es ist alles überhaupt nicht so schlimm wie sie glauben!). Die FAS ist eigentlich recht gut, wurde aber jüngst für das Tablet gekillt, weil dem Verlag offensichtlich Lust & Geld fehlen, so etwas zu produzieren.

    In der Konsequenz interessiere ich mich jetzt nicht mehr für Deutschland und habe den New Yorker im Abo. Erstaunlich: Jede Woche grandioser Journalismus.

  4. @David: New Yorker ist gut. Alternative: The Economist. Alles wirklich Wichtige, was in Deutschland stattfindet, steht dort auch drin.

  5. Tja, die Bild am Montag eben. Langsam glaube ich, Blüchner war die schlechteste Idee in der an schlechten Ideen wirklich nicht armen Geschichte dieses Magazins. Er wird es beerdigen. Und so wie es im Moment aussieht, ist das etwas, worauf wir uns alle freuen sollten.

  6. Offenbar steigt nun Spiegel in die monatelange Kampagne des „Fakten“-Magazins Focus ein. Ich kann mich da noch an einen Artikel von vor ein paar Wochen erinneren. Der Tenor war, dass die Roten uns alle abzocken wollen und man „schon“ ab 60.000 zu versteuerendes Einkommen als Single mehr Steuern zahlen soll. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Also entweder sind manche Journalisten vollkommen überfordert, wenn es um Zahlen größer als 100 geht und können die Sachen nicht einordnen oder sie wollten einfach nur mal nen bisschen Stimmung machen. Wenn ein Akademiker heute anfängt zu arbeiten, dann ist schon ein Gehalt von 48.000 Euro (<< 60.000 Euro ) relativ viel.
    Vielleicht kann ja der Focus einem Experten Büchergeld zahlen, um eine Exklusivstudie zu erhalten, dass Steuererhöhungen der Weltuntergang sein wird. Bei Steinmeier hat's ja auch geklappt.

  7. Früher konnte noch Staeck die Bild-Denke parodieren. Heute erledigt dasder Spiegel gleich selbst. „Deutsche Arbeiter: Die SPD will euch Eure Villen im Tessin wegnehmen. „

  8. Wie beim Theater: Manch miserables Stück, manche missratene Inszenierung können die Basis für einen fulminanten Verriss sein, wenn der richtige Rezensent ihn schreibt. Wie hier. Großartig!

  9. Also ganz ehrlich, ich habe schlicht und ergreifend keine Ahnung, wann ich das letzte Mal regelmäßig „Den Spiegel“ gelesen habe. Einzige Ausnahme, dass ich in ihn in den letzten Jahren überhaupt einmal reingeschaut habe war die erste Story zu Edward Snowden. Und nachdem ich diese Ausgabe mir dann einmal länger zu Gemüte geführt habe, weiß ich auch warum: Der Spiegel ist einfach grottenschlecht geworden. Immer weniger guter Journalismus, immer mehr Belehrung, immer mehr Vermutungen, Meinungen statt Fakten…

    Was das Thema Wirtschaft anbelangt stellt sich mir die Frage, was denn die Steigerung von grottenschlecht ist! Warum soll ich mir das regelmäßig „Montags“ antun, mich von einer vermeintlich „tollen Redaktion“ belehren zu lassen, wie der Hase läuft und wie man alles viiiiel besser oder überhaupt erst richtig machen könnte. Dafür sind mir Zeit und Geld zu schade. Und wenn ich hier in wechselnden Abständen lese. was wieder an journalistischer Höchstleistung abgeliefert wurde, bin ich mir total sicher, ich verpasse NICHTS!!

  10. Das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ schafft es wirklich regelmäßig noch einen drauf zu setzen. Die aktuelle Steuer-Diskussion erinnert mich frapierend an eine Folge der Simpsons, als Mr. Burns für das Amt des Gouverneurs kandidiert:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Two_Cars_in_Every_Garage_and_Three_Eyes_on_Every_Fish

    Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit brüllt er besinnungslos „Die Steuern sind zu hoch“ in’s Mikrofon und erntet dafür tosenden Applaus. 20 Jahre später hat uns die Realität sowas von eingeholt, dass der Postillon objektiver berichtet als ein Magazin wie der Spiegel.

  11. Wie war das noch mit Filterblase? Die (oftmals) Herren Qualitätsjournalisten haben halt mit denen, für die sie schreiben (sollten), nichts mehr zu tun. Und so wie den Rhönbauern Netzpolitik kalt lässt, interessieren mich diese Blätter auch nicht mehr.

  12. STEUERN – So geht es auch.
    Dass jeder Steuerzahler seinen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten muss, wird in Schweden eher akzeptiert als in Deutschland. Ein Grund dafür ist Transparenz: Für jedermann ist sichtbar, wer tatsächlich wie viel zahlt. In Schweden gibt es nämlich kein Steuergeheimnis. Jährlich erscheint der Taxeringskalender, sortiert nach Postleitzahlen, wo jeder Bürger nachschlagen kann, welches Einkommen und Vermögen sein Nachbar oder Chef, ein prominenter Politiker oder Manager tatsächlich versteuert.

  13. Seit wann ist von Intresse was die Fakten sagen?
    Es wird so geschreiben dass sich das Blatt verkauft und der Meinung der Geldgeber zumindest nahe kommt.
    Dies ist doch nicht neu. Oder warum gibt es den Begriff „Tendenzunternehmen“?
    Des Weiteren habe ich das Gefühl das hier eine selektive Warnehmung vorliegt.
    Da wird sich über das faktenfremde Geschreibsel in sterbenden Mediendinosaurien aufgeregt, als wäre dies das erste Mal.
    Wenn es aber z.B. um Themen wie Sportschützen, Jagd und Jäger oder Waffen im Privatbesitz geht, werden die selben faktenresistenten Journalisten als Quelle aller Weisheit angepriesen.

    Generell wird doch mehr mit Angst, als mit Fakten verkauft.
    Eine aufgeklärte Gesellschaft ist halt nicht so gut zu „lenken“. Da schau ich doch lieber das diese in einer Art von Abhänigkeit und in einem latenten Angstzustand ist.
    Macht es leichter…..

  14. Abschweifung.
    Lanz hat gestern folgenden Spruch losgelassen:
    „Ich bedanke mich sehr sehr herzlich bei P. Altmaier, den wir HOFFENTLICH als Umweltminister demnächst wieder hier in unserer Runde sehen.“
    Zu sehen bei 59:30:
    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/509418#/beitrag/video/1997030/Markus-Lanz-vom-1-Oktober-2013

    Vielleicht hat er vorher noch mehr Scheiße gelabert, aber ich kann mir das auf keinen Fall ganz ansehen. Gänzlich kurios war, dass Lanz anschließend mit Thees Uhlmann ein Lied geträllert hat!

    Hoffentlich ist das alles nur ein Traum.
    Abschweifung Ende.

  15. Ganz abgesehen davon, dass selbst bei einer höheren sogenannten „Belastung“ der Bevölkerungsmehrheit die Frage zu stellen wäre, was daran eigentlich einen Vergleich mit Wegelagerern zulassen würde: Wenn höhere Steuereinnahmen zum Schuldenabbau genutzt werden, bleibt unterm Strich ein Gewinn für jeden Steuerzahler.

  16. Ich finde ja beide Bilder haben noch einen zusätzlichen Drall. Mag sein dass es Zufall ist, aber ich glaube nicht an solche Zufälle.

    Das Spiegel-Titelbild hat den Drall dass nicht nur auf Merkel und Gabriel geschlagen wird, sondern auf dem Tuch „SPD“ steht. Also die Übeltäter sind ganz klar Merkel, Gabriel und die SPD, die ist ja immer schuld.

    Der Focus-Titel hat für mich auch einen Drall, denn beide Grafiken erwecken den Eindruck einer Montage, bei der der Politiker mit seiner typischen Handbewegung plus Geld gezeigt wird. Bei Merkel ist es die bekannte Raute. Bei Gabriel? Der Kommunistische Gruß würde ich sagen. Hallo?

    Wie gesagt, vielleicht sehe ich da Gespenster, aber für mich haben beide Grafiken einen üblen Drall.

  17. Die Titelbildentwerfer beider Blätter haben unabhängig voneinander „Kick-Ass“ geschaut, ganz einfach. Die Merkel sieht mit der Maske so aus wie das kleine umsichtretende Mädchen aus dem Film. Die hatte auch ein lila Dingens an. Comprende?

  18. Das Maulesel-Beispiel stammt von der INSM, die sich für eine Vereinheitlichung – sprich: Erhöhung – der Mehrwertsteuer einsetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass der Spiegel auch aus dieser „Quelle“erfahren hat, dass eine solche Erhöhung bevorsteht.

  19. Mir geht’s auf den Sack, dass dauernd (auch vom SPIEGEL) das Märchen erzählt wird, 42 Prozent wären der Spitzensteuersatz (und die 45 Prozent wären eine eigene „Reichensteuer“).
    Schlicht und einfach: Nein, das ist Bullshit. Der Spitzensteuersatz beträgt 45 Prozent für Einkommen über einer Viertelmillion im Jahr. Das Einkommensteuergesetz gibt dem 45%-Steuersatz keinen anderen Namen; es definiert ihn nicht mal an einer besonderen Stelle, sondern in der normalen Auflistung aller anderen normalen Steuersätze. 42 Prozent sind kein Spitzensteuersatz, basta.
    Wenn irgendjemand davon anfängt, dass ja angeblich schon relativ normal verdienende Leute bereits den Spitzensteuersatz zahlen müssten, ist das einfach eine unwahre und manipulierende Aussage, die dem unbedarften Leser suggerieren soll, dass er ja wenigstens kurz davor stünde, von der Erhöhung des Spitzensteuersatzes betroffen zu sein, wenn er nicht sowieso schon zu dieser exklusiven Gruppe gehören würde. In einem Artikel auf Spiegel Online wurde letztens davon geschwafelt, dass ja schon Gymnasiallehrer an der Schwelle zum Spitzensteuersatz stehen würden. In Wirklichkeit sind sie weit davon entfernt, und ich finde es schäbig, dass weite Teile der Bevölkerung mit solchen Behauptungen instrumentalisiert werden sollen, um eine Steuererhöhung abzulehnen, die sie höchstwahrscheinlich gar nicht betreffen wird. Natürlich ist es legitim, gegen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu sein, aber dann bitte aus richtigen Gründen und nicht, weil man ungerechtfertigt Schiss hat, dass sie einem selbst im Portemonnaie wehtun würde.

  20. @28 Klopfer
    „… weil man ungerechtfertigt Schiss hat, dass sie einem selbst im Portemonnaie wehtun würde.“

    Ich stimme ihnen zu. Ich erkläre mir das folgendermaßen:

    Die meisten Menschen möchten wohl zur Mittelschicht gehören. Oder zum Mittelstand, wie man auch gern einmal sagt.

    Dabei wird allgemein suggeriert, mit einem kreditfinanzierten Mittelklassewagen in der Garage und einem beinahe abbezahlten Häuschen gehöre man schon irgendwie dazu. Viele Menschen fühlen sich daher vertreten oder auch bedroht, wenn es um steuerliche Belange des Mittelstandes geht oder wenn es heißt dem „Mittelstand“ gehe es schlecht oder man dürfe den „Mittelstand“ nicht zu sehr belasten.

    Politisch wird die unklare Definition von „Mittelschicht“ und „Mittelstand“ gerne mal benutzt um „Ottonormalverbraucher “ zu verunsichern. Denn jeder Arbeitnehmer mit einem mittleren statistischen Monatseinkommen von ca. 1.427 € (als sogenanntes Nettoäquivalenzeinkommen) könnte sich theoretisch dazurechnen. Dabei ist er eigentlich ein Durchschnittsverdiener. (Das sind ca. 50% der Arbeitnehmer, die allerdings tatsächlich einen Großteil der Steuerlast tragen)

    Die meisten Banker, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker meinen, wenn sie darüber sprechen, dem „Mittelstand“ gehe es schlecht oder man müsse den „Mittelstand“ entlasten, überwiegend etwas völlig Anderes. Die KfW Bankengruppe z.B. definiert den Mittelstand über eine Mitarbeiterzahl von 10 bis 500 Personen und einen maximalen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro bzw. über eine maximale Jahresbilanzsumme von 43 Mio. Euro. Dieser Mittelstand umfasst in der Bundesrepublik Deutschland nach quantitativer Definition rund 99,7 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen. Wobei etwa 95 Prozent der in Deutschland ansässigen Betriebe und Unternehmen als Familienunternehmen geführt werden. (Wiki)

    Naja.

  21. Oh, wie wunderbar. Es existiert also tatsächlich ein Print-Äquivalent zu den Ich-habe-ja-schon-seit-Jahren-keinen-Fernseher-mehr-Kommentatoren, die sich unter jedem (positiven oder negativen) Artikel über das Fernsehen über exakt jene Tatsache auslassen. Wie beruhigend, dass manche Dinge medienübergreifend funktionieren. (Siehe Kommentar 14.)

  22. Mir erscheint das ganz logisch:
    „Wir“ werden alle durch höhere Steuern abgezockt/enteignet. Zum „Wir“ gehören aber nur Personen mit mindestens 60.000 oder sogar 250.000 Euro p.a.
    Und jetzt wird mir auch die ganze Werbung vor der Wahl klar:

    „Uns geht es gut.“
    „Du bist Deutschland.“

    Klar, die meinten nur reiche Leute damit. So ergibt plötzlich alles einen Sinn.

  23. @25Marco
    Ich vermute ja, dass auf dem Spiegel-Titelbild nur deshalb „SPD“ auf Gabriels Vermummung steht, weil man ihn sonst nicht erkennen würde. Schließlich hat er in dem Teil des Gesichts, der noch zu sehen ist, nichts so charakteristisches… Ich hätte ihn, glaube ich, aufgrund von Augen und Stirn nicht erkannt. Auch wenn man sich natürlich denken kann, um wen es geht.

  24. […] Wie die Banditen von Union und SPD die »Spiegel«-Leute ausplündern wollen […] Der Kern der »Spiegel«-Geschichte ist, wenn ich es richtig verstehe, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Fachleute schon mal etwas durchrechnen lässt, was unter dem Codewort »Nord-Ost-Verschiebung« läuft. Das Modell sieht vor, die sogenannte Reichensteuer für Einkommen ab 250.000 Euro bei Ledigen von 45 Prozent auf 46, 47 oder 48 Prozent zu erhöhen, dafür aber die Einkommensteuertarife so zu verschieben, dass die jeweiligen Sätze erst bei höheren Einkommen greifen. Die Reichsten zahlen ein bisschen mehr, dafür wird der Effekt der »kalten Progression« gemindert. Das heißt: Merkels und Gabriels Bankräuber-Forderung »Geld her!« vom Cover richtet sich gar nicht gegen den durchschnittlichen Bürger oder Leser, sondern eher an den, sagen wir, »Spiegel«-Ressortleiter. […] Der »Spiegel« hingegen gefährdet nicht die Demokratie — dieser Satz gilt völlig unabhängig davon, was der »Spiegel« gerade macht, und sei es, Politiker noch vor dem ersten Sondierungstreffen einer möglichen Koalition schon einmal als Wahlbetrüger und Räuber darzustellen. Die Versprechungen prominenter Unionspolitiker, unter keinen Umständen die Steuern zu erhöhen, hat der »Spiegel« jetzt schon einmal sicherheitshalber in Stein meißeln lassen. Ach nee, das war die »Bild«-Zeitung. Man kommt so leicht durcheinander dieser Tage. Quelle: Stefan Niggemeier […]

  25. ob die autoren das selber glauben oder nicht spielt eigentlich keine rolle. sie verdingen sich in netzwerken publizistischer macht. es kommt darauf an, wer es genauso sieht. schickt man sich an, dagegen etwas zu tun, nimmt man damit auch nachteile in kauf. die wahrheit ist nur ein werkzeug, dass gedehnt und interpretiert werden *darf*. das wissen alle – vor allem die, die solche artikel schreiben.

    ich bin politisch sehr interessiert, lese aber seit jahren den spiegel nicht mehr. es gibt bisher keine alternative, die es mit dieser propaganda aufnehmen könnte.

    da die print-auflagen der q-medien (inklusive BILD) rückläufig sind bietet es sich meiner meinung nach auch an, sich nicht mehr weiter auf diese medien zu beziehen, sondern eine konkurrenz aufzuziehen. aber keine konkurrenz, die sich an ihnen misst, sondern eine konkurrenz, die interessierte leser besser informiert. sich für den anfang an die „info-elite“ zu richten würde völlig ausreichen, um druck auf die q-medien auszuüben.

    Dont hate the media – become the media. (wo ist auch klar – im internet).

    ein schönes outlet für guten politischen journalismus ist http://www.dasdossier.de

  26. Man kann kaum noch in Worte fassen, wie verkommen der deutsche Journalismus geworden ist. Zum einen, um das mal klar zu stellen, ist „Mutti“ und Gabriel nicht der Sonnenkönig, der Steuereinahmen für sein Leben in Saus und Braus einkassiert, sondern Steuern in diesem Land werden eingenommen, um sie an anderer Stelle, wie z.B. Infrastruktur, Schulen, Lehrer ect. wieder auszugeben. Es kann also schon mal deshalb gar kein Raubzug sein. Das ist im Grunde derart primitives Allgemeinwissen, dass ich mich fast schäme, sowas erklären zu müssen.

    Ginge es jedoch nur darum, könnte man nicht von verkommenem Journalismus reden, sondern nur von völlig verblödetem. Nur ist er das gar nicht. Vor der Wahl wurde ja immer gesagt – nicht zu unrecht – die Medien wären Kanzlerinenfreundlich gesinnt, um das mal vorsichtig auszudrücken. Nun, wie man sehen kann, geht das auch ganz schnell in die andere Richtung. Im Nu wird sie zu einer Verbrecherin und das nur, weil jetzt laut darüber nachgedacht wird, die Steuern für Vermögende und Besserverdiener zu erhöhen. Eine unglaubliche Propagandamaschine startet bereits, noch bevor überhaupt erste Gespräche geführt wurden. Die Frage ob das Zufall ist, dass Focus und Spiegel beinahe identische Coverbilder verwenden, erübrigt sich, denn das ist natürlich kein Zufall, sondern es ist Teil einer umfassend koordinierten Aktion, die ganz eindeutig Einfluss auf die Koalitionsgespräche nehmen will. Ich weiß, das ist nach wie vor schwer zu vermitteln, denn viel zu viele Bürger glauben immernoch, sie lebten in einer Welt, wo es noch eine freie Presse gebe. Dabei wird es doch gerade dieser Tage wieder offensichtlich, dass dem eben nicht mehr so ist. Wie sonst ist zu erklären, dass praktisch alle Medien gleichzeitig vom Raubzug der GroKo reden, wo es doch den allergrößten Teil der Bürger dieses Landes gar nicht betreffen, im Gegenteil sogar entlasten würde?

    Mit Blödheit ist das schon lange nicht mehr zu erklären. Genauso wie man sich jetzt hinstellt und den bedauernswerten Zustand unserer Straßen anprangert, aber verschweigt, dass es doch noch vor kurzem hieß, wir hätten Rekordeinnahmen und einen ausgeglichenen Haushalt. Wie kann man einen ausgeglichenen Haushalt haben, wenn alles, was in Jahrzehnten aufgebaut wurde, langsam aber sicher den Bach runter geht? Deutschland lebt seit Jahren von der Substanz, der Steuersenkungswahn der Vergangenheit, besonders unter Rot/Grün hat dazu geführt. Nun werden sich einige zurecht fragen, welchen Steuersenkungswahn, aber dass sie das nicht bemerkt haben, liegt nur daran, dass sie kein Großunternehmen besitzen oder verkauft haben, ohne einen Cent an Steuern zu bezahlen – Stichwort Heuschrecken, die damit erst ins Land geholt wurden – oder keine Kapitalerträge in nennenswerter Höhe haben ect. Ja, in der Tat, erst die Unternehmenssteuersenkungen haben dazu geführt, dass heute tausende von Kommunen praktisch Pleite sind. Ganz zu schweigen von Kapitalertragsteuern, Erbschaftsteuern, Vermögenssteuern, oder aber auch zahlreichen Deckelungen für Sozialabgaben. Wer nicht zu diesem erlauchten Kreis der Besserverdiener und Großvermögenden gehört, hat in der Tat nichts vom Steuersenkungswahn mitbekommen. Der Normalsterbliche hat lediglich Erhöhungen von Ökosteuern, Tabaksteuern, Mehrwertsteuern – also sämtlichen Verbrauchssteuern, die immer vor allem diejenigen trifft, die beinahe ihr gesamtes Monatsgehalt ausgeben müssen – erlebt, wie aber auch Medikamentenzuschläge, Praxisgebühren. All diese Dinge waren selbstverständlich vollkommen alternativlos. Wie übrigens auch die Einführung des „besten Niedriglohnsektors in Europa“ (Schröder), denn erst wenn wir immer weniger in der Tasche haben und von dem wenigen immer mehr bezahlen müssen, dann erst wird es uns so richtig gut gehen. Das ist zwar nichts weiter als absurder Schwachsinn, aber das hat bislang nie zu einem derartigen Coverdesign geführt, wie jetzt.

    Nein, nein, unsere Medien sind vollkommen unabhängig und frei. Aus purer Sorge um unsere Zukunft hat Bild und Co. dafür gesorgt, dass wir jetzt eine teilprivatisierte Altersvorsorge haben, mit extrem fragwürdigen Konditionen, nicht etwa weil die Versicherungswirtschaft eine „Ölquelle“ (Maschmeier), die Milliarden in ihre Kassen spült, anzapfen wollte, sondern wegen dem „demographischen Wandel“. Der findet zwar schon seit gut 100 Jahren statt und hat seinen Zenit längst überschritten, aber wen stören denn solche Details?

  27. Focus und seit einiger Zeit auch Der Spiegel sind so dermassen debil geworden, dass ein Besuch der Webseiten geschweige ein Kauf der Wochenausgaben zu Masochismus wird.

  28. Gerecht ist: alle zahlen jährlich einen für alle identischen Geldbetrag als Steuer
    Ungerecht Stufe 1 ist: der Geldbetrag wächst mit dem Einkommen
    Ungerecht Stufe 2 ist: der Geldbetrag wächst überproportional mit dem Einkommen
    Ungerecht Stufe 3 ist: das ganze wird jährlich berechnet und nicht auf die Lebenszeit verrechnet

    Hinzu kommt das Splitting, völlig sinnlose Transferleistungen wie Kindergeld, willkürliche und unterschiedliche Besteuerungen des Verbrauchs.

  29. […] Wie die Banditen von Union und SPD die “Spiegel”-Leute ausplündern wollen « Stefan Niggemeier Medien-Journalist Stefan Niggemeier nimmt die beiden größten Nachrichtenmagazine beim WortBild: Nämlich der Darstellung von Angela Merkel und Sigmar Gabriel als Räuber auf den Titeln von „Spiegel“ und „Focus“. Unter Bezug auf Altersvorsorge und Unterstützung für Demenzkranke spitzt er zu: „Es stellt sich die Frage, ob das Skandalöse dieser — im Wahlkampf angekündigten — Pläne wirklich durch Politiker als maskierte Räuber angemessen drastisch dargestellt wurde oder nicht mindestens eine Parallele zu Mördern oder Amokläufern hätte gezogen werden sollen.“ Er hält die Politiker weder für da eine, noch das andere, sondern nimmt die Nichtigkeit und den Alarmismus der Berichterstattung aufs Korn. […]

  30. @28 und 29
    Sie haben den Soli vergessen (wie in fast allen Steuer – Grafiken der Qualitätsmedien)

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