Die Seelen-Verkäufer von „Spiegel Online“ (3)

Angenommen, ein seriöses Nachrichtenmagazin bringt einen großen Bericht über neue Werbeformen, zeigt, wie heikel die sind, und betont dabei, dass man selbst eine weiße Weste hat: „Werbung, die aussieht wie ein Text der Redaktion, wird es nicht geben.“

Und angenommen, dann kommt raus, dass das gar nicht stimmt.

Würde man dann nicht, als seriöses Nachrichtenmagazin, in der nächsten Ausgabe seine Leser kurz informieren, dass man sie falsch informiert hatte? Gut, natürlich nicht gleich am Anfang, in der „Hausmitteilung“, da steht nur, wie toll das eigene Heft ist. Und natürlich auch nicht ganz am Ende, in der Rubrik „Rückspiegel“, da steht nur, wie toll andere das eigene Heft finden.

Aber vielleicht irgendwo dazwischen, nur eine Notiz, zum Beispiel in dem kleinen „Korrekturen“-Kasten oder auf der Meldungsseite im Medienteil?

Natürlich würde man dadurch Leser, die gar nichts mitgekriegt hatten von dem peinlichen falschen Versprechen — und das wäre womöglich die Mehrheit — überhaupt erst darauf aufmerksam machen. Andererseits würde man denen, die es mitgekriegt haben, zeigen, dass man ein Nachrichtenmagazin ist, dem man trauen kann, sogar wenn es in eigener Sache berichtet.

Wäre das nicht, wenn man es schon nicht hingekriegt hat, in seinem Online-Auftritt Werbung und Redaktion so sauber zu trennen, wie man vorgegeben hat, ein schönes Zeichen, dass man es wenigstens hinkriegt, zu seinen Fehlern zu stehen? Aufrichtig und transparent mit ihnen umzugehen?

Der „Spiegel“ hat diese Fragen offenbar mit Nein beantwortet und so steht im neuen Heft darüber, dass man mindestens ein Jahr lang genau das betrieben hat, was man bei anderen kritisierte und für sich ausschloss: kein Wort.

Aber gut, was sollte die Redaktion auch machen, um über solche Themen mit ihren Lesern ins Gespräch zu kommen? Bloggen?

14 Replies to “Die Seelen-Verkäufer von „Spiegel Online“ (3)”

  1. Ob Niggemeier beleidigt ist oder nicht, ändert nichts daran, dass er hier recht hat. Das ist wirklich ein schmieriges Blatt geworden. Armselig und sich für nichts zu schade…

  2. Ich glaube, es liegt auch daran, dass man sich generell gerne von seinen Online-Ablegern distanziert, was natürlich höchst problematisch ist. Da werden ja sowieso nicht die gleichen Maßstäbe angelegt. Bei der stetig zunehmenden Bedeutung des Internets nicht gerade die richtige Einstellung…

  3. Für mich auch ein Zeichen, dass man gar keinen „Fehler“ eingesehen hat und es im Zweifel morgen wieder genau so machen würde.

  4. Der SPIEGEL-Blog ist leider zu einer reinen Werbeseite geworden. Einmal die Woche werden die „Highlights“ des neuen SPIEGEL zusammengasst und das war es.

  5. @dirk: Ich denke, wer sich Niggi holt, weiß, was er tut und ist nicht so blöd, ihm dann auch noch die Steilvorlage zu liefern, ihn rauszuwerfen :D

    Während wir alle immer den Fehler machen, unseren Ruf wahren zu wollen, damit wir nicht per Verlegerbuschfunk überall unten durch sind, hat Niggi den Punkt erreicht, unabhängig zu sein und die Eier (um KD zu zitieren), sich um sowas einen Dreck zu scheren.

    Allein deshalb ist er lesenswert, selbst wenn man mal nicht einer Meinung mit ihm ist und sicher nicht jedem der Stil gefallen mag.

    Es scheint sich aber nur noch so was bewegen zu lassen im Journalismus. Mit Seidenhandschuhen geht da nix.

  6. Das wirklich Traurige ist ja, dass wir immer noch so gerne glauben wollen, der Spiegel sei ein seriöses Nachrichtenmagazin.

  7. Durchaus grenzwertig: Ein Interview über historische Harleys mit einem „leidenschaftlichen Sammler“, der „in der Szene als Fachmann“ gilt. In der Szene ist der Mann auch als Leiter dreier großer Harley-Vertretungen bekannt.

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