Grüner wird’s nicht: „Frontal 21“ sagt es durch die Blume

Ich möchte wetten, dass in den Redaktionsräumen von „Frontal 21“ beim ZDF in jedem Büro der Spruch „Vordergrund macht Bild gesund“ eingerahmt an der Wand hängt. Und ich möchte weiter wetten, dass die Kamerateams von „Frontal 21“ zum Dreh eigene Grünpflanzen mitbringen, nur für den Fall, dass vor Ort keine vorhanden sind.

Ich hab das jetzt nicht weiter recherchiert. Ich bin nur gestern beim Zappen zufällig in den „Frontal 21“-Bericht über die Zumutung der Schufa-Auskunft geraten, dessen Schlüsselszenen ich im Folgenden dokumentieren möchte:















 

Nachtrag, 24. Juli. Es stellt sich heraus: Der „Frontal 21“-Beitrag war nur die Kurzform einer halbstündigen „ZDFzoom“-Sendung zum Thema. Oder anders gesagt:












Screenshots: ZDF

43 Replies to “Grüner wird’s nicht: „Frontal 21“ sagt es durch die Blume”

  1. Wenn man eine Kamerabewegung an einer x-beliebigen Stelle einfriert, sieht das so aus wie oben. Ja.

    Aber mal ehrlich: Bildgestaltung ist bei Politmagazinen noch nie ein wirkliches Thema gewesen.

    Wenn man ernsthaft über missglückte bildliche Umsetzungen von Verbraucherthemen sprechen möchte, empfehle ich die einschlägigen ARD-Sendungen, mehr noch jene in den Dritten. Das sind wahre Fundgruben.

  2. Der Spruch sollte heutzutage eher heißen „Vordergrund sieht aus wie Lensen und Partner“.
    Seit diesen „Detektiv“ Scripted Reality geschichten kann ich es nicht mehr sehn!

  3. @Stefan: Das ist kein Widerspruch. Wäre Bildgestaltung ernsthaft ein Thema, würde man so manches überambitionierte Projekt wieder ins Lot rücken. Im Gegenteil ist es aber vermutlich so, dass es bei Frontal21 niemandem aufgefallen ist oder die Zuständigen sogar meinten, das sei gelungen.

  4. „Selbst in einem ambitionierteren „Tatort“ können sich Noir-Elemente finden.“
    Steht so in einem aktuellen „Eines Tages“ -Beitrag auf spiegel.de.
    Die Ambitionen der öffentlich-rechtlichen Kameraleute werden unterschätzt. Schön, dass sie hier einmal gewürdigt werden.

  5. Das war bestimmt ein Beitrag, der für eine 3D-Versuchssendung produziert werden musste. Da müssen solche Effekte für den Zuschauer einfach sein.

    Auf irgendwelche störenden Themen kommt es doch gerade beim ZDF überhaupt nicht mehr an.

  6. Da hab ich doch glatt den zweiten Leidsatz vergessen, der neben dem oben erwähnten an die Wand gedübelt ist: „Form vor Inhalt“
    (Wie die „Haupt“-„Nachrichten“-Sendung beim Umzug in die grüne Hölle eindrucksvoll bewiesen hat, indem sie überhaupt keinen Anfang mehr hatte.

  7. Neulich beim Jour Fix der Brontal-21-Redaktion:

    Der neue Medienberater der Schlaufux und Taschenvoll GmbH: „Das 2DF muss moderner werden! Die KAMERA, das Bild, das muss alles MODERNER werden.“

    Redakteur kurz vor der Rente: „Was schwebt ihnen da vor!?“

    Medienberater: „Schaunse mal, schaunsemal der Michael Bay, oder die neuen US Serien! Oh, das sind tolle Sachen. Totale, Halbtotale, unschärfen, was im Vordergrund, Shackycam. OOOOOHHH! So müssen sie das machen!“

    Redakteur: „Wir sind ein seröses Politmagazin. Oder wären es zumindest gerne, auch in den Augen der Zuschauer.“

    Medienberater: „Wollen sie dass man Beraterhonorar vergebens ausgegeben wurde? Oder wollen sie MODERN werden!“ *macht alberne Gesten*

  8. Nun Herr N. vor Halbwissen sind sie wohl auch nicht geschützt, aber dieses lädt dann gerne zu 08/15 Interpretationen sein. Der Hintergrund ist das im Moment moderne DOF (für die Halbwisser: Depth of Field) in der Bildgestaltung. Durch Fotokameras (mit Videofunktion) und ihre geringere Schärfentiefe haben sich neue Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Um es kurz zu machen : Nur ein Anschnitt, eine Schärfenverlagerung macht dieses Gestaltungsmittel wirklich sichtbar …. und welche Anschnitte gibt es in öden Buros …. Genau. Den Versuch trockene Themen visuell gut zu verpacken, ohne den Inhalt zu vernachlässigen werden Sie doch nicht etwas schlecht finde? Wirklich?

  9. Hallo Herr Niggemeier,

    ich schaue zwar fast nie die Sendung „Zoom“ im ZDF, aber wenn, dann ist mir dieser Stil zu filmen doch sehr aufgefallen. Es wird immer auf eine Sache extrem scharf gestellt und alles andere sehr unscharf dargestellt. Das gibt’s bei anderen Sendungen in der Regel nicht. Liege ich da mit meiner Beobachtung richtig? Für mich sieht das dann eher wie eine Art „Markenzeichen“ der Sendung „Zoom“ aus: Auf eine Sache stellen wir scharf, alles andere unscharf. Genauso scheint mir der Kontrast der Bilder bei „Zoom“ höher zu sein als bei anderen Sendungen, es wirkt alles „bunter“.

  10. Das wirkt ein Wenig wie das Herumspielen mit den neuen Tifenschärfe-Funktionen der neuen Kamera. Es erinnert mich an meine ersten Gehversuche mit Javascript, wo ich auch einen Haufen Unsinn gemacht habe, nur, um mit den Features herumzuspielen. Die Mausspur zum Beispiel. Hach, was war ich damals stolz auf mich, dass ich das hinbekommen habe. Danach war allerdings die Luft raus, und ich habe das nie wieder gemacht.

    So werden beim Betrachten dieser Bilder sentimentale Erinnerungen an die eigene Kindheit wach :)

  11. Ben (15), du „Vollwisser“ ;-)

    im Einsteigerkurs DSLR / TV gibt es auch das Kapitel „form follows function“, Unterabschnitt Yucca-Palme. Kurzum: wenn es zu bemüht ausschaut, sollte man es lassen.. Und sich etwas Besseres einfallen lassen.

  12. „Den Versuch trockene Themen visuell gut zu verpacken, ohne den Inhalt zu vernachlässigen werden Sie doch nicht etwas schlecht finden?“

    Ich find’s eher störend. Und trockene Themen kann man sicher auch anders visuell darstellen, ohne jedem Trend hinterherzulaufen.

    Zum Beispiel so: http://www.youtube.com/watch?v=4kZIkKtQ9cI :)

  13. […] Stefan Niggemeier hat zu Recht darauf hingewiesen: das arbeiten mit Schwenks, Schärfentiefe und Bil…Es wird Zeit, der Ästhetik im Fernsehen den Kampf anzusagen. Denn gerade die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas haben den Auftrag, vor allem bildlich langweilig zu sein. Seinem Beispiel kann ich nur die verdammungswürdige Unterhaltungsreihe Sherlock hinzufügen – die zu Recht ja immer wieder kritisiert wird. Hier nur ein paar verstörende Beispiele, ohne “das weiter recherchiert” zu haben. Alleine die ersten sechs stammen aus einem Zeitraum von nur 3 Minuten. Diese Schlüsselszenen muss ich folgenden kurz dokumentieren. Ich habe ja ein Screenshot-Programm. […]

  14. @ 20, 21:

    „Denn gerade die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas haben den Auftrag, vor allem bildlich langweilig zu sein. Seinem Beispiel kann ich nur die verdammungswürdige Unterhaltungsreihe Sherlock hinzufügen – die zu Recht ja immer wieder kritisiert wird.“

    Es spricht nicht unbedingt für Ihre Kreativität, wenn Grünpflanzen und Flaschen im Bild das einzige Mittel gegen „bildliche Langeweile“ sind. Haben Sie mal über eine Karriere bei McKinsey nachgedacht? Genau zwei Instrumente gegen irgendein (vermeintliches?) Problem kennen und sie dann unabhängig von der konkreten Situation immer wieder anzuwenden ist deren Kernkompetenz.

  15. Schon der Name des Magazins „Zoom“ lässt doch erahnen, dass hier der Fokus (hehe) auf der Kameratechnik und ihren Möglichkeiten liegt (die ja nun sonst hauptsächlich Steven Spielberg und Michael Bay ausreizen). Weshalb man ja also gefälligst nichts anderes erwarten sollte.

  16. Viel schlimmer als die Pflanzen finde ich bei ZDFzoom die an den Menschen festgetackerten Inserts, die dann bei jeder Bewegung des Protagonisten mit hin und her wackeln.

  17. Lieber Ben (15), DOF, schön und gut. Neu ist das ja nicht, neu ist daß das alle jetzt unbedingt machen wollen – vor ein paar Jahrzehnten hat man im Kino statt dessen einen enormen technischen Aufwand getrieben, um die Schärfentiefe maximal auszudehnen.

    Allerdings: Unschärfe im Bildvordergrund ist problematisch, da sie den natürlichen Sehgewohnheiten nicht entspricht, sie sollte daher bewußt und sparsam, gleichsam akzentuierend eingesetzt werden. Wie man mit Effekten der Schärfentiefe gut fotografieren kann, sieht man bei einigen der besseren Stücke bei Druckfrisch im Ersten (aber auch da geht es oft mal daneben). Unerreicht in der ästhetischen Wirkung sind natürlich die Kollegen bei Top Gear; wie hier mit der Schärfentiefe gearbeitet wird, ist teilweise ganz großes Kino.

    Ich habe nun diese Sendung nicht gesehen und bin auf den unvollständigen Eindruck angewiesen, den diese Standbilder vermitteln – deshalb cum grano salis. Dennoch: Hier wurde offenbar auf Gut Glück irgendwas in den Vordergrund geschoben, damit das ganze möglichst frisch und hip rüberkommt. „Wie, zwei Leute sitzen nur so am Tisch rum? Können wir nicht wenigstens ein Glas so halb ins Bild stellen?“

    Folgendes Zitat habe ich gefunden, besser kann man es nicht zusammenfassen: Just because you can, doesn’t mean you should. You’ve still got the good taste, you have to have some craft.

  18. Sirius (26), Widerspruch, das ist doch lustig! Damit sieht noch das drögeste „Verbrauchermagazin“ beim Zett-De-Eff aus wie ein Screenshot von Watchdogs! Da brauchen wir mehr von! Zum Beispiel beim heute-journal, da könnten neben Klebers Kopf doch zum Beispiel seine letzten Tweets baumeln … (Vielleicht liest ja jemand aus Mainz mit? Ich freu mich schon!)

  19. Ich denke, dass Prinzip ist simpel: Der Eindruck soll sein, man spähe gerade hinter etwas ganz nahem hervor, hinter dem man sich bis vor wenigen Sekunden noch herumgedrückt hat und ist JETZT live dabei, wenn etwas „investigativ“ aufgedeckt wird.

    Ist natürlich faktisch quatsch und dient nur dem „Erheisch“ von Aufmerksamkeit … oder der Entnervung nicht-skripted-Reality-gestählter Sehgewohnheiten. Man überlege sich also die Zielgruppe …

  20. „Unerreicht in der ästhetischen Wirkung sind natürlich die Kollegen bei Top Gear; wie hier mit der Schärfentiefe gearbeitet wird, ist teilweise ganz großes Kino.“ (#27)

    YEAH! :-)

  21. Diese „Bildkomposition“ erinnert mich an die SAT1 Pseudodetektivserien wie Lenßen & Parter sowie K11. Dort stand auch immer ein Kameramann im Gebüsch oder konnte nicht am Hindernis vorbeifilmen und musste dabei rumwackeln.
    Das hat das Ganze ungemein investigativ und glaubwürdig gemacht, für Wegwerffernsehen jedenfalls.

  22. Es ist nicht nur eine „hippe Spielerei“, wie hier mehrfach behauptet wird, es hat ganz klar den Zweck, das Gezeigte in einer vermeintlich unmittelbaren und authentischen Weise zu präsentieren. Es wird suggeriert, dass die Kamera – also der Zuschauer – Zaungast bei etwas ist, was so nicht stattgefunden hätte, wären sich die Beteiligten der Kamera bewußt gewesen.

    Aber natürlich ist jeder sich dessen bewußt. Man kann also sagen, man wird hier als Zuschauer in voller Absicht in die Irre geführt.

    Und wenn man schon über die Mittel in die Irre geführt wird, wie sicher kann man dann sein, dass man nicht auch über die Inhalte in die Irre geführt wird?
    Oder, anders gesagt, wenn hier schon in diesem Fall die Form über den Inhalt triumphiert, inwieweit passiert das auch bei Dingen, die dem Zuschauer weniger zugänglich sind? Wird vielleicht den Sinn verfälschend geschnitten? Werden Interviewpartner einseitig entsprechend der gewünschten Meinung ausgesucht?

    Ich finde es auf jeden Fall unmöglich, diese Sendung auch nur ansatzweise ernst zu nehmen, wenn ich so etwas im Einsatz sehe.

    :-(

  23. Noch cooler: DIe Pflanze scharf stellen und dann auf einen kleinen Krabbelkäfer darauf zoomen, während die Person im Hintergrund weiterredet!

  24. Das ist gemein!
    Nur weil der Kameramann ein bisschen schüchtern ist so auf diesem Format rumzuhacken.

  25. Das sind durchaus nicht nur die Praktikanten, die sich so konsequent auf diese Faustregeln stürzen. Habe selbst mit einigen Kameraleuten gearbeitet, die es in Sachen Vordergrund eindeutig übertrieben haben. Und es gibt noch einen tollen Spruch unter Filmern, der bei politischen Magazinen sicher auch gut kommen würde: „Optik vor Logik“!

  26. Nachdem auf den Inhalt nicht eingegangen wird, scheint es hier eher ein Aufregen über ein Stilmittel zu sein, das der Bauer eben nicht kennt. Erst wird dem ZDF vorgeworfen es sei Altbacken, dann wird eine frische Bildsprache probiert, die natürlich diskutiert werden kann, und es wieder falsch. Lieber nix ändern?

    By the Way kenne ich zu Sherlock nur begeisterte Kritiken, für mich ist diese Serie ein Meisterwerk. Manche sind im Kopf eben schon etwas alt, wollen das alte behalten, man nennt das …. konservatv. ;-)

    …. und das von jemand der es über das 3te Semester hinaus geschaftt hat ….. hui

  27. Ben (35), nee, so ja mal nicht. Die Frage ist nicht, ob das „altbacken“ oder „frisch“ ist, die Frage ist, ob das in so ein Format passt, und ob es als Stilmittel sinnvoll eingesetzt wird. „Der Bauer“ kennt das durchaus, aber nur weil etwas (angeblich) „neu“ ist, ist es deswegen noch lange nicht immer und überall besser.

    Ich hab mir den Beitrag zwischenzeitlich in der Mediathek angeschaut. Tatsächlich ist das nicht ganz so schrecklich und penetrant wie es die Standbilder vermuten lassen, aber daß man zum Beispiel bei 2:50 erst durch eine Stuhllehne fotografiert, um dann auf eine Person zu ziehen, und danach wieder auf eine Grünpflanze scharfstellt, ist komplett unmotiviert und einfach nur visueller Klimbim. Hier ist nix investigativ, sondern man sitzt einfach bei jemandem am Tisch, der uns gleich erzählen wird, wie übel ihm die Schufa zugespielt hat.

    Vielleicht ist das ja wirklich „altmodisch“, aber eine Informationssendung sollte informieren. Bildgestaltung sollte dies sinnvoll unterstützen. Ich sehe nicht, wie das im gezeigten Beispiel umgesetzt worden ist. Zwischen irgendwelchen in den Vordergrund gestellten Pflanzen, Büromöbeln und Geschirrteilen hindurch zu fotografieren wird hier zum albernen Gimmick, das sich dann naturgemäß sehr schnell abnutzt.

    Der Vergleich mit Sherlock geht fehl. Erstens: Das ist ein Unterhaltungsprogramm. Zweitens: Das ist bei Sherlock besser umgesetzt. Und zwar um logarithmischen Größenordnungen besser.

    Liebes ZDF, ihr wollt modernes Fernsehen machen. Das ist super. Dann macht doch einfach moderne Formate.

  28. Danke ZDF, Danke Frontal21. War eine sehr gute Sendung. Wie (fast) immer.
    Habe mir gestern 3 neue Zimmerpflanzen gekauft. Darf jetzt bloss das Giessen nicht vergessen, heiss der Sommer.

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