Die Letzten werden die Ersten sein. Oder irgendwas dazwischen.

Das klingt eigentlich nach einer tollen pädagogischen Maßnahme: die Verantwortlichen eines Fernsehsenders zu zwingen, sich noch einmal gründlich mit dem, was sie in den vergangenen Jahren produziert haben, auseinanderzusetzen.

Es hilft nur nichts. Sie merken nichts.

Sie lachen mit, wenn man sich über einen Sendungstitel wie „Die spannendsten Seen Norddeutschlands“ lustig macht. Doch im Zweifel haben sie die Quote der Sendung im Kopf (beinahe eine Million Zuschauer bei der Viertausstrahlung in der Primetime am Sonntagabend im vergangenen Januar), und die ist, was zählt.

Der NDR hat sich zwar, angeblich systematisch und akribisch, mit all den Listen-Formaten auseinandergesetzt, die er in den vergangenen dreieinhalb Jahren hergestellt hat. Er hat dabei entdeckt, dass die verschiedenen Redaktionen im Zweifel nicht zögerten, die Ergebnisse der Zuschauer-Abstimmungen ihren Erfordernissen anzupassen. Aber die Liebe zu dem Format an sich hat darunter nicht gelitten.

Programmdirektor Frank Beckmann will in Zukunft restriktiver mit Online-Votings umgehen. Aber er will die Diskussion um die Sendungen nicht zum Anlass nehmen, die Runterzählformate an sich in Frage zu stellen. Die Leute gucken das ja immer noch.

Damit wir wissen, wovon wir reden, wenn wir von „Ranking-Shows“ im NDR-Fernsehen reden — das hier sind, abgesehen von denen, die ich vergessen oder übersehen habe, die Listensendungen mit den Jahren, in denen sie ausgestrahlt wurden:

  • Die Kultautos der Deutschen (2005, 2005, 2005, 2005, 2005, 2006, 2006, 2007, 2008, 2009, 2009, 2010, 2011, 2011)
  • Die besten deutschen Filme (2005, 2008, 2009)
  • Die größten Sommerhits des Nordens (2005, 2006, 2008)
  • Unvergessene Tore (2005, 2005, 2005, 2007, 2009, 2011)
  • Die besten Comedy-Songs des Nordens (2005, 2006)
  • Die besten Comedy-Songs im Norden (2006, 2008, 2008, 2009, 2010, 2010, 2010, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013)
  • Die schönsten Backrezepte des Nordens (2005, 2005)
  • Die schönsten Weihnachts-Momente im TV (2005, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010)
  • Die größten Skandale der Republik (2006, 2006, 2006, 2006)
  • Die schönsten Fußball-Songs (2006, 2006, 2008, 2008, 2009, 2010, 2014)
  • Die schönsten Operetten (2006, 2006, 2006, 2007, 2009, 2009)
  • Die beliebtesten Bücher des Nordens (2006, 2006)
  • Die beliebtesten Trecker Norddeutschlands (2008, 2009, 2010, 2011, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die 100 schönsten Bauwerke Norddeutschlands (2006, 2006, 2006, 2008, 2009)
  • Die schönsten Shantys und Seemannslieder (2008, 2009, 2009, 2010, 2012, 2013)
  • Die schönsten Urlaubsziele Norddeutschlands (2008, 2008, 2008, 2009, 2010, 2011)
  • Die größten Kabarettisten (2007, 2008, 2010)
  • Die bewegendsten Sportmomente (2005, 2005, 2006, 2006)
  • Kuriose Sportmomente (2007, 2007, 2007, 2007, 2007, 2007, 2008, 2008, 2009, 2009, 2009, 2010)
  • Die schönsten Love-Songs (2007)
  • Die größten Modesünden (2007, 2007, 2008, 2008, 2009, 2009, 2009, 2010, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013)
  • Die schönsten Musicals (2007, 2007, 2010)
  • Die schönsten Brücken Norddeutschlands (2007, 2008, 2010)
  • Die beliebtesten Tänze (2007, 2010, 2012)
  • Die schönsten Leuchttürme Norddeutschlands (2008, 2010, 2010, 2011)
  • Die besten Party-Hits (2007, 2007, 2008, 2008, 2009, 2009, 2010, 2011, 2011)
  • Die beliebtesten Eisenbahnen (2007, 2007, 2008, 2008, 2012, 2012)
  • Die größten Fußballer aller Zeiten (2008, 2008, 2008, 2008, 2009, 2009, 2011)
  • Die berühmtesten Zitate (2008, 2009, 2010, 2011, 2011, 2012)
  • Die schönsten Schiffe Norddeutschlands (2008, 2009, 2010, 2011, 2012)
  • Die größten Fußballpannen (2008, 2008, 2008, 2008, 2009, 2011)
  • Die verrücktesten Spektakel Norddeutschlands (2008)
  • Die schönsten Schmuse-Songs (2008, 2009, 2009, 2010, 2010, 2011)
  • Die schönsten Tierparks Norddeutschlands (2009, 2009, 2009, 2009)
  • Die beliebtesten norddeutschen Schauspieler (2008, 2009, 2009)
  • Die größten Schlagzeilen der Politik (2009, 2010, 2011)
  • Die beliebtesten Kult-Schlager (2009, 2009, 2010, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • Die schönsten Fußballgeschichten (2009, 2009, 2011)
  • Die beliebtesten Sehenswürdigkeiten Norddeutschlands (2009, 2010, 2010)
  • Die besten Witze aus der DDR (2009, 2009, 2011)
  • Die schönsten Märchen (2009, 2010)
  • Die besten Sportler des Nordens (2009, 2010)
  • Die beliebtesten Sketch-Klassiker (2009, 2009, 2010, 2010, 2011, 2011, 2012, 2012)
  • Die schönsten Weihnachtslieder des Nordens (2008, 2009, 2010, 2010, 2010, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2013)
  • Die bedeutendsten Norddeutschen (2010, 2011, 2011, 2013, 2014)
  • Die besten Witze des Nordens (2010, 2011, 2011, 2012, 2013)
  • Die schönsten Bauernhöfe des Nordens (2010, 2010, 2011, 2011, 2011, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Meisterwerke im Norden (2010)
  • Die schönsten Evergreens des Nordens (2011, 2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Gerichte des Nordens (2010, 2010, 2010, 2011, 2012, 2013)
  • Die schönsten Inseln Norddeutschlands (2010, 2011, 2011, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • So plietsch ist der Norden – Die größten Erfindungen (2010, 2010, 2011)
  • Die schönsten Ohnsorg-Momente (2010, 2010, 2011, 2012, 2013)
  • Die beliebtesten Fernsehpaare (2010, 2010, 2011, 2011, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Tiere Norddeutschlands (2010, 2010, 2011, 2011, 2011, 2012, 2013)
  • Legendäre Talkshow- und Interviewmomente (2011, 2011, 2011, 2011, 2014)
  • Die schönsten Schlösser Norddeutschlands (2012, 2012, 2012, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Party-Hits (2012, 2012, 2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten norddeutschen Pop-Musiker (2013, 2013, 2014)
  • Die schönsten Flüsse Norddeutschlands (2013, 2013, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • Die erstaunlichsten Dörfer Norddeutschlands (2012, 2012, 2012, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • Die spannendsten Seen Norddeutschlands (2012, 2012, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Motorräder Norddeutschlands (2008, 2008, 2011, 2011)
  • Die schönsten Naturparadiese des Nordens (2011, 2012, 2012, 2013, 2013, 2013, 2013, 2014, 2014, 2014)
  • Die schönsten Gärten und Parks des Nordens (2013, 2014, 2014, 2014)
  • Die schönsten Werbeklassiker (2013, 2013)
  • 50 Jahre Bundesliga im Norden (2013, 2013, 2014)
  • Die schönsten Wälder des Nordens (2013, 2013, 2014)
  • Die beliebtesten Oldtimer (2014)
  • Die größten Designsünden (2012, 2013, 2013, 2013, 2014)
  • 50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss (2011, 2012, 2013, 2013, 2013)
  • Die 30 legendärsten Fernsehshows (2013)
  • Die legendärsten Sex-Affären (2013, 2013)
  • Die legendärsten Rücktritte (2011)
  • Die schönsten Mühlen des Nordens (2013, 2013)

Man könnte angesichts dessen schon zu dem Schluss kommen, dass da im Dritten Programm des NDR noch etwas ganz anderes schief gelaufen ist, als dass der Rhododendronpark Ammerland um seinen Platz als zehntschönster Garten oder Park Norddeutschlands gebracht wurde, weil es angeblich von ihm nicht so gutes Bildmaterial gab wie von Planten un Blomen. Könnte man. Ist der NDR aber nicht.

Er hat nun „vorläufige Regeln für den redaktionellen Umgang mit Listing-Formaten“ veröffentlicht, in denen es unter anderem heißt:

Auswahllisten der Redaktionen müssen bereits mit Blick auf Lizenzfragen und Materiallage vor Veröffentlichung geprüft sein, um nachträgliche Änderungsnotwendigkeiten zu minimieren. Wiederholungsrechte werden bei der Prüfung berücksichtigt.

Im Zweifel werden die Rhododendrongärten Ammerlands also gar nicht mehr zur Auswahl stehen, um von ein paar Dutzend Teilnehmern in die Top Ten gewählt werden zu können.

42 Replies to “Die Letzten werden die Ersten sein. Oder irgendwas dazwischen.”

  1. Die ersten 15 habe ich mir noch durchgelesen, dann einmal runtergescrollt, ungläubig gekuckt und den Rest vom Blogartikel gelesen. Das ist ja fürchterlich.

    Und dann doch noch etwas gelernt: plietsch bedeutet pfiffig, schlau. Wusste ich selbst als Norddeutscher nicht. Muss mehr NDR schauen.

  2. Solange nicht „Die beliebtesten Hitlisten des Nordens“ gewählt werden, ist da wirklich keine Hoffnung auf ein Ende des Stumpfsinns.

  3. Habe statt
    Die besten Sportler des Nordens (2009, 2010)
    gelesen:
    Die Besten Sportler Nordkoreas (2009,2010)

    Dass ich das für möglich hielt, sagt viel über diese Listen aus…

  4. Es fällt mir ja jetzt erst auf. Gelten für diese Liste nur Eigenproduktionen?
    Oder fehlen „Die größten Grand-Prix-Hits“ (Produktion hr), die mindestens mal 2011 im Programm ausgestrahlt wurden, aus Sympathie zum Thema?
    Wie viele Übernahmen sind denn dann sonst noch so abgezählt worden?

  5. Verschlimmernd kommt ja noch dazu, dass es in den anderen Dritten Programmen nicht besser aussieht!
    Analog dazu könnte man auch eine Liste mit dem Hessischen Rundfunk („Die 100 besten Hessenwitze“ etc.) und dem WDR („Die beliebtesten Stimmungslieder der Nordrhein-Westfalen“ etc.) aufstellen.

  6. Wunderschön auch vergangene Woche im WDR: „Die beliebtesten Weltkulturerbe-Anwärter in Nordrhein-Westfalen“. ANWÄRTER, wohlgemerkt. Ich kann gar nicht so viel essen wie ich da kotzen möchte.

  7. Die Frage an der Stelle war dann auch eher: Wenn man auch die übernommenen Ranking-Sendungen in die Liste hätte schreiben wollen, wäre dann eine nach unten offene Blogspalte nötig gewesen?

  8. Das Problem der inflationären Zunahme dieser Sendungen ist dann aber wohl auch: viele Menschen mögen Listen eben gerne, sonst würden sie ja die NDR-Formate seltener schauen, bei der Huffpost weniger Artikel aufrufen, die einem die 20 besten Rentnerparadiese versprechen, oder den Fokus mit seinen hundert besten Nasenärzten im Regal stehen lassen.

    Und da muss ich mich selber outen. Listen als Materialsammlungen zu BESTIMMTEN Themen haben mich immer interessiert. Das Ranking ist dabei nebensächlich, und man könnte auch darauf verzichten. Wenn der aber WDR mal eine Sendung über die 20 gelungensten Ruhrgebietsromane machen würde, ich täte die gucken.

  9. Ich vermisse:

    Die 100 am miesesten gefälschten Hitlisten des NDR.
    Die 100 abgefeimtesten Ukraine-Lügen der letzten 14 Tage

    Aber das guckt dann ja wieder kein Schwein. Schalten alle zu den 100 Treckern…

  10. „Die beliebtesten Party-Hits (2012, 2012, 2013, 2013, 2014)“

    Ist das dann bei allen Ausstrahlungen immer die selbe Liste, oder wurde diese auch mal „aktualisiert“ und nur der Titel blieb derselbe?

    (Die zitierte Liste ist nur als Beispiel gedacht, die Frage bezieht sich auf alle Listen.)

  11. Ich will ja sagen „es ist zum Heulen“ aber das würden sie dann wohl auch nur verwursten in „die ßüßeßten Heuler deß Nordenß“ präsentiert von Katja Burkhart.

  12. Nee, so nicht… Dann bitte die Grundfrage debattieren (die Rankingverfälschungen mal ausgeklammert): wie soll gebührenfinanziertes Fernsehen mit Quoten umgehen? Ja, ich möchte mehr Themenabende über Klavierstimmer bei ARTE, selbst wenn ich der einzige wäre, der das guckt, meine Oma wäre verzückt, wenn sie eine Sendung über die 10 schönsten Seen der Masuren sehen darf. … Also, wenn der NDR merkt, seine Zuschauer sind daran interessiert, zu wissen: wer waren die 10 historisch besten Krawattenträger in Pinneberg?, und dementsprechend sendet, was ist das Gegenargument?

  13. Natürlich sind die Listen-runterzähl-Sendungen inflationär. Aber manchmal schaue ich sie ganz gerne, weil man sicher sein kann, dass in der halben Stunde TV-gucken nichts schlimmes passiert. Alle haben sich lieb. Man wird vielleicht ein bißchen schlauer, weil man lernt, dass Planten und Blomen 47ha groß ist (und damit übrigens größer als Vatikanstadt oder Pere Lachaise). Man findet sich wieder (Guck‘ mal, da waren wir Ostern ’87 mit Tante Erika!). Man kann ein wenig Träumen (Hach, den Rheinsteig will ich auch mal wandern).
    Kurzum, die Sendungen tun nicht weh und sind für mich unterhaltsamer als die ewig gleichen Talk-Shows am Freitagabend.

  14. @Christine
    Ein ehrliches und sympathisches Bekenntnis! Ich fürchte nur, Sie werden mit dieser Ansicht hier auf wenig Verständnis stoßen, siehe Kommentare # 7 und # 14.

  15. „Es hilft nur nichts. Sie merken nichts.“

    Das schreit ja geradezu nach einer Liste derer, die am meisten „nichts mehr merken“ und einer weiteren für die, die sich am geschicktesten dafür rechtfertigen!

  16. @Frank Reichelt, @ Christine:
    Ich oute mich auch mal. Mal nix weiter vor d.h. Siechtum auf der Couch und bin beim Zappen insgesamt schon dreimal (!) an den 100 Treckern hängen geblieben.
    Wobei das weniger am Format als vielmehr an den hübschen Fahrzeugen lag. Dazu Nonsens-Wissen, Geschichten, Anekdoten.

    @Raoul:
    Die von mir gesehenen Listen waren immer immer gleich.

  17. @17 #Christine
    “ weil man sicher sein kann, dass in der halben Stunde TV-gucken nichts schlimmes passiert. Alle haben sich lieb.“
    Das scheint nur so. Für manch einen „beliebtesten norddeutschen Pop-Musiker“ bedeutet es z.B. Beginn oder Ende seiner kleinen Karriere. Und manch ein idylischer See ist plötzlich überlaufen und verschmutzt.
    Gerade bei diesen „Rankings“ läuft vermutlich ungefähr genau soviel Konkurrenzgerangel wie bei der Stiftung Warentest!

  18. … von wegen „Bildungsauftrag“: die Leute werden regelrecht sediert (“ weil man sicher sein kann, dass in der halben Stunde TV-gucken nichts schlimmes passiert. Alle haben sich lieb.„).

    Kann ma ja gleich Psychopharmaka schlucken, ganz ohne audiovisuellen Müll.

  19. „…um nachträgliche Änderungsnotwendigkeiten zu minimieren…“ Verstehe ich das richtig, der NDR behält sich weiterhin das Recht vor in das Zuschauervoting einzugreifen?

  20. Ich bin voll bei Herrn Reichelt und Frau Christine. Ist mir rätselhaft, warum gerade diese harmlosen Ranking-Shows nun allerorts mit einer Verachtung gestraft werden, als würden da vor laufender Kamera kleine Kinder gequält – und die Verantwortlichen hingestellt werden wie skrupellose Verbrecher: „Es hilft nichts. Sie lachen mit. Und haben nur die Quote im Kopf…“

    Was soll das heißen? Das sich die Macher eigentlich ganz grundsätzlich in Grund und Boden schämen sollten, weil sie plüschige Formate produzieren, die von einem nicht geringen Teil der Leute da draußen offenbar ganz gern gesehen werden? Warum? Gott, sofern es ihn gibt, liebt die wunderbare Vielfalt. Und wenn es ein paar Leute gibt, die am Dienstagabend gerne mal eine Grünanlagen-Show in Listenform konsumieren, um den Sieger dann am Sonntag spazierengehend zu besuchen – dann sollte man doch einfach sagen: bitte, gerne.

    Auch wenn das hier ganz sicher viele anders sehen mögen: An Grünanlagen-Listen-Formaten ist nichts besser oder schlechter als an einem Interview-Marathon mit Noam Chomsky oder einer lustig gemeinten Satire-Sendung mit Friedrich Küppersbusch – die DInger haben nur ganz einfach nur verschiedene Ziegruppen.

    Und da sind wir auch schon beim Kern der Sache: Der Grünanlagen-Listen-Fan lässt den Küppersbusch-Fan einfach Küppersbusch-Fan sein – schon allein, weil er selten ein Blog betreibt. Umgekehrt sieht der Küppersbusch-Fan schon in der Tatsache, dass solche Grünanlagen-Listen-Formate produziert und geguckt werden, einen derart grundsätzlichen gesellschaftlichen Missstand, dass er ihn hier im Duktus der geistigen und moralischen Überlegenheit den Grünanlagen-Listen-Leuten gegenüber anprangert – weil nämlich, unfassbar: „Die Leute gucken das immer noch.“

    Mal davon abgesehen, dass das Alles ziemlich herablassend und ungefähr so sinnvoll ist, wie den Produzenten von Helene Fischer Helene-Fischer-Musik ausreden zu wollen: Es wird auch nicht ganz klar, was denn die Konsequenz aus all dem sein sollte. Grünanlagen-Listen ein für alle mal verbieten? 24 Stunden Küppersbusch senden, auf das die Welt ein besserer Ort werde?

    Na dann: Es lebe die Geschmacks-Polizei!

  21. Ich reihe mich mal ein in die ja gar nicht mal so wenigen „NDR-Versteher“ hier. Über Anzahl und Inhalte dieser Sendungen kann man sicher streiten, die Inhalte der Rankings sind ja zum Teil ziemlich unterschiedlich. Manche haben lokalen Bezug, was von den Landesrundfunkanstalten ja auch erwartet wird. Ich finde prinzipiell nichts daran auszusetzen, dass regionale Sehenswürdigkeiten, Spezialitäten, Geschichte und Personen im Lokalfernsehen präsentiert werden. Wo, wenn nicht dort?
    Mein spontaner Absurditätsfavorit waren „Die beliebtesten Trecker Norddeutschlands“, aber auf den zweiten Blick fand ich auch wieder irgendwie sympathisch, was das über den Norden und die dortige Mentalität aussagt, dass dort ein solches Thema überhaupt so eine Rolle zu spielen scheint.
    Was Harald Schmidt als Schwabe unter den beliebtesten Komikern des Nordens (@Stefan Niggemeier: fehlt diese Sendung nicht in der obigen Liste?) zu suchen hat, erschließt sich mir wiederum nicht, außer es geht darum, den allgemeinen Humor/Geschmack imNorden, nicht aus dem Norden zu ermitteln. Dann wiederum wären repräsentative Werte natürlich erforderlich.
    Manche Themen sind mehr aus der Rubrik „sieht man immer mal wieder gerne“, wmit sie auch schon quasi gerechtfertigt sind. Gerade als Mensch mit nostalgischer Ader muss man sich ja sonst alles selbst auf Youtube zusammensuchen.
    Ich finde also weniger die „stumpfsinnigen“ Inhalte kritikwürdig als das Format an sich, also die Form ihrer Aufbereitung. Wie Nick Smith in #9 schon schrieb: Das Ranking ist nebensächlich, und man könnte auch darauf verzichten. Es ist eigentlich völlig unnötig, überhaupt eine hierarchische Abfolge zu haben und dieser dann noch mit heiligem Ernst den Anschein von Repräsentativität zu geben, zumal wenn es nicht um so eine aufgeblähte Samstagabend-Show wie im ZDF geht. Wenn ein Radiosender „die besten Hits der 80er, 90er und von heute“, oder „die schönsten Werke der klassischen Musik“ abspielt, erwartet doch auch keiner, dass das wirklich demoskopisch ermittelt wurde.
    Dass solche Sendungen billig zu produzieren sind stört mich erst mal auch nicht. Es wäre nur wünschenswert, dass das Geld dafür sinnvoll im übrigen Programm investiert wird.

  22. @Pepito: Naja, ich hab Herrn Niggemeiers Kritik eher so verstanden, dass er nicht kritisiert, dass „regionale Sehenswürdigkeiten, Spezialitäten, Geschichte und Personen im Lokalfernsehen präsentiert werden“, sondern die Masse dieser Rankings, die sogar mal eben schnell ohne Sinn und Verstand manipuliert aufbereitet und damit die Zuschauer für dämlich verkauft werden, hauptsache man produziert um des Produzierenswillen irgendein Scheiß.

  23. „erwartet doch auch keiner, dass das wirklich demoskopisch ermittelt wurde.“

    Nö, nich alle! Nur viele Menschen wollen einfach immer vorn mit dabei sein, voll dazugehören. Dieses genetisch-sozial gezimmerte „Konformitätbestreben“ ist so verbreitet, wie es nervig ist!

    Darum: Die beste Kneipe Norddeutschlands ist das „Phönix“ in Oldenburg! An zweiter Stelle das „Solero“ – und die anderen konnte ich mir dann nicht mehr merken…
    ;-)

  24. Einen hab ich noch unterm Sofa vorgezerrt:
    „Höchstplatzierungen so flach wie der Norden“

    Jetzt ist auch gut.

  25. Lieber Herr Niggemeier, eine Frage hätte ich mal an Sie:

    Sie waren bislang, soweit ich mich erinnere, stets ein großer Befürworter der Werbe- und Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir haben da bereits ein paarmal miteinander gestritten. Und Sie haben auf jene geschimpft, die nicht wissen oder verstehen, dass der Begriff „Grundversorgung“ nach BVerfG grds. auch seichten Müll umfassen soll. Ich hoffe, ich werde Ihnen mit dieser Zuschreibung nicht ungerecht.

    Aber wenn man sich die obige Liste anschaut, für die ja nun einige EUR der knapp 8 Milliarden EUR, über die der öffentlich-rechtliche Rundfunk 2013 verfügen durfte – wobei allein der NDR knapp 1 Milliarde einnahm -, draufgegangen sind, kann man sich doch fragen, ob denn so viel Schwachsinn wirklich vom Grundversorgungsauftrag umfasst sein kann und ob er wirklich vom Geld der Beitragszahler bezahlt werden muss. Wäre es nicht dringend angezeigt, sowohl die Anzahl der Sendeanstalten erheblich zu verkleinern als auch das Angebot der Anstalten dahingehend einzuschränken, dass reine Unterhaltung bzw. Nonsens-Programme wie etwa jene Listen nur einen bestimmten, festgelegten, sehr geringen Prozentsatz des Gesamtangebots ausmachen dürfen, oder dass man Unterhaltungssachen komplett den Privatsendern überlässt, da ja nun keine Vermutung dahingehend formuliert werden könnte, dass öffentlich-rechtliche Sender Unterhaltung besser können als private Sender? Andernfalls könnte man auch darüber nachdenken, den Sendern zu verbieten, Werbeeinnahmen zu generieren, so dass sie ausschließlich gebührenfinanziert wären; dann würde vielleicht die Fixierung auf massenkompatible Programme wie auch derartige Listen etwas verringert.

  26. @Stanz, #30 (ich weiß, ich war gar nicht angesprochen, aber es ist ja ein offenes Diskussionsforum hier)

    Grundsätzlich taugen solche einzelnen Beispiele schlecht, um auf ihrer Grundlage das gesamte dualistische Rundfunksystem in Frage zu stellen. Und dass es sich dabei nur um „Schwachsinn“ handelt, ist eben Ihre Meinung, manch einer hier sieht das offensichtlich etwas anders. Hinzukommt, dass diese Sendungen vermutlich sehr billig zu produzieren sind, sodass der NDR mit weniger Gebühren eher mehr solcher Sendungen bringen würde als weniger. Ich glaube auch nicht, dass diese Rankings mit der partiellen Werbefinanzierung zusammenhängen (wirbt der NDR eigentlich für Trecker?), man kann ja auch „massenkompatible Programme“ machen um die allgemeinen Gebühren zu rechtfertigen (ich würde sogar sagen:man sollte). Diese Hitlisten-Sendungen taugen also nur bedingt dazu, die ganz großen, immer wieder diskutierten Fragen der Rundfunkpolitik (Unterhaltungsanteil, Begriff der Grundversorgung, Abgrenzung gegenüber Privaten, Umfang der Werbe- und/oder Gebührenfinanzierung, Bedeutung der Quote) in eine neue Runde zu schicken.

    [Also unabhängig davon meine Meinung: Unterhaltung gehört schon zur Grundversorgung, warum sollten Privatsender das generell besser können und die Nachfrage komplett abdecken? Und wo ist da die Grenze zu ziehen? Diese Rankings haben auch außer der Unterhaltung auch die Funktion, lokale Bezüge herzustellen und über die Region zu bilden(!), was die Privaten nicht in gleichem Maße tun würden. Eine andere Gewichtung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk würde ich allerdings sofort befürworten, wobei das rechtlich schwierig mit einer festen Quote für „Nonsens“ zu fassen sein dürfte (s. o.). Außerdem zu befürworten: Verkleinerung der Anzahl an Sendeanstalten, weniger Werbefinanzierung.]

  27. @Christine & Co.:

    Meinetwegen kann auch mal die eine Ranking-Show laufen. Aber doch nicht in dieser Penetranz. Der Hessische Rundfunk beispielsweise sendet in seinem Dritten Programm bisweilen zur besten Sendezeit NEUN STUNDEN AM STÜCK lang nur solche Sendungen. Schauen Sie mal z.B. ins Dienstagabendprogramm des HR – es ist nicht auszuhalten, mit wieviel Heimatdus(s)eligkeit man da sediert wird. Kreativität und Innovationen? Fehlanzeige.

    Einer der allerersten Leitsätze auf meinem ersten Journalisten-Seminar war: „Mach keine Rankings. Sie zeigen nur, dass Dir die Kreativität für richtige Reportagen fehlt.“ Den Satz finde ich heute noch gut – und für ziemlich viele Sender leider sehr entlarvend. :-)

  28. Hmmm, ich finde es natürlich OK wenn der NDR (ich komme aus Niedersachsen) auch seichtes Unterhaltungszeuch produziert und sendet. Ich finde es auch OK wenn der sender auch mittelseichtes Unterhaltungszeuch sendet. Aber … NUR? Ich fände es auch mal toll wenn da ausser extra3* irgend eine für mich interressante Sendung kommen würde.

    Aber das Ist Symptomanisch für die gesamte Deutsche Fernsehlandschaft IMHO – meine Konsequenz: Ich rege mich nicht mehr auf, und der Sat-Receiver kommt nur noch auf Laufzeiten von ca. 5 Stunden im Monat … die paar wenigen sachen die mich noch generell im Deutschen Fernsehen interessieren schaue ich im Stream wann es mir passt.

  29. Hier ein paar Listen, die im Zuge der neuen Ehrlichkeit nach dem Schummel-skandal um die Besten-Listen die Glaubwürdigkeit des Deutschen Fernsehens retten könnten:

    – 100 Sendungen, die man nicht gesehen haben muss
    – Mittelmäßige deutsche Filme
    – Zusammengestückelte Sport-Momente
    – Deutsche Paare, die manche vielleicht kennen oder auch nicht
    – Mehr oder weniger schöne Mühlen
    – Irgendwelche Bauwerke
    – 50 Dinge, die ein Norddeutscher tun oder lassen kann
    – 100 Deutsche, über deren Qualität man geteilter Meinung sein kann
    – 10 Bestenlisten, die man mögen kann oder nicht
    – Die egalsten Skandale des deutschen Fernsehens
    – Menschen, die Claus Kleber am meisten hasst
    – Unvergessene Fernsehmomente mit Bud Spencer und Terence Hill

  30. Man mag sich ja lustig machen über die aufgeblähte Banalität und Substanzlosigkeit solcher Programme, aber aus finanzieller Sicht ist es nur clever, das Programm mit sowas zuzumüllen, da solche Shows extrem billig zu produzieren sein dürften: Das Bildmaterial dürfte fast ausschließlich aus Archivbildern bestehen, und D- bis F-Promis, die dazu vor dem Bluescreen banales dummes Zeug labern, Hauptsache, sie durften die Nase mal zwei Sekunden in die Kamera halten, sind auch immer einfach und billig zu bekommen. Was natürlich keine Rechtfertigung ist, denn ich hoffe natürlich nach wie vor, dass die deutschen Sender, ähnlich wie schon vor Jahrzehnten die britischen und amerikanischen, endlich mal einsehen, dass man mit Qualitätsfernsehen unter Umständen mehr verdienen kann als mit Billig-TV für schnellen Profit.

  31. Was vielen auferksamen Lesern vielleicht entgangen ist: Die Produktionskosten dieser Sendungen sind extrem niedrig, weil sie überwiegend aus Eigenmaterial gespeist werden. Wollte ich nur mal so zur Kenntnis bringen!

  32. Man könnte durchaus auf solche Liste aufbauen. Bspw. interessante, unterhaltende und informative (Bildungsauftrag) Reportagen oder Dokumentationen über einzelne Vertreter einer Liste oder vertiefende Aspekte des Listenthemas bringen. Nur als Beispiel: Schönste Gärten, Werbeklassiker, beliebteste Gerichte, da fielen mir gleich jeweils viele historische, kulturelle und soziologische Fragen und Aspekte ein, die es zu beackern gäbe. So etwas würde ich mir u.U. angucken.

    Aber das kostet natürlich Geld und die Redakteure usw. müssten tatsächlich ihren bequemen Bürostuhl verlassen.

    Wenn das Programm tatsächlich nur nicht weh tun soll, dann wäre es nur konsequent, rund um die Uhr den Kamin, das Aquarium oder gleich das Testbild zu senden. Obwohl, Testbild-Pfeifton tut weh, fällt also weg.

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