Wobbler und Ballons: Die Achtziger-Kampagne der Lokalzeitungs-Verlage

Bei der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf haben sie kürzlich zum Telefon gegriffen und in den Achtzigerjahren angerufen, um sich ein Logo für eine Werbekampagne zu bestellen. Die Achtzigerjahre haben gesagt: Cool, da haben wir hier noch was rumliegen, so eine flott hingezeichnete Zeitung, aufgeklappt, und oben, voll dufte, wächst eine stilisierte Stadt heraus. Drunter schreiben wir den Slogan, okay? Und das Ganze in Ortsschildgelb. – Das haben die Achtzigerjahre dann geliefert:

Kampagnen-Logo 'Meine Stadt - meine Zeitung'

Nun, 2014, wirbt die „Rheinische Post“ mit diesem Logo – für Lokalzeitungen, so gedruckte, auf Papier. Und mit ihr werben noch einige andere Verlage in Nordrhein-Westfalen, sieben insgesamt; außerdem sind die Grossisten eingespannt. Vorigen Samstag haben sie 9.000 Einzelhändlern in NRW Werbeträger geliefert: „Große Deckenhänger, Aufkleber, Regal-Wobbler und Luftballons mit dem gemeinsamen Aktionstitel“. Regal-Wobbler, das sind so Schilder, die man, nun ja: an Regale klemmen kann, und zusammen mit dem anderen Kram sollen sie „bei Kunden Aufmerksamkeit wecken und den Verkauf der lokalen Tageszeitungen steigern“.

Und davon träumen die Verleger nicht nur nachts.

Sie träumen davon, dass eine Familie in einen Laden kommt, dieses Logo sieht und die Eltern dann sagen: Och, stimmt, so eine Lokalzeitung. Lange nicht gelesen. Lange nichts von gehört. Kaufen wir noch mal. Und der Verkäufer reicht dem Kind einen Luftballon herunter. Das Kind freut sich dann auf die Zeit, irgendwann, in der es endlich Lokalzeitung lesen kann. Und anschließend gehen alle zu Hertie.

Statt mit relevanten Recherchen und guten Geschichten auf die Lokalzeitung aufmerksam zu machen, pusten die Verlage Luftballons auf. Wie früher. Man wolle die „Vorzüge der Lokalzeitung in Erinnerung rufen“, steht in der Pressemitteilung. Mit „Vorzügen“ sind wohl die Schlagworte „lokal“, „nah“ und „kompetent“ in der Unterzeile der Kampagne gemeint. Und das ist der Witz: Die Verleger in NRW wollen an etwas erinnern, das sie seit Jahren dem Vergessen preisgeben.

Einer der werbenden Verlage ist die Essener Funke-Gruppe. Sie gibt die WAZ heraus, die größte Regionalzeitung Deutschlands, einst mit etlichen Lokalredaktionen im Ruhrgebiet. Daneben gehört der Funke-Gruppe die „Neue Ruhr- bzw. Rhein-Zeitung“ (NRZ), die sich bis ins Rheinland erstreckt; die „Westfälische Rundschau“ (WR) im Revier und in Südwestfalen; und die „Westfalenpost“ (WP) im Sieger- und Sauerland, alle ebenfalls mit Lokalredaktionen. Doch seit Jahren ziehen sich diese Zeitungen zurück. Die WAZ etwa hatte unter anderem mal Lokalredaktionen in:

Castrop-Rauxel
Datteln
Dorsten
Haltern am See
Herten
Marl
Oer-Erkenschwick
Waltrop

Die sind jetzt alle weg. Die Lokalteile im Bezirk Vest wurden zunächst, ab 2006, noch in Recklinghausen gemacht, von einer Redaktion, die personell überschaubar ausgestattet war: dem „Regionalen Content-Desk“. So nannte die Funke-Gruppe das damals (noch als WAZ-Gruppe) und feierte es als zukunftsweisendes Modell für guten lokalen und regionalen Journalismus. Doch 2013 war die Zukunft dann schon wieder vorbei. Auch die Recklinghäuser Desk-Redaktion wurde geschlossen.

Eine andere Methode: Inhalte der Konkurrenz übernehmen und ins eigene Layout wurschteln. Das ist nicht nur in NRW zur Mode geworden. Doch die Funke-Gruppe hat bei der „Westfälischen Rundschau“ (WR) auf eindrückliche Weise demonstriert, wie das geht: Voriges Jahr entließ sie alle Redakteure der WR, stellte die Zeitung aber nicht ein. Den Mantel liefert nun die WAZ, die Lokalteile die (konservative) Schwesterzeitung „Westfalenpost“ oder die örtliche Konkurrenz. In Dortmund zum Beispiel füllen die „Ruhr Nachrichten“ den Lokalteil, was früher, unter den alten Verlegervätern, undenkbar gewesen wäre: Dass in der sozialdemokratischen WR mit roter Schmuckfarbe mal Texte aus den konservativ-blauen RN stehen.

Die WR hatte unter anderem mal Lokalredaktionen in:

Altena, Arnsberg, Bad Berleburg, Bergkamen, Betzdorf, Dortmund, Ennepe-Süd, Hagen, Halver, Holzwickede, Iserlohn, Kamen, Kierspe, Lüdenscheid, Lünen, Meinerzhagen, Olpe, Plettenberg, Siegen, Schwerte, Unna, Warstein, Werdohl, Wetter-Herdecke.

Auch alle weg. Und inzwischen ist fraglich, wie lange es die WR als Geisterzeitung ohne Redaktion überhaupt noch geben wird. Die Funke-Gruppe hat kürzlich einen Insolvenzverwalter beauftragt, die Zukunft der Zeitung auszubaldowern.

Wenn Lokalredaktionen schließen, hat das auch zur Folge, dass immer mehr Einzeitungskreise entstehen. Der Zeitungsforscher Horst Röper schreibt dazu:

Inzwischen haben rund 45 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung keine Auswahl mehr, wenn sie sich über das lokale Geschehen am Wohnort informieren wollen. Sie leben diesbezüglich in Monopolgebieten. Zwar werden vielerorts noch zwei unterschiedliche Titel angeboten, aber beide mit identischer Lokalberichterstattung.

Deshalb glaube ich ja auch, dass sich die Verleger bloß verschrieben haben. Und eigentlich das hier auf die Luftballons drucken wollten:

Alternativlogo 'eine Zeitung - eine Stadt'

Und es ist ja nicht nur die Funke-Gruppe, die ausdünnt in NRW:

Die Kölner Zeitungsverlage Heinen und DuMont Schauberg, auch an der Kampagne beteiligt, haben dieses Jahr Lokalredaktionen des „Kölner Stadt-Anzeigers“ und der „Kölnischen Rundschau“ zusammen gelegt.

Der Dortmunder Verleger Lensing-Wolff (interessanterweise bei der Kampagne nicht mit von der Partie) hat kürzlich angekündigt, die Bochumer und Wittener Lokalredaktionen der „Ruhr Nachrichten“ zu schließen. 2006 hatte sich Lensing bereits aus Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck zurückgezogen.

Im Jahr 2006 verschwand auch die letzte Stadtteilzeitung in Nordrhein-Westfalen: die „Buersche Zeitung“ in Gelsenkirchen. Das Marler Medienhaus Bauer beerdigte sie kurz vor ihrem 125-jährigen Bestehen. Und der Verleger Dirk Ippen stellte die „Mendener Zeitung“ im Jahr 2010 zum 150. Geburtstag ein.

Okay, kurzer Einwand: Die Fakten sprechen natürlich eher gegen Lokalzeitungen. Tageszeitungen insgesamt verlieren bekanntlich seit Jahren an Auflage. 2004 wurden noch so um die 26 Millionen Exemplare gedruckt, deutschlandweit. Heute sind es um die 20 Millionen. Und auch die Werbeerlöse sind weiterhin mies.

Dass die Verlage umdenken, hat also durchaus rationale Gründe. Ob aber ein Rückzug aus dem Lokalen das probate, zukunftsweisende Mittel für Lokalzeitungen ist, kann man ja zumindest mal anzweifeln. Außer man ist Verleger, macht eine Kampagne und weiß auch den Rückzug noch als Angriff zu verklären, worin vor allem Funke-Geschäftsführer sehr geübt sind.

Die Funke-Gruppe hat in den vergangenen Jahren ihre Wurzeln im Lokalen derart rabiat gekappt, dass man sich im Ruhrgebiet vor der „WAZ-Axt“ fürchtet, die immer mal wieder zuschlägt: Hunderte Redakteurs-Stellen wurden abgebaut, Redaktionen geschlossen, zusammengelegt oder outgesourct. Die Leser erfahren davon wenig bis gar nichts, weil die Zeitungen selten über sich selbst berichten.

Und wenn, dann verkaufen die Verleger Kooperationen und Schließungen noch als Erhalt der Pressevielfalt. Oder sie hoffen, dass es lautlos über die Bühne geht. Der ehemalige Funke-Geschäftsführer Christian Nienhaus sagte 2013 einen tollen Satz, als er verkündete, die „Westfälische Rundschau“ werde ohne Redaktion erstellt. Er sagte: „Wir hoffen, dass die Abonnenten davon möglichst wenig merken.“

Diese Leser sollen nun aber eine inhaltslose Kampagne mit ollem Logo bemerken und daraufhin Lokalzeitungen kaufen. Das ist doch bemerkenswert.

Nachtrag, 3.10.2014. Ich war mal in Nordrhein-Westfalen vorige Woche und habe die Kampagne der Lokalzeitungsverleger vor Ort gesucht – und gefunden!

An einer Annahmestelle für Pakete in einem Zeitungsladen. Da lagen – so auf Oberschenkelhöhe, also gut sichtbar – die Postkarten aus, mit denen die Verlage für die Lokalzeitung werben. Auf der Karte soll man ankreuzen, wie oft man eine Tageszeitung kauft und wie wichtig einem die Ressorts und der Anzeigenteil sind. Am Ende der „Umfrage“ mit Gewinnspiel kann man noch ausfüllen, was einem „nicht so gut“ an der Lokalzeitung gefällt, aber da ist nur ganz wenig Platz.

Und jetzt die Quizfrage: Was kann man da wohl so gewinnen, wenn man mitmacht bei einer Lokalzeitungs-Kampagne, die auf Lokalzeitungen aufmerksam machen und für eben diese Lokalzeitungen in NRW begeistern will? Na?

Ein Abo für eine Lokalzeitung?

Och, öhm – nö.

Postkarte der Kampagne "Meine Stadt - meine Zeitung"

41 Replies to “Wobbler und Ballons: Die Achtziger-Kampagne der Lokalzeitungs-Verlage”

  1. @2
    Wieso soll ich eine Zeitung kaufen deren Inhalt für mich zu 90% irrelevant ist?

    Könnte ich einzelne Artikel kaufen würde ich mir das vlt. überlegen – aber copy&paste kann ich auch selbst. …

  2. Ist vermutlich überall so. Hier (Münster) hat der Aschendorff Verlag (Westfälische Nachrichten) die Konkurrenz in Form der Münsterschen Zeitung übernommen. Was mit deren Lokalredaktion passiert, ist mir leider nicht bekannt. Jetzt gibt es auch nur noch Einheitsbrei zum Frühstück.

  3. Kölnische Rundschaun und Ksta haben „nur“ im Umland wie Rhein-Sieg-Kreis, Euskirchen/Eifel, Rhein-Berg etc. die Lokalredaktionen zusammengelegt. in Köln selbst sind die Redaktionen NOCH getrennt.

  4. @#2 / Jemand

    Soll heissen, ich soll jetzt erst einmal in Vorleistung gehen und die lieblos zusammengefrickelten, inhaltsleeren Zeitungen kaufen damit die armen, gebeutelten Verlage dann irgendwann wieder all die Lokalredaktionen aufbauen?

    Okay, ich bin zur Zeit nicht flüssig, weil ich gerade einem sympathischen jungen Mann die Hohenzollernbrücke für einen Spottpreis abgekauft habe, aber sobald ich es mir erlauben kann werde ich Ihren großartigen Vorschlag umsetzen!

  5. Die gleiche Entwicklung kann ich auch beobachten. In Süddeutschland, zumindest in Baden-Württemberg, werden Lokalredaktionen zusammengelegt und geschlossen.
    Unverständlich aus meiner Sicht, denn ich als junger (mittlerweile vielleicht auch mittelalter) Konsument informiere mich über Politik, überregionale Nachrichten und Weltgeschehen über Internet und Fernsehen. Es interessiert mich aber vor allem der lokale Teil in der Tageszeitung, denn über diesen bekomme ich sonst keine Infos. Aber gerade die Lokalredaktionen werden dezimiert, sind überlastet und können nicht alle Termine wahrnehmen. Die Mantelredaktionen dagegen produzieren doch oft den „Einheitsbrei“, den man überall hinterher geworfen bekommt. Das kommt jetzt etwas abwertend rüber, aber spiegelt so ziemlich meine Kaufmotivation der Tageszeitung wieder. Unternehmerisch scheint es aber wohl das Beste zu sein…

  6. Ab und zu sehe ich im Supermarkt einen leicht verzweifelten Mann mit Vokuhila vor einem Pappaufsteller, der die Passanten vom Vorteil eines Lokalzeitungsabos überzeugen möchte. Das scheint mir erfolgversprechender zu sein.

  7. @1, Jemand: Warum sollten die dann Lokalredaktionen auf machen? Die Leute kaufen dann den Quatsch auch so!
    Die wären ja blöd, wenn die dann Geld in Lokalredaktionen verplempern würden. Das ist doch dann doch besser im neuen Ferrari des Besitzers angelegt.

  8. Über die Dummheit besonders von WAZ-Managern ist ja schon hinlänglich berichtet worden. Mal wurden Lokalredaktionen geschlossen, dann wieder geöffnet, dann wieder in die andere Richtung. Ideenlos, konzeptlos. So sieht es halt aus, wenn Verlage von Buchhaltern gesteuert werden.

    Dass gerade Lokalberichterstattung weiterhin ein interessiertes Publikum hat, beweisen u.a. derzeit einige junge Journalisten in Wuppertal. Eine neue Zeitung, ohne Inserate, die nur mit Inhalten überzeugen möchte:

    http://www.dwdl.de/nachrichten/47515/wuppertaler_lokalmagazin_baut_vertrieb_stark_aus/

  9. „Papier-Bekehrungs-Ente“, tolles Wort. Macht aber nix, in ein paar Jahren werden diese Kinder wohl kaum ihre Informationen aus den zusammengeschrumpften Lokalzeitungen beziehen. Schon allein deshalb, weil die Eltern auch keine Zeitung mehr lesen.

    „So kommen auch späte Ereignisse wie die Ergebnisse von Fußballspielen am Abend noch aktuell in die Zeitung“, und bereits kurz nach Spielende sind sie im Internet nachzulesen, möchte man da ergänzen. (Zitat aus dem von Sven verlinkten Rundschau-Artikel.)

  10. @Sven 12
    Danke für diesen Hinweis. Irgendwo hatte ich die schon mal erwähnt gesehn.
    So ist das hierzulande, in der Schule werden den Kindern die Smartphones abgenommen, und statt eine Homepage zu gestanten, fährt man gemeinsam zum Baumfriedhof.
    In jeder Kindergartengruppe sollte ein Kind sein, dass dann fragt, wieso die ihre Zeitung auf Papier drucken, und nicht einfach ins Internet stellen.

  11. Und genau so erklärt sich das, dass z.B. in Datteln das Kraftwerk gegen alle bestehenden Gesetze gebaut werden kann. So erklärt sich das, dass gezielt das Umweltgesetzbuch um alle „störenden“ Faktoren bereinigt wird, die das Dattelner Kraftwerk verhindern könnte.

    Keine Lokalredaktion, die das noch bemängelte. Keine Lokalredaktion, die thematisierte, dass die Stadtspitze umsonst in der e.on-Kantine essen gehen konnte.

    Keine Lokalredaktion, die aufdeckte, dass plötzlich der halbe Dattelner Stadtrat in einem eigens geschaffenen „Beirat“ aktiv war.

    Und das ist nur die Spitze des Eisberges.

  12. Noch gibt es im malerischen Mönchengladbach zwei Lokalredaktionen: Sowohl die RP, alsauch die WZ unterhalten welche. Diese werden aber zusammengelegt.

    Im heimatlichen Ostmünsterland füllt eine Gemeinde mit etwa 6000 Einwohnern täglich (midnestens) eine halbe Zeitungsseite. Hochgerechnet auf 260000 passiert hier also genug für über 20 Seiten tägliche Lokalberichterstattung. Oder ist das eine Milchmädchenrechnung?

  13. @19
    das einzige Argument für Menschen unter 60 die vorbeschriebenen „Zeitungshüllen“ zu kaufen, ist die mittlerweile sehr hohe Wahrscheinlichkeit sich selbst oder Nachbarn auf einem Foto zu sehen.
    Daher meine Prognose für die Zukunft: Leserreporter mit Smartphone statt Lokalredaktion. Text wird ohnehin überschätzt.

  14. Warum sollte eine private Zeitungslandschaft eine höhere Qualität und Vielfalt entwickeln als die private Fernsehlandschaft? Das ist doch bisher nur gut gegangen, weil Zeitungen relativ gesehen schneller und billiger herzustellen waren. Aber das zieht nicht mehr, wenn die Einnahmen wegbrechen und die jungen Leute die Notwendigkeit eines Abos einer Regionalzeitung nicht mehr einsehen, entweder, weil sie zu uninteressiert sind (hach, die Jugend) oder zu interessiert (dann törnt sie die Belanglosigkeit der meisten Artikel nur ab).

    Irgendwann wird der Punkt kommen, da gibt es dann öffentliche Fördermittel für kleine engagierte Lokalredaktionen, damit es das überhaupt noch gibt. Weil man das dann als Grundversorgung ansieht, die man wie ÖPNV eben bezuschussen muss, weil es sich nicht selbst trägt. Da heulen dann alle, die keine Zeitung lesen über Geldverschwendung, genau wie Autofahrer, die keinen ÖPNV benutzen der Meinung sind, die Bahn muss sich selber rechnen.

  15. @ 10 Twipsy:
    Atze Schröder?
    Die Wiederholungen der RTL-Serie aus den 90ern liefen immer sonntagsmorgens um 8, sind jetzt auch rausgeflogen ;-(
    Jetzt fehlt nur noch, dass wdr4 dichtmacht.

  16. …lesen gelernt habe ich, u.a. mit der WZ und „B…d“ im , damals noch per Dampflok gezogenen, Raucherwaggon auf dem Weg von/zur Waldorfschule. Mutter hat uns, sehr streng, die Lektüre der in den Waggons zerfetzt rumliegenden Zeitungen verboten.
    Das wirkt bis heute nach.
    Egal was ich anklicke, die Meldungen auf Spon; NZZ; Stern; Süddeutsche u.a:
    Alles dasselbe, mit kleinen Variationen.
    Man muss schon sehr viel Verständnis aufbringen, um da noch durchzublicken.
    Danke also an dieser Stelle einmal für diesen Blog und „Bildblog“, die regelmässig dafür sorgen, mich empfindlich(er) zu machen.

  17. Ist es ein Verlust für die Medienlandschaft wenn Regionalteile oder ganze Zeitungen dicht machen? Schaue ich mir den Raum Kiel, Schleswig-Holstein oder in Rhein Main die kleinen Zeitungen an, die hauptsächlich aus schlecht geschriebenem, schlecht recherchierte und der Rest mit DPA-Meldungen befüllt wird, würde ich denen keine Träne nachweinen.
    Ich hätte gerne guten Lokaljournalismus. Sehe den auch als nicht weniger relevant als Politikjournalismus an, besser einen guten Text über die berühmten Kaninchenzüchter, als miese Politberichterstattung.

  18. Ich komme aus Herten, wo die WAZ ebenfalls vor einigen Jahren die Lokalredaktion geschlossen hat. Was für mich Anlass war, mein Abo zu kündigen. Es gibt aber hier noch die „Hertener Allgemeine“, die früher in direkter Konkurrenz zur WAZ stand und stärker auf lokale Themen konzentriert war. Heute ist es tatsächlich so, dass die Redakteure der Hertener Allgemeine einen Teil ihrer Artikel auch noch in der WAZ veröffentlichen, zumindest „online“. Auf die Art und Weise kann die WAZ wenigstens ab und zu ohne eigenes Personal noch Hertener Lokalthemen veröffentlichen. Und die Redakteure des Konkurrenzblatts verdeinen sich vermutlich ein paar Kröten nebenher.

  19. @ Sven Laser: spielt zwar keine Rolle, aber ich bin Jahrgang ’53 und ja, es gab noch Danpfloks als ich eingeschult wurde!

  20. Da ich vermute, dass man nicht wirklich in den Achtzigern bestellt hat, muss sich irgendjemand, der so etwas beruflich macht, diese Kampagne heute ausgedacht haben. Und das finde ich viel schlimmer. Vielleicht sollte die Kampagne auch das Sterben beschleunigen…

  21. @19,20: Und das einzige Argument für Leute über 60 eine Zeitung zu kaufen, sind die Todesanzeigen?
    Willkommen im Achtziger-Klischee.

  22. @JMK, #25: Ihre Frage war: „Ist es ein Verlust für die Medienlandschaft wenn Regionalteile oder ganze Zeitungen dicht machen?“

    Die Antwort lautet: Nein. Die, die dicht machen, haben in der Regel mit schlechtem, oberflächlichem und opportunistischem Journalismus und selbst an dieser Sub-Qualität noch zehrender Sparerei quälende Jahre lang ihr eigenes Grab gegraben.

    Doch fast überall gibt es ambitionierte, gute Journalisten, die ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen. Und diese Kollegen, mal alte, mal junge, können einem schon Leid tun. Das unternehmerische Gen ist nicht jedem gegeben, so dass sie der Arbeitslosigkeit viel zu oft in die PR ausweichen, was ein Jammer ist, wenn sie eigentlich wollen und auch können, was gute lokale Medien brauchen. Ohne diese wird erst einmal ein Öffentlichkeits-Defizit entstehen, das nicht gut für die Demokratie ist.

    Die Alternativen zu den Etablierten gedeihen nämlich leider auch nicht so, wie vor ein paar Jahren noch vroausgesagt wurde. Schlechte Zeitungen hinterlassen verbrannte Erde: ein träges Publikum, das nur noch aus Gewohnheit las und zahlte, Nichtleser mit einem durch sie ausgeprägten Vorurteil gegen alles Journalistische und einen ebenso überdrüssigen oder auf den Opportunismus von Lokaljournalisten setzenden Anzeigenkundenmarkt. Verschwinden Lokalmedien durch Fusionen, räumen sie nicht einmal diesen Markt.

    Es ist jedenfalls sehr schwer, mit lokalen Blogs o.ä. groß genug zu werden und seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

    Ehe man mich aber missversteht: Ich bin mir sicher, dass lokale Medien eine Zukunft haben. Das allenthalben noch weit verbreitete Aboblatt mit austauschbarem dpa-Mantel, das sich als Sprachrohr der örtlichen Wirtschaft, der üblichen Honoratioren bei Lions, Rotariern und Traditionsvereinen sowie des Bürgermeisters und des Landrats versteht und nur noch unter durchschnittlich 70 Jahre alten Männern einen nennenswerten Marktanteil erzielt, hat daran allerdings keinen Anteil.

  23. Ich hab die Kommentare jetzt nicht gelesen, aber du schreibst, dass mit der Buerschen Zeitung die letzte Stadteilzeitung aus NRW verschwunden ist. Es gibt in Essen noch die „Borbecker Nachrichten“. Ich selbst lese sie nicht, aber meine Eltern, und ich hab den Eindruck, dass das eine reine Stadteilzeitung ist.

  24. Nicht zu vergessen – das Logo auf dem Ballon. Damit das Spross jetzt schon die Lokalzeitung zu schätzen lernt. Spätestens mit 16 wird es sich an diesen Ballon erinnern und sein Taschengeld künftig in diese investieren.
    Ich lese unsere Lokale. Lesenswert ist diese aber eigentlich nur samstags. In der Woche ist der Inhalt dürftig.

  25. Schon in den Zeiten, als die Lokalredaktionen noch voll bestückt waren, begann der Abstieg. Die Redaktionen waren größtenteils nach Parteibuch besetzt, aber ihre Klientel starb allmählich aus, und besonnene junge Leute konnten mit diesen sehr propagandaartigen Fabrikationen wenig anfangen. Dann begann die Ausdünnung, und ein sehr oberflächlicher und parteiischer Stil wurde durch einen uninformierten und praktisch unrecherchierten ersetzt. Entweder also, man las das, weil man sonst nie erfahren hätte, dass die Erzieherin im benachbarten Kindergarten letztens Jubiläum gehabt hatte, oder aber, man legte Wert darauf, allenfalls stichwortartig und stammtischtauglich informiert zu sein. Über Landes- oder Bundespolitik wurde derart entstellend berichtet – falls überhaupt – dass ein Wiedererkennen purer Zufall gewesen wäre.

    Also: Nein. Sowas braucht kein Mensch. Dem Sterben dieser immer schlechter gemachten Postillen kann man praktisch zusehen, und es ist schwer, dabei Mitleid zu empfinden.

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