Neues aus der Ranking-Redaktion: Der schönste Werbeclip im „Ersten“

Wenn die ARD repräsentative Umfragen veröffentlicht, sagt sie in der Regel dazu, was da gefragt wurde und wie viele der Befragten sich wofür entschieden haben; ist ja auch nicht ganz unerheblich. Nur zu den repräsentativen Umfragen, die der WDR einst machen ließ, um damit die „schönsten“ Bauernhöfe, Schlösser und Städte Deutschlands zu küren, sagt der Sender so gut wie nichts. Auch auf Nachfrage zu den methodischen Hintergründen schickt der WDR nur dürre Zeilen, wie neulich hier beschrieben. Was komisch ist, wenn man sonst doch Wert auf das Mittel der repräsentativen Umfrage legt und offen damit umgeht.

Ich habe deshalb, weil es mich interessiert, wie die Sendungen entstanden sind, an den WDR-Rundfunkrat geschrieben und gefragt, was der so dazu meint, dass der WDR an dieser Stelle so mauert. Die Vorsitzende Ruth Hieronymi antwortet, dass es „nicht Sache des Rundfunkrats“ sei, „zu entscheiden, ob der WDR redaktionelles Material veröffentlicht oder nicht.“ Da es aber seine Aufgabe sei, zu überwachen, ob der Sender seinen Programmauftrag erfülle, habe sie sich die Studien angeschaut. Resultat: Ruth Hieronymi kennt nun die Studien, kann aber auch nur wenig Erhellendes liefern, weil sie ja nicht zuständig ist. Leider. Aber man kann ja noch andere Leute um Antworten bitten.

Standbild "Die schönsten Bauernhöfe Deutschlands" (ARD)

Nehmen wir die Folge „Die schönsten Bauernhöfe Deutschlands“. Nach einigen Telefonaten ist mir nun schon etwas klarer, wie es lief: Die Umfrage für diese Sendung wurde, wie die anderen, vom Düsseldorfer Institut innofact gemacht – so viel hatte der Sender verraten. Laut Rundfunkrat gaben die ARD-Landessender vor, welche Höfe zur Auswahl stehen sollten. So habe man eine „bundesweite Streuung“ garantieren wollen, heißt es. Was auch damit zusammenhängt, dass die Dritten Ranking-Experten sind: Fast alle Höfe aus dem „Ersten“ liefen zuvor schon mal in einem Ranking im Dritten, zum Beispiel bei „Unsere schönsten Bauernhöfe“ im SWR Fernsehen. Das waren aber keine repräsentativen Umfragen, sondern Online-Votings. Die Vorauswahl trafen Autoren und Redakteure.

Bei der innofact-Umfrage wurden dann repräsentativ rund 1.000 Teilnehmer befragt. Ihnen wurden Fotos von Höfen gezeigt, und sie sollten entscheiden, welcher davon der „schönste“ ist, ganz subjektiv und oberflächlich. In der Sendung geht es natürlich um mehr: um die Historie der Anwesen; um die Betriebe, die dort ansässig sind; oder um Familiengeschichten der Hofeigner. All das Substanzielle der Sendungen war in der Studie nicht inbegriffen. Da ging es bloß um Ästhetik.

Unklar ist weiter, wie viele Höfe zur Auswahl standen, wie die Teilnehmer abstimmen konnten und was genau dabei herauskam. Die Ergebnisse der Umfragen haben ja nur innofact und der WDR; und ein Institut rückt so eine Studie nur raus, wenn es der Auftraggeber erlaubt. Man kann aber davon ausgehen, dass es, bei 1.000 Befragten und 30 Plätzen, auf den hinteren Rängen eng war. Doch um belastbare Statistik und Repräsentativität geht es hier ja ohnehin nur am Rande.

Es geht darum, einfachstes Fernsehen herzustellen, das seriös wirkt (durch die Studie); das eine leicht zu begreifende Dramaturgie hat (durch die Hitliste); und das günstig ist. Gedreht hat der WDR für die Bauernhof-Folge wohl kaum bis gar nicht, weil das Material ja vorlag. (Das dürfte bei den Schlössern und Städten ähnlich sein.) In mindestens einem Fall kamen die Bilder in der Bauernhof-Folge allerdings nicht von der ARD. Ausgerechnet das Finale der Sendung, den ersten Platz, hat der WDR mit Bildern aus einem Edeka-Werbefilm illustriert.

Einige der Bilder liefen schon mal im Privatsender TV Berlin, wo der Edeka-Filialist Reichelt bisweilen Betriebe aus der Region vorstellt, deren Produkte er vertreibt. Dazu gehört auch das Gut Hesterberg in Neuruppin, das beim ARD-Ranking gewann. Der Werbefilm wurde von Edeka in Auftrag gegeben und von TV Berlin produziert, mit Hilfe einer externen Produktionsfirma. Auf der Seite des Bauernhofs kann man den Film noch heute ansehen.

Im ARD-Ranking finden sich daraus nun Aufnahmen des Hofes und der Wurstproduktion, außerdem ein O-Ton aus einem Interview, das im Auftrag von Edeka mit der Betreiberin geführt wurde. Die ARD hat das Material offenbar kostenlos verwenden dürfen und damit günstigerweise einen Großteil des Porträts bestückt. Edeka kommt in der ARD-Fassung zwar weder bildlich noch im Text vor, der Bauernhof aber natürlich bestens weg. Nun ja, ist ja auch der schönste.

Das kann einem nun natürlich egal sein, weil es ja eh egal ist, welcher Bauernhof oder See oder Park bei diesen Rankings obsiegt, nicht wahr? Ist was dran.

Aber ich finde es trotzdem interessant, wie diese Sendungen hergestellt wurden, weil es zweierlei anschaulich zeigt. Erstens: Wie sonderbar verdruckst der WDR kommuniziert, wenn es um diese Sendungen geht. Und zweitens: Wie hier Programm gemacht wird. Da kauft der WDR eine Studie, in der es um Optik geht, und wenn es darum geht, diese Optik ins Fernsehen zu bringen, fährt nicht mal einer zu dem Gewinner hin und dreht – stattdessen greift man auf einen Werbeclip zurück. Offenbar echt egal, was da bei diesen Rankings hinten so rauskommt.

Offenlegung: Ich bin fester freier Mitarbeiter der ARD.

16 Replies to “Neues aus der Ranking-Redaktion: Der schönste Werbeclip im „Ersten“”

  1. Was ehrlich verwundert: So eine unübertreffliche „Umsonst-Werbung“ für z.B. den schönsten Rhododendronpark (Platz 1) bringt doch viele Touristen in die Gemeinden, die Städte, Parks und Gärtnereien. Viele leben davon. Gerade private Parks, die auf Flächen von über 10 ha, mehr als 1000 Sorten Rhododendren und Azaleen zur Schau stellen und zugleich die eigenen Züchtungen von zum Teil über 100 Sorten zeigen, müssen sich doch richtig veräppelt fühlen. Ist so etwas nicht eventuell zudem juristisch relevant?

  2. Warum konnten die das mit den Fotos nicht einfach gleich sagen? Und haben von „Redaktionsinterna“ rumgedruckst? Schämt man sich für sein eigenes Programm?

  3. „Offenbar echt egal, was da bei diesen Rankings hinten so rauskommt.“

    So egal wie klar: wir wissen doch alle, was hinten so rauskommt.

  4. Hat das mit der deutschen Gruendlichkeit zu tun, warum man ueberhaupt diese ganze Nummer mit „repraesentativ ermittelt“ und Umfragen aufzieht? Meines Wissens stellen in anderen Laender (oder sogar anderen deutschen Sendern) die Sender bestimmte Bestenlisten halt redaktionsintern zusammen. Wuerde das fuer irgendwen einen Unterschied machen?

  5. Mit den Rankings im deutschen Fernsehen ist es wie mit den Würsten vom Gut Hesterberg und auch anderswoher:

    Man will besser nicht wissen, wie sie gemacht sind…

  6. In der Leserbriefecke einer Zeitschrift beklagt sich ein Zuschauer darüber, dass in einer ARD-Quizsendung die letzte Frage falsch beantwortet wurde und es trotzdem das Bonus-Geld gab. Von den Gebühren der GEZ-Zahler, wie er anmerkt. Ich habe keine Ahnung, ob es tatsächlich so lief. Wie peu à peu gewöhnt man sich daran, dass manches halt ungenau ist. Und ist über kaum etwas mehr sehr erstaunt. Praktisch für einige, die es so leichter haben. In fast jedem Berufsstand, auch als Politiker. Aber was für ein Missverhältnis zu dem, was dem Menschen und Bürger von Ämtern und Behörden abverlangt wird. Wer dort nicht unverzüglich, korrekt und vollständig und transparent reagiert, kann selbst von essenziellen Rechten und Chancen oft nur träumen. Gesetze und Verlautbarungen, sie scheinen einem dann nur reine Promotion für die Demokratie zu sein. Und das Rechtssystem für die einen so und für die anderen anders. Und die Chancen, die bieten einem die TV-Team-Trupps, die engagiert beim Wohnungsumbau zupacken, es ist, als wenn sich da ein neues Staatswesen entwickelt.

  7. Na ja, es ist schon ziemlicher Murks, den die ARD da produziert. Aber was soll sie denn machen?
    Zur Zeit des analogen Antennenfernsehens war BR nur in Bayern und NDR nur im Norden zu sehen, jeder hatte gerade mal drei Programme. Dann wurden die Fernsehmacher völlig unerwartet von der modernen Technik überrollt: Kabelfernsehen, Satellitenfernsehen, Digitalbouquet – plötzlich muss man sich Programme für um die zwanzig Fernsehsender aus den Fingern saugen. Soviel gibt es einfach nicht zum senden!
    Teilweise löst die ARD das Problem ja ganz praktisch: Wenn ich den Sonntagskrimi im Ersten gucke und zwischendurch mal auf Klo muss, kann ich ohne was zu verpassen einfach auf einem anderen Sender weitergucken (auch wenn anderthalb oder dreieinhalb Stunden für eine Pinkelpause nicht wirklich optimal sind), aber seit neuesten gibt es Kisten die den Film einfach aufnehmen und so auch den Nutzwert dieses Service sabotieren. Jetzt überlegt die ARD schon, ob sie in die Finanzierung des Drogenhandels einsteigen soll, und das nur für ein paar Stunden Programm!
    Da sind doch die Rankingsendungen eine gute Lösung: Viel gefüllte Sendezeit für wenig Geld, ganz im Sinne des sparsamen Umgangs mit dem Rundfunkbeitrag. Okay, besser als ein Scheißprogramm für wenig Geld wäre keine Scheiße für gar kein Geld, aber dann müsste man die Senderstruktur umbauen – ein heilloses Kuddelmuddel. Bliebe noch die einfache und sparsamste Möglichkeit: Viel Scheißprogramm, aber man kriegt noch Geld. Da geht die ARD mit der Verwendung von Werbeclips ja schon in die richtige Richtung, jetzt muss sie sich nur noch auch dafür bezahlen lassen.

  8. Wie viele Blogbeiträge ist dieser ganze Die-Schönsten-Bratwürste-Hessens-Trash denn noch wert? Ich denke, wir nehmen zur Kenntnis, dass hier mit durchschaubar unseriösen Mitteln „einfachstes Fernsehen, das seriös wirkt“ produziert wird. Das hatten wir uns aber vorher auch schon gedacht, und wie leichtgläubig muss einer eigentlich sein, um den Quatsch zu glauben oder auch nur ernst zu nehmen?

  9. „Wie viele Blogbeiträge ist dieser ganze Die-Schönsten-Bratwürste-Hessens-Trash denn noch wert?“

    Muss mir entgangen sein, dass man neuerdings dazu gezwungen wird, alles zu lesen, was einen nicht interessiert.

  10. Mir muss entgangen sein, dass man neuerdings nicht mehr als irrelevant bezeichnen darf, was einem irrelevant erscheint.

  11. Da hat die ARD doch echt Glück gehabt, dass ausgerechnet der Edeka.Bauernhof auf Platz 1 kam und man sich den Dreh sparen konnte, indem man kostenlos auf den privatwirtschaftlich finanzierten Werbefilm zurückgreifen konnte. Das ist einerseits eine geniale Kosteneinsparung, die mal nicht vom GEZ-Zahler finanziert wurde, doch andererseits stelle ich mir da doch die Frage, weshalb für diesen ohnehin getürkten Müll eine scheinbar professionelle Meinungsforschungsstudie in Auftrag gegeben werden mußte. Wie Herr Rosenkranz inzwischen herausfinden konnte, bekamen nämlich 1000 Probanden Fotos der Bauernhöfe zur subjektiven Beurteilung vorgelegt..

    Zum Vergleich: der von der ARD jeden Monat veröffentlichte Deutschlandtrend („Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre“ usw.) kommt ebenso wie das Bauernhofranking mit 1000 „repräsentativen“ Befragten aus, um eine zuverlässige Prognose mit geringer Fehlertoleranz abgeben zu können, Das glauben jedenfalls die ARD (wie auch das ZDF) und natürlich erst recht die beauftragten Institute. Nur werden die Daten bei den Politikumfragen kostengünstig über das Telefon erhoben, indem man seinen Interviewerstab laut Institusangaben zufällig generierte Telefonnumern anrufen läßt. Bei den Rankingumfragen geht das nicht, denn eine Vorlage der Bilder macht den direkten Kontakt zwischen Interviewer und Befragten unumgänglich.

    Mir fallen bei der persönlichen Direktbefragung nur zwei Methoden ein:

    1. das Studiointerview in Fussgängerzonen mit Contacter, der die willigen angesprochenen Passanten in ein meist angemietetes zum Interviewer und den 30 BIldern hochschleppt. Um ein halbwegs repräsentatives Ergebnis zu erhalten, sollte solch ein Studiointerview dann aber in mehreren Städten der Republik durchgeführt werden, denn man will ja nicht wissen, welche Bauernhöfe z.B. die Oberbayern als besonders attraktiv empfinden.

    2. Das Meinungsinstitut unterhält deutschlandweit ein Netz von Interviewern, die mit Testmaterial und Fragebögen versorgt werden, die dann ihrerseits damit zu Hausinterviews losziehen.

    Um Kosten zu sparen, könnte man nun mehrere Rankingsshows zusammenlegen, so dass der Interviewer nicht nur 30 Bauernhöfe bewerten läßt, sondern in der Folge gleich noch 30 Schlösser, Petersilienbeete usw.. Je mehr Rankings das Institut aber in eine solche Umfrage packt, umso längert dauert sie und ab ein einer gewissen Befragungszeit, erwartet der Befragte auch, für seinen Zeitaufwand entlohnt zu werden. Das ist die übliche Praxis der Markt- und Meinungsforschung und deren hochfrequentierten Berufs- und Zufallsprobanden. Es gehört aber nicht zur üblichen Praxis, dass 1000 Probanden wg. solch einem Pillepalle befragt werden, also mit Interviewer vor Ort. Der Kostenfaktor steht dabei in keinem Verhältnis zum Endergebnis, auf das die Redakteure dann auch gerne einmal verzichten.

    Je länger ich darüber nachdenke, umso größer werden meine Zweifel, ob Innofact überhaupt 1000 Menschen (nach seriösen Markt- und Meinforschungsstandards) befragt hatte. Bei ebenfalls gefühlten 1000 Rankingshows der jüngeren Fernsehgeschichte müßte es doch Leute geben, die einmal an solch einer Umfrage teilgenommen haben oder zumindest jemanden kennen, der von Innofact & Co interviewt wurde. Ich kenne leider keinen, werde aber quasi quartalsmäßig wegen der oben erwähnten Sonntagsfrage angerufen. Also, wenn jemand mal an einer Rankingumfrage teilgenommen hat oder jemand kennt, der jemand kennt, bitte hier melden und ausplaudern, wie das so im einzeln abgelaufen ist. Das würde mich nicht nur beruflich interessieren, sondern auch zur Abschätzung der Kostenfrage.

    @B. Rosenkranz
    Ihre Hartnäckigkeit beim Nachfragen gefällt mir. Lassen Sie bitte nicht locker und behalten Sie auch das Thema Kostentransparenz bei Rankingshows im Auge. Mein Bauchgefühl sagt mir, das Thema ist größer als es hier manche wahrhaben wollen. Womöglich schmilzt gerade erst die Spitze des Eisberges.

  12. Aktueller Programmhinweis:

    The Nation’s Favourite Queen Song
    Today on ITV from 9:00pm to 10:30pm
    As ITV reveals the results of an exclusive poll to find the Nation’s Favourite Queen Song, this programme tells the stories behind the band’s greatest hits. Which one will be the winner? We Are the Champions, Crazy Little Thing Called Love, Don’t Stop Me Now, Bohemian Rhapsody, I Want To Break Free, We Will Rock You – or some other classic? There are in-depth interviews with band members Brian May and Roger Taylor and revealing insights from those who knew Queen best. This is the history of the quartet’s greatest moments. Not so much a band, more a national treasure. SUB
    Music & Arts

    „Exclusive poll“, wenn der genauso exklusiv ist, wie der von den deutschen Sendern, könnte man da auch mal etwas genauer hinsehen… Vielleicht ist die Pressestelle von itv etwas auskunftsfreudiger. Im Zweifelsfall wünsche ich viel Spaß.

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