„Ich versuche auch in diesen Stunden immer, mich an den Fakten entlang zu hangeln.“

Als die „New York Times“ die Welt am Donnerstagmorgen mit der Nachricht überraschte, dass einer der beiden Piloten vor dem Sinkflug das Cockpit der Germanwings-Maschine verlassen und vergeblich versucht habe, wieder hineinzukommen, da hatte die ARD zum Glück einen Fachmann, der diese Neuigkeit für uns Zuschauer einordnen und kommentieren konnte: ihren Luftfahrt-Experten Michael Immel.

Im ARD-„Morgenmagazin“ sagte er (alle Hervorhebungen von mir):

Wir sind jetzt natürlich an nem Punkt angekommen, wo wir glasklar die Frage stellen können: Was ist denn mit der Glaubwürdigkeit dieser Ermittler? Und das ist ein Muster, das erleben wir immer wieder bei Flugzeugabstürzen. Wir kommen an einen Punkt, an dem wir sehen: Die Ermittler wissen mehr als wir Menschen draußen. Sie suggerieren in einer Pressekonferenz: Wir informieren, aber dann stellt sich kurze Zeit später heraus, man hat doch nicht alles gesagt. Also, wenn das stimmt, was jetzt die „New York Times“ berichtet hat, dann sind wir genau an diesem Punkt angekommen – und es sind noch keine zwei Tage her, seit dem Absturz. Also, es gibt jetzt den Verdacht, die Ermittler haben – möglicherweise bewusst – etwas zurückgehalten. Und dann stellen sich jetzt natürlich viel mehr neue Fragen: Was wussten sie denn gestern schon? Es gab eine Pressekonferenz, ne Viertelstunde, wo quasi nichts gesagt wurde. Warum denn? Warum ist es ne amerikanische Zeitung, die das ganze veröffentlicht? Jetzt kommen viel mehr Fragen auf und da kriegt das jetzt ne Dynamik, die Schuldfrage, das macht das nur noch komplizierter.

Um kurz nach neun Uhr fügte er in der „Tagesschau“ hinzu:

Die Glaubwürdigkeit der Ermittlungsbehörden ist jetzt massiv angekratzt. Es war ja über die letzten zwei Tage die Erwartungshaltung geweckt worden, wir würden gestern genau informiert über den Stand der Dinge. Erstmal ist das für mich nicht ungewöhnlich, dass Ermittlungsbehörden mehr wissen und nicht alles an die Öffentlichkeit geben. Aber warum kommt dann jetzt eine amerikanische Zeitung mit diesen Informationen? Warum hat man im Vorfeld von viel Transparenz gesprochen auch bei Lufthansa und jetzt kommen solch erschreckende Details? Das wirft jetzt natürlich noch mehr Fragen auf. Und wir haben ja immer in den letzten Tagen gesagt, wir wollen nicht spekulieren, aber jetzt wird noch mehr spekuliert. Es kriegt eine Dramatik. Und ich bin sehr gespannt, was heute mittag um 12.30 Uhr die Staatsanwaltschaft in Marseille uns dann wirklich als Wahrheit verkaufen will.

Dann fand die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft statt, und um 14.25 Uhr schaltete die „Tagesschau“ wieder zu ihrem Luftfahrtexperten Michael Immel:

Wie bewerten Sie, dass die Staatsanwaltschaft erst jetzt an die Öffentlichkeit gegangen ist, nachdem es entsprechende Informationen in der Presse bereits gab?

Ja, ich glaube, das ist verantwortungsvoll, dass die Staatsanwaltschaft und sämtliche ermittelnden Behörden sich erstmal um die Angehörigen gekümmert haben. Da hat man natürlich auch ne gewisse Zeit gestern gebraucht. Wir haben erfahren, dass die Angehörigen mit unterschiedlichen Maschinen gestern alle nach Marseille geflogen worden sind. Und das ist, glaube ich, ein sehr wichtiges Zeichen, dass erstmal die Angehörigen informiert worden sind, was ist dort vorgefallen, und dass man im nächsten Schritt erst dann die Öffentlichkeit informiert. Das Prozedere ging natürlich über die Nacht, und wenn so viele Menschen beteiligt sind, dann isses aber auch klar, weil viele Journalisten fragen, dass es irgendwann auch an die Öffentlichkeit gelangt, so erste Mosaiksteinchen von Informationen. Aber unterm Strich muss ich sagen, es war verantwortungsvoll, erst die Angehörigen zu informieren und erst heute Mittag dann im zweiten Schritt die Öffentlichkeit.

(Ich halte das hier nicht fest, weil es besonders „schlimm“ war. Sondern weil es mir besonders typisch erscheint. Als kleines, konkretes, anschauliches Beispiel für die Reflexhaftigkeit, die Voreiligkeit und die Besinnungslosigkeit, die die Berichterstattung auch der seriösen Medien in den vergangenen Tagen geprägt hat. In einer der vielen Schalten an diesem Tag formulierte Immel noch den schönen hilflosen Satz: „Ich versuche auch in diesen Stunden immer, mich an den Fakten entlangzuhangeln.“)

50 Replies to “„Ich versuche auch in diesen Stunden immer, mich an den Fakten entlang zu hangeln.“”

  1. „…auch der seriösen Medien… “
    .
    Man könnte oder sollte inzwischen das Wort seriös auch bei diesem Medium in Anführungsstriche setzen.

  2. Dem Stimme ich zu, das (immerhin verpixelte) Bild vom Copiloten vor der Golden Gate Bridge bei tagesschau.de hat mich auch stutzen lassen. In meinen Augen völlig unnötig.
    Ich finde es durchaus erstaunlich wie schnell die Ermittlungen voranschreiten, dass man schon nach wenigen Tagen einen so guten Überblick über die Geschehnisse hat.

    …und doch geht es Medienvertretern nicht schnell genug.

  3. Diese „Luftfahrtexperten“ von Immel über Spaeth bis zum schmierlappesken Ferienreporter Benkö haben durch ihre Glaskugeleinschätzungen grundsätzlich den TV-Sendern extrem geschadet. Bzw. die Sender durch Herbeirufen dieser Astrologen. Was dort an Unsinn und mit vorgeheuchelter Seriosität geplappert wurde, ging auf keine Kuhhaut.

    Bei solchen außergewöhnlichen Katastrophen versagen die TV-Sender grundsätzlich, ob ö-r oder privat. Sei es 9/11, ein Amoklauf, Fukushima oder nun eben ein Flugzeugabsturz. Und sie lernen NIE daraus, auch wenn dies immer angekündigt wird. Jetzt gab es wieder eine Katastrophe, wo sie es hätten besser machen können, aber der Schmodder ging wieder von vorne los.

  4. Die letzten deutschen Medien, die die Bezeichnung „seriös“ zumindest noch ansatzweise führen konnten, haben diesen seit dem Absturz nun endgültig verloren.

  5. Das schlimmste in meinen Augen ist, dass sich auch die öffentlich rechtlichen an dieser Art von Berichterstattung beteiligen. Ich habe nicht nachgezählt wieviele Brennpunkte und Talkshows es alleine in der ARD zu diesem Absturz gab, aber es waren definitiv zu viele.
    Ich kann nicht verstehen, warum nichtmal unsere „Qualitätssender“ ein gewisses Maß an Mitgefühl zeigen und nicht jedem Informationsbrocken hinterher jagen.

  6. Sie machen GEschäfte mit dem Leid … auch mit dem von ihnen künstlich erzeugten … Dieser Journalismus hat nichts mit informieren, einordnen o.ä. zu tun .. Er ist in allen Bereichen und mit allen Auswüchsen abzulehen und zu bekämpfen … durch Konsumverzicht, Strafmaßnahmen (Üble Nachrede, Unterstellungen usw.) und Anprangern …

    Ich hoffe auf eine Allianz der Guten … dafür brauch es aber unverfängliche Leitbilder und -figuren … Wo findet man die?

  7. Ja, da bekleckert sich momentan kein Medium mit Ruhm, nicht nur in Bezug auf luftfahrttechnische Glaskugelkuckerei sondern auch was vorschnelle Interpretationen der vermuteten Krankheitsgeschichte des Kopiloten betrifft.

    Aber auf der anderen Seite habe ich vorher auch noch nie so viele Warum-wir-Bilder-vom-Kopiloten-zeigen-und-seinen-vollen-Namen-nennen-Rechtfertigungen gelesen wie dieses mal. Und wenn man sich die Kommentare zu den Artikeln durchliest, so bin ich überrascht, wie viele den Standpunkt vertreten, man möge nicht vorschnell urteilen und erst mal die Untersuchungsergebnisse abwarten. So entsetzlich ich die Berichterstattung teilweise finde, ich freue mich doch auch über die intensive Diskussion zur Medienethik, die gerade stattfindet. Ich mag mir das einbilden, aber im Vergleich zu Winnenden damals erlebe ich den Rechtfertigungsdruck der Medien diesmal als deutlich stärker.

  8. Am schlimmsten fand ich die Berichterstattung in der ARD am Absturztag. Man hatte kaum Informationen, hat aber sensationsgeil alles immer wieder wiederholt, wild zwischen Korrespondenten hin- und hergeschaltet und auf Wrackteile gezoomt. Und alles mit der Aussage, dass man noch nichts genaues weiß. Und dass sie einen Luftfahrtexperten brauchen, um über die Glaubwürdigkeit von Ermittlungen zu philosophieren, spricht Bände…

  9. Ach, ist es doch schön, keinen Fernseher zu haben!

    So bekommt man diese Dinge von spanischen Arbeitskollegen mit und von von Freundinnen, die empörte SMS schicken: „gelesen mit diesem F* von Copiloten?“ – „Nö, hab nix mitgekriegt“ – „das war kein technischer Defekt. Der hat das absichtlich gemacht“.

    Mehr will ich gar nicht wissen. Empört euch doch alle! Über das Falsche!

  10. Vielleicht trägt dieser Blogeintrag ja dazu bei, dass der Wikipedia-Artikel über Michael Immel demnächst mal die Relevanzkriterien erfüllt. :-)

  11. Nach Flug 9525 gibt es noch genau zwei Medien, die die Bezeichnung „seriös“ verdienen: Das Bildblog und dieses hier.

  12. Ein kritisches Ereignis zieht Aufmerksamkeit auf sich und weckt das sofortige Bedürfnis nach ursächlicher Erklärung („Kausalattribution“), um mögliche individuelle Risiken einschätzen zu können. Diese Erklärung legen sich Menschen durch rustikale Theorien aus ihrem Erfahrungshorizont zurecht („heuristische Informationsverarbeitung“) und neigen dazu, die Ursache eher in einem Menschen und seinem Verhalten, als in der Verkettung komplexer Umstände zu vermuten („Attributionsverzerrung“). Leider kollidiert diese Veranlagung mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, die Ursache umfänglich aufzuarbeiten und auf dieser Grundlage Recht zu sprechen. Dass die ganzen Spekulationen trotzdem aufkommen, lässt sich wohl nicht verhindern. Jedes individuum kann in der digitalen Gesellschaft seine persönliche Räuberpistole in Echtzeit verbreiten und vielleicht finden sich irgendwelche Anderen, die das für interessant halten. Nicht schön für die Betroffenen, aber wohl kaum zu stoppen. Was aber ist dann eigentlich noch die Aufgabe des Journalismus in diesem Prozess? Diese Spekulationen einfach zu ventilieren oder noch zu dramatisieren? „Die Informationen bekommt das interessierte Publikum ohnehin“, bemühte Stefan Winterbauer von Meedia als Argument für ein forsches Plädoyer, den vollständigen Namen des tatverdächtigen Copiloten in den Berichten zu nennen (warum die Staatsanwaltschaft diesen Weg gewählt hat, ist mir noch nicht klar). Im Umkehrschluss könnten die Medien sich dann ja eigentlich auch aus der Kommunikation des Themas raushalten, wenn sie keinen spezifischen Beitrag dazu leisten, diese Informationen einzuordnen.

  13. Wer hat eigentlich in erster Linie unangemessen spekuliert? Sicher nicht allen voran der ARD-Experte Immel. Immerhin diejenigen im Netz und in den Medien, die Suizid oder Terror von Anfang an nicht ganz ausgeschlossen haben, waren auf einer richtigen Spur. Sie hatten drei starke Indizien für eine vorsätzliche Tat genannt: der mysteriöse Sinkflug, der abgebrochene Funkkontakt und die Sendedaten des manipulierten Autopilots.
    Behörden, die nicht spekulieren, sondern ergebnisoffen untersuchen, hätten mindestens den A320 am Unglückstag am Boden halten können (oder müssen?) bis sich eine Theorie erhärtet. Stattdessen wurde – zum Glück zu Recht – spekuliert, dass Terror keine Ursache ist und es sich auch kein technischer Defekt wiederholt. Wenige Stunden nach dem Absturz auf Basis welcher Fakten?
    Gerade bei einem möglichen Flugverbot aus Sicherheitsgründen ist das öffentliche Interesse nicht grundsätzlich deckungsgleich ist mit dem von Lufthansa, Airbus und der Bundesregierung. Solange der Flugverkehr nicht unterbrochen ist, ist es für potenzielle Fluggäste nicht unerheblich, dass wahrscheinliche Szenarien genannt werden und auch am Unglückstag bestmögliche Recherchen erfolgen. Das ist bekanntermaßen nicht leicht, aber auch im Interesse der Opfer.
    Über Haltern und alle anderen Entgleisungen ist alles gesagt.

  14. walberlin: Die A320 ist seit 1987 im Einsatz, derzeit über 6000 Maschinen. Die ohne Hinweis auf einen konkreten technischen Effekt lahmzulegen ist das Gegenteil von Ergebnisoffenheit.

  15. Ich fand die Berichterstattung der letzten Tage auch furchtbar – dieses Die-Kamera-Draufhalten auf Menschen, die Angehörige oder Freunde verloren haben, die ständigen Spekulationen nach Tatmotiven, die fast schon (wenn es nicht so traurig wäre) zur Realsatire wurden. (Bei allen Spekulationen wurde aber eins nie thematisiert: zu welcher Religion sich Andreas L. zugehörig fühlte. Kein Wunder, er hieß ja auch nicht Ali oder Mohammed.)

    Andererseits erfüllt diese Berichterstattung ein Bedürfnis: eine Erklärung für das Unerklärliche zu finden. Ich selbst habe am Dienstag (direkt nach dem Absturz) und am Donnerstag (nach der Pressekonferenz der französischen Staatsanwaltschaft) auch alle paar Minuten die F5-Taste gedrückt und mir 20 min den Livestream auf tagesschau.de angeschaut (bis ich keine Lust mehr auf die verzweifelten Versuche hatten, Zeit zu füllen, bis neue Erkenntnisse reinkommen). Stand ich damit wirklich allein da?

    Die Frage ist also schon: Was wäre denn die Alternative zu einer solcher Berichterstattung? Im Fernsehen könnte man vielleicht einfach ein Konzert mit angemessener Musik zeigen und die Einschaltenten per Laufband über die aktuellen Stand informieren. Aber im Netz?

    Achso, am Rande: Bei einem CNN-Beitrag wurde mir die Absurdität vieler Schalten bewusst. Die Moderatorin sprach mit dem Korrespondenten in London (!), der einfach Dinge runterbetete, die man mit Französisch- oder Deutsch-Kenntnissen und einem Internetzugang auch aus Atlanta hätte rausfinden können. Ist wahrscheinlich bei den Schalten deutscher Sender aus Südostasien oder Westafrika nicht anders.

  16. Seitdem Germanwings-Vorfall lese ich überhaupt keine trad. Medien mehr.
    Weder Boulevard, noch Zeit, FAZ, ÖR oder die sich selbst als so alternativ bezeichnende TAZ.

    Ich dachte es gäbe Ausnahmen. Aber nein, gibt es nicht. Sind alle trad. Medien gleich.
    Spekulationen, Bloßstellungen, Manipulationen, Effekhascherei, Sensationsgeilheit.

    Für mich ist der Germanwings-Vorfall wirklich ein absoluter Tiefpunkt. Wo selbst bei Amokläufen wenigstens manche Medien noch en wenig journalistische Qualitäten zeigten… es ist auf einem Niveau, auf das man nicht heftiger reagieren kann als mit absoluter Missachtung.

  17. Ach, das ist nur ein Zeichen der Zeit. Gegen das Internet kommt das Fernsehen nicht an. Gerade bei solchen Themen, die die Menschen unmittelbar erschüttern, ist Geschwindigkeit alles. Seriösität kann eigentlich nicht mehr erwartet werden. Ich finde es sogar umgekehrt ein bisschen heuchlerisch, dass manche Medien lieber nicht Gesicht oder Namen sagen, denn die Informationen kommen doch sowieso raus. Jeder weiß um wen es geht und man kann sich dann hinter einem A. oder L. schön verstecken und sich für was besseres halten. Im Grunde müssten die Medien als Ganzes sich selbst verpflichten, bestimmte Themen mit einer gewissen Zurückhaltung zu behandeln. Aber das wird nicht geschehen, denn es wird immer die Ausreisser geben, die die sensationssüchtige Zielgruppe ansprechen wollen. Das ganze Verpixeln wirkt doch ein bisschen lächerlich, wenn die Bild-Zeitung eine Nahaufnahme des Gesichtes auf der Titelseite hat. Es wirkt auch ein bisschen lächerlich, wenn gleichzeitig alles mögliche über das Privatleben der NSU-Terrorzelle bekannt wird, aber man sich nun bei dem Todespiloten zurückhält.

  18. Ich vermisse durchgehend das VErantwortungsbewußtsein dieser hier behandelten Medien …

    Diese Presse sollte sich in Grund und Boden schämen .. Es gibt keine Unterschiede (mehr) zwischen den Kanälen oder Medien … Beim Presseball u.ä. Veranstaltungen sollten sie diese Berichterstattung auf Großleinwand durchgehend bringen … als Erinnerung und sei es nur um sie daran zu erinnern das alles was sie tun mit Blut und Tränen gekauft ist … abscheulich …

  19. Bei aller berechtigten Kritik an der Berichterstattung von ARD und ZDF sowie anderen seriösen Medien (siehe Blogeintrag oben, oder die falschen Fotos des Co-Piloten im Brennpunkt) bleibt doch festzuhalten, dass es immer noch einen himmelweiten Unterschied zu den zum Teil abscheulichen Praktiken vom Burda und Springer-Verlag gibt (nachzulesen im Bildblog).

    Ich habe gerade in der ARD (online und auf Tagesschau.de) viele aktuelle Beiträge zum Absturz gefunden, bei denen es gelungen ist eine gute journalistische Balance zwischen Aktualität und Recherche zu finden. In den USA (wo ich mich gerade aufhalte) fehlt eine solche ausgewogene Berichterstattung gänzlich. CNN agiert seit Tagen und bekanntermaßen auf n-tv und RTL-Niveau.

    Vielleicht sollten Medienkritiker wie Niggi anfangen stärker die guten Beispiele des Journalismus herauszuarbeiten, parallel zur Nennung der erbärmlichen Verfehlungen. Ich denke, dass so klar werden könnte, dass wir die seriösen Medien mehr denn je brauchen.

  20. JA vielleicht sollte mehr oder auch auf gute Berichterstattung hingewiesen werden … ABER die Argumentation : DAs geht noch weil es geht noch schlimmer finde ich nicht zielführend .. das erinnert an Niveaulimbo …

  21. Wenn das Teilen eines Bildes bei Facebook abmahnfähig ist (vgl. den entsprechenden Blog-Artikel hierzu), auf welcher Rechtsgrundlage wird dann eigentlich das Facebook-Foto von Andreas L. in den Medien verwendet?

    AFAZ.net gab als Quelle AP/Facebook an, bei Meedia wurde Picture Alliance als Quelle angegeben. Haben diese Agenturen bei Facebook entsprechende Nutzungsrechte eingekauft, die Facebook sich wiederum in seinen AGBs hat einräumen lassen?

    Oder wird das Bild „einfach so“ genutzt? Greift da irgendeine Form des Zitatrechts oder geht das Urheberrecht hier aus irgendeinem Grund unter?

    Zu dieser Thematik findet sich irgendwie im Internet wenig aussagekräftiges…

  22. @Christian A.: Die Medien werden darauf setzen, dass das öffentliche Interesse höher einzuschätzen ist als das Persönlichkeitsrecht der Person, zumal bei einem Verstorbenen. Aber was rede ich, das wurde doch alles im Bildblog schon zusammengefasst: http://www.bildblog.de/63749/andreas-l/

  23. Das deckt ja fast 1 Promille der überflüssigen Berichterstattung zu dieser Tragödie ab. Wird der Rest dann auch noch hier kommentiert?

  24. Und Stefan Aust stürmt in der Welt noch etwas weiter vor, mit einem Artikel unter dem entzückenden Titel „Der Massenmörder möchte Herr über Leben und Tod sein“.

    Aber gut, das ist nur auch Springerverlag und noch dazu Stefan Aust….
    und weil ja inzwischen alle Details zweifelsfrei geklärt sind, ist das sicher auch angemessen. Und die Angehörigen werden damit sicher gut klar kommen.

  25. „Ich finde es sogar umgekehrt ein bisschen heuchlerisch, dass manche Medien lieber nicht Gesicht oder Namen sagen, denn die Informationen kommen doch sowieso raus. Jeder weiß um wen es geht und man kann sich dann hinter einem A. oder L. schön verstecken und sich für was besseres halten. Im Grunde müssten die Medien als Ganzes sich selbst verpflichten, bestimmte Themen mit einer gewissen Zurückhaltung zu behandeln.“

    Das kann es doch aber auch nicht sein – wieso sollte man sich am Schlechteren orientieren? Und wieso rechtfertigt das Fehlverhalten Anderer eigenes Fehlverhalten? Wenn mein Sitznachbar im Zug laut Musik hörend einen Döner verspeist, stelle ich ebenso laut Musik an und esse eine Currywurst? Weil es Menschen gibt, die im Supermarkt Waren klauen, darf ich das auch? Weil im vollbesetzten Bus niemand seinen Sitzplatz einer Schwangeren anbietet, mache ich das auch nicht?

    Letztlich ist jeder für sein Tun selbst verantwortlich, egal ob „jeder“ nun eine natürliche Person oder ein Medium (als Einzahl von „Medien“, nicht als esoterischer Schwachmat) ist. Freiheit und Verantwortung sind nämlich zwei Seiten der gleichen Medaille.

  26. @Sigur Ros: Meine Frage bezog sich nicht auf das Persönlichkeitsrecht, sondern auf das Urheberrecht für das betreffende Foto.

  27. 23: („Vielleicht sollten Medienkritiker wie Niggi anfangen stärker die guten Beispiele des Journalismus herauszuarbeiten, parallel zur Nennung der erbärmlichen Verfehlungen.“)

    Das dürfte für weite Teile der Medienkritik (ich nehme den Hausherrn ausdrücklich aus) schwierig sein. Weil man dann differenziert an die Sache herangehen müsste und möglicherweise auch abzuwägen hätte, wie es denn im konkreten Fall besser gewesen wäre. Nichts ist leichter als einen Verriss zu schreiben, da ist der Applaus berechenbarer.

    Nichtsdestotrotz hat ihr Vorschlag einen gewissen Charme.

  28. Spaeth geht ja noch, der lässt zumindest noch Zweifel und Abwarten zu (siehe Illner-Sendung).

    Der Immel – in dem Kontext fehlt offenbar ein „P“ – erinnert mich allerdings an einen Pubertierenden, der nicht zum Abschluss kommt, weil kurz vorher immer wieder die Mama unangemeldet ins Zimmer platzt…

  29. Da sitzt nun der aufgeklärte Mensch vor dem Bildschirm und ist fassungslos ob der medialen Impertinenz.
    Und die modernen Feudalherren heucheln munter drauflos.

  30. @Koeffi 23

    Für sie ist also nicht der sehr liberale Pressekodex Standard oder ethische Richtlinien, sondern nur der Umstand dass es ja auch schlechter geht. Also nach der Logik dürfte man über den Absturz gar nicht so fassungslos sein, schließlich hätte das Flugzeug ja auch in ein Hochhaus fliegen können.

    Das ist der erste Punkt: Die Medien sollen sich bitte an den Maßstäben orientieren, die sie in den eigenen Schulen lehren und immer mal wieder heucheln. Und nicht ihre verachtenswerte Berichterstattung mit Kollegen rechtfertigen die noch „intensiver“ vorgehen.

    Zweitens ist die „gute Berichterstattung“ Mangelware, wenn nicht sogar nur mit der Lupe zu finden. Selbst die selbsternannte linksalternative TAZ konnte es nicht lassen die neusten Spekulationen breitzutreten. Und ihre Artikel dann noch zu verstecken, so dass sie nur noch über die Suche zu finden sind. ..

    Aber ich glaube die BILD und das Handelsblatt entschuldigen sich so ebenfalls, nach dem Motto: „Achtet doch nicht auf die 520 Artikel. Es gibt vom 01.01.2001 einen tollen Bericht, den müssen sie auch beachten in Ihrer Bewertung!“ Und das ist nicht übertrieben, genau so wird argumentiert. Und versuchen Sie es auch.

  31. Ich sehe da Unterschiede in der Berichterstattung, die allein vom Zeitpunkt abhängig sind. Unmittelbar nach der Katastrophe (daher stammt ja auch das Beispiel von Herrn Niggemeier) muss berichtet werden, auch wenn es nichts mehr zu berichten gibt. Da wird uns auch ein Spiegel vorgehalten. Wir sind schockiert, vor allem durch die unmittelbare Betroffenheit des eigenen Landes, wir wollen wissen, warum das passiert ist, wir wollen darüber miteinander reden, auch wenn der Verstand sagt, es hat keinen Zweck zum jetzigen Zeitpunkt über die Ursachen zu spekulieren. Wir haben auch Angst, weil wir selbst fliegen (am Ende sogar mit dieser Fluggesellschaft) oder Freunde, Familienangehörige fliegen dort mit usw.
    Wir sitzen vor den Sondersendungen, wissen eigentlich, dass alles Bekannte gesagt ist, aber man darf auch nicht vorschlagen, jetzt mal um- oder auszuschalten. „Reflexhaftigkeit, Besinnungslosigkeit, Voreiligkeit“ sind Bestandteile dieser Berichterstattung aber auch der Diskussionen, die wir führen. Wer hat denn nicht darüber nachgedacht, warum das passiert sein könnte, über Ursachen spekuliert, wohl wissend, dass man nur spekuliert?
    Wir wollen über so etwas reden, teils sogar in dem Bewusstsein, dass das Gerede auch planlos ist und die Medien befriedigen dieses Bedürfnis. Das ist, wie S.N. oben zum Besten gibt, nicht ein Mal „besonders schlimm“, aber symptomatisch.
    Was wäre denn, bei realistischer Betrachtung, die ordentliche Berichterstattung unmittelbar nach einer Katastrophe? Eine Variante wäre, wie hier schon genannt, gar nicht berichten, bis es etwas Neues gibt. Wären dann alle zufrieden, oder würde nicht der Vorwurf erhoben, dass man dem Ereignis von medialer Seite nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte. Ich finde die Berichterstattung am Absturztag und am Tag danach irgendwo noch „entschuldbar“.

    Ganz anders hingegen verhält es sich mit dem Umgang nach dem Durchsickern erster Informationen.
    Die Unschuldsvermutung ist nicht nur ein Rechtsbegriff innerhalb zivilisierter Gesetzgebung. Sie ist irgendwo auch Teil eines kategorischen Imperativs, eine moralische Verpflichtung, deren Einhaltung wir auch auf unsere eigen Person bezogen erwarten. Ich finde die Berichterstattung der nachfolgenden Tage ungleich schlimmer, als das was in den ersten Stunden nach Bekanntwerden der Katastrophe verzapft wurde.
    Mir ist auch aufgefallen, was bereits von Inga (#8) bemerkt wurde. Leider zeugen diese Erklärungsartikel aber nicht von der Einsicht bestimmter Medien, sondern mehr von der Angst vor der Einsicht ihrer Leser und Kritiker. Einige dieser Artikel, warum Namens-, Biografie- und Lebenslaufveröffentlichung aus Sicht des Verbreiters integer sind, hätten als Überschrift genau so gut titeln können: „Warum wir ohne Richter und Verteidigung direkt von der Anklage zur Vollstreckung schreiten müssen.“
    Auch SPON sorgt sich mittlerweile um den Werther-Effekt und veröffentlicht Hinweise über Hotlines, da sie, wenn auch durchdacht und zurückhaltend, über Suizid berichten, der allerdings zu diesem Zeitpunkt als solcher gar nicht voll bewiesen ist.
    Andere (auch das sind nur Spekulationen) verbreiten sich über Ermittleraussagen, dass technische Mängel noch nicht ausgeschlossen werden können, dabei werden bereits stattgehabte Ereignisse benannt, bei denen sogenannte „Zapfluft“ mit Chemikalien durchsetzt für Übelkeit oder Ohnmachtsanfälle sorgten, ich weiß nicht, ob das plausible Überlegungen sind, aber mit etwas Fantasie kann man sich aktuell immer noch einige denkbare Szenarien vorstellen, wonach der Kopilot womöglich doch nicht mit Absicht gehandelt hat.
    Aber wichtig ist, dass jetzt schon alle wissen, dass sich eine langjährige Partnerin kurz zuvor von ihm getrennt hat, dass eine Zugbegleiterin, die trotz langjähriger Partnerin, mal eine kurze Affäre mit dem Mann hatte, schon immer wusste, das mit dem irgendwas nicht stimmt usw.
    Ich bin ein Freund von Mäßigung, ich ziehe sachliche, möglichst konstruktive Kritik der Empörung vor, denn gerechte Empörung wird immer so schnell zur selbstgerechten Empörung, aber an manchen Tagen, da fällt mir das verdammt schwer.

  32. Lieber Herr Niggemeier, auch wenns hier nicht direkt hingehört, möchte ich mich an dieser Stelle für Ihren Beitrag in der Sonntags-FAZ zum Thema Medien(kritik) und Pilotenberichterstattung bedanken. Gerade die Zwiespätigkeit und auch Unsicherheit, die teilweise aus dem Text herausklang, fand ich – als ebenfalls in den Medien Beschäftigter – lesens- und bedenkenswert.
    Ansonsten kann ich zu der ganzen Aufregung über die Berichterstattung nur sagen, schaltet den Kram doch nicht ein, lasst den Twitter mal zu und kuckt nicht auf die Internetseiten, wenns euch so stört, was dort abgeht. Das ist doch auch eine Faszination am Immergleichen und Scheinaktuellen, die hier, trotz aller Empörung, durchklinkt.

  33. 35: [i]Da sitzt nun der [u]aufgeklärte Mensch[/u] vor dem Bildschirm und ist fassungslos ob der medialen Impertinenz. Und die modernen [u]Feudalherren[/u] heucheln munter drauflos.[/i]

    Einen der Begriffe müssten wir dann bitte streichen.

  34. @theo, #40
    Sie stören sich an der Gleichzeitigkeit von Feudalismus und Aufklärung? Ja, richtig – gut erkannt. Möglicherweise wollte der Autor genau diesen Umstand ironisch beleuchten. ;).

  35. @theo
    keine Bange. Ich bin auf der Seite der integren Journalisten, die es selbstverständlich [vemutlich mehrheitlich] gibt.
    P.S. es gab auch im Mittelalter kluge, besonnene, ethisch handelnde Menschen, falls dies vorhin zu Irritationen geführt haben sollte. ;)

  36. @Koeffi, #23: Geben Sie sich keine Mühe. Mit differenzierten Betrachtungen ist in unserer Empörungsdemokratie kein Staat mehr zu machen. Die Leute wollen sich aufregen, und Gründe gibt’s ja genug.

    Oberflächlichkeit, Dummheit und Skrupellosigkeit sind Teil der menschlichen Natur und waren deshalb zwangsläufig auch schon immer im Journalismus zu finden. Neu ist allerdings, dass Leser, Hörer und Zuschauer dank Internet inzwischen selbst zu Zahnrädern der Medienmaschinerie geworden sind.

    Jedes live in ein Mikrofon gesprochene Wort wird seziert, analysiert und vom heimischen Sessel aus kommentiert, jeder Fehler, jede vermeintliche Geschmack- oder Stillosigkeit zum Beleg für die Verkommenheit und Unfähigkeit der Mainstream-Medien und für das Scheitern des Systems erklärt. Maßstab der Bewertung ist allein die eigene Meinung – pardon, Wahrheit. Heuchler, das sind immer die anderen.

    F. Hollande und A. Merkel hätten Flug 4U 9525 abstürzen lassen, um die zerfallende EU wieder zu einen, erfährt der geneigte Leser bei Kopp Medien.

    Danke sehr. Dann doch lieber die unperfekte, aber zumindest an der Realität orientierte Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Mainstream-Medien.

  37. Ich fand die Berichterstattung der ÖR und meisten Zeitungen in diesem aufgeregtem Umfeld bemerkensert gut.
    Allein was die VT rauskramen, loslassen, sich widerlich zusammenreimen, all das was zum Absturz vom Kopp Verlag, Deutschen Wirtschaftsnachrichten, Propagandersender und Konsorten so kam und kommt ist nicht mal mehr belustigend inzwischen.
    RTL und Bild hat mir gar nicht gefallen, natürlich auch die Berichterstattung aus Haltern grundsätzlich, dazu die ganzen, die sofort ihr eigenes EGO Empörungssüppchen kochen, das dümmliche reflexhafte Politikerbashing und ewige Sezieren jeder Schalte, jedes TV Beitrags oder Twittermeldung, das ist viel kritikwürdiger und fehlt hier wenn es um die künstliche Aufregung geht in der Rumdumschlagkritik.

    Was schrieb der Schüler aus Haltern zum Rundfunkbeitrag ?! Recht hat er.

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