Kornelius und das Internet, Folge II

Für alle, die glauben, bei dieser Auseinandersetzung sei es nur um eine vielleicht etwas unglückliche Formulierung gegangen und nicht um eine grundsätzliche Haltung —

Stefan Kornelius, 41, Außenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung und in den 80er Jahren Gründungsmitglied einer Medienfachzeitschrift, schreibt heute erneut über die Folgen der Hinrichtung Saddam Husseins:

(…) in Houston erhängte sich ein Kind, offenbar weil es die im Internet verbreitete Hinrichtung nachspielen wollte.

An diesem Halbsatz stimmen alle Einzelteile: In Houston erhängte sich ein Kind. Es wollte offenbar die Hinrichtung nachspielen. Die Hinrichtung wurde im Internet verbreitet.

Trotzdem ist der Satz falsch. Er suggeriert, dass der Zehnjährige die Hinrichtung im Internet gesehen hat. Er hat sie aber nach übereinstimmenden Berichten im Fernsehen gesehen. Also in einer Fassung, die den Tod Saddams selbst nicht zeigt. Er hat die Aufnahmen außerdem offenbar am 30. Dezember gesehen. Das Video, das die Hinrichtung Husseins vollständig zeigt, ist aber erst am 31. Dezember im Internet aufgetaucht. Was der Junge sah, muss also aus dem „offiziellen“ Video stammen, das nicht im Internet, sondern von den Behörden selbst veröffentlicht wurde.

Was die „Seuche Internet“ mit diesem Todesfall zu tun hat, weiß Stefan Kornelius allein.

Danke an (einen anderen) Stefan K.!

14 Replies to “Kornelius und das Internet, Folge II”

  1. Nanu? Kreuzzugvergleich gleich im ersten Kommentar? ;)

    Das Problem – mal abgesehen vom offensichtlichen Recherchefehler Kornelius‘ – ist doch, dass die Ansicht weit verbreitet ist, die in den „herkömmlichen Medien“ (unter anderem im Fernsehen) verbreiteten Schreckensbilder seien ob der besseren Filterungsmöglichkeiten im Grunde harmloser als jene im Internet, und müssen deshalb als Ursache für Handlungen wie die dieses Kindes von vornherein ausscheiden.

  2. Tröten jetzt auch Politiker wie Beckstein oder Schünemann los und fordern ein Verbot von Killerhinrichtungen?

  3. Man könnte, wenn man sich eine korneliusähnliche Schwarz-Weiss-Sichtweise zu eigen machen wollte, sogar zu der These versteigen: Erst das Fernsehen ermöglicht es durch seine beschönigenden Bildberichte (im Bombenkrieg kaum Todesopfer, Hinrichtungen enden mit der Wettervorhersage), dass selbst 10-jährige Kinder das Gesehene nur als Spiel und nicht als Realität begreifen.

  4. Wenn man jetzt ganz kleinkrämerisch wäre, könnte man einwenden, daß Herr K. in diesem Fall kein Wort über die „Seuche“ Internet verlor, sondern lediglich ganz allgemein von „Internet“ schrieb. Aber wir wollen uns ja nicht an einer im Affekt entschlüpften Polemik aufhängen. Weiß ja jeder was gemeint ist. In beiden Fällen.

  5. […] Der bereits leicht verweste Kampf “Blogger versus Journalisten” scheint Anfang 2007 eher ein Kampf der Vertreter klassischer Medien gegen die des Internet zu sein, etwa bei Stefan gegen Stefan (Runde 1, Runde 2) oder Thomas gegen Tagesthemen. Beide Auslöser drehten sich um die Bilder von Saddam Husseins Hinrichtung. Das Blog der Tagesschau, in dem seit dem 2. Januar die Chefredakteure von ARD-aktuell bloggen, hat die interne Diskussion darüber, was man zeigen darf und soll, transparent gemacht. Sowohl im Fall Saddam als auch bei dem vermißten Felix von Q. Es könnte eines der besten Beispiele für Redaktionsblogs werden, wenn sie so weitermachen. […]

  6. Jetzt bin ich doch etwas verwirrt. Dabei ist die Lösung doch so einfach. Wie eine Studie belegt, recherchieren deutsche Journalisten fast ausschließlich über Google. Eigene Kontakte etc. kosten zu viel Zeit und Geld. Da hat Herr Kornelius wohl wieder recherchiert und hat sich dann ganz einfach vertan und anstatt Fernsehen Internet geschrieben. Aber eins verstehe ich nicht. Wenn ich im dpa-Pressearchiv recherchiere, schreibe ich doch auch nicht von einer Seuche dpa. Komisch.

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