Der Heimwerkerkönig

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Es gibt nicht viele erste Sätze, nach denen man ein Youtube-Video einfach weitergucken muss, aber diese gehören sicher dazu: „Heute bauen wir einen Selfie-Stick. Dazu brauchen wir Cocktailwürstchen und einen Putter zum Golfen.“

Später wird sich herausstellen, dass man noch einiges mehr braucht, Gaffa-Tape natürlich, einen Draht, einen Radkreuzschlüssel, verschiedene Halter und natürlich einen Kompressor, der das Cocktailwürstchen mit Luftdruck auf das Mobiltelefon schießt, aber erstens hat man das alles ja im Haus, und zweitens kann man zur Not improvisieren, macht der Fynn ja auch, das ist schließlich der halbe Spaß, wenn nicht fast der ganze.

Am Ende zeigt er seiner Freundin den Selfiestick. „Wie findste das?“ – „Gut.“ – „Würdste das auch verwenden?“ – (Stille.)

Fynn Kliemann nennt sich „Heimwerkerkönig“, aber er meint das nicht so. Er ist niemand, der Videos dreht, in denen er vorführt, wie man mit Geschick und einem guten Plan große Dinge bauen kann. Er dreht Videos, in denen er vorführt, wie man als Chaot ohne Angst vor Elektrizität, Schweißgeräten, scharfen Kanten und Nahtoderfahrungen aller Art viel Spaß dabei haben kann, Dinge auseinander zu nehmen und neu wieder zusammen zu setzen – und am Ende mit etwas Glück und viel Schwund etwas geschaffen zu haben, das so ähnlich ist wie das, was man eigentlich bauen wollte.

Das Ganze ist, so unwahrscheinlich das klingen mag, regelmäßig lehrreich. Wenn Fynn zum Beispiel nach Dutzenden Fehlversuchen darauf kommt, warum die Cocktailwürstchen kein Bild auslösen. „Würstchen funktionieren nicht grundsätzlich“, sagt er dann in die Kamera. „Würstchen funktionieren nur, wenn sie leiten.“ Der Fachbegriff „Kapazitiver Touchscreen“ wird dann eingeblendet, während Fynn sich daran macht, seine waghalsige Konstruktion um einen Draht zu ergänzen, der den Wurstfinger mit der menschlichen Hand verbindet und so für die nötige Leitfähigkeit sorgt.

Er ist ein grandioser norddeutscher Dummschwätzer, eine ADHS-Variante von Dittsche. „Für eine Wurstschussmaschine brauchen wir vier Bar“, doziert er, nur um grinsend hinzuzufügen: „Das ist ein Schätzwert.“ Als er Erde aushebt für einen Teich, sagt er: „Ich untergrabe die Autorität dieses Ackers.“

Überhaupt, der Teich. Der ist am Ende viel größer geworden als geplant, weil ihm ein Nachbar seinen Bagger geliehen hat und „baggern einfach Bock macht“. Wenn man ihn dabei sieht, glücklich wie ein Kind, ist man versucht zu sagen, dass das Hauptproblem von Youtube, ach, der ganzen Welt ist, dass nicht genug gebaggert wird.

Definitiv aber gibt es nicht genug Fynns. Seine Kamikaze-Heimwerker-Videos sind ein fantastisches Gegenprogramm zu den Frauen, die Drogerieartikel auspacken, und Männern, die am Computer spielen. Und praktisch sind sie auch noch! Zuletzt hat er einem Kumpel die große Maschine „gepimpt“, mit der auf dem Rübenacker die Steine aussortiert, wobei er aber immer blöd ums Gerät herumlaufen musste, um es aus- und wieder einzuschalten. „Diese Anleitung dürfte für sehr viel Menschen interessant sein“, schreibt der Fynn dazu, „da ja jeder dieses Problem kennt und selbst so eine Maschine besitzt. Daher gehe ich davon aus, hiermit Gangnam Style recht flott vom Youtube-Thron zu stürzen.“