Die Verlobung von Dagi Bee

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Nun ist es passiert. Es hatte sich schon länger abgezeichnet. Es mangelte auch nicht an Indizien und verräterischen Zeichen. Und spätestens nach dem gemeinsamen Kurzurlaub in Paris, der sogenannten Stadt der Liebe, war das Getrapse der Nachtigall ohrenbetäubend geworden. Am vergangenen Donnerstag machte Dagi Bee es endlich offiziell, in der einzigen angemessenen Form: Sie setzte sich vor ihre Videokamera und erzählte ihren vielen hunderttausend Fans, dass sie sich mit ihrem Eugen verlobt hat. In den vergangenen Wochen waren die Fragen immer lauter geworden, in der Presse, auf Instagram, auf Twitter, in den Youtube-Kommentaren: Was ist das für ein Ring da an deiner Hand, Dagi? Hast du dich verlobt? Nee, ist nur Schmuck, oder? Oder doch verlobt? Nee, nur Schmuck, oder?

Dann hatte sie auch noch getwittert: „Ich bin das glücklichste Mädchen auf dieser Welt“, und Eugen hatte getwittert: „Ich bin der glücklichste Mann auf dieser Welt“, einige Leute dachten aber, sie wollten ihre Fans nur wieder foppen, was ja auch nicht das erste Mal wäre – so was gehört in Youtuber-Kreisen zum Handwerk der Aufmerksamkeitssteigerung. (Ein Video, das die beiden vor zwei Wochen mit der Zeile „Wir werden Eltern!“ zeigte, entpuppte sich als Film, in dem sie mit der Welt teilten, dass sie nun einen Hund haben, einen Zwergspitz, der natürlich auch schon einen eigenen Instagram-Account hat.)

Eine Internetseite machte prompt eine Umfrage unter ihren Lesern, ob die „Anspielungen von Dagi Bee und Eugen nerven“, und von den, jawohl: mehr als 13 000 Teilnehmern sagte die Mehrheit: „Ja, total. Das glaubt doch niemand mehr!“

Tjaha. Stimmt aber. Dagi Bee ist, was man den meisten Unter-25-Jährigen nicht erklären müsste, eine der bekanntesten und erfolgreichsten Webvideoproduzentinnen Deutschlands. Ihr Youtube-Kanal hat mehr als 2,7 Millionen Abonnenten. Sie plaudert darin über Kosmetik, Mode, Shopping und ihr Leben. Ihre Verlobung ist ein faszinierendes und leicht bestürzendes Beispiel dafür, wie ein größeres persönliches Ereignis wie eine Verlobung in der Welt dieser neuen Stars inszeniert und begleitet wird.

Dagi Bee ist prominent genug, um Thema für die Boulevard- und People-Berichterstattung zu sein, mit deren üblichen Spekulationen über das Privatleben. Gleichzeitig gibt sie selbst mit Videos, Fotos und Kommentaren auf den unterschiedlichsten Plattformen immer wieder Anlass und Nahrung für solche Berichte. Und, vor allem: Diese Kommunikation von ihr ist nicht, wie bei traditionellen Prominenten, ein Begleitprogramm zur eigentlichen Arbeit in der Öffentlichkeit. Diese Kommunikation ist das, wofür sie berühmt ist; worauf ihre Prominenz beruht und woraus sie besteht.

Entsprechend wichtig sind diese privaten Ereignisse in der Real-Life-Soap, die sich in einem nicht enden wollenden Strom aus Postings auf den unterschiedlichen Kanälen entfaltet, entsprechend genau werden sie verfolgt – und entsprechend niedlich ist es, wenn sie erzählt, dass sie so ein Verlobungs-Bekanntgabe-Video ursprünglich gar nicht machen wollte, weil das „eigentlich ’ne ziemlich private Sache ist“. Aber „weil ich mein ganzes Leben mit euch teile, war es wirklich an der Zeit, es euch zu sagen“. Sie sagt dann noch, dass sie ihren Freund, „so gut es geht, aus der Öffentlichkeit heraushält“, aber das bedeutet bloß, dass er nicht in jedem ihrer Videos vorkommt, sondern nur in manchen.

8 Replies to “Die Verlobung von Dagi Bee”

  1. Ich mein irgendwie hat das ja am Ende was Positives… Die ganzen kleinen Kids werden halt abgezockt mit dummer Schleichwerbung (vom Hund bis Ring wird das schon durchfinanziert worden sein)… Aber besser als Drogen kaufen und in dunklen Gassen hausen ;)

  2. Sie ist eben die deutsche Kim Kardashian.
    Ähnlich, wie in der Kunst kacke zu verkaufen, ist es doch nur konsequent, Schlagerkarierre, DSDS, Dschungelcamp o.ä. sein zu lassen und Vollzeit Boulevard-Selbstvermarktung zu betreiben. Immerhin verdient sie selbst und nicht die „Journalisten“ der Bild der Frau u.ä.

  3. Wie c3p sagte. Es ist die Kunst nichts zu können und damit reich zu werden. Ich habe nichts gegen ihren Ruhm, ich finde aber das Zombie-Verhalten der kleinen Kinder einfach nur bedenklich, die ohne nachzudenken ihr Geld für irgendeinen Müll rauswerfen. Shampoo sei ja noch okay, aber diese Handy-Sache war echt zuviel…

  4. Noch schlimmer als das ganze Problem der „like“- und Klicksüchtlinge finde ich, dass unsere „Qualitätsmedien“ oder auch o.a. selbiger uns über diesen Schwachsinn berichten müssen. Nur weil 2 Millionen Fliegen auf einen Haufen Hundekot flogen, muss das doch nicht in die 20 Uhr Nachrichten oder doch?

  5. es macht einen immer mehr sprachlos, mit welchen seichten Banalitäten und fürs Leben unwichtigem Scheiß sich das Publikum von solchen Figuren berieseln lässt. Kein Wunder, begegnen einem immer mehr gleichgültige Versager.

  6. Eine halbe Ewigkeit ist es her, als ich diesen Blog zuletzt besucht und ein wenig rumgeschnüffelt habe. Traurigerweise fällt mir, nachdem ich einige Artikel gelesen habe, eigentlich nur Folgendes dazu ein. Warum geben Sie sich das alles noch? Man könnte doch ebenso gut alles hinwerfen?

  7. Ist das Beklagen der Tatsache, dass Internetstars nur Internet können nicht ein bisschen Oldschool?
    Internet können, d.h. die SoMe-Kanäle bespielt halten ist nicht nichts, sonst wären viele meiner Kollegen arbeitslos. Und manche Youtuber/innen moderieren zumindest auf Augenhöhe mit so manchem öffentlich-rechtlichen Kollegen.

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