Broder? Oder!

Am 19. Februar soll das Video-Online-Portal „Watchberlin“ auf Sendung gehen. Dahinter steckt Walid Nakschbandi, Geschäftsführer der Fernsehproduktionsfirma AVE und bei Holtzbrinck offenbar zuständig für neue Internet-Projekte, die mehr mit Content als Community zu tun haben. Außer Berlin hat er sich schon die Titel und Domains für ähnliche Namen mit Hamburg, München und einer Reihe anderer deutscher Städte gesichert. Für „Watchberlin“ werden seit einigen Wochen in Anzeigen VJs und Praktikanten gesucht.

Erste „Watchberlin“-Videoblogs kann man sich jetzt schon auf Myspace ansehen. „crashtest“ heißt die Rubrik von „Dummy“-Chefredakteur Oliver Gehrs, der hier nett noch einmal über die Erstausgabe von „Vanity Fair“ lästert. Buddy Murat und Maher besuchen einen Sprayer-Laden in Schöneberg, und als „Berliner Original“ stellt sich Günter „Keule“ Schmidtke vom Clärchens Ballhaus vor.

Und weil das Internet bekanntlich ein Medium ist, in dem zunehmend auf dem Niveau von Kannibalen-Selbsthilfegruppen diskutiert wird, kommt auch „Watchberlin“ nicht ohne Henryk Modest Broder aus. „Broder, oder!“ heißt sein Videoblog, in dem er sich als „Kitschsammler“ ausgibt und geschmacklose Marien-Figuren und Schneekugeln mit Papst oder Jesus zeigt. Warum? Um zu fordern, dass wir so lange nicht mit unseren „moslemischen Brüdern und Schwestern“ diskutieren, bis das „auf gleicher Augenhöhe“ geschehen kann — bis also der Islam eigenen Kitsch produziert. Denn:

„Kitsch ist Menschlichkeit.“

Ah ja.

Ich habe länger nach einem freundlichen Adjektiv gesucht, um diese Argumentation zu beschreiben. Mir ist nur „originell“ eingefallen.

Am Ende seines Videoblogs holt Broder noch ein Plastiksparschwein hervor und sagt, dass es sein könne, dass es „dieses kleine hübsche Schwein bald nicht mehr geben wird“.

„Es gibt schon Sparkassen, die es nicht mehr ausstellen. Aus Angst, die Gefühle der Moslems zu verletzen.“

Ach. Gibt es? Wo?

Die Sparschwein-Geschichte hat Broder schon einmal bei „Spiegel Online“ verbreitet. Sie taucht auch bei diversen antiislamischen Hassbloggern auf, in deren Nähe Broder sich gerne aufhält.

Vielleicht meint Broder eine Geschichte aus Großbritannien, die vor eineinhalb Jahren für Aufsehen sorgte — und längst dementiert ist. Vielleicht meint er aber auch eine große deutsche Bank, die statt Sparschweinen Sparelefanten in Umlauf bringt. Seit mindestens 20 Jahren.

51 Replies to “Broder? Oder!”

  1. Henryk Modest Broder?
    M.ensch, Stefan… Du bist aber persönlich.
    Schon lästig, was Broder schreibt. Vielleicht hat er eine Vision, die es zu verwirklichen gilt. Den Islam ausrotten, vielleicht?
    Hans ‚M.‘ Enzensberger lässt grüßen.

    Und noch schnell das:
    Watchberlin, also? Wow, ich bin nicht dabei, watt ’n Glück, ey.

    Aber die ‚Vanity Fair‘ ist schlecht. Beunruhigend: Die Entwickler widmen sich jetzt sicherlich neuen Aufgaben. Und glauben, weil wir Schlaumeier das Heft alle gekauft haben, dass… es ist also noch nicht vorbei.

  2. Der Islam IST doch längst voller Kitsch. Da weiß ich nicht, was er da einklagt. Wahrscheinlich den Wald vor lauter Bäumen. Geh mal in einen Laden mit türkischen Moschee-Weckern, mit Atatürk-Kopfkissen usw. …

  3. Der Broder wieder. Ich muss zugeben, dass es mich viel Kraft gekostet hat, seine Spon-Artikel nicht mehr anzuklicken. Aber seit ungefähr einem Jahr halte ich es durch. Und dann kommt der Herr Niggemeier und verführt mich mit seinem impliziten Verlinken dazu, alles anzuklicken. Und da ist er wieder: Mein Henryk. Hmm, täusche ich mich, oder ist er älter geworden? Es ist übrigens seltsam. Inzwischen kann ich ihn mit einer erhabenen Gleichmut ertragen, ganz ohne auf die Palme zu gehen.

  4. Vielleicht stand Broder unter dem Eindruck eines Besuchs im Asia-Supermarkt. Dort hat es auch jede Menge Kitsch in Massen, den manche für tyoisch asiatisch halten, und die Leute dort sind die Höflichkeit in Person, was sehr menschelt.

    Tommy

  5. Es geht nicht um Kitsch an sich, sondern um die Verkitschung religiöser Figuren und Motive. Dieser Vorgang ist „menschlich“, weil er den Herrschaftsanspruch der Religion über den Menschen bricht, bzw. diesen Bruch anzeigt. Ein Papst, der als Figur in einer kitschigen Schneekugel steckt, kann niemanden mehr auf’s Schafott schicken – auch nicht als reales Kirchenoberhaupt.

  6. Nun gerade Kitsch als den Indikator schlechthin für die Offenheit einer Gesellschaft und deren Religionskultur heranzuziehen, finde ich nicht besonders glaubwürdig. Nein, Kitsch ist schrecklich, ob religiös oder nicht. Der Islam braucht meiner Meinung nach mehr Leute wie Richard Dawkins. Wir übrigens auch. Gerade die USA zeigen deutlich, dass religiöser Fundamentalismus und dessen Verspottung innerhalb einer Gesellschaft problemlos nebeneinander existieren können. Insofern sind Broders politisch motivierte Verallgemeinerungen reiner Quatsch mit Soße.

  7. Ich werde erst mit dem Islam auf Augenhöhe diskutieren, wenn die einen anständigen Ikonoklasmus vorweisen können. Ach, die haben erst gar keine Bilder? Da ist aber noch einiges nachzuholen!

  8. Ach, Broder sucht doch irgend einen Grund, um eben nicht diskutieren zu müssen. Wenn’s nicht Kitsch ist, dann eben Nacktbaden oder Weihnachten.. Das interessante an Broder ist eigentlich, dass er all seine Aussagen kopiert (ohne ein Pfündchen zu recherchieren) und der Zuschauer/Leser hat aber das Gefühl, dass hier Originelles und Authentisches präsentiert wird. Zugegeben, das mit dem Kitsch hatte ich bislang nicht gehört, aber ansonsten..

  9. Immerhin kann man Broder einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen.
    Sehr gut fand ich ihn wieder bei Maischberger am Montag, als er Murat Kurnaz die Schuld für seine Folterung in die Schuhe schieben wollte. Sinngemäß: „Wieso fährt denn einer 2 Wochen nach dem 11.9. nach Pakistan? Das würde ich schon gerne wissen, also ich als Volk.“

  10. Ich kann die Sache mit den Sparschweinen nicht spontan nachprüfen. Tatsache ist aber, dass hier in Großbritannien zu Weihnachten wenig bis nicht in den Banken dekoriert wurde und dass es shariagerechte Bankkonten gibt. Ohne Zinsen.

  11. In UK haben marktführende internationale Anwaltskanzleien und Investmentbanken shariakonforme Anleihen entwickelt – daraus den Untergang des Abendlandes ableiten zu wollen, halte ich für übertrieben. Ich denke eher, dass man sich als Erster in einem Markt mit riesigem Potential Marktanteile sichern will.

    Man sendet da auch seit dem ich mich erinnern kann „Season’s Greetings“ anstatt Weihnachtskarten. Die kann man von Chanootak (schreibt man das so?) über (deutsche)Weihnachten, dem russischen/orthodoxen Weihnachten bis zum chinesischem Neujahr verwenden.

    Die Welt dreht sich immer weiter.

  12. Moment mal, religiöser Kitsch sei ein Beispiel für die Ironisierung der eigenen Religion?
    Vielleicht habe ich eine neue Entwicklung verpasst, aber soweit ich weiss sind die schrecklichen Bilder von kleinen Putten und grellbunt leuchtenden und zum Erbbrechen süss dreinblickenden Madonnen alle ernst gemeint!
    Wo ist denn da die Ironisierung?
    Was das betrifft sind wir mit der islamischen Welt schon lange auf gleicher Augenhöhe, Onkel Broder.

  13. Herr Niggemeier, wenn Broder und die „Hassblogs“ Unrecht haben, beweisen Sie doch das Gegenteil. Ähnlich dem Bildblog könnten Sie doch jeden Tag die positiven Nachrichten aus der muslimischen Welt bringen, dem Hort der Toleranz, der Gewaltfreiheit und der Gleichberechtigung der Geschlechter und Minderheiten.
    Ich bin gespannt!

  14. Nachtrag: Da Sie ja so gerne TV-Kritiken verfassen, empfehle ich Ihnen diese http://memritv.org/ Internetseite. Dort können Sie sich dann vom „Qualitätsfernsehen“ in Nahost überzeugen und sich darüber wundern, dass es Islamkritiker gibt.

  15. Und wenn der Herr Rolfs auf die Links im Eintrag geklickt hätte, hätte er gemerkt, dass ich das Gegenteil im konkreten Fall schon bewiesen habe.

  16. MeriTV *prust*, eine diese Propaganda-Anstalten für den Nahen Osten – ist der Verweis auf diesen Laden ernst gemeint oder Satire?

    Tommy

  17. Kann man das nicht mit einem Verweis auf Fox-News kompensieren? Und mal ehrlich: Ich halte 9-live für wesentlich schlimmer. Dort werden Zuschauer auf eine Weise terrorisiert, von der Islamisten noch lernen können. ;)

  18. @ #19

    Sie können Hassbloggern, also Menschen, die extreme Beispiele und Argumente verwenden, nicht das Gegenteil beweisen. Mit Extremen kann man zwar spielend leicht für und gegen alles argumentieren – aber nichts beweisen, weil es natürlich jedermann freisteht, mit noch extremeren Argumenten das Gegenteil zu begründen.

    Wer sich trotzdem auf dieses Spiel einlässt, hat schon verloren, weil er den Hassbloggern die Wahl der Waffen überlässt.

  19. Erschreckend ist, daß der Herr B. dabei so nett wirkt. Und irgendwie auch lustig. Bis dann das Sparschwein rauskommt.

  20. Ich liiiiieeeebbbeeee Broder…er ist so herrlich politisch unkorrekt! Genau wie die moslemischen Brüder und Schwestern, ach nein, sorry, natürlich nur die Brüder. Die Schwestern dürfen ja nichts sein.

  21. @27: Genau. Mit Fanatikern diskutieren zu wollen, ist pure Zeitverschwendung, denn Fanatismus macht taub und blind für neue An- und Einsichten (was aber leider den exzessiven Mitteilungsdrang der Besessenen nicht hemmt, wie das immergleiche unendliche Gebroder schauerlich …ähm anschaulich demonstriert ;o).

    „Mit Fanatikern zu diskutieren, heißt mit einer gegnerischen Mannschaft Tauziehen spielen, die ihr Seilende um einen dicken Baum geschlungen hat.“
    (Hans Kasper)

  22. Ich war von meinem ersten Lebensjahr an Sparkassen-Kunde. Ich habe nie ein Sparschwein bekommen. Aber einige andere Behältnisse, darunter eine Spardose in Form eines Motorrad-Helms.

  23. Kitschfiguren sind der Fetisch der Hirnerweichten.

    Schön an den Schweinchen ist ja, daß man ganz unbefangen in die Auslagen der lokalen Sparkasse schauen kann, und wenn da kein Schweinchen ist, dann murmelt man bedenkenschwer „bei uns auch schon soweit“.

  24. Zwei mal drei macht vier, widewidewit und drei macht neune, wir machen uns die Welt, widewide wie sie uns gefällt.

    Wie wär’s mit einer Aktion: „Rettet das Niggemeier.“

    :-))

  25. „Und weil das Internet bekanntlich ein Medium ist, in dem zunehmend auf dem Niveau von Kannibalen-Selbsthilfegruppen diskutiert wird, kommt auch „Watchberlin” nicht ohne Henryk Modest Broder aus.“… kommt auch Niggemeier nicht ohne Watchberlin ohne Broder aus.

  26. @3: Ein Atatürkkissen als islamisch zu bezeichnen ist in etwa so sinnig wie ein Marxportrait ein christliches Heiligenbildchen zu nennen.

  27. Niggemeier schreit und alle bloggen hinterher…

    Was ist so falsch an Herrn Broder? Der gute Mann hat leider viel zu oft Recht…

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