Schnee von gestern

Ein schepperndes Vibrieren geht durch den Hubschrauber. Nach kurzer Zeit stehen wir so über der Autobahn, dass sich eine Zentralperspektive im modellierenden Gegenlicht ergibt, die die dramatische Situation der versunkenen Autos in den Schneewellen deutlich macht. Ich belichte dieses Motiv alternativ noch eine Blende unter bevor wir endgültig abdrehen und weiß, dass ich die Szene der Schneekatastrophe im Kasten habe.

Im Ressort „Eines Tages“ auf „Spiegel Online“ erzählt der Fotograf Kai Greiser, wie er seine spektakulären Aufnahmen von der Schneekatastrophe in Norddeutschland vor 30 Jahren machte. Unterwegs war er damals im Auftrag von „Spiegel“ und „Geo“, aber auch der „Stern“ wollte hinterher seine exklusiven Fotos haben — das von der Autobahn sogar für seine Titelseite.

Das entsprechende „Stern“-Cover sieht bei „Spiegel Online“ so aus:

Aber das muss eine Fotomontage sein. In der Bildergalerie mit den Fotos von Greiser sieht dieselbe Autobahn-Szene nämlich so aus:

Es fehlen die beiden Menschen im Vordergrund. Die tauchen stattdessen auf einer anderen Aufnahme von Greiser auf:

Legt man beide Bilder übereinander, bleibt kein Zweifel, dass jemand die Menschen aus dem eingeschneiten Dorf ausgeschnitten und auf die Autobahn verfrachtet hat:

War dem „Stern“ damals das dramatische Autobahn-Bild nicht dramatisch genug? Brauchte die Illustrierte den gestikulierenden Mann im Vordergrund, um die menschliche Dimension zu zeigen? Hat man sich damals beim „Stern“ routinemäßig Fotos zur Effektmaximierung zusammengeklöppelt? Ging das damals, ohne Photoshop und die Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung, so einfach? Oder hat Greiser selbst im Labor schon aus zwei Bildern eins gemacht? Und warum ist die Manipulation bei „Spiegel Online“ niemandem aufgefallen — obwohl sogar ein Leser schon darauf hingewiesen hat? Ist das womöglich gar nicht das Original-„Stern“-Titelbild, sondern eine nachträgliche Collage? Aber warum sollte jemand die anfertigen?

[mit Dank an Cédric Menge!]

Nachtrag, 30. Dezember. „Spiegel Online“ berichtet nun:

Der „Stern“ hat vor dreißig Jahren ein Titelbild getürkt – unbemerkt, bis einestages-Mitglied Dennis Winckler aufdeckte, dass die Illustrierte zwei Fotos der Schneekatastrophe von 1978/79 zu einem besonders dramatischen montiert hatte. Jetzt stürzen sich auch Medienblogs [sic] auf den Fall. (…)

„Ja, das ist so“, gibt der heutige „Stern“-Chefredakteur Thomas Osterkorn gegenüber einestages unumwunden zu, nachdem er zwei Negative aus dem Archiv auf den Schreibtisch bekommen übereinandergelegt hat. Und betont, dass beim „Stern“ nicht gekennzeichnete Bildmanipulationen heute „tabu“ seien – auch wenn das früher offenbar „etwas laxer gehandhabt“ worden sei. (…)

Chefredakteur Osterkorn schwört Stein und Bein, dass ein ähnlicher Schnitzer heute nicht möglich wäre. Im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung sei man längst hochsensibilisiert für mögliche Manipulationen – schon, weil sie heute so viel einfacher herzustellen und so viel schwerer zu entdecken seien als damals, als mit Schere und Klebestift getrickst wurde. „Wann immer wir feststellen, dass in einem Foto rummontiert wurde, fliegt das Bild raus“, erklärt Osterkorn kategorisch.

Fotograf Greiser sieht den Fälschungsfall von vor dreißig Jahren entspannt. „Ich habe das damals erst beim zweiten Hingucken gemerkt“, sagt der heutige Yachtfotograf. Den Retoucheuren beim „Stern“ ist er jedenfalls nicht Gram: „Das war so minimal in der Dramaturgie, ich habe das einfach hingenommen.“

Was „Spiegel Online“ nicht weiß, aber Alexander Svensson: Die Szene, die es später manipuliert auf den „Stern“-Titel schaffte, war als Bewegtbild am 1. Januar 1978 sogar in der „Tagesschau“ zu sehen (bei 1:10 Min.).

111 Replies to “Schnee von gestern”

  1. Mir ist das vorhin auch aufgefallen, als ich die Bilder durchgesehen habe. Ich bin allerdings davon ausgegangen, dass die damals schon für die Dramatik des Titelbildes zusammenmontiert wurden.

  2. Wieso? So läuft das Geschäft, die beiden hineinruschierten Menschen haben vermutlich dafür gesorgt, dass (bspw. ;–) 5000 Exemplare mehr verkauft worden sind.

  3. Doch, wiedermal ein Meisterwerk investigativer Arbeit, Herr Niggemeier! Titelbilder werden oft und im Rahmen der Möglichkeiten und Authentizität dramatisiert, das weiß jeder, der mal für eine Zeitschrift gearbeitet hat!

  4. dramatischer? ich finde, die sehen nach wie vor aus, als würden sie sich die zeit mit ein bisschen schneeballwerfen vertreiben.

    also gut, in verbindung mit dem dämlichen untertitel ‚der sechs-tage-krieg gegen den schnee‘ geht die geschichte anders. der mit den erhobenen händen wurde auf frischer tat ertappt und gestellt, bei der schneeballschlacht. später hat dann roland emmerich diese szene noch ein bisschen weiter ausgebaut und daraus ‚the day after tomorrow‘ gedreht.

  5. Eure üblichen klugscheißerischen Kommentare könntet Ihr Euch sparen. Lass den Niggemeier denken und lest einfach. Wen niemand Stefans Frage beantworten kann, ob der Stern selbst damals manipuliert oder evtl. Spiegel Online heute, dann will ich hier auch keine Kommentare lesen, kapiert?

    Ihr seid keine Medienkritiker. Ihr seid Mitleser. Merkt Euch das endlich mal…

  6. @8: nanana wer wird enn gleich ausfallend werden, Auf jeden Fall ne schöne Verschwörungsgeschichte. Obwohl ich is jetzt noch keine Fnords gefunden habe ;)

  7. @Stefan: Titelbilder sind montiert. Titelbilder haben keinen Anspruch auf Authentizität. Titelbilder müssen verkaufen. Das wollte ich damit sagen. Montagen werden überall eingesetzt, Spiegel, Stern, Focus, die Regenbogenpresse, Special Interest, die Frage ist doch eher: Wo wird NICHT montiert?

    Im Rahmen der Authentizität = Die hier genannte „Manipulation“ ist ja wohl eine Dramatisierung, die das Bild nicht in einen falschen Kontext setzt, insofern bewegt sie sich in einem authentischen Rahmen.

    Die Frage ist doch: Wo fängt die Manipulation an? Im Grunde doch schon bei der Wahl des Motivs oder des Bildausschnitts, oder? Denn ein Bild ist nur ein Ausschnitt einer von einem Fotografen wahrgenommenen Realität.

    Oder anders: Marschierende Soldaten zeigen, der Krieg geht voran, hungernde Kinder das Gegenteil.
    Es geht bei (foto-)journalistischer Arbeit nicht darum, ob ein Fleck mehr oder weniger auf einem Bild ist, sondern darum, Sachverhalte klar, ausgewogen und vor allem unvoreingenommen darzustellen.

    Außerdem ließen sich einige Ihre Fragen mit einem einfachen Anruf bei der Stern-Redaktion beantworten. Montage war auch ohne Photoshop möglich und was soll der Spiegel-Online-Redaktion denn bitte aufgefallen sein, wenn es sich einfach um ein Archiv-Titellbild des Sterns gehandelt hat?

  8. Ich habe es mir mittlerweile abgewöhnt jedem Foto zu glauben das ich sehe.

    Die Möglichkeiten der Manipulation sind doch enorm vielfältig geworden.

  9. @Stefan:
    Prima Recherche, Stefan Aust wurde u.a. auch für seine Titelbilder gelobt, die er letztlich zu bestimmen und zu vertreten hatte. Dabei hat er in der Tat „montierten“ lassen, bspw. Bildcollagen und so Zusammenhänge dargestellt, die sich gut verkauft haben.
    Das front cover ist doch das Aushängeschild und der Kunde trifft oft beim Betrachten desselben die Kaufentscheidung.
    Ich glaube, dass sich da noch einiges anderes finden liesse.

  10. @CRen: Bitte entschuldigen Sie meine Naivität, das war mir bis gerade nicht bekannt, dass Zeitschriften wie „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ nachrichtliche Bilder einfach nach Gutdünken fälschen und fälschen dürfen. Gilt das nur für Titelbilder? Oder auch für große Aufmachergeschichten innen?

    Und welche Formen der „Dramatisierung“ sind nach diesen Regeln zulässig? Montage aus verschiedenen Orten, aber derselben Schneekatastrophe: erlaubt? Montage aus Schneekatastrophenbildern mit Flutkatastrophenopfern: nicht erlaubt? Montage aus verschiedenen Schneekatastrophen: erlaubt, solange nicht mehr als zehn Jahre und/oder 200 Kilometer Abstand zwischen den einzelnen Bestandteilen liegen?

    Und der „Spiegel Online“-Redaktion hätte es natürlich auffallen können, weil alle drei Bilder oben aus derselben Bildergalerie stammen — einer Bildergalerie zu einem Artikel, in dem es um exakt das Foto geht, das der „Stern“ zeigt.

    Aber anders als Sie mir in Ihrem ersten Kommentar unterstellt haben, behaupte ich nicht, dass dieser Eintrag eine „investigative“ Arbeit war. Ich glaube auch nicht, dass der Fall mit dreißig Jahren Verspätung zum Skandal taugt. Aber erstaunlich, bemerkenswert, lehrreich finde ich ihn doch.

  11. Welch Leidenschaft, selbst an den Feiertagen die Feder zu schwingen, Stefan. Großartig! So wird das Land aus der Krise finden :-)

    Für mich geht die Montage bzw. Nachbearbeitung – in diesem Fall – in Ordnung. Reines Bauchgefühl … Schändlich ist, wenn einem Herrn Trittin, der einer Demo friedlich beiwohnt, nachträglich ein Schlagstock in die Hand montiert wird. Solche Schweinereien würden wir mit 7 Tagen Arrest belohnen. Nicht einen Tag weniger.

    Der eigentliche Skandal sind die 3 Zeilen unten links, auf dem Cover. „Das kinderfeindlichste Volk der Welt: Die Deutschen“ Vor 30 Jahren ??? Da muss man sich fragen, welch‘ kümmerlichen Einfluss große Medienhäuser auf die politische Führung haben. Keinen? Das ist zu wenig!

    Über diese Schwäche würde ich nachdenken, wenn ich Verleger wäre …

  12. @Cornelius:
    Du meinst „Welchen Einfluss haben die großen Medienhäuser auf die Bevölkerung [1]?“, nämlich anscheinend keinen besonderen.
    Die „Kinderfeindlichkeit“ hat der STERN immerhin 1978 noch so genannt, heute wird das gar nicht mehr ernsthaft thematisiert, stattdessen hat mans bspw. mehr mit dem Klima, den Eisbären und der Wirtschaftskrise, die Geburtenrate und deren Ursachen von, ich glaube, 1,3 pro Frau interessieren weniger.
    Aber schön angemerkt, ja das ist der eigentliche Skandal.
    (Wobei ich die Analyse und den Blogeintrag hier auch ganz toll finde. Schön ist dieses Montieren ja nicht.)

    [1] Die „politische Führung“ wird ja heutzutage glücklicherweise von der Bevölkerung gewählt.

  13. @harald: och bitte … „Klimakritik“ und Geburtenkrise hat hier wirklich nix zu suchen.

    Natürlich können wir unseren eigenen Lebensraum durch Überbevölkerung und rückssichtslosen Umgang mit der Umwelt zugrunderichten. Aber das ist ein anderes Thema

  14. @ harald (23): Aus der Kinderfeindlichkeit, die über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren kaum spürbar abgebaut wurde, ist ein demographischer Wandel geworden. Dieser Wandel wird zu einer finanziellen Katastrophe anwachsen, die wir uns heute nicht vorstellen mögen, da wir gerade so richtig schön im Mist stecken, den uns die Berufspolitik eingebrockt hat.

    @ Nobilitatis (24): Wir sind die Ritter der Tafelrunde. Die Retter des Abendlandes. Das Schwert und die Streitaxt sind unsere juristische Kompetenz.

    Sind 7 Tage Arrest zu wenig?

    Hoch lebe der Konjunktiv …

  15. @Cornelius: Trittin ist kein Schlagstock in die Hand montiert worden.

    Und wenn die „Stern“-Montage für Dich in Ordnung geht… Wäre sie auch noch in Ordnung, wenn der „Stern“ nicht zwei, sondern zwanzig zusätzliche Opfer ins Bild gepackt hätte? 200? Vielleicht noch ein paar umgestürzte LKW? Wäre es auch noch in Ordnung, wenn der „Stern“ ein Foto genommen hätte, das die Folgen eines Schneesturms in den USA zeigt — um im Sinne von CRen noch mehr Exemplare zu verkaufen? Wo ist die Grenze?

    Ich weiß auch, dass es ungezählte Möglichkeiten gibt, mit Fotos zu manipulieren und zu „lügen“, und sie fangen schon bei der Auswahl des Motivs an. Wenn es darum geht, Teile aus einem Bild auszuschneiden und in ein anderes Bild zu montieren, gibt es aber eine einzige, klare, einfache Grenze: Geht bei nachrichtlichen Fotos nie.

  16. Interessant wäre das Original-Titelbild aus sicherer Quelle, um wenigstens eingrenzen zu können, wann/wo das Bild, das bei einestages gezeigt wird, „passiert“ ist.

    Kommt jemand einfach an/in ein Zeitschriftenarchiv?

  17. @stefan: das klingt jetzt schon alles etwas weit hergeholt…

    aber in einem geb ich dir Recht: Warum sollte man sowas auf einer Titelseite durchgehen lassen nur um evtl. mehr Exemplare zu verkaufen? Das ist schon ziemlich fahrlässig.

    Wenn sich die Bild Zeitung eine Geschichte ausdenkt oder Fotos manipuliert , würde das auch keiner ok finden.

  18. @ 30:

    Sorry for Wortklaubärei:

    Der Konjunktiv in deiner letzten Aussage ist fehl am Platze. Und: Ein Bild wird nicht fahrlässig manipuliert, um mehr Auflage zu machen. Sondern vorsätzlich. Das ist ja gerade das schlimme.

  19. @Cornelius:
    Es ging mir darum klarzustellen, dass letztlich der Abnehmer Schuld trägt, also die Bevölkerung, ob beim Geburtendesaster oder bei den offenkundigen Fälschungen von Titelblättern.
    Auch die BILD wird fleissig gelesen, man bekommt es eben so, wie mans braucht.

  20. @ Stefan (28): Korrekt! Ich hatte es so in Erinnerung. „Bild“ hat lediglich ein Foto an den Rändern beschnitten und dann Hinweispfeile hineinmontiert, auf denen es hieß, bei der Demo habe ein Teilnehmer neben Trittin einen Schlagstock in der Hand gehabt, ein anderer einen Bolzenschneider. Tatsache ist, der eine hielt sich an dem Seil fest, das den Schwarzen Block der Demonstranten von Trittin trennte. Der andere hatte seine Hand am Dachträger des Lautsprecherwagens.

    Das bearbeitete Foto des Stern-Cover zeigt doch vorher und hinterher nichts anderes als eine verschneite Autobahn mit steckengebliebenen Fahrzeugen. Ich habe etwa 26 Fahrzeuge gezählt. Für mich ist die Montage der 2 Personen kein Problem, da ja 26 Fahrzeuge feststeckten. Von mir aus hätte der „Stern“ noch einen Hirsch und 3 Rehe an den Fahrbahnrand „pinseln“ können.

    Hineinmontierte umgestürzte LKW wären ein großes Problem für mich, weil dadurch der Wahrheitsgehalt beschädigt wäre. Das wäre eine erhebliche Bild-Manipulation. Die Grenze wäre ebenfalls überschritten, wenn der „Stern“ ein Bild aus den USA genommen hätte.

  21. Subjektive Kriterien könnens auch nicht sein, wer will denn entscheiden wieviel Authentizität bzw. wieviel Abweichung von den tatsächlichen Gegebenheiten herbeituschiert werden kann?
    Klar, Stefan (,ich) und andere empören sich über die möglicherweise stattgefundene Fälschung des STERN-Titelbilds, andere sehen die Sache flexibler und noch anderen ist alles egal, LOL.
    M.E. ist das weder eine Sache für den Presserat noch fürs Straf- oder Zivilrecht.
    Der Abnehmer muss selbst wählen; wer bspw. BILD konsumiert, der kriegt es halt „etwas“ derber, aber auch der SPIEGEL oder die SZ vermischen regelmässig Nachricht und Kommentar, was ich nicht sonderlich gut finde, wobei andere wiederum diese pädagogische Note zu mögen scheinen.

  22. @Stefan

    Meiner Meinung nach gehen Sie einigen auf den Leim, indem Sie sich überhaupt auf eine Grenzdiskussion einlassen. Denn sofort mit dem Aufstellen einer solchen Grenze wird man eine Debatte über den Verlauf einer solchen führen müssen (wie Sie es ja bereits tun).

    Im Grunde ist es aber ganz einfach: Eine irgendwie verschiebbare, interpretierbare Grenze existiert nicht.

    Photographie oder neudeutsch Fotografie bezeichnet nichts anderes als ein „technisches Verfahren, bei dem mit Hilfe von optischen Verfahren ein Lichtbild auf ein lichtempfindliches Medium projiziert und dort direkt dauerhaft gespeichert (analoges Verfahren) oder in elektronische Daten gewandelt und gespeichert wird (digitales Verfahren)“, im etwas weniger strengen, eben umgangssprachlichen Sinne ist auch noch das Lichtbild selbst sowie dessen (Ab)Druck mit der Bezeichnung umfaßt.

    Alles andere kann keine Photographie sein und ist folglich auch keine, denn es ist keine „Lichtzeichnung“. Es kann eine Collage sein oder eine Montage. Alle drei, Photographie, Collage, Montage sowie fast zahllose weitere Verfahren, die sich gelegentlich auch photographischer Mittel bedienen, können Kunst sein.

    Eine Photographie (ein Lichtbild oder eine Lichtzeichnung) kann eine Montage zeigen (das hängt vom Photographen und seinem Sujet ab) oder zu einer Montage, Collage oder einem Teil von ihr werden.

    Aber niemals ist es umgekehrt: Eine, wie im obigen Falle das „Stern“-Titelbild, Montage kann niemals eine Photographie sein.

    Eine Montage, die einem fachlich unkundigen, aber gemeinverständigen Betrachter vorgibt, eine Photographie zu sein, die also einerseits nicht offensichtlich als Montage zu erkennen ist, die andererseits ohne einen beigefügten ausdrücklichen Hinweis auf ihren Charakter als eben eine Montage daherkommt, sollte man auch weiterhin als das bezeichnen, was es ist:

    Als Fälschung.

    Denn sie ist nichts anderes. Da ist kein Interpretationsspielraum.

  23. Was den Warnhinweis „Dieses Bild ist eine Montage und keine Fotographie.“ obligatorisch, also rechtsverbindlich, werden liesse?
    (Und was wäre mit der Fotographie einer Montage, LOL?)

  24. Hey, nach gefälschten Hitler-Tagebüchern nun der nächste Stern-Skandal … auf http://opherden.com/wetterchronik/winter.htm gibt es einen anderen Scan des Titelbilds, auf dem die beiden Menschen natürlich auch zu sehen sind. Im Prinzip ist das ja auch eine ziemlich plumpe Montage, denn zumindest bei dem vorderen Mann müßten Fußstapfen im Schnee zu sehen sein. Und was ist eigentlich mit dem oberen Rand? Fehlt der lediglich in der Version des Originalbilds, oder wurde der Himmel hinzugemalt, um dem „stern“-Schriftzug mehr Geltung zu verleihen?

  25. @harald

    A) „Was den Warnhinweis „Dieses Bild ist eine Montage und keine Fotographie.” obligatorisch, also rechtsverbindlich, werden liesse?“

    Obligatorisch für ein Medium, das den Anspruch der Seriosität für sich erhebt, ja, wenn diese „Montage (…) einem fachlich unkundigen, aber gemeinverständigen Betrachter vorgibt, eine Photographie zu sein, die also (…) nicht offensichtlich als Montage zu erkennen ist…“. Eine Rechtsverbindlichkeit habe ich nirgends gefordert. Zuvor sollten schlicht ethische und/oder journalistische Maßstäbe greifen.

    B) „(Und was wäre mit der Fotographie einer Montage, LOL?)“

    Ich zitiere mich gleich nochmal selbst: „Eine Photographie (ein Lichtbild oder eine Lichtzeichnung) kann eine Montage zeigen (das hängt vom Photographen und seinem Sujet ab) oder zu einer Montage, Collage oder einem Teil von ihr werden.“

    Sie sehen vielleicht, daß ich diesem „Gegenargument“ bereits vorbeugte. Im übrigen ist eine Photographie, die eine Montage zeigt, deutlich als Photographie eben einer Montage zu erkennen (beispielsweise in Kunstmagazinen oder Kunstbüchern, die von Ausstellungen berichten und/oder Werke zeigen).

    Wo Sie jetzt ein „LOL“ finden, dürfen Sie mir gerne erklären…

  26. Ihrer hervorragende gradlinige Analyse, die ethische Normen setzt, ist aus meiner Sicht grundsätzlich zuzustimmen. Das Fotographieren von Montagen, wie anscheinend geschehen, ist in der Tat widerlich, das Wort „Fälschung“ schien mir aber an der Sache vorbeizugehen, ich weiß auch nicht was daran für den Konsumenten „deutlich zu erkennen ist“. Stefan ist, glaube ich, auch keinem auf den Leim gegangen. Aberr, ich bin beruhigt, dass keine Kennzeichnungspflicht gefordert worden ist. LOL
    Schöne Weihnachtstage noch!

  27. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass die Bildaussage durch die Fotomontage der 2 Personen nicht verändert wurde. Auf dem ursprünglichen Bild stehen ja auch 5 oder 6 Personen am Fahrbahnrand beim Gespräch. Hätten die 2 Personen z.B. ein Transparent mit der Aufschrift: „Enteignet Springer!“ in der Hand, wäre dies eine unzulässige, ja schändliche Manipulation. Ebenso, wenn man Krankenwagen oder Feuerwehrautos eingefügt hätte. Damit wäre die Dramatik des Bildes auf unzulässige Weise manipuliert. Wenn ein Foto mit einem unwesentlichen aber in der Sache wahrscheinlichen Detail aufgehübscht oder ergänzt wird, ohne die Bildaussage grundsätzlich zu verändern, sehe ich da keine Probleme. In solchen Fällen will ich nicht kleinlich sein … „Nicht päpstlicher als der Papst.“

  28. @harald

    Nachtrag: Es bräuchte auch nicht des von Ihnen ironisch „vorgeschlagenen“ langen Sermons, um eine Montage kenntlich zu machen. Sie finden auch heute noch in den meisten seriösen Zeitungen, Zeitschriften und bei deren Ablegern im Internet eine kleine Anmerkung unter oder neben einem Bild:

    „Foto: DPA“
    „Zeichnung: NASA“

    usw., usf.

    Also eine Bezeichnung dessen, was abgebildet ist, sowie eine Nennung der Quelle. Essentielle Dinge in meinen Augen, sowohl ethisch als auch journalistisch.

  29. Ich geb CRen und Cornelius Recht,
    Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit sind Werte, mit denen der Journalismus in seinem und unser Aller Interesse möglichst lasch und relaxt umgehen sollte. Sich einfach mal locker machen. Im Zweifelsfall eh alles egal.

    Meine Güte.

  30. Manchmal sollten die staatlichen und privaten „Standardmedien“ bei ihren (möglicherweise leicht modifizierten) Nachdrucken der Agenturmeldungen (gerade wenn es außenpolitische Ereignisse betrifft) auch gleich ein „Bericht: Reuters“ beifügen, oder? :–)

  31. @harald

    Ja! ;-)

    Ich muß lachen (Merci), obwohl es eigentlich traurig ist.

    @Cornelius

    „Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass die Bildaussage durch die Fotomontage der 2 Personen nicht verändert wurde.“

    Darauf kommt es auch nicht an. Wenn montiert wurde, ohne zu kennzeichnen, obwohl nicht als Montage offensichtlich, dann wurde ver- und folglich auch gefälscht. Das Ausmaß interessiert zunächst nicht, allenfalls der Zeitpunkt: Vor 30 Jahren? Oder deutlich später?

  32. @Peter Vierig:

    Die Frage ist allerdings, ob man wirklich eine klare Trennlinie ziehen kann zwischen „echter“ Fotografie und Manipulation. Die Kompakt-Digitalkameras, die in den Elektronikmärkten zu finden sind, speichern nämlich nicht die Rohdaten des Sensors, sondern eine u.U. bereits deutlich überarbeitete Version davon auf der Karte ab. Besonders beliebt sind Nachschärfen und Entrauschen. Kein Wunder: Durch den Megapixel-Wahn entfallen inzwischen bei den im Einsteigersegment üblichen kleinen Sensorflächen unter schlechten Lichtverhältnissen nur noch einzelne Photonen auf einen Sensorpunkt, was zwangsläufig zu einem Anstieg des Rauschens führen muss. Natürlich kann auch der beste Entrauschalgorithmus keine im Bild nicht vorhandene Information rekonstruieren; tatsächlich werden einfach hohe Frequenzen abgeschnitten, was zu Detailverlusten und den bekannten Artefakten führt.

    Aber auch diverse andere Griffe in die Trickkiste der digitalen Bildverarbeitung sind bei den Kameraherstellern beliebt, um den Qualitätseindruck des aufgenommenen Bildes zu verbessern und technische Unzulänglichkeiten wie zu kleine Sensoren zu kaschieren. Profifotografen bevorzugen aus diesen Gründen die Rohdaten (RAW), die von Kameras im Profisegment bereitgestellt werden, um die Kontrolle über sämtliche Verarbeitungsschritte des Bildes zu behalten.

    Auf der anderen Seite ist es selbst unter Profis nicht nur akzeptiert, sondern auch üblich, globale Bildmerkmale wie Farbtemperatur, Gamma, Helligkeit und Kontrast zu bearbeiten, etwa wenn ein ansonsten gutes Foto zu dunkel aufgenommen wurde oder das Design des Magazins, auf dessen Titel das Foto erscheinen soll, sonst nicht zur „Stimmung“ des Bildes passt.

    Man kann sicherlich berechtigt den Standpunkt vertreten, dass „echte“ Manipulation dort beginnt, wo lokale Bildmerkmale bearbeitet werden, aber letztlich bleibt es immer eine Illusion zu glauben, man könne den „reinen“, unverfälschten Bildeindruck des Fotografen in einer Aufnahme einfangen. Schon eine einfache Gammakorrektur kann eine bedrohlich dräuende Wolkenkulisse in heiteres Sommerwetter verwandeln, und letztlich sind selbst die Rohdaten der Kamera von bestimmten, vom Hersteller gewählten Betriebsparametern abhängig.

    Ich möchte damit keineswegs die dreisten Manipulationen gewisser Medien schönreden und gebe Ihnen in Ihrer Kritik auch weitgehend recht – nur glaube ich, dass nicht unbedingt offensichtlich ist, welche Manipulationen an Bildern erlaubt sein sollten und welche nicht.

  33. @kurt:
    Loge, Bilder geben aus verschiedenen Gründen nicht das wieder, was wirklich geschehen ist, der Forderung nach Fairness kann man sich aber kaum verschliessen.
    Politisch am wirkungsvollsten waren nach meiner Erinnerung die „Halbmanipulationen“ beim Bundestagswahlkampf 1980, als der Kopf des Kandidaten (desjenigen, den die Interviewer vom staatlichen Fernsehen anscheinend nicht mochten) immer übergroß und bildschirmüberfüllend dargestellt worden ist, zudem wurde dem armen Mann mit überstarker Beleuchtung massiv eingeheizt, LOL.
    Es wurde behauptet, dass diese „Halbmanipulation“ der Bilder seinerzeit wahlentscheidend war, verglichen damit sind die verkaufssteigernden Manipulationen (der hineintuschierte winkende Mann soll offensichtlich einen persönlichen Bezug bei der Kaufentscheidung bewirken) Hundepippi.

  34. @ Peter Viehrig (47): ich habe den vorliegenden Fall aus meiner persönlichen Sicht als Verbraucher bzw. Konsument beurteilt. Eine Empfehlung oder rechtliche Wertung würde ich nicht abgeben. Über den vorliegenden Fall würde ich auch nicht streiten wollen. Jede andere Meinung ist zulässig und für den Meinungsbildungsprozess eines jeden Lesers von Wert. Selbst die Ironie von „mathis“ (45).

  35. @kurt

    Vielen Dank für Ihre Ausführungen!

    Und bevor wir in eine Detaildiskussion über die möglichen Formen und Grade der Manipulationen vor und während eines photographischen Prozesses sowie danach einsteigen, die schier zahllos sind, bleibe ich bei der Grundregel, die einfach und deshalb auch einfach einzuhalten ist (oder wäre):

    „Eine Montage, die einem fachlich unkundigen, aber gemeinverständigen Betrachter vorgibt, eine Photographie zu sein, die also einerseits nicht offensichtlich als Montage zu erkennen ist, die andererseits ohne einen beigefügten ausdrücklichen Hinweis auf ihren Charakter als eben eine Montage daherkommt, sollte man auch weiterhin als das bezeichnen, was es ist:

    Als Fälschung.“

    „– nur glaube ich, dass nicht unbedingt offensichtlich ist, welche Manipulationen an Bildern erlaubt sein sollten und welche nicht.“

    Ich selbst bin für die strengstmögliche Auslegung, weshalb ich auch noch immer die digitale Photographie äußerst skeptisch sehe (wenn auch aus dem redaktionellen Alltag nicht mehr wegzudenken, das ist mir auch klar) und die analoge ist ja auch nicht gefeit, sei es durch Filter- und Filmwahl usw…

    Aber soweit will ich gar nicht gehen, es wäre schon viel gewonnen, wenn eben eine „Montage, die einem fachlich unkundigen, aber gemeinverständigen Betrachter vorgibt, eine Photographie zu sein, die also (…) nicht offensichtlich als Montage zu erkennen ist…“ als solche gekennzeichnet würde.

    Das umfaßt auf jeden Fall das Hineinbasteln von Reflexionen in Blutlachen oder eben das Hineinkopieren von Menschen, die gar nicht da sind.

    Da bleiben genügend streitbare Fälle übrig, wie von harald zu recht erwähnt, das „Stern“-Titelbild ist aber dann keiner mehr. Und die anderen diskutiere ich jetzt lieber nicht, denn das würde uferlos, wie Sie sicher einsehen.

  36. Ich gehe da mit Kommentator kurt konform. Es gibt auch Bildredakteure und Fotografen, die Freisteller oder gekonterte Bilder als unzulässige Manipulation betrachten. Und was ist mit den ganzen TV-sowieso-Covern, bei denen die Titel-Models derartig mit Photoshop zugekleistert werden, dass es nur so kracht? Schön wäre es ja zu wissen, wie der Stern in dem Heft selbst das Bild bezeichnet. Vielleicht steht das als Credit sogar „Montage“. Dann wäre die ganze Aufregung für die Katz :-)

  37. PS. Und da fällt mir ein: Wer sagt denn überhaupt, dass das Titelbild die Fälschung ist und nicht die beiden anderen Bilder? Wobei wir wieder bei der grundsätzlichen Frage wären … sigh!

  38. @CRen:
    „Titelbilder haben keinen Anspruch auf Authentizität. Titelbilder müssen verkaufen.“

    Mich interessiert sehr, wieso das so ist.
    Ist es formalistisch, auf unveränderten Fotos zu bestehen? Kommt es nur darauf an, dass das ggf. veränderte Bild die zu erzählende Story illustriert?

    Meines Erachtens sollten Fotos, die eine Nachricht illustrieren, ein möglichst unverfälschtes Bild der Wahrheit geben. Ein Titel wie der Stern, der mit Fotoreportagen um Leser wirbt, erhebt sehr wohl implizit den Anspruch, die Wahrheit unverfälscht abzubilden. Und das gilt natürlich auch für das Titelbild.
    Es irritiert mich, dass die Redaktion dieses Magazins sich bei der Illustration eines realen Geschehens einerseits der suggestiven Kraft von Fotos bedient, andererseits aber soll behaupten dürfen, seine Bilder seien nicht notwendig authentisch.
    Bilder zu manipulieren, damit sich ein Blatt besser verkauft, ist nicht ein kleiner Marketing-Trick, sondern eine eklatante Verletzung jounalistischer Standards. Das Geschehen, das hier abgebildet ist, ist so nie passiert.
    Dieser journalistische Standard, der hier wie Pedanterie wirkt, weil diese zwei Männchen auf dem Bild niemanden tatsächlich stören, kann in anderem Zusammenhang vor großen Fehlern schützen — Stichwort „Hitlertagebücher“. Journalistische Standards bewirken Glaubwürdigkeit, und die ist Geld wert.

  39. @ Cedric #29: Es war nicht das Titelbild, sondern das grosse Foto der Seite 3 des Blicks am zweiten Tag der Berichterstattung über das Massaker. Habe die Seite als PDF-Faksimile gespeichert, falls es Dich noch interessiert, kann ich es Dir senden.

  40. @Stefan: „Wo ist die Grenze?“

    Die Grenze gibt es nicht. Sie ist selbstgesetzt, das muss jeder Chefredakteur, jedes Redaktionshaus, jeder Verlag und nicht zuletzt jeder Redakteur für sich entscheiden. Im (freiwilligen) Pressekodex findet sich keine Regel zur Bildbearbeitung, nur zur „Wahrhaftigkeit“. Die aber ist, wie gesagt, freiwillig. Abgesehen von den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Presse sonst an keine Regeln zu halten außer die eigenen Redaktionsrichtlinien. Es gibt keine Grenze, solange keine Irreführung erfolgt. Und die erfolgt, wie ich selber meine, tagtäglich in TV, Print und Internet durch die reine Subjektivität des bearbeitenden Redakteurs oder Autors.

    @JonasA: Es gibt keine unverfälschte Wahrheit, frei nach dem Motto: Wenn im Wald ein Baum umfällt und keiner hat’s gesehen – ist der Baum dann umgefallen? Meine Wahrheit ist eine andere als Ihre, die des Sterns eine andere als die von Herrn Niggemeier. Was, wenn es Leute gab, die Schnee rumrannten, aber der Fotograf gerade in dem Moment NICHT abgedrückt hat? Was ist dann die Realität? Die Manipulation oder das „echte“ Bild?

    Die Vorgehensweise ist übrigens keine „Verletzung journalistischer Standards“, sondern journalistischer Standard. Denn ein Bild ist eben nicht die Realität, schon einfache Arbeiten wie Beschneiden, Verkleinern oder eben auch Drucken ist bereits eine Verfälschung des Originals und damit der Dargestellten Realität. Sogar die Platzierung einer Bildunterschrift ist oft genug eine Manipulation.

    @grey: Der Fall aus dem Jahr 2006 ist eine überaus plumpe Manipulation, ja. Aber sie stellt den Sachverhalt deshalb ja nicht falsch dar: Beirut brennt, in dem Moment der Aufnahme nicht so heftig wie im Bild dargestellt, aber letztlich nimmt der Leser die Information „Beirut brennt“ auf, womit der journaiistische Anspruch durchaus erfüllt ist. Darüber zu diskutieren, wie heftig es brennt, ist zynische, menschenverachtende Erbsenzählerei. Es geht darum, was das Bild transportiert, nicht um das Bild selbst.

    Angenommen, ich hätte riesige Leichenberge in Somalia gesehen. Angenommen, meine Kamera wäre in dem Moment nicht funktionsfähig gewesen. Angenommen, ich hätte aus Fotos weniger dramatischer Leichenberge einen riesigen Leichenberg montiert…
    WAS ist dann die Realität? Die Info: Wenige Leichen (echtes Foto) oder die Info: Riesige Leichenberge (das montierte Bild)?

    Manchmal muss für die Wahrheit gefälscht werden, denn ein Foto ist nur eine Form der Berichterstattung und genauso viel oder wenig authentisch wie eine Reportage in Textform, die, wie jeder komischerweise weiß, immer subjektiv ist.

  41. @CRen:

    Die Vorgehensweise ist übrigens keine „Verletzung journalistischer Standards”, sondern journalistischer Standard.

    Selbst wenn die Fälschung von Fotos durch solche Montagen journalistischer Standard wäre, was ich nach wie vor bezweifle, bliebe sie eine Verletzung journalistischer Standards.

  42. vgl: Pressekodex, Richtlinie 2.2:

    Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten.

    So sind (…) Fotomontagen oder sonstige Veränderungen deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen.

  43. Die Fotomontage auf dem Sterntitelbild wirkt dramtischer als das Orginalfoto. Die Personen auf dem Orginal rechts neben der Fahrbahn wirken eher unbeteiligt, als ob sie sich langweilen würden. Die Szenerie wirkt verlassen, leer. Die Person mit den erhobenen Armen vor dem Haus irgendwo im Nirgendwo befindet sich bei der Sternmontage im Zentrum des Bildes. Sie vermittelt eine gewisse Aktivität oder auch Hilflosigkeit.
    Man siehe sich einmal das Format beider Bilder an. Das Orginal hätte unmöglich mit seinem gesamten Inhalt auf die Titelseite gepasst. Also mussten die Personen rechts entfernt werden. Nun hatte man aber ein Problem. Die Szene wirkt nun noch verlassener. Also mussten wieder Menschen her, die dolle frieren und Hilfe benötigen. Sieht man sich das Logo des Stern an, wird auch klar, warum man rechts abgeschnitten hat. Es hätte sonst einen Teil der Szenerie abgedeckt. Und das sieht nun einmal stümperhaft aus. Ein Dilemma für den Illustrator …also hat man die Person mit den hochgestreckten Armen reingebastelt und zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen.

  44. Weihnachten muss schon es einigen Leuten wirklich langweilig sein, wenn man sich seitenlang über eine drei Dekaden zurückliegende Montage so echauffieren kann (natürlich auch gleich mit viel Jura-Blabla, ganz so wie es uns Deutschen gut steht).

    Da stehen zwei Menschen im Schnee – na und? Die Szene hätte in der Wirklichkeit so aussehen können, die Übertreibung ist in diesem Fall also völlig unerheblich und überdies genauso schadhaft wie der Unterschied in den Aussagen „Das Foto ist dramatisch“ und „Das Foto ist sehr dramatisch“.

    Als ob’s keine echten Probleme gäbe …

  45. was ist mit dem fehlenden hinweis auf dem titel: der stern ist keine zeitschrift, sondern ein tittenheftchen mit kochrezepten?
    der fehlt auch.

    peter viehring, was sagen sie dazu?

    und überhaupt: schön, sie hier alle an weihnachten zu treffen.

  46. Man staunt, wie viele eine derartige Manipulation verteidigen. Genausowenig wie man Zitate verfälschen sollte oder Angela Merkels Kopf auf einen Supermodelkörper schrauben darf, nur weil man sie subjektiv geil findet, sollte man hilflos erscheinende Menschen in eine Schneelandschaft basteln. Weder spricht für diese Praxis, dass es jeder macht, noch, dass man sich vom Gefühl her nicht gestört fühlt.

  47. Nun, nach 30 Jahren mag die Sache in der Tat verjährt erscheinen, aber wer sich an die seinerzeitigen oft linken und moralischen Ergüsse des STERN aus dieser Zeit erinnert wird vielleicht doch ein wenig grunzen können bzgl. der anscheinend dort zeitgleich gepflegten journalistisch-ethischen Standards.

  48. @ Armin: Falsch – wir regen uns hier nicht über eine 30 Jahre alte Montage auf, sondern diskutieren die auch heute noch relevante Bedeutung einer solchen Manipulation. Die Diskussion wird im Photoshop/Handyreporter-Zeitalter immer wichtiger. Und wenn sie nicht hier geführt wird – wo dann?

    Die Beiläufigkeit, mit der manche hier kein Problem darin sehen, von NACHRICHTENbildern betrogen zu werden, zeugt in meinen Augen von gefährlicher Nonchalance.

    „Manchmal muss für die Wahrheit gefälscht werden“ – da fallen mir die Haare aus. It’s like fucking for virginity.

    Wenn es okay ist, durch die Hinzufügung der Männer im Schnee 5000 Ausgaben mehr zu verkaufen – stünde dann zu befürchten, eine kleine Notiz am Bildrand („Fotomontage“) hätte 5000 weniger verkauft? Es mag angehen, aus wirtschaftlichen Gründen Cover aufzujazzen – aber dann bitte nach Ansage!

  49. Es gibt hier nichts zu deuteln: Ein Foto darf nicht manipuliert werden, und in den meisten Redaktionen gilt dieser Grundsatz als eiserne Regel. Heißt: „Photoshoppen“ ist nur bei technisch bedingten Flecken, Streifen o.ä. auf dem Bild erlaubt, aber nicht im Bild selbst. Gute Fotoredakteure stellen sogar nur dann am Kontrast herum, wenn das über den Lichteindruck nicht die gefühlte Tageszeit eines Bildes verändert. Erlaubt ist allein der Beschnitt, durch den ein Motiv näher herangeholt oder in die Mitte (oder in den „Goldenen Schnitt“) gesetzt wird. Wenn aber dadurch, sagen wir, die Oma abgeschnitten wird, die der gerade wild losrennende Punk in der letzten Zehntelsekunde vor einem Lkw retten will, um das Bild dann mit „Gewaltbereitschaft“ zu unterschreiben, ist natürlich auch das verboten, selbst wenn sonst am Bild nicht gebastelt wird… Es gibt hier kein „geht noch“, sondern eigentlich herrscht schon immer Klarheit: Man tut so etwas nicht. „Verfälschen und aus dem ursprünglichen Zusammenhang reißen verboten“ steht übrigens auch sinngemäß in den AGB von Fotoagenturen.

  50. Andererseits darf man natürlich alles. Merkel trägt die Krone der Queen (wäre ein klassischer „Aust“): Fotos: Max Mütze/Fritz Brause, Montage: „Der Spiegel“- tut nicht weh und ist seriös.

  51. @ 67: Eindeutig falsch, Herr Dewi!
    Die Titelseite des „Stern“ war und ist niemals der Platz für das, was Sie ein „NACHRICHTENbild“ nennen. Zeigen Sie mir einen, nur einen einzigen Titel aus dem Jahr 2008, der aus einem „NACHRICHTENbild“ besteht.
    Für „Spiegel“ und „Focus“ gilt das ebenso.

  52. @ Fred
    Das ist doch der Witz. Das Schnee-Cover gibt sich als NACHRICHTENbild, ist aber gar keins…*schnüff*

  53. Danke für die Beispiele aus den Jahren 2002 und 2005. Woher wissen wir aber, dass hier nicht auch ein wenig nachgeholfen wurde, ähnlich wie bei dem Schneebild?
    Und welche „NACHRICHTENbilder” gab es als Stern-Titel 2008, 2007 oder 2006?

  54. Worin bestehen denn die „Nachrichten“ in den von Ihnen genannten Titelbildern?
    Und woher wissen Sie, dass hier nicht manipuliert wurde?
    Und selbst, wenn es früher mal „Nachrichtenbilder“ auf der Titelseite des „Stern“ gab, wo waren die 2008?
    Gerne ändere ich „niemals“ in „selten“, wenn Sie es überzeugend belegen können.

  55. @ 78:
    Und wenn Sie schon beim Einkaufen sind, sehr geehrter Herr Dewi:
    Wie wäre es mit einer kleinen Portion ganz normaler Umgangstöne?

  56. @Torsten Dewi, #67:

    „Die Beiläufigkeit, mit der manche hier kein Problem darin sehen, von NACHRICHTENbildern betrogen zu werden, zeugt in meinen Augen von gefährlicher Nonchalance.“

    Ich denke das liegt weniger an Nonchalance, und mehr daran, dass die meisten hier, wenn es um „Nachrichten“ geht, einfach aus Prinzip und teilweise bitterer Erfahrung schon gar nicht mehr davon ausgehen, dass ihnen ( und uns ) in den Medien die „Wahrheit“ gesagt wird.
    So weit es die Medien angeht, ist die Wahrheit relativ, und wird meistens durch den bestimmt, der die dahinter stehenden Informationen kontrolliert.
    Die Redaktionen filtern, selektieren, überpinseln, bemalen, und servieren uns dann ein Produkt, das all zu oft mit der Wahrheit so wenig zu tun hat wie Fast Food mit gesunder Ernährung.

    Es liegt am Rezipienten, zu entscheiden, welche „Nachricht“ er als glaubwürdig einschätzt, und sich ggfs. aus alternativen Quellen zu informieren. Wer sich dabei ausschliesslich auf Menschen verlässt, deren Job davon abhängt, möglichst viele Zeitschriften zu verkaufen, oder eine möglichst hohe Quote zu erzielen, muss sich nicht wundern, wenn er das Opfer von Medienmanipulation wird.

    Was das Stern Titelbild betrifft, so stimme ich AgentOrange in #61 zu. Das Originalbild wurde aus dramaturgischen und optischen Gründen verändert. Letzteres, damit es sich überhaupt als Titelbild eignete, und ersteres, um die in dem Bild enthaltene Nachricht noch etwas zu „verstärken“.
    Jeder muss selbst entscheiden, ob damit die Grenze zur unerlaubten Manipulation überschritten wird.
    Ich persönlich denke, das ist nicht der Fall.
    Die Kernaussage des Bildes bleibt bestehen, nämlich: da ist eine gottverdammt große Menge Schnee, und nichts geht mehr.

    Mal abgesehen davon, dass die Manipulation echt schlecht ist.
    Wen man sich das Foto genauer anschaut, müsste einem auffallen, dass die beiden Personen im Vordergrund viel größer sind, als sie sein sollten ( im Verhältnis zum restlichen Bild ), und auch anders belichtet wurden.
    Das sieht aus wie eines dieser schlechten UFO-Fotos. ^^

  57. @ B. Schuss: Wie bereits erwähnt – die Montage an sich ist nicht das Problem. Es ist die mangelnde Kennzeichnung als solche.

    Generell: Eine Gesellschaft kann nicht funktionieren, wenn ich (aus was für Gründen auch immer) a priori unterstelle, belogen zu werden. Wenn ich glaube, dass Nachrichten lügen. Meine Mitmenschen lügen. Meine Frau lügt. Meine Regierung lügt. Weil ich dann keine Basis für eigene Entscheidungen mehr habe. Weil die Wahrheit dann keinen Wert mehr besitzt. Wahrheit oder Unwahrheit? Egal, wenn ich sowieso davon ausgehe, belogen zu werden.

    Es mag naiv klingen, aber die Basis unseres Zusammenlebens ist Vertrauen und Ehrlichkeit. Menschen, die dem zuwiderhandeln, müssen entdeckt und gebrandmarkt werden. Der Zynismus „ist doch eh alles die gleiche Scheiße“ ist nicht cool, sondern schädlich.

  58. Das Ganze ist doch eine Diskussion um des Kaisers Bart. Das Stern-Cover vermittelt den Eindruck der Authentizität, so als ob es ein „reines“ Nachrichtenbild sein wolle, ein Zeitdokument eben. Und ich würde mal unterstellen das dieser Eindruck auch bewusst so gewählt wurde, dem Leser (Kunden) zu zeigen, WIR (der Stern) haben DIE Wahrheit zum Thema. Dabei ist dieses Bild eine Lüge (und das wäre es auch, wenn nur eine Person, ein Schneehase oder 300 LKW’s hineinmontiert worden wären), dieses Bild ist defakto nicht real und somit als Montage zu kennzeichnen. Und das ganze ungeachtet der Bildaussage. Ob die sich nun verändert oder nicht ist völlig sekundär. Manipuliert ist manipuliert. Genau wie schwanger schwanger ist. Ein bischen gibt es nicht.

  59. Auflösung: Ein Freund von mir war gerade im Stern-Archiv und hat sich das Originalcover angeschaut, nebst Credit. Dort ist nichts von Montage zu lesen, sondern nur: „Titelfoto: Kai Greiser“. Tja.

  60. Beeinflusst der Zeitpunkt der Veroeffentlichung eigentlich die Meinungsbildung? Ich meine, dass vor 30 Jahren die Meinungsbildung ueber die Foto-Kennzeichnung einfach noch nicht soweit war, wundert mich nicht. In 30 Jahren wird man sich vielleicht ueber den einen oder anderen journalistischen Standard von heute sehr wundern (oder ueber das BKA-Gesetz und die Terroristenangst oder eben andere Moden a la 2008)

  61. In 30 Jahren wird sich niemand mehr über die Terroristenangst wundern, da gibts wahrscheinlich ein tägliches Terrorwetter additiv zum Wetterbericht. ;–)

    Es war übrigens auch damals schon Betrug am Leser, oder?

  62. @Oktogramm

    Danke für die Auflösung.

    @harald

    Sie bringen die Frage auf jenen Punkt, den ich in dieser Debatte für einen oder sogar den entscheidenden halte. Die Fälschung des Bildes war natürlich auch schon damals ein Betrug am Leser, eine wichtige Einschränkung bleibt jedoch, denn die obige Bildfälschung fand vor der Veröffentlichung der sogenannten Hitler-Tagebücher im Stern statt. Nach seitdem stets wiederholtem Selbstbekenntnis des Stern habe diese journalistische Pleite das Selbstverständnis des Stern einschneidend verändert.

    Im Nachgang ist dies das einzige, was die Vorwürfe an den Stern tatsächlich in ein milderes Lichte tauchen könnte. Nämlich dann, wenn sich das Selbstverständnis des Stern wirklich seitdem verändert hat, wenn also der Stern wenigstens nach diesem Skandal vor 25 Jahren andere ethische und journalistische Standards gezeigt hat und zeigt.

    Nun, nach 25 Jahren, wäre es vielleicht an der Zeit, das anhand des Umganges des Sterns mit Titelbildmontagen zu prüfen. Und ich will zugeben, ich vermag dies nicht. Ich lese den Stern nicht, schenke ihm praktisch kaum Beachtung. Und vielleicht tue ich ihm damit Unrecht? Die Art der Aufbereitung der journalistischen Inhalte mag mir bei ihm noch immer so erscheinen, daß ich ihn nicht lesen mag. Doch womöglich arbeitet er inzwischen zumindest sauber? Weitgehend wenigstens? Auf Lappalien würde ich dabei jetzt nicht abheben, sondern auf die grundsätzliche Frage eine Antwort haben wollen: Fälscht er noch immer? Oder läßt er noch immer fälschen? Oder sind seine journalistischen Standards noch immer so miserabel, daß er sich weiterhin einfach Fälschungen unterjubeln läßt?

    Der heutige Umgang des Stern mit Bildern und der Kennzeichnung derselben, insbesondere bei Montagen, die nicht offensichtlich als solche zu erkennen sind, könnte das sehr gut aufzeigen.

    Vielleicht kann man wenigstens insoweit gegenüber dem Stern ein Stück weit das Mißtrauen ablegen? Dann würde ich meinem Urteil noch ein bißchen Milde hinzufügen und sagen: „Ok, Schwamm drüber.“ Kann ich das inzwischen?

  63. Der Stern ist ausgesprochen kompetent, was Bildberichterstattung anbetrifft. Auf dem Titelbild befinden sich in der Regel Montagen, gern unbekleidete Frauen. Fälschungen sind mir in den letzten Jahren (ich lese regelmäßig) nicht aufgefallen.

  64. Ich frage mich, wie die beiden Personen ohne Fussstapfen da in den hohen Schnee kommen … – und wieso sie sich überhaupt nicht herausbewegen wollen. Das, meine Herren, sind doch die wesentlichen Fragen, oder nicht … ;-)

  65. @Nobilitatis

    Das fatale an Fälschungen ist ja gerade, daß sie gewöhnlich einem fachlich unkundigen (was ich bei Ihnen natürlich nicht weiß, aber mal vermute) eben nicht auffallen.

    Bewahren Sie womöglich die Ausgaben des Stern auf? Wenn ja, könnten Sie vielleicht einmal einen Blick auf die Kennzeichnung der Montagen werfen, die Ihnen als solche aufgefallen oder offensichtlich sind? Das wäre in der Tat ein Indiz.

  66. Ich muss sagen, dass ich den Eifer, mit dem hier in den Kommentaren digitale Schnitzel-, Schnipsel- und Fitzeljagd betrieben wird, etwas wunderlich finde. Vieles liest sich, als sei die Erkenntnis, dass die Bilder lügen können (und immer schon konnten), erst Weihnachten 2008 mit diesem milde manipulierten Anno-Tobak-STERN-Cover unter die Menschen gefallen.

    Die Montage von zwei Männeken in eine schneebedeckte Autobahn eignet sich angesichts dessen, was uns an politisch und militärisch gewollter Bildfälschung umgibt, kaum zum Aufregerthema. Alle Energie, die hier für dieses Bild aufgewendet wird, wäre bei anderen Fällen besser angelegt. Gerade dann, wenn es (wie ich es verstehe) gar nicht um das Bild geht, sondern ums PRINZIP. Das Bild eignet sich wirklich besonders schlecht für die Verteidigung des Prinzips, denn die Manipulation ist so unwahrscheinlich irrelevant, dass man eigentlich nur mit den Schultern zucken kann.

    Für „gefährliche Nonchalance“, das muß ich auch noch sagen, halte ich es, sich und anderen einzureden, man könne den Bildern noch trauen. Es ist sinnlos, im digitalen Zeitalter die Möglichkeit von Bildfälschung allein anhand von freiwilligen Pressekodizes zu diskutieren. Mindestens genauso wichtig ist (spätestens mit dem Web 2.0) ein Betrachterkodex, der lautet müsste: Misstraue den Bildern.

  67. Zitat:
    „Das Bild eignet sich wirklich besonders schlecht für die Verteidigung des Prinzips, denn die Manipulation ist so unwahrscheinlich irrelevant, (..)

    Und wem gehört die Deutungshoheit über die Relevanz der Manipulation? Dem jeweiligen Leser! Und damit dieser sie auch hat, gibt es genau eine logische Lösung: JEDE Manipulation als solche zu kennzeichnen.

    Persönlich finde ich die Montage des Sterncovers für vertretbar, das Bild wurde aus meiner subjektiven Perspektive ein wenig gehübscht, die Aussage(kraft) bleibt unverändert.
    Und warum kann ich entscheiden, diese Manipulation als reine Kosmetik zu betrachten und so für nicht weiter fragwürdig zu befinden? Weil ich weiß, das es eine Manipulation ist! Steht ja schließlich daneben. Ach ne, stimmt ja gar nicht…

    Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die Deutungshoheit über die Wertigkeit von Veränderungen an Fotos niemals bei den Machern der Zeitschriften liegen sollte. Nicht weil die alle doof sind oder böse, sondern weil es jedem einzelnen Leser selber überlassen sein sollte, sich eine Meinung anhand eines Fotos oder auch nur über ein Foto zu bilden. Das ist das Prinzip, um das es hier geht.

    Als Argument gegen ein solches Prinzip habe ich aus der bisherigen Diskussion entnommen, dass schon alleine durch die Wahl einer bestimmten Perspektive, Wahl der Belichtung usw. ein fähiger Fotograf die Möglichkeiten hat, Intentionen in ein Bild einzuflechten, die sich aus dem realen Geschehen vielleicht nicht ergeben. Folglich können Manipulationen bereits bei Entstehung eines Fotos geschehen, wo sie von dem oben beschrieben Prinzip noch nicht berührt werden.
    Und weil etwas von Anfang an nicht perfekt ist, vielleicht nicht perfekt sein kann, erübrigen sich spätere Qualitätsstandards? Wo wird das sonst noch so gemacht?

    Das zweite Argument, das mir ins Auge fällt, war eben das der Relevanz dieser speziellen Montage. Dazu habe ich eingangs schon Stellung bezogen. Und mal ehrlich: Wenn man die Relevanz von Dingen, die man tut, schreibt, kommentiert, an der Relevanz anderer Probleme misst: Schlimmer geht immer. Aber daraus darf nicht folgen, dass weniger schlimm so gut wie nicht schlimm ist. Das wäre aber die logische Konsequenz dieses Arguments.

  68. @fulie:
    Grundsätzlich alles richtig, die Schlimmheit der Manipulation ist zu erörtern, 30 Jahre danach. LOL
    Ich denke aber, dass heutzutage in der Tat nicht mehr so lässig manipuliert wird.

  69. @ MG: Eben weil die Schnee-Montage im Vergleich zu „Kriegsbildern“ vielleicht unwichtig oder unrelevant ist, laesst sich das PRINZIP, inklusive der sogenannten Grenzziehung, am besten diskutieren. Spaeter kann man das Prinzip auf alle Bilder uebertragen — ob es der Schweiss der Kanzlerin ist oder eine Spiegelei, damit der Fotografierte nicht aus der Zeitung herausguckt/herauslaeuft, oder eben auch auf Kriegsbilder.

    @ harald: War es damals schon Betrug am Leser (unjuristisch gesehen)? Ja, ich denke schon. Alle Techniken, die der Leser bei der Zeitungsproduktion nicht kennt und die die bildliche oder textliche Darstellung beeinflussen, sind wohl Betrug. Also das „Nachzurren“ von Interviews (heisst offiziell wohl Autorisieren) oder auch das Kuerzen, das Zitieren von Politikern, obwohl nur die Pressesprecher reden. Wird wohl nie kenntlich gemacht, zB durch: „Dieses Interview wurde autorisiert und weicht zu xx Prozent vom urspruenglich gefuehrten Interview ab.“

    Gelegentlich wehren sich die Medien mal dagegen, die taz druckte mal ein Interview ab, in dem alle Antowrten weggestrichen waren, aber da sie das Spiel schon zu lange mitgespielt haben, koennen sie diesen „Vertrag zu Lasten des Lesers“ jetzt kaum mehr kuendigen.

  70. Schon gesehen? Bei einestages macht man die Montage nun zum Thema: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/3406/winkewinke_auf_der_autobahn.html – klar, man walzt die Entdeckung innerhalb der Kommentarfunktion von einestages genüßlich als Eigenleistung aus und erwähnt immerhin erstaunlich präzise, ein „Medienblog“ habe sich „am 26. Dezember 2008 um 13.45 Uhr“ des Themas angenommen – aber welches Blog das war, erfährt man nicht …

  71. @Torsten, #82: klar kann die Gesellschaft funktionieren. Die Basis für die eigene Entscheidung muss eben das EIGENE Urteil sein, nicht das Urteil einer anderen Person, wie „vertrauenswürdig“ diese auch erscheinen mag.
    Die Vergangenheit hat schliesslich mehr als deutlich gezeigt, dass alle Menschen lügen, egal ob Politiker, Journalisten, Wirtschaftsbosse oder auch der Kioskbesitzer um die Ecke.
    Ich sage ja gar nicht, dass alle immer lügen.
    Und natürlich ist das gegenseitige Vertrauen eine wichtige Basis für das Funktionieren einer Gesellschaft. Aber Vertrauen kann auch blind machen. Du magst es zynisch nennen, aber vorbehaltloses Vertrauen in andere ist heutzutage einfach nicht mehr angebracht, besonders wenn es um die Medien geht. Zeigt uns Stefan beim bildblog und auch hier doch oft genug.
    Klar kann man seinen Freunden vertrauen, seiner Familie, seinen Kollegen.
    Aber bei Amtsträgern und Journalisten bin ich dann doch eher vorsichtig geworden. Ich denke, zu einem mündigen Bürger gehört heutzutage auch die Fähigkeit, Informationen, die ihm aus den Medien, der Wirtschaft, und der Politik entgegen kommen, zu deuten, in den richtigen Kontext einzuordnen, und ggfs. mit alternativen Quellen kritisch zu hinterfragen.
    Und das führt nicht zwangsläufig zum Ende der Gesellschaft, sondern ich denke vielmehr es macht sie stärker, es bringt sie voran.

    Meine ursprüngliche Aussage war vielleicht etwas zu hart.
    Ich werde es so formulieren: gerade bei Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Medien sollte man zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass manipuliert wird. Gesundes Misstrauen halt. Vielleicht nicht gegenüber jedem, aber doch gegenüber jenen, deren täglich Brot davon abhängt, dass sie Nachrichten in einer bestimmten Art und Weise produzieren.

    Und das hat meiner Ansicht nach nichts mit einer besonders zynischen Weltsicht auf der einen, oder besonders naiven Weltsicht auf der anderen Seite zu tun. Das sind extreme Positionen, und die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
    Zynische Naivität, naiver Zynismus, nenn es wie du willst…^^

  72. PS: ich denke, Stefans aktueller Blogeintrag zum Thema getötete Kinder / Kriminalstatistik illustriert recht deutlich, was ich meine…

  73. @ B.Schuss – eben so wird ein Schuh draus. Skepsis ist angebracht und vernünftig, aber oft genug habe ich keinerlei Möglichkeiten, den Wahrheitsgehalt einer Aussage selber zu prüfen. Was dann? Was ist meine Grundhaltung? Ich denke, wenn eine Gesellschaft funktionieren soll, muss ich zuerst einmal davon ausgehen, dass die andere Person keinen Grund hat, mich anzulügen – aber ich sollte die Möglichkeit in Betracht ziehen. Mein Punkt war nie, dass man immer blind glauben soll, was einem gesagt wird. Aber die andere Extremposition (ich glaube nichts und niemanden) lässt jede Form zwischenmenschlicher Beziehung implodieren. Ich würde es ja auch sehr persönlich nehmen, wenn jemand, dem ICH etwas sage, grundsätzlich davon ausgeht, dass ich ihn belüge.

    Also: Gesunde Skepsis ist angesagt, ein gesundes Allgemeinwissen auch – aber keine paranoide „Alles Lügner inklusive Mutti“-Attitüde.

  74. @ harald

    „… Ich denke aber, dass heutzutage in der Tat nicht mehr so lässig manipuliert wird.“ (harald)

    Tatsächlich? Doch, doch – es geht sogar noch viel lässiger. Ein kleines Beispiel: Gerade flattert mir das neue Vodafone-Kundenmagazin „Numero“ auf den Schreibtisch. Ein kurzer Blick ins Impressum verrät, dass diese PR-Zeitschrift von Journalisten gemacht wird, die gleichzeitig Vodafone-Produkte im stern, connect und Computerbild „testen“. Klar, wie diese Tests dann ausfallen. Pikanterweise scheint der Vodafone-Auftraggeber wohl auch noch Mitglied dieses hyperagilen Autorenkollektivs zu sein … So lässig setzen Konzerne heute Journalisten auf ihre Gehaltsliste und beeinflussen durch die Hintertür die öffentliche Meinung. Und die Chefredaktionen von stern & co machen fleißig mit. Da lobe ich mir doch die guten alten Zeiten der puzzeligen Schneemänner-Montage :).

    @ B.Schuss – Du hast mit Deiner Einschätzung völlig recht:

    „…. gerade bei Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Medien sollte man zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass manipuliert wird. Gesundes Misstrauen halt. Vielleicht nicht gegenüber jedem, aber doch gegenüber jenen, deren täglich Brot davon abhängt, dass sie Nachrichten in einer bestimmten Art und Weise produzieren.“

  75. Ihr diskutiert ja immernoch ;)

    Erstmal ein frohes Neues!

    Manipulation auf Titelbildern ist m.E. weiterhin erlaubt, um das Heft zu verkaufen. Und wie gesagt: Die Manipulation beginnt bereits im Kopf des Fotografen. In Zeiten digitaler Fotografie und Bildbearbeitung besitzt ein Foto nicht mehr oder weniger Aussagekraft und Authentizität als ein geschriebener Text.

    @Paul: „Klar, wie diese Tests dann ausfallen.“
    Ja, das ist wohl wahr, aber der freie Journalist muss eben auch seine Brötchen verdienen und… des Brot ich es, des Lied ich sing, nicht wahr?

    @Restdiskussion:
    Die Manipulation fängt wie gesagt an, bevor das Heft überhaupt gedruckt wird. Da ist der Fotograf mit seinem Blickwinkel, Autoren und Redakteure, die nach ihren Blickwinkeln eben Fotografen auswählen (so kommt es, dass ein und derselbe Sachverhalt in verschiedenen Zeitschriften unterschiedlich beleuchtet wird), Redaktionsrichtlinien, Tendenzschutz, Vorauswahl durch die Presseagenturen, Themenkonferenzen in der Redaktion usw…

    Wer glaubt, dass irgendein Medium wirklich die Wahrheit wiedergibt, ist beispiellos naiv. Und Wahrheit ist nach wie vor subjektiv…

  76. Bei der taz fügen sie ein „[M]“ beim Fotonachweis hinzu, wenn etwas [M]ontiert wurde. Das finde ich als in puncto Wahrheit in gewissem Maß den Medien ausgelieferter Rezipient sehr komfortabel.
    Wäre doch auch etwas, wenn ein [M]anipulierter oder [M]anipulierender Text so gekennzeichnet wäre, nicht?

  77. @CRen

    Ihnen ebenfalls und allen anderen Diskussionsteilnehmern, den Lesern dieses Blogs und natürlich dem Hausherrn ein gutes, erfülltes und nach Möglichkeit gesundes Neues Jahr.

    „Manipulation auf Titelbildern ist m.E. weiterhin erlaubt, um das Heft zu verkaufen.“

    Das ist natürlich nur bedingt richtig, denn:

    „Die Manipulation beginnt bereits im Kopf des Fotografen.“

    und

    „Da ist der Fotograf mit seinem Blickwinkel, Autoren und Redakteure, die nach ihren Blickwinkeln eben Fotografen auswählen (so kommt es, dass ein und derselbe Sachverhalt in verschiedenen Zeitschriften unterschiedlich beleuchtet wird), Redaktionsrichtlinien, Tendenzschutz, Vorauswahl durch die Presseagenturen, Themenkonferenzen in der Redaktion usw…“

    In dieser inzwischen recht umfangreichen Debatte haben Sie, aber auch kurt und harald sowie etliche andere, zahlreiche Möglichkeiten der Manipulation genannt oder gar herausgearbeitet, die alle eines gemein haben:

    Sie sind allesamt unvermeidlich. Und genau das unterscheidet sie vom obigen Titelbild des Stern, und auch das wurde in der bisherigen Diskussion herausgearbeitet.

    Ein Photograph muß einen bestimmten Blickwinkel einnehmen, ob er nun will oder nicht. Er muß eine Belichtungszeit wählen oder automatisch wählen lassen, er muß eine bestimmte Blende wählen oder wählen lassen, er muß den Zeitpunkt der Auslösung bestimmen, er muß sich zuvor für ein Trägermedium entschieden haben (analog oder digital), eine Brennweite wählen…

    Das alles ist notwendigerweise mit dem photographischen Prozeß verknüpft – eben unvermeidlich. Der von mir ins Feld geführte fachlich unkundige, aber gemeinverständige Betrachter weiß das im allgemeinen auch.

    Analoges gilt natürlich auch für die Vorauswahl sowie die letztliche Entscheidung, die eine Redaktion bei der Wahl eines Titelbildes zu treffen hat.

    Es gilt aber gerade nicht für eine Montage, denn eine Montage ist sehrwohl vermeidbar. Und es gibt zwei Möglichkeiten, dem Betrachter zu verdeutlichen, daß mit einer Montage (es ist ganz gleich, wie geringfügig sie sein mag) eine grundsätzliche Änderung im Charakter eines Bildes vorgenommen wurde: Erstens, die Montage ist dergestalt, daß der Charakter einer Montage ganz offenkundig ist (Beispiel: Bush in Rambo-Montur und entsprechendem, satirischem Kontext). Zweitens, es erfolgte eine entsprechende Kennzeichnung.

    Ein Medium, egal welches, daß sich im Falle einer Montage, ganz gleich wo und wie umfangreich, wider besseres Wissen für keinen dieser beiden Wege entscheidet, verwirkt den Anspruch und die Glaubwürdigkeit, ein seriöses Medium zu sein.

    Denn es fälscht.

    Und insoweit, nämlich Montagen betreffend, ist Ihr obiger Satz

    „Manipulation auf Titelbildern ist m.E. weiterhin erlaubt, um das Heft zu verkaufen.“

    dann doch falsch, da zu weitgreifend.

    Es mag juristisch erlaubt sein, bleibt aber ethisch und auch journalistisch unvereinbar mit einem Medium, das den Anspruch der Seriosität für sich erhebt.

  78. Beim Stern wußten die wichtigen Menschen schon Jahre vor den Hitler-Tagebüchern, dass große Teile der deutschen Schneegeschichte umgeschrieben werden müssen … oder so ähnlich.

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