„Leider nicht wirklich eine Satire“

Hanno Zulla hat die Amok-Berichterstattung von ARD und ZDF gesehen und hinterher seinen Frust zu einem Blog-Eintrag gerinnen lassen:

Guten Abend, meine Damen und Herren, Sie sehen die Abendnachrichten.

Es hat einen Amoklauf an einer Schule gegeben. Schrecklich, schrecklich. Wir zeigen Ihnen nun grausame Bilder.

Im Anschluss daran eine Live-Schaltung zu unserem Reporter vor Ort. Wie grausam war es denn, Herr Kollege? „Oh, es war schrecklich. Hier ein paar weinende Mitschüler, die ich vor die Kamera gezerrt habe. Und hier spreche ich mit geschockten Eltern. Und jetzt ein Straßeninterview mit verschiedenen Anwohnern, die nichts zum Fall sagen können, aber alle sehr betroffen sind.“

(…)

35 Replies to “„Leider nicht wirklich eine Satire“”

  1. Beeindruckend fand ich die ZDF-Nachrichten um 17 Uhr. Die Fake-Ankündigung des Amoklaufs ist als Politikum Top-Thema. Und zur Visualisierung zeigt man Nahaufnahmen eines Bildschirms, während jemand den Text der vermeintlichen Ankündigung in Word(?) tippt.

    WTF?

  2. Erinnert sich eigentlich noch irgendjemand an diesen schief gegangenen Banküberfall, der zur Geiselnahme und Jagd Durch u.a. Nordrhein-Westfalen wurde? Nach der Causa Gladbek waren die Medienvertreter so einsichtig, sie wussten, dass würde nie wieder passieren …

    Jeder Vertreter hat etwas zu verkaufen, bei den Medien sind das Diskretion und Wahrheit. Und das nur für ein wenig Kwote.

  3. Ich frage mich auch immer was es bringt, ab mittags den Reporter am Ort alle Stunde in die Tagesschau zu zerren, und einen geschliffenen Text sagen zu lassen. Wie soll denn der – wenn er es wirklich soll – ernsthaft was recherchieren?

    Eben.

    Tatsächlich ist es doch wohl eher so, dass die Redaktion über die Agenturen schon alles wesentliche weiß und der Außenreporter Authentizität vermitteln soll.

  4. Leider keine Satire sondern wirklich so vom ZDF gesendet:

    Der Reporter „zitiert“ aus den angeblichen Chat-Schnipsel und hebt das auch mit „ich zitiere“ hervor. Er beendet mit „morgen geh ich in meine alte Schule und knall alle ab!“ … und genau hier hat er dann gemerkt, dass er da wohl etwas dazu gedichtet hat und rudert zurück und verbessert sich selbst damit, dass er den Schluss auf „morgen geh ich in meine alte Schule!“

    Der Reporter hätte aber ganz auf „ich zitiere“ verzichten sollen, denn es war lediglich „frei“ interpretiert.

  5. Wobei man ja sagen muss das dies hier ja auch Aufmerksamkeit ist, aber es fehlt irgendwie das Aufgeregte und es ist auch nicht mit Bilder dramatisiert.

  6. Ich find’s amüsant – dadurch, dass ich Fernsehen abgeschafft habe ,Spiegel Online nicht mehr lese und lediglich den RSS-Feed der Tagesschau abonniert habe, ist das ganze Thema komplett an mir vorbei gegangen. Ich erlebe das Elend praktisch nur aus zweiter Hand. Twitter nutze ich aus Prinzip nicht – mein Leben ist einfach zu unspannend und ich verschwende schon genug damit, Blogs von bekannten Persönlichkeiten zu lesen, um ihnen auch nicht noch in Twitter hinterherzuhecheln.

    Warauf ich hinaus will ist eigentlich Folgendes: ich lebe quasi im Internet. Wie viel schöner es hier ist, wenn man die „Qualitätsmedien“ konsequent meidet, können die Leute, die da arbeiten, sicherlich gar nicht erfassen.

  7. Da ist was dran. Was ich allerdings wieder interessant finde das ich mir den ganzen Schund doch antue. Da liest man irgendwo im Netz was von Amok und schaltet erst mal N24 und n-tv an, obwohl mich das ja eigentlich nicht interessiert, aber irgendwie ist da wohl eine genetische Neugier eingebaut. Dabei ging es allerdings noch um den Amoklauf in den USA, Erinnert sich noch jemand dran. War das ein Killerspieler, mal ganz nebenbei gefragt? Interessant fand ich allerdings die Berichterstattung der Berichterstattung wegen. Wie lange dauert es bis die ersten Bilder kommen, wer übernimmt von wem welche Bilder und wie lange dauert es bis ein Twitter Gerücht bei CNN als Wahrheit verkauft wurde. Das war wirklich mal interessant. Ist mir schön öfter aufgefallen, dass ich bei einer solchen Berichterstattung die wilde Gerüchte und Spekulationsphase bei der alles chaotisch und nicht wirklich korrekt abgeht interessanter finden. Wenn sich die Lage dann sondiert und es nur noch am das aktuelle Event was auch immer es so ein Flugzeugunglück bis zum Amoklauf ist ja alles dabei wird das ganze uninteressant.

  8. Was in Zusammenhang mit der Berichterstattung auffällig ist: Hier kämpft das Auslaufmodell mit der Zukunft. So tragisch der Fall an sich ist, er zeigt eins: Das Web hat es geschafft, den Informationsfluß zu steuern – in jeder Weise, und steuert den Fluss weiter. Aufgeregt und lässig zugleich, arrogant und chicky, social profiles, Spuren, viele reden mit, viel Unsinn, viel Wahres, und jeder macht oder/und prägt sein Bild. Die Journalisten auf ihren Reisen, die mit Instrumenten arbeiten, die in den 80ern gefragt waren, und an ihrer Überforderung (oder ist es eher Unterforderung?) verzweifelt über jeden möglichen Kanal teilhaben lassen – sie tun mir leid. Das hat gestern funktioniert – deren Zeit ist vorbei.

  9. Ist ja noch gar nichts.

    Sehe grade ein „ORF Thema spezial“ auf 3sat, Fall Fritzl und so. Da werden Täter- und Opfernamen – zwar nicht genannt, dafür aber gut lesbar – gezeigt, irgendwelche psychopatischen Foto-Verkäufer kommen umfangreich zu Wort und an spekulativen nachgestellten Szenen mangelt es auch nicht.

    Da mag man FAST das deutsche Fernsehen loben…

    P.S. Freilich hab ich mich auch über das (ÖR) deutsche Fernsehen (den Rest ignorier ich hier mal geflissentlich) geschämt und mich dann auf CNN (nicht lachen!) über den Faktenstand informiert. Zwar war Herr Pleitgen (jr.) auch einigermaßen aufgeregt, dafür wurde aber immerhin auf Interviews von offensichtlich zufällig anwesenden Passanten („Ja, ich kann es auch kaum fassen“) verzichtet.

  10. Die Medienlandschaft ist schon pervers irgendwie. Je schlimmer das Unglück desto toller lässt sich das Thema medial ausschlachten.
    Mich interessiert nicht die Bohne, was Passant XY von Amokläufen und Killerspielen hält. Oder was Schulkameraden, die ihn gar nicht gekannt haben dazu sagen.
    Hoffentlich endet die Medienausbeute bald. Das ging mir 2001 beim 11. September schon so dermaßen auf den Keks, als gäbe es nichts anderes mehr.
    In einer Woche gibt’s dann wenigstens nur noch gute Nachrichten – von Bankenpleiten und Finanzkrise.

  11. Was soll so ein Passant auch anderes sagen? „Ist mir doch egal?“ Kommt sicher gut wenn er vor die Kamera gezerrt wird. Das ganze beruhigt sich auch wieder und beim nächsten Terroranschlag oder irgend einer neuen ach so (für den Menschen un) gefährlichen Seuche denkt da zum Glück kein Mensch mehr dran. Einen Amaklauf wird man wohl nie ganz vermeiden können, genauso wie Terroranschläge und Flugzeugunglücke. Das ist immer der schmale Grad zwischen Freiheit und Sicherheit. Ich tendiere mehr zur Freiheit, denn um ehrlich zu sein denke ich ist die Wahrscheinlich bei einem Verkehrsunfall oder Krebs zu sterben um ein vielfaches höher. Ein Amoklauf ist halt nur sehr viel spektakulärer. Kampfhunde sind ja auch viel gefährlicher (was sicher nicht ganz falsch ist, wobei es da wohl auch auf den Besitzer) ankommt als schlagende Eltern, die ihr Kind zu Tode prügeln.

  12. Was ist noch niedriger als klauen bei Kik? In den Zeitschriftenautomat Geld für eine Bild einwerfen und fünf Stück rausnehmen.

  13. @ Stefan: Ich auch nicht. Und wenn du nichts machst, dann habe ich bestimmt keine Lust. Was machen wir dann mit dem Metigel vom letzten Jahr? Auswildern?

  14. Bei der ganzen Aufzählung der Wissenden, die vorgeben, wie und warum dieses absolute Unglück und für mich nicht erklärbare Verbrechen passiert ist und zukünftig verhindert werden kann, fehlt mir der Name des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach, welcher seinen „juristischen“ Kommentar zu jedem Sack Reis abgibt, der in China umfällt.
    Ich armer Provinz-Anwalt bitte um Mithilfe zur Benennung von Themen, zu welchen sich mein „Kollege“ noch nicht geäußert hat. Andersherum erscheint es mir schwieriger.

  15. Die Bild Zeitung hat eindeutig sowas von übertrieben ! Was da nicht alles „Skandal“ „Täter“ „Name“ „Bilder“ „Adresse“ geschrieben wurde ist nicht mehr normal. Wenn es einen Livemitschnitt gegeben hätte, würden die das mit 100%iger Sicherheit aus zeigen. *Kopfschüttel*

  16. # 27 – Carsten, ich halte Deinen Eintrag, sorry, für absolut daneben, lass die „Bild“ schreiben, was sie will, aber schwing Dich nicht dazu auf, zu wissen, was tatsächlich passiert ist

  17. Aufreger für mich war auch, dass noch Stunden nach einer neuen Pressekonferenz in den Medien, auch den öffentlich-rechtlichen. Fakten, wie Anzahl der Waffen im Haus des Vaters, woher kam die Munition, Tatverlauf etc. falsch wiedergegeben wurden. Anscheinend verfolgt in den Redaktionen niemand die Promärquellen. Ansonsten blieb sich vor allem ‚heute‘ seinem Streben, ein erstklassiges Boulevardmagazin zu werden, treu. Programmansage von Petra Gerster kurz vor 19 Uhr: Amoklauf an Schule in Baden-Württemberg blablabla. Und es gab noch einen Amoklauf. Gleich bei ‚heute’…… Sie bezog sich da auf den Amoklauf in Alabama einige Stunden vor dem in Deutschland, aber dieses Wissen konnte das ZDF ja nicht bei den Zuschauern voraussetzen. Ein besonders geschmackloser Versuch, ZUschauer anzulocken. Ein Amoklauf ist ja noch nicht schrecklich genug. Ein zweiter auch noch? Vielleicht etwa auch in Deutschland? „Das ist ja geil, muß ich doch unbedingt gucken!!“ Es kotzt mich an. Und wie immer frage ich mich, wann sich CNN mal ausgebildete Simultanübersetzer leistet oder auf Live-Übertrageungen ausländischer Pressekonferenzen und Reden verzichtet. Dieser angebliche Nachrichtensender ist wirklich eine Lachnummer erster Güte.

  18. Sollte mir mal ein Kamera-Team auflauern und einen O-Ton zur irgendwas haben wollen, dann werde ich sagen: „Was woll’n se denn hören?“

  19. […] Hier ein Auszug aus dem Artikel: Im Anschluss daran eine Live-Schaltung zu unserem Reporter vor Ort. Wie furchtbar war es denn, Herr Kollege? “Oh, es war schrecklich. Hier ein paar weinende Mitschüler, die ich vor die Kamera gezerrt habe. Und hier spreche ich mit geschockten Eltern. Und jetzt ein Straßeninterview mit verschiedenen Anwohnern, die nichts zum Fall sagen können, aber alle sehr betroffen sind.” (via Stefan Niggemeier) […]

  20. Leider auch keine Satire: Eben in „heute“ hat ein gewisser Herr Prömpers in der Berichterstattung über den Prozess gegen Fritzl die Landesklinik, in der die Opfer vor den Medien in Sicherheit gebracht wurden, als „Klapsmühle“ bezeichnet. Wörtlich. Kann man sich in der ZDF-Mediathek angucken (Minute 3:32).

    Und nein, der Mann mit dem großen Respekt vor Ärzten und psychisch kranken Menschen ist kein wildgewordener Prozesszuschauer. Das ist der Korrespondent vor Ort.

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