Chronologie einer Falschmeldung IV

Vielleicht muss man den Versuch aufgeben, mitteleuropäische Zeitungen dazu zu bewegen, ihre Fehler zu korrigieren. Sie können es nicht. Sie wollen es nicht. Sie tun es nicht.

Ein Leser hat bei der „Neuen Zürcher Zeitung“ nachgefragt, warum sie ihren Artikel über die Ausschreitungen in Rostock vor dem G8-Gipfel nicht korrigiert hat. Die „NZZ“ behauptet online nach wie vor:

Von der Haupttribüne aus heizte ein Redner die Auseinandersetzungen noch mit den Worten an: «Wir müssen den Krieg in diese Demonstration hineintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.»

Tatsächlich gesagt hatte der Redner (wie gesagt, wie zu hören, wie von dpa längst korrigiert):

„Wir müssen den Krieg hier mit [in die Diskussion] reinbringen. Denn ohne Frieden kann es auch keine Armutsbekämpfung geben.“

Erst im dritten Versuch hat der „NZZ“-Leser eine Antwort auf seine Nachfragen und Beschwerden bekommen. Fredy Greuter, Redaktionsleiter „NZZ Online“ schreibt ihm:

Der von Ihnen erwähnte Bericht stammt von unserem Korrespondenten in Deutschland. Er ist in der Tageszeitung erschienen und wurde nachträglich von NZZ Online übernommen. (…) Wir haben keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt dieses Berichts zu zweifeln (…).

(Was bisher geschah: I, II, III)

24 Replies to “Chronologie einer Falschmeldung IV”

  1. ach, es ist doch alles sinnlos. schlägt man die zeit vom 6. Juni auf, seite 2, es gruselt einen:

    „Er sagt jetzt einen Satz, der am nächsten Tag in den Zeitungen stehen wird. (…) ‚Wir müssem den Krieg in die Demonstration tragen.‘ Diei Veranstalter werden den Satz zu korrigieren versuchen – ein Missverständnis, ein Übersetzungsfehler.“

    und das in der zeit! nee, das ist nicht mehr lustig.

  2. Die Erde ist eine Scheibe und ich habe keinen Anlass am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu zweifeln. Gnarf…

  3. Das ist wirklich übelst, aber ich hab ein Aber in Sachen „mitteleuropäische Zeitungen“: Die taz berichtigt sich regelmäßig und institutionalisiert in ihrer Rubrik „berichtigung“.

  4. Das Einzige, was vielleicht helfen würde, wäre, wenn „der Redner“ und/oder „der Dolmetscher“ eine Gegendarstellung verlangen und/oder auf Unterlassen klagen würden. Schade.

  5. Jules, magst Du (oder ein anderer „Zeit“-Leser) vielleicht den Wortlaut der Berichtigung zitieren?

  6. @12:

    „Berichtigung

    […] Falsch wiedergegeben wurde außerdem ein Satz des Globalisierungskritikers Walden Bello in dem Artikel ‚Mit Stillem Zorn‘ (ZEIT Nr. 24/07). Bello war auf einer Protestveranstaltung gegen den G8-Gipfel in Rostock aufgetreten und wurde von der Nachrichtenagentur dpa fälschlicherweise mit der Aufforderung ‚Wir müssen den Krieg in die Demonstration tragen‘ zitiert, die in dem Artikel übernommen wurde. Wir bedauern die Fehler.“ (ZEIT Nr. 25/07, Seite 2)

  7. Und wieder wird die Schuld in erster Linie der dpa zugeschoben. Das stimmt natürlich nicht, denn erstens hatte die dpa auch schon am Dienstag die entsprechende Berichtigung heraus gegeben, und zweitens war den verantwortlichen Autoren anscheinend auch bekannt, dass das Zitat so genau wohl nicht gefallen ist. Das wäre für einen anständigen Journalisten doch mal Anlass genug gewesen, sich zu fragen, wie das denn wirklich gelaufen ist.
    Einfach zu schreiben, die dpa habe da einen Fehler gemacht und das finde man schade, das ist formal eine Berichtigung, ein transparenter Umgang mit den eigenen Recherchemethoden sicher nicht.

  8. Ein fairer Zusatz wäre meiner Meinung nach mindestens noch angebracht gewesen, nämlich, dass die dpa auch lange vor Redaktionsschluss bereits den Fehler korrigiert hatte.

  9. Seht es doch endlich ein: Die NZZ hat es nun wirklich nicht nötig, sich um derlei verhältnissmässigen Kleinkram zu kümmern. Habt Ihr den keine echten Sorgen?

  10. Den vorläufigen Gipfel der Schmerzfreiheit markiert allerdings der Artikel von Heribert Seifert in der NZZ von heute:
    Ohne auf die Fehler des eigenen Blattes einzugehen, wird das beliebte Schlagwort „Verschwörungstheorie“ hervorgeholt und sich ausgerechnet auf eine „Untersuchung“ des „Medientenor“ (eine rechtsgerichtete, on der Industrie finanzierte PR Veranstaltung, die als Medienboabachter figuriert und in der Vergangenheit schon mehrfach durch Verfälschungen aufgefallen ist) berufen, um mal wieder das Gespenst der „linken kulturellen Hegemonie“ (das Lieblingsthema des Studienzentrum Weikersheim) in den Medien an die Wand zu malen.

  11. Lexj: Wenn sie auf der Qualitätsschiene spielt, dann schon. Ausserdem ist es ein journalistisches Don’t Falschmeldungen nicht zu beheben.

  12. NZZ hat ja nun tatsächlich keinen Grund die Falschmeldung zu korrigieren. Immerhin passt es der NZZ ins propagierte Weltbild, welches bei der NZZ über das Streben nach Wahrhaftigkeit steht. Die Falschmeldung passt halt.

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