Trauerarbeit

Ein „Premium-Angebot“ wie der überaus erfolgreiche Internet-Auftritt der „Rheinischen Post“ weiß, was die Leute sehen wollen, wenn eine beliebte Schauspielerin wie Natasha Richardson nach einem tragischen Unfall gestorben ist: Eine mehrteilige Bildergalerie, die zeigt, wie ihre Familie das Krankenhaus verlässt.

Bilder, auf denen das Blitzlicht der Fotografen dafür sorgt, dass man das Gesicht des Witwers auch im dunklen Wagen sieht.

Und die armen Kinder! Fotografien, die dokumentieren, wie schlimm es für einen Zwölf- und einen Dreizehnjährigen sein muss, in dieser Situation auch noch fotografiert zu werden:

Wer beim Formulieren dieses Bildtextes nichts merkt, der merkt nichts.

Aber, hey, die „Rheinische Post“, viele große internationale Seiten, die Agenturen AP und AFP, die die Fotos verbreiten — alles respektable Leute. Und keiner, der ihnen mal in den Briefkasten kotzt.

15 Replies to “Trauerarbeit”

  1. Aus den letzten Kommentar-Threads zum Thema – also, wie die Medien mit Gewalt, Trauer und so umgehen – habe ich gelernt, dass erst das Fressen kommt und dann die Moral. Wenn überhaupt noch.

    Allerdings vermute ich, dass der Herr Brecht das irgendwie anders meinte …

  2. Welche Eingebung hat den hier zu diesem Ausfall geführt? Da sind ja manche Schülerzeitungen mit mehr Inhalt und besseren Layout hergestellt.

    Von diesem tragischen Umstand, den auch noch so zuverwurststücken. Nee was zuviel, ist zuvielviel!

    Ich gehe mir mal einen Briefkasten suchen…………..

  3. @Dierk (#2): ne, so in etwa dürfte er’s tatsächlich gemeint haben

    solche Bildunterschriften zeugen von einem eindeutigen Mangel an Selbstkontrolle (auch andere Unterschriften hätten die Bilder allerdings nicht weniger unangemessen erscheinen lassen)

  4. Was ich nicht ganz verstehe ist, weshalb überhaupt darüber berichtet wird. Es kommt mir so vor, als würde jeder so viel wie möglich berichten weil a) Sendezeit gefüllt werden muss und b) alle anderen es ja auch machen.

    Hat vorher jemand was von Natasha Richardson gehört? Bei IMDB sind 177 Artikel verzeichnet, davon 152 von 2009. 2008: 9, 2007: 1, 2006: 1, 2005: 2, 2004:0, 2003: 2, 2002:2, et cetera. Fast alle aus dem jahr 2009 (141) sind zwischen dem 16. und dem 20. März erschienen, nur vier haben nichts mit ihrem Unfall zu tun. Zum Vergleich: Jodie Foster hat 199 Artikel, 39 aus dem Jahr 2009, 2008: 66, 2007: 13, et cetera, alle halbwegs über die Zeit verteilt.

    Ich will Natasha Richardson keineswegs kleinreden nur weil ich vorher nicht von ihr gehört habe – aber für mich hat diese Story alle Zeichen einer Medienhysterie.

  5. Ein Scheißjob, aber einer musste ihn ja machen. Hamse sich ja nicht ausgesucht! Find ich ein bißchen fies von dir, Stefan, da jetzt so drauf rum zu hacken. Sind doch auch nur liebende Mütter und Väter, die 1,5 Schnäbel zu stopfen haben.

    (ich muss das nicht wirklich als ironie kennzeichnen, oder?)

  6. @ 6 nrq

    Natasha Richardson stammt immerhin aus gleich zwei großen Schauspieler-Dynastien in Großbrittanien, den Richardsons und den Redgraves, noch dazu war sie mit Liam Neeson verheiratet. Ihre bekanntesten Rollen im Film hatte sie zwar in den 80ern und 90ern, ihr Name war aber dennoch immer noch bekannt und auf dem Broadway hat sie große Erfolge gefeiert. Aus dem Grund ist das Interesse in GB und den USA verständlich. In Deutschland wird das wohl hauptsächlich wegen Liam Neeson und den Umständen des Unfalls so ausgeschlachtet. Mir war sie bekannt, auch wenn ich bis auf „Gothic“ und ihre Hauptrolle beim „Cabaret“-Revival zusammen mit Alan Cumming auf Anhieb auch keine Rollen hätte benennen können.

    Aber die Art und Weise der Berichterstattung bei RP online ist in der Tat mal wieder daneben.

  7. Ist es nicht völlig unerheblich, ob Natasha Richardson nun berühmt war oder nicht? Selbst wenn zum Beispiel die sicher hierzulande bekanntere Angelina Jolie betroffen gewesen wäre, müsste der Anstand es verbieten, die Angehörigen vor dem Krankenhaus so abzulichten. Und die Kinder schon gar nicht, weil die nichts dafür können, dass ihre Eltern einen bestimmten Bekanntheitsgrad haben. Aber das ungehemmte Eindringen in die Privatsphäre Trauernder ist ja nichts wirklich neues…

  8. Aber die Schuld tragen ja nicht die Zeitungen, sondern die Gesellschaft, die nach solchen Motiven verlangt. Und wenn die Gesellschaft so kaputt ist, dann soll sie ruhig ihren Wahnsinn bekommen. Die Rechnung bekommen sie alle am Ende.
    Siehe Amoklauf, siehe Kriege, siehe Terroranschläge, siehe Krankheiten etc.

    Sogar hier wird mit diesem Content gearbeitet und Leserbefriedungung ausgeführt.

  9. Ja, es ist schon seltsam, zu welchen Taten die Gesellschaft fähig ist. Anstand und Moral werden klein geschrieben, wichtig ist nur die oberflächliche Gier. Wie kann man ohne Emotionen solche Fotos schießen und dann auch noch veröffentlichen? Und wer kauft dann die Zeitungen? Irgendwie tragen wir alle einen Teil der Schuld. Liebe Grüße, Lutz

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