Sprengen und ’ne Wiese hinmachen

Ich mag ja Johann König nicht so. Ich kann dem nicht zuhören. Was ein Fehler war, am vergangenen Samstag, als er (ausgerechnet neben Oliver Pocher, den ich auch nicht so mag) beim Deutschen Fernsehpreis einer von ganz wenigen Leuten war, bei denen sich das Zuhören lohnte.

Auf mehrfachen Wunsch deshalb hier also Johann Königs Beitrag zum Fernsehpreis 2007 im Wortlaut:

Fernsehen ist ja ’ne tolle Sache. Wenn man damit umgehen kann. Ich selber bin oft überfordert, wenn ich Fernsehen gucke, wenn ich heute Fernsehen gucke, mir geht’s so, ich weiß manchmal, ich weiß manchmal, ich weiß es manchmal selber nicht. Kennt ihr das? Ich weiß manchmal überhaupt nicht, was das ist, was ich da gucke. Und es ist mir aber auch egal. Bevor ich’s verstanden hab, hab ich schon wieder umgeschaltet.

Das war vor ein paar Jahren noch viel einfacher mit dem Fernsehen. Noch vor ein paar Jahren zumindest nachmittags, war es sehr einfach. Nachmittags, überall gab’s Talkshows, die hatten immer ein ganz bestimmtes Thema. Was weiß ich: Du Sau. Du hast mich schwul gemacht. Mach, dass das wieder weggeht. Oder, was weiß ich: Hilfe, mein Tattoo läuft mir den Rücken runter. Ja, aber da wusste man zumindest Bescheid, oder? Wenn man das Thema der Sendung gelesen hat, da wusste man Bescheid, da war ganz klar: Ja, da kommt’n Haufen Asis, und die reden sich da um den Verstand, den sie sich vorher geliehen haben.

Wenn man heute Fernsehen guckt, ist es viel komplizierter. Häufig ist es so: Man macht den Fernseher an, und als erstes sieht man eine Wohnung, und oft denk‘ ich: Ja, ’ne schöne Wohnung ist das auch nicht, ne? Ist hoffentlich ’ne Renoviersendung. Und dann geht’s aber weiter. Irgendwann tauchen auch mal Kinder auf, und man denkt: Ou, ou, ouuuuu, da werden doch hoffentlich die Kinder renoviert, also. Das ist doch hoffentlich so ’ne Erziehungssendung, so ’ne Erziehungssendung, wo immer die eine kommt, die hier auch sitzt, die immer abends die Kinder repariert. Aber es geht noch weiter, irgendwann tauchen auch die Eltern auf, und man denkt, ouuuuu, was ist das denn? Und dann tun einem fast die Kinder schon wieder leid.

Und mir geht es so, wenn ich das alles zu lange gucke, denk ich irgendwann: Von mir aus können sie das auch ruhig alles mal sprengen. Und dann da ’ne Wiese hin machen. Erstmal 20 Jahre nur Wiese dahin machen, damit sich das alles mal erholen kann.

Und arte überträgt nur die Wiese.

46 Replies to “Sprengen und ’ne Wiese hinmachen”

  1. Ich hatte bei der Übertragung auch nur mit einem Auge… äähh… hingehört. Absolut legendärer Beitrag, vor allem jetzt beim konzentrierten Nachlesen.

  2. […] via Posted by scheff on Dienstag, Oktober 2, 2007, at 0:32, and filed under Post. Follow any responses to this post with its comments RSS feed. You can post a comment or trackback from your blog. […]

  3. Recht hat er ja, aber so lustig finde ich den auch nicht immer. Seine Stärke sind meiner Meinung nach seine Lieder und Gedichte. Ich empfehle den „kleinen Franzosen“.

  4. Das ist doch der, der morgens als erstes die Todesanzeigen in der Zeitung liest, und dann die Leute aus dem Telefonbuch streicht, hat er mal gesagt. ;-)

  5. Seinen Wiesen-Arte-Joke hat er den selben Abend
    auch noch im WDR gemacht. Name der Sendung
    vergessen. Kleinstkunstpreisfestival oder sowas.

  6. […] Stefan Niggemeier mag Johann König nicht. Macht nichts, denn er hat trotzdem aufgeschrieben, was dieser beim diesjährigen Deutschen Fernsehpreis von sich gab. Ich für meinen Teil mag ihn übrigens eigentlich ganz gerne. “Wenn man heute Fernsehen guckt, ist es viel komplizierter. Häufig ist es so: Man macht den Fernseher an, und als erstes sieht man eine Wohnung, und oft denk’ ich: Ja, ’ne schöne Wohnung ist das auch nicht, ne? …” [weiterlesen] […]

  7. Vielen Dank,
    endlich mal ein Beitrag übers Fernsehen, den ich komplett unterschreiben kann.
    Schön, dass so etwas auch mal aufgeschrieben wird.

  8. @14/Markus Pirchner
    Genau so ist es. Da aber König weiss, dass niemand, nie und nimmer irgendetwas „sprengen“ wird, darf er für zehn Minuten den Anarcho spielen.

    Es genügt wohl nicht mehr, die grassierende Selbstreferentialität in den diversen Talkshows bis ins Unendliche zu zelebrieren – nein, jetzt müssen auch noch solche verkrampften Selbstbeweihräucherungshappenings dem Zuschauer eine Bedeutung simulieren.

    Da hat jeder Kindergeburtstag mehr Inspiration und Kreativität als diese versammelte Showkarawane.

  9. Wenn er mit seiner Tonart aufhören würde, würde ich ihn wirklich mögen. Seine Gedichte etc. sind wirklich gut, aber Comedians, die sich auf eine Rolle fixieren.. nee.

  10. @14
    Darf man kein System kritisieren indem man sich selbst befindet?
    Heißt das ich muss erst ins Ausland ziehen um unseren Staat zu kritisieren? Weitergedacht würde das auch dazu führen, dass ich nur „Sachen“ kritisieren darf die ich eventuell garnicht kenne, weil ich ja außen stehe.

    Klar profitiert er vom TV, daraus lässt sich aber nur schwer ein Vorwurf konstruieren, denn eine Verallgemeinerung vom salop gesagten „TV ist schlecht“ zu einem allgemeingültigen „Alles was im TV gesendet wird ist schlecht“ ist unzulässig und sicherlich auch falsch.

  11. @19/Sebastian Sachse: Ja, er übertreibt mit dieser Lethargie in seiner Stimme, aber wenn man ihn mal „normal“ reden/sprechen hört, so weicht das nicht so sehr von dem ab wie er sich auf der Bühne gibt. Ein Mal, ich weiß nicht mehr wann, war er Gast bei einer dieser Talksendungen im NDR. Er hat ganz normal gesprochen, hat sich nicht übertrieben verstellt, wirkte aber nicht so, als wäre er wirklich ganz anders als die „Kunstfigur“ Johann König. Es ist nun mal ein Stilmittel, dass er benutzt, wie eine Art „corporate identity“. Genauso wie Rüdiger Hoffmanns „Hallo erstmal“, mit der er jedesmal seine Darbietungen begonnen hat. Und Rüdiger Hoffmann hat auch diese bestimmte Sprechgeschwindigkeit/Tonlage. Ferner erkennt man bei Hoffmann, wie auch bei J. König, auch noch den Unterschied zwischen „Person“ und „Kunstfigur“.
    Du meinst eher solche Leute, die sich eine Perücke und eine Sonnenbrille aufsetzen und völlig hinter dieser Kunstfigur verschwinden. Ja sogar bei Interviews in der Rolle dieser Kunstfigur bleiben. Oder jene, die in Trainingsanzügen herumlaufen und in einem fiktivem „Slang“ sprechen und ebenfalls mit diesen geschaffenen Kunstfiguren verschmelzen.
    Natürlich nutzen sich „Figuren“ irgendwann ab, aber hängt auch davon ab wie „präsent“ diese Figur ist. Es gab Zeiten, in denen so mancher (auf die Gefahr hin, dass dies „wegeditiert“ wird, lasse ich Namen einfach weg) „Stehkomiker“ (ich hasse Anglizismen und vor allem die Berufsbezeichnung „Comedian“) oder „Stehkomödiant“ sein Gesicht vor jedes Mikro und vor jede laufende Kamera gehalten hat. Natürlich konnte man den irgendwann nicht mehr sehen, aber da gilt eben „Willst Du gelten, mach dich selten“. D.h. vielleicht nicht jeder Zeitung/Zeitschrift ein Interview geben und nicht in jeder Fernsehsendung zu Gast sein.
    Der Unterschied liegt hier eben zwischen „Fernsehkomiker/Fernsehkabarettist“ und „Komiker/Kabarettist“. Der erstere lebt davon im Fersehen präsent zu sein, der letztere benutzt das Fernsehen nur als „Werbeplattform“, um Werbung für sein Bühnenprogramm zu machen. Auch einer Gründe, warum z.B. solche guten Kabarettisten wie Volker Pispers nicht so oft im Fernsehen auftreten (was ich bedauere). Nein, Vispers geht lieber auf Tour. Er ist nicht so sehr aufs Fernsehen angewiesen, wie so mancher Komiker, der erst durch seine Fernsehauftritte bekannt geworden ist.

  12. hab den deutschen fernsehpreis auch nicht gesehn, aber irgendwie
    ist es doch gerade zu peinlich, dass da wahrscheinlich alle am lachen
    waren im saal ohne zu merken, dass sie die leute sind, die das in
    der hand haben.

  13. Im den Business klauen doch fast alle. Ich meine: alle. Und die meisten von Rudi Carrell, wie der immer zu erzählen wusste.

  14. Dieser Sketch von Joh. König wurde in der Vergangenheit schon mehrfach auf verschiedenen Kanälen gesendet. Er tritt und tratals Comedian in einigen einschlägigen Comedysendungen und StandUp Shows auf. Insofern habe ich diese Nummer schon mindestens drei mal gesehen. Ich will nicht schwören aber es waren glaube ich: Nightwash, Zimmer Frei und Quatsch Comedy Club. Die Gala habe ich mir NICHT angetan, und wenn ich die Kommentare hier lese scheine ich auch nichts verpasst zu haben. Insofern hat er diesen Beitrag also nicht extra für die Fensehpreis-Gala geschrieben. Er hat sie allerdings vor allem im Anfangsbereich leicht abgewandelt, ich nehme an damit es besser in den Kontext der Gala passt.

  15. @Marcus:
    Hat ja auch niemand was anderes behauptet.
    Ich finds trotzdem witzig, daß er das mal den (bzw. einigen der) Leuten ins Gesicht sagen konnte, die für die Misere verantwortlich sind.
    Deshalb vermisse ich in der Transkription auch dringend die erste Zeile: „Na, ihr Fernsehfritzen“ oder so ähnlich …

  16. Trocken, absolut treffend und schmunzeltränentreibend. Danke Hr.König und fürs hier zitieren im Wortlaut.

  17. @20
    Doch, man darf, nein: man muss manchmal sogar, ein System kritisieren, „indem man sich selbst befindet“. Ansonsten würde dieses „System“ irgendwann an Betriebsblindheit kollabieren. Diesen Eindruck habe ich übrigens was das Fernsehmachen angeht, immer mehr (und zwar als Zuschauer – also als von aussen betrachtender). Damit ist nicht automatisch gesagt, dass alles Fernsehen blöd ist (das hört man ja zu oft, als dass es stimmen könnte).

    Aber hat Königs „Kritik“ nicht etwas geradezu possierliches, hofnarrenartiges? Letztlich ist das doch so harmlos, dass eben nicht der Bissen vom Buffet im Hals wenigstens eine Sekunde stecken bleibt und/oder so etwas wie eine Reflexion stattfinden könnte. Sondern es ist – Belustigung; ein Vorspiegeln von so etwas wie Selbstkritik. Etwa so, wie diese Komiker auf Betriebsfeiern.

  18. @33
    Königs Kritik ist sicherlich nicht sehr bissig, das stimmt schon. Letzten Endes kommt es aber immer drauf an wer es wie aufnimmt.
    Besonders bissige Kritik wird manchmal auch einfach als Beleidigung aufgenommen und verfehlt somit ebenfalls ihr Ziel, andere Leute sind dann nicht beleidigt, finden es aber primitiv.
    Ein Comedian darf auch einfach nur witzig sein, bzw. er soll es vor allem sein. Wenn ich lustig sein will, dann versuch ich zuerst die Leute zum Lachen zu bringen und dann eine Message zu transportieren; im Idealfall funktioniert beides unabhängig voneinander, sprich, wer die Message nicht kapiert kann trotzdem lachen. =)

  19. @20 & 35 – Klar darf jede/r (kritisieren, von innen heraus). Aber König ist ja nicht auf dem „Langen Marsch“ durch die Institution TV, sondern er produziert das Problem mit, das er, wie Gregor schreibt, in Hofnarrenmanier verkrautet, zur wohligen Unterhaltung der TV-Bosse. Denen müssen ja Schauer der Lust über den Rücken gerauscht sein, als ihnen König den Spiegel vorhielt, was für verkommene Jungs sie doch sind.
    Systemkritik sieht anders aus.

  20. @36
    „Schauer der Lust“? „Systemkritik“?! Was ist denn jetzt los? Der König ist kein bezahlter Revoluzzer, dessen Erfolg man an zerschlagenen Fernsehimperien misst, sondern ein Comedian, dessen Erfolg man an guten Witzen messen sollte. Daher ist die Rede meiner Ansicht nach ein voller Erfolg.

  21. Das mit der Kritikfähigkeit ergibt keinen Sinn. Was deutet denn bei König auf fehlende Kritikfähigkeit hin?

    Ich versteh auch nicht wie die Rede/die Nummer aussehen sollte damit sie waschechte, lupenreine Systemkritik wäre. Auf der Bühne des Deutschen Fernsehpreises hätte jede noch so schlimme Pöbelei etwas „hofnarrenartiges“, oder sie würde, ab einer bestimmten Geschmacksgrenze, schlicht lächerlich. Nach den hohen Standards die hier teilweise angelegt werden hat unser Comedian eigentlich von vornherein verloren, oder er muss halt draußen bleiben. Kann man ja auch so sehen eigentlich, ich finds halt etwas übertrieben.

  22. Es ging mir nur darum, dass ich die starre Alternative entweder Revoluzzer oder Comedian unsinnig finde. Man könnte unter „guten Witzen“ ja auch z.B. Witze verstehen, die an eine unangenehme Wahrheit rühren und gerade daraus ihre Komik gewinnen.

    Wenn einer das Problem selbst produziert, das er zu kritisieren vorgibt, ist der Vorwurf der Heuchelei nicht weit hergeholt, sondern geradezu zwingend. Ob das bei König der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, da ich sein Schaffen zu wenig verfolgt habe (mir ist damals das Titanic-Plagiat sauer aufgestoßen – wer einmal lügt, dem glaubt man nicht). Die Rede zum Fernsehpreis find ich okay.

  23. Die hier zu lesenden Kommentare bewegen sich erwartungsgemäss in Regel exakt auf dem Niveau der üblichen nachmittäglichen Krawall-Talkshows, also ziemlich weit unten.

    Die Autoren ergehen sich arrogant, überheblich und (wie ins Blogs allgemein üblich) in vermeintlich alleinigem Besitz von „Wahrheit“ und Deutungshoheit in Kritik über Medien und Macher.

    Die gesamte Diskussion inklusive aller Spekulationen über die Motivationslage des Hr. König ist jedoch obsolet. Offensichtlich haben sie alle nicht begriffen, dass auch hier die Gesetze des Marktes ihre Gültigkeit nicht verloren haben.

    Die Nachfrage bestimmt das Angebot und nicht umgekehrt (Stichwort GfK)! Demzufolge gibt es die allseits beklagten, unsäglich erbärmlichen Formate, weil sie gesehen werden wollen. Ergo möchten 3,44 Millionen Leser die BILD so lesen wie sie ist, weil sie so ist.

    Eine Beeinflussnahme des Medienangebot nennt man im Übrigen „Zensur“.

    Es gilt auch hier: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!“ (Dieter Nuhr) Und um- oder abschalten, möchte man hinzufügen.

  24. It’s a pity you don’t have a donate button! I’d without a doubt donate to this brilliant blog!

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