Christiane Ruff

Es könnte sein, dass sich dieser Text gleich ein bisschen zu sehr wie ein Nachruf lesen wird, aber keine Sorge: Christiane Ruff lebt. Sie verabschiedet sich nur in der kommenden Woche aus dem Fernsehgeschäft. Das ist allerdings besonders schade. Nicht nur, weil die Geschäftsführerin der Produktionsfirma Sony Pictures (früher: Columbia Tristar) mit ihrer lauten, undiplomatischen, leidenschaftlichen Art einer Frau aus dem Ruhrgebiet so ein sympathischer Fremdkörper in der Branche war. Sondern auch, weil sie uns das Genre der deutschen Sitcom schenkte.

Dabei waren die Anfänge gruselig: Als RTL-Unterhaltungsredakteurin war sie zu Beginn der neunziger Jahre mitverantwortlich für die Idee, amerikanische Erfolgsserien wie „Eine schrecklich nette Familie“ einfach wörtlich ins Deutsche zu übersetzen und unter Titeln wie „Hilfe, meine Familie spinnt“ nachspielen zu lassen. Aber der Sender ließ sie weiter probieren, und irgendwann schien sie als Produzentin eine Formel gefunden zu haben für warmherzige und lustige Sitcoms, die ihre Protagonisten ernst nahmen und vom Publikum und von der Kritik geliebt wurden: „Nikola“, „Ritas Welt“, „Mein Leben und ich“. (Wenn man die Kritik weglässt, zählen noch „Die Camper“ und „Alles Atze“ dazu.)

Es war sehr ansehnliches, wiederholbares, kommerziell höchst erfolgreiches Unterhaltungsfernsehen, und nichts sprach dafür, dass dieses Genre – mit all seinen mehr und weniger gelungenen Nachahmern – je wieder verschwinden würde. Tat es aber. Nachdem der jüngste Versuch, „Der kleine Mann“ mit Bjarne Mädel auf Pro Sieben, gerade auf sensationelles Zuschauerdesinteresse stieß, kann selbst ein sehr ungeschickter Sägewerksarbeiter die Zahl der erfolgreichen deutschen Comedyserien an einer Hand abzählen.

Bei RTL glaubt man nicht einmal an seine eigenen Auftragsproduktionen: Die von Sony produzierte Schulcomedy „Der Lehrer“, die der Sender schon im Mai 2007 vorgestellt hat und die 2008 für die „Goldene Rose“ nominiert wurde, wird erst jetzt im Spätsommer, fast widerwillig, ins Programm genommen und schnell in Doppelfolgen versendet. Was man in Zukunft von RTL an fiktionalen Serienproduktionen erwarten darf, zeigt die Tatsache, dass der Sender die entsprechenden Mitarbeiter gerade entlässt und die Abteilungen de facto auflöst.

Die großen Erfolge von Sony liegen nun auch schon einige Jahre zurück, die Versuche mit Dramaserien waren ambitioniert, aber vergleichsweise erfolglos, stattdessen funktionierte Schrott wie das Versteckte-Kamera-Fake „Böse Mädchen“, und die Spielräume werden in Zukunft eher schrumpfen. Besser wird’s nicht, sagt Christiane Ruff und geht. Sie wird dem Fernsehen fehlen, auch wenn das Fernsehen das nicht merkt.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

5 Replies to “Christiane Ruff”

  1. Um Frau Ruff mag es vielleicht Schade sein, aber RTL hat in den vergangenen Jahren einfach zuviele Produktionen bei Sony Pictures Deutschland bestellt, die alle in Köln produziert wurden.
    Das RTL im Bereich eigenproduzierte Fiction nicht mehr viel macht ist zwar bedauerlich, aber es will ja auch keiner mehr sehen.
    Wieviele Piloten hat RTL im letzten Jahr noch produziert? Ich könnte jetzt nachsehen, da der Sender dies ja stets durch Pressemitteilung verlautbart hat, aber da waren einige Sachen aus dem Medical-Genre mit Heio von Steffen oder und zweimal mit Idil Üner, ein Krimiformat mit Heinz Hoenig und nochmal was undefinierbares mit Andrea Sawatzki. Das war aber alles nichts.
    Und am Sonntag kann man nicht gegen den Tatort, Pilcher, die Sat.1-Serien und den ProSieben-Blockbuster anstinken.
    Da ist es doch logisch, wenn man so viele günstigere und ungleich erfolgreichere Produktionen hat nach Jahren der Erfolglosigkeit Konsequenzen zu ziehen. Das es „Die 25. Stunde“ nicht ins Programm geschafft hat und unzählige unausgestrahlte Folgen von ungezählten abgesetzen Serien wie „Abschnitt 40“, „Die Familienanwältin“ und längst vergessenen Formaten wie „Medicopter 117“ oder „Balko“ noch immer im Archiv liegen und möglicherweise erst zu nachtschlafender Stunde in fünf Jahren versendet werden ist zwar traurig, aber solange RTL keinen Leidensdruck wie Sat.1 hat wird sich daran nichts ändern.
    Frau Ruff ist jetzt jedenfalls in einem Alter wo man sich dem öffentlich-rechtlichen Publikum zuwenden sollte. Viel Glück dabei!

  2. Einen seltsamen TV-Geschmack hat Herr Niggemeier aber schon, oder? Was der so alles sieht und beachtet… vom Schlagertrallala bis zu einer Frau Siegel und all das belanglose und miese dazwischen.
    Muss wirklich jemand all diesen offensichtlichen & überflüssigen Dreck im TV auch noch kenntnisreich beschreiben, verliebt kritisieren, und manchmal sogar fanmäßig loben …und damit aufwerten?
    Bei Aufkommen des Jazz, Rock’n’Roll, der Comics und ähnlicher „Popkultur“ in den 50ern bis in die 60er hinein war das notwendig und sehr hilfreich. Aber was wir heute im TV erleben, ist mit dem doch wahrlich nicht zu vergleichen. Am besten: nicht anschauen, nicht beachten. Oder: soziohistorisch betrachten, das könnte interessant sein; das Aufkommen einer gespaltenen Gesellschaft: 80% (?) konsumieren und leben mit diesem Dreck (und das Ergebnis seh‘ ich täglich in Berliner S- und U-Bahnen), …
    …. ich hab keine Lust mehr.

  3. @Jeeves: Gibt es irgendeine offizielle Grenze, bis wann Popkultur produziert worden sein muss, um nicht identisch zu sein mit „Dreck“? Eine genaue Jahreszahl? 1965? 1968? Nur dass sich dann alle daran halten können.

    (Warum lesen manche Leute hier mit und kommentieren auch noch?)

Comments are closed.