Der blanke Wahn

Levi Johnston, der uneheliche Vater des Enkelsohns der ehemaligen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin, wird sich möglicherweise für ein amerikanisches Erotikportal ausziehen und hat einen Werbefilm für Pistazien gedreht.

Das ist die Nachricht, und die Menschen in den führenden deutschen Online-Boulevardredaktionen, also bei sueddeutsche.de, „RP-Online“ und „Spiegel Online“, die diese Information heute auf den Tisch bekommen haben mit dem Auftrag, daraus einen klickträchtigen Artikel zu machen, haben vermutlich unser Mitleid verdient. Sie haben sich bestimmt auch etwas anderes unter Journalismus vorgestellt, als das tägliche Aufplustern solcher Nichtigkeiten durch rituelles Interpretieren und Halluzinieren.

Da geht’s ihnen wie mir.

Und die Sache mit Johnston ist in der Zusammenballung von Vergangenheits- und Möglichkeitsformen nun besonders anspruchsvoll, schließlich ist er der Nicht-mehr-noch-nicht-Schwiegersohn der Nicht-mehr-Gouverneurin und Noch-nicht-Präsidentschaftskandidatin, genau genommen sind beide im Moment also ungefähr nichts.

„Spiegel Online“ vorspannt:

Neue Peinlichkeiten aus dem angeblich so sittenstrengen Palin-Clan: Der frühere Schwiegersohn-Aspirant der zurückgetretenen Gouverneurin will sich unbedingt für das Magazin „Playgirl“ entkleiden. Doch bis dahin wirbt Levi Johnston erst einmal für Nüsse.

Die dezente Andeutung eines Hodenwitzes gibt Pluspunkte in der B-Note, aber Johnston „Sittenstrenge“ zu unterstellen, ist allein der Notwendigkeit geschuldet, einen Pseudo-Kontrast zu konstruieren, ebenso wie der Gaga-Satz, mit dem der Artikel beginnt: „Besonders zurückhaltend waren die Palins ja noch nie (…).“ Nicht?

Die Fallhöhe der Geschichte schrumpft auf mikroskopische Größenordnungen, wenn man dann liest, dass Johnston sich für ein Männermagazin schon einmal halb ausgezogen hatte, was dem großen deutschen Nachrichtenportal tatsächlich auch damals schon eine Meldung wert war. Überschrift, jawohl: „Palins Beinah-Schwiegersohn posiert ohne Hemd“.

Es stellt sich weiter heraus, dass „Spiegel Online“ das Magazin „Playgirl“, das Johnston vielleicht nackt zeigen wird, für ein „Heft“ hält, dabei erscheinen die nackten Jungs längst nur noch online.

Das konnte der diensthabenden Kollegin von sueddeutsche.de nicht passieren, die offenbar „Playgirl“ bei Wikipedia nachgeschlagen hat, dort das eindrucksvolle Adjektiv „pornographisch“ fand sowie ein paar weitere Informationen über die vermutete Leserschaft, was dringend benötigtes Material zum Skandalisieren dieser ganz und gar egalen Geschichte darstellte:

Ob Johnston, Vater eines gemeinsamen Kindes mit der 18-Jährigen Bristol Palin, weiß, was mit dem Fotoshooting auf ihn zukommt? Er selbst gab zu, er habe noch nie einen Blick in das Magazin geworfen. Mit den Inhalten kenne er sich trotzdem aus: Dem Daily Telegraph sagte er, er nähme an, es gehe um Typen, die für Frauen posieren. Dass das Playgirl eine große homosexuelle Fangemeinde hat, ist ihm offenbar nicht klar.

Ui. Nicht-mehr-Gouverneurinnen-nicht-mehr-noch-nicht-Schwiegersohn posiert für Schwule! Na, das wäre ja, also, das wäre ja was. Der sueddeutsche.de-Artikel beginnt übrigens so:

Ein Glück, dass der Wahlkampf ums amerikanische Präsidentenamt längst vorbei ist – noch vor einem Jahr hätte das, was sich gerade im Palin-Clan tut, für Riesenwirbel gesorgt: Levi Johnston, der Beinahe-Schwiegersohn der konservativen Ex-Gouverneurin von Alaska, will blank ziehen.

Der erste Satz ist schön: Da erfährt man sogar, unter welchen Umständen die Nicht-Nachricht, die sueddeutsche.de als Nachricht bringt, eine Nachricht gewesen wäre. Aber wenn Sie mir bitte auf einen kleinen Exkurs folgen würden:

Ich weiß nicht, ob es eine Altersfrage ist, aber ich kriege Pickel, wenn ich die Formulierung „blank ziehen“ höre, jedenfalls außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes gelallter Sätze wie: „Kuckma, die geile Schlampe zieht blank!“ Wie hat es dieser Begriff geschafft, erst seine alte Bedeutung vom Zücken des Schwertes zu verlieren und dann von der Prollsprache aus die Welt der seriösen Medien wie sueddeutsche.de zu erobern?

Ich glaube, was ich an der Verwendung so eklig finde, ist die merkwürdige Kombination aus Geilheit und Prüderie, die er ausdrückt, dieses völlig abwegige Erstaunen darüber, dass jemand in der Öffentlichkeit oder sogar für die Öffentlichkeit intimere Bereiche seines Körpers entblößt. Jeder dieser Akte scheint heute mit einem Staunen gefeiert zu werden, als fände die Diskussion vor 40 Jahren statt und als wäre es heute möglich, mittags Programme wie RTL oder Pro Sieben einzuschalten, ohne dass einem nackte Brüste entgegenkugelten. Aber egal, wie allgegenwärtig nackte Frauen heute sind — in der „Bild“-Redaktion kann eine prominente Brustwarze, die für den Bruchteil einer Sekunde viertelenthüllt war und dabei fotografiert wurde, immer noch ganze Orgasmuskaskaden auslösen. Ich schweife ab.

Denn da sind ja noch meine Freunde von „RP-Online“. Für die ist das mit dem Nacktausziehen nicht ganz so schockierend wie für die Kollegen, denn immerhin hat der junge Mann ja schon für Pistazien geworben:

Damit ist es aber noch nicht genug: Johnston wirbt seit einigen Tagen in einem Werbespot für Pistazien. Im vergangenen Jahr hatte der 19-Jährige seine sittenstrenge Schwiegermutter in spe im Präsidentschaftswahlkampf in Bedrängnis gebracht, als er Palins Tochter schwängerte. [Über diesen Satz und den Gebrauch des Wortes „schwängern“ könnte ich ähnlich lange und fruchtlose Exkurse schreiben wie über das „blank ziehen“, aber glauben Sie mir: Das wollen Sie nicht lesen.]

In dem kurzen Spot wird jetzt genau darauf angespielt: Während Johnston genüßlich an seinen Pistazien knuspert, und hysterische Fans nach ihm schreien, hört man aus dem Off: „Jetzt macht es Levi Johnston mit Schutz.“ Damit hat der junge Mann schon eine Schmerzgrenze überschritten. Die Nacktbilder für „Playgirl“ dürften ihm damit nicht mehr schwer fallen.

Ist die Logik nicht toll? Und dieser rührende Gedanke, dass diesem versehentlich in die Öffentlichkeit geratenen jungen Mann sonst das Ausziehen, mutmaßlich für Geld, „schwer fallen“ könnte?

(Falls Sie übrigens das mit dem „Schutz“ nicht verstehen, könnte das daran liegen, dass weder „RP-Online“ noch „Spiegel Online“ erwähnen, dass in dem Film neben Johnston ein Bodybuilderguard steht, was für das Verständnis nicht ganz unwesentlich wäre, wenn nicht alles in dieser Geschichte unwesentlich wäre.)

Aber die Doofen von „RP-Online“ haben ja nicht einmal verstanden, dass Johnston das alles nicht zuletzt tut, um Palin und ihre Familie zu ärgern, weil er sich von der Mutter seines Kindes Ende vergangenen Jahres getrennt hat. Das können sie auch nicht verstehen, weil sie von dieser Trennung, die nun wirklich eine Art Nachricht war, nicht wissen und stattdessen fantasieren:

Düsseldorf (RPO). Politisch ist von der US-Republikanerin Sarah Palin nicht mehr viel zu hören. An bunten Geschichten um die ehemalige Gouverneurin von Alaska mangelt aber dennoch nicht. Jetzt will sich ihr zukünftiger Schwiegersohn für das Magazin „Playgirl“ ausziehen.

Sollte sich Sarah Palin tatsächlich auf eine Präsidenschaftskandidatur im Jahr 2012 vorbereiten, dürften ihr diese Schlagzeilen überhaupt nicht gefallen. Ausgerechnet ihr zukünftiger Schwiegersohn, Levi Johnston, will sich für Nacktaufnahmen ausziehen, die demnächst in dem US-Magazin „Playgirl“ erscheinen könnten.

Bitte fragen Sie mich nicht, warum ich das alles aufgeschrieben habe. Irgendwie hatte sich nach dem Urlaub diese Hornhautschicht noch nicht wieder gebildet, die mich sonst gelegentlich davor schützt, mich auf den blanken Wahnsinn des deutschen Online-Journalismus einzulassen.

Nachtrag, 9. Oktober, 13:30 Uhr. „RP-Online“ hat den Text unauffällig teilkorrigiert, hält aber aus irgendwelchen Gründen an der Formulierung „Schwiegersohn in spe“ fest.

85 Replies to “Der blanke Wahn”

  1. Auweia, hoffentlich ist jetzt nicht die ganze Erholung wieder dahin.
    Kleiner Tipp: Bei der Küchenarbeit mit einem scharfen Messer die Fingerkuppen begrüßen hilft auch gegen Tippsucht.
    Mike mit dem (vorübergehenden) 9-Finger-System

  2. „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ – Friedrich Nietsche

  3. Mir kommen gerade fürchterlich verzerrte Bilder von Deutschen Ex-Politiker-Kindern + Anhang in den Sinn, sprich Strauss & Co..

    Ist der Typ wenigstens hübsch? Lohnt sich die Bildsuche oder ist das Sommerloch dieses Jahr nur einfach überdemensional groß?

  4. Ich glaube, man muss sich einfach eingestehen, dass das, was auf den Onlineportalen auch von (leidlich) seriösen Zeitungen passiert, überhaupt nichts mit Journalismus – oder allgemeiner: gesundem Menschenverstand, Leserorientierung, Nachrichtenwert etc. – zu tun hat. Der Gedanke ist zwar schmerzhaft, aber bewahrt vor regelmäßigen Enttäuschungen.

    Nur wo findet man dann noch wirklichen Journalismus im Netz?

  5. „Die Doofen von rp-online“ wäre ein guter Serientitel. Da muss man gleich an einen symphatischen Chaotenhaufen denken. Das könnte man auch als Doku-Soap aufziehen.

  6. Warum denken sich diese Journalisten sowas denn nicht einfach selber aus? Das wäre zeitsparender, einfacher und spannender, also um ein vielfaches ökonomischer. Und rentabler. Und jetzt gehen mir die Adjektive aus.

  7. „Blank ziehen“ ist wirklich eklig, aber was ist denn bitte an dem Wort „schwängern“ auszusetzen.
    Übrigens ist der Schwarze in dem Werbespot ein Bodyguard und kein Bodybuilder. Die Erläuterung mit dem Bodybuilder läßt den Sinn nämlich auch nicht erkennen.

  8. Sehr, sehr schön. Aber mal ehrlich: diese Palin und ihr Clan ist keine Sippe, die ich meinem ärgsten Journalisten-Fein wünschen würden.

    Ansonsten volle Zustimmung zum „blank ziehen“, schwängern hingegen ist ein völlig normales und überhaupt nicht altmodisches Wort – tatsächlich auch unverstaubt gebräuchlich in der Umgebung in der es aktiv passiert, sei es im familiären oder medizinischen Bereich. Schwangerschaft entsteht üblicherweise durch eine bestimmte Form maskulinen Aktionismus, das Verb davon heißt im Erfolgsfall dann schwängern. Alles andere hieße „künstlich befruchtet“. Nichts für ungut! ,-)

  9. Blank ziehen. Das ist wirklich schlimm. Auch, weil man es jetzt in seiner ursprünglichen Bedeutung – also der mit der Klinge – nicht mehr gebrauchen kann, ohne kindergartenhaft prustendes Gelächter auszulösen…

  10. Großartiger Ausbruch. Wegen Texten wie diesem (und der Einstellung, die dahinter steht) bin ich vor Jahren in diesem Block hängen geblieben.
    YMMD, danke.
    Olaf

  11. 1. Danke für die Erklärung zum „blank ziehen“. Das finde ich auch, nicht zuletzt wegen des ständigen Gebrauchs in der Bild, abstoßend, wusste aber nie so recht warum; jetzt weiß ich es. Aber das Problem mit dem Begriff Schwängern verstehe ich nicht. Schreib doch mal was dazu, ich würde es gerne lesen.

    2. Das Spiegel Online dem Palin-Clan Sittenstrenge unterstellt ist aber i.O. Schließlich haben die genau damit Wahlkampf gemacht. Man denke nur an die angekündigte Hochzeit der beiden nachdem bekannt wurde, dass sie schwanger ist.

  12. @13creezy
    schwängern ist dermaßen was von neutral, daß es in diesem Zusammenhang negativ wirkt. Als hätte er nichts anderes zu tun gehabt als „die Kleine“ zu schwängern (zu f…). So wirkt das auf mich.

    @15 Olaf
    auch meine Erfahrung.

    Feine Recherche Herr Niggemeier. Danke.

  13. ich verstehe immer noch nicht, warum die deutschen medien überhaupt auf die levi-johnston-story aufgesprungen sind.
    warum? zieht palin ernsthaft noch bei spiegel und sz? und dann auch noch über die bande johnston? please.
    faszinierend nebenbei, dass sich nicht nur arbeitslose mädchen inzwischen als fortlaufende foto-fleisch-story in bunten blättern etablieren können, sondern ebenso hirnlose jungs. gleichheit naht!

    wenn es irgendetwas helfen könnte: bitte mehr über penetrant kugelnde brüste im nachmittagsprogramm der privaten herziehen.
    es kotzt einen inzwischen an, nicht nur nachts, sondern zur kindersendezeit ständig titten serviert zu bekommen. was ist eigentlich mit der aufsicht des fernsehens passiert? gibts da was?

  14. ..also, wenn ich lese „Y schwängerte X“ sehe ich immer Kinder beim „fangen“ spielen, wo einer den anderen antupft und statt „du musst“ jetzt „schwanger“ brüllt..

    Herr Niggemeier, ich würde Ihre Meinung zu diesen Begriffen wirklich gerne lesen, gerne auch in epischer Breite!

  15. löscht ein langer artikel über ein nicht-nachricht, die dadurch dass sie kommentiert wird zur nachricht wird, also ein nachricht-nicht-nachricht wird, das universum aus? dürfen rp-online, süddeutsche.de und konsorten JETZT darüber schreiben, weil niggemeier geschrieben hat, dass man darüber nicht schreibt? zieht sich die pistatzie jetzt für die präsidentschaftskandidatur des schwangeren schwiergersohns von guido westerwelle aus und ruft zur amoral auf…
    oh gott, mein hirn platzt…….

  16. „[Über diesen Satz und den Gebrauch des Wortes „schwängern“ könnte ich ähnlich lange und fruchtlose Exkurse schreiben wie über das „blank ziehen“, aber glauben Sie mir: Das wollen Sie nicht lesen.]“

    Doch ich will.

  17. @ 5 Stefan Niggemeier

    Danke für den Hinweis. Stimmt, das sollte bekannt sein. Verdammt!

    Der Abschweif-Link führten bei mir zu der Uhrzeit zu einer solchen verwirrten Müdigkeit, dass ich „schlimme Bilder“ kurz vorm Schlafen Gehen vermeiden wollte – böse Träume und so – ich hoffe Sie verstehen.

    War aber nicht schlimm. Aber jung ist er, verdammt jung! So schließe ich mich zoeys Kommentar an.

    Kurz zum Nachmittags-Kugelbrust-Hinweis: Ich dachte, da würden besonders viele Frauen fernsehen. Die haben doch selber zwei, wieso brauchen die noch mehr?

  18. @ (#9) Luise

    „Warum denken sich diese Journalisten sowas denn nicht einfach selber aus?“

    Durch die Verwendung des Verbs „denken“ haben Sie bereits die Antwort selber gegeben.

  19. @ 24 JO

    ..denen will man auf diese Art subtil eine Live-Brustvergrößerung mit und bei RTL schmackhaft machen.

    Oder denken Sie, die gezeigten Brüste seien realitätsnaher als der Rest des Programms?

  20. Ach bitte, was soll das sein? Eine harmlos-langweilige Boulevardnachricht mal so richtig schön langwierig auseinandergenommen. Massiven Respekt dafür! Und dann „pickel kriegen“ wg. „blank ziehen“, ja bravo das trifft, warum nicht gleich den gerne genommenen „Augenkrebs“?
    Als nächstes kommt bestimmt das Wort „famos“ an den Pranger und die Bastian-Sick-Claquere kriegen sich kaum noch ein vor Freude. Willkommen beim Stammtisch des nörgelnden Hausmeisters und der Hausmeister-Gutfinder.

  21. @ alle, die „schwängern“ ok finden:
    ihr sagt sicherlich auch zu einem Freund, dessen Freundin ein Kind erwartet: „Oh, schön, du hast sie geschwängert. Glückwunsch.“

  22. Der Sohn des Fast-Schwimmbadreinigers einer Schwester von Sarah Palin ist mal zu schnell Auto gefahren. SPIEGEL-Fazit: „Die Palins“ haben halt alle einen an der Klatsche. Wenn es die Nichte des Bruders des ehemaligen Vertretungs-Sportlehrers von Barack Obama gewesen wäre, würde es heißen: jaja, die flotten Obamas sind halt schon immer schnell unterwegs gewesen. „Spiegel“ halt.

  23. @ (#26) Comicfreak

    Nein. Aber eindeutig wertvoller.

    Ebenso ist es sehr wertvoll über die verwendeten Begriffe in einem journalistischen Beitrag zu diskutieren, denn ähnlich wie die Bilder des Nachmittagsprogramms prägen sie unser Denken.

    Nein, die letzte Diskussion ist sogar für mich noch wichtiger, da ich eindeutig mehr Zeitung lese als dem Nachmittagsprogramm folge. Dass sie dann auch noch von einem Mann erfolgt ist um so schöner und intelligenter.

  24. „Warum denken sich diese Journalisten sowas denn nicht einfach selber aus?“
    zu weiten Teilen denken die sich das ja aus. Im Prinzip ist es das gleiche Genre wie diese Uuups-PannenClip-Shows: man sieht ein Missgeschick, und dazu wird irgendetwas fabuliert, was nicht im geringsten mit dem Gezeigten zu tun hat. („Tante Berta und ihre süße Nichte Anna“ etc)
    Spiegelonline hat das letztens auch bei einestages über historische Postkarten gemacht, es war klar, dass völlig unklar war, wass die Motive zeigten; das hielt den Schreiber aber nicht davon ab einfach drauflos zu spekulieren.

    da kommt eine Agenturmeldung rein, die mehr oder weniger klar und eindeutig ist. Und der Rest wird sich halt ausgedacht.

  25. Sehr schön in Worte gefasst. Trifft mal wieder ganz und gar meine Meinung.
    Aber bei den Kommentatoren, die hier schreiben, dass „schwängern“ absolut neutral und gar nicht altmodisch ist, beginne ich mich gleich wieder zu wundern. Ich finde „schwängern“ ist in der Konnotation generell negativ besetzt und klingt verächtlich. Außerdem lässt es die Frau komplett passiv erscheinen bei dem Akt. Nur, weil eine Frau ohne männlichen Samen nicht schwanger werden kann, heißt das noch nicht, dass der Mann allein für das Ergebnis verantwortlich ist oder dieses allein hingezimmert bekommen hat. Außerdem suggeriert der Begriff volle Absicht, als hätte der Kerl vorher für sich beschlossen: „So, heute geh ich mal schwängern.“ Die Frau hingegen „lässt sich schwängern“ oder „wird geschwängert“. Beides schließt einen aktiven Part bei der Entscheidung oder beim Akt aus und entlässt sie damit auch aus einer Verantwortung. Das tumbe Weib kann voll von Glückseligkeit daliegen, da ihr Macho-Hengst sie seines kostbaren Saftes als würdig angesehen und geschwängert hat.

    Das irgendwer dieses Wort tatsächlich als normal und neutral ansehen könnte, erscheint mir wirklich rätselhaft.

  26. Sehe ich ähnlich. Schwängern ist antiquiert, und drückt ein überaltetes Rollenverständnis aus. Aber wie kann man diesen Umstand noch beschreiben? Da fehlt mir augenblicklich die Fanatasie. Ich kenne ansonsten nur noch „Braten in die Röhre“ schieben. Aber das kommt noch weniger in Betracht.

    @8/tz: Ah, ok. Ich kann mich erinnern.

  27. Habe ich hier irgendwo gelesen, dass der großartige Monty Arnold mit SpOn verglichen wird? Ich muss doch bitten. tsetsetse.

  28. @33 Lutz
    Sie verwechseln Konnotation mit Kontext. Im Kontext des Artikels ist die Verwendung meines Erachtens genau so zu sehen wie Sie es beschreiben. Allerdings trägt nicht zuletzt der Gebrauch diese Wortes in der Gossensprache, auch wieder im Kontext, zur gedanklichen Assoziation bei, wobei wir wieder bei der Konnotation wären :-)
    @34 Martin zeigt uns, dass „schwängern“ in der Denotation völlig neutral ist.

  29. @ 37 Haarspalter

    Auch in der Denotation bleibt es ein Akt, der vom Mann ausgeführt wird und bei dem die Frau vollkommen passiv bleibt. Wie sie das dann konnotativ werten wollen, ist natürlich Ihnen überlassen. Ich erachte diese Sichtweise als altbacken und sowohl frauen- als auch männerverachtend.

  30. ihr habe glück das dieser Levi nicht noch mehr kinder gemacht hat!
    sonst würde er jetzt „VATER der LEVIES“ heissen…..
    na jo.

  31. @Alberto Green
    ich wollte Monty Arnold ursprünglich tatsächlich erwähnen, allerdings mit dem Adjektiv „bedauerlich“

  32. @inga: Hat sie denn das Kind bekommen? Um den erfolgreichen Zeugungsakt zu beschreiben, finde ich „…haben ein Kind gezeugt“ nicht klar genug, weil das m.E. auch eine bereits erfolgte Geburt impliziert.

  33. @42 Martin

    Nehmen Sie „befruchten“ oder ganz modern „imprägnieren“, damit ist auf keinen Fall eine Geburt gemeint *grins*

  34. Den Nichts-Leuten dann aber hier auch noch eine Plattform zu geben, macht die Sache aber nicht besser, oder? :o Don’t feed the trolls – ignorieren. Die freuen sich doch jetzt einen Knopf an die Backe..von Scham keine Spur, ganz sicher nicht.

  35. @Haarspalter (40):
    Eben nicht. Wenn schon, dann: „Der Rüde hat mit der Fähe ein Kind gezeugt“. Und (zu 43): Es wird nicht die Frau befruchtet, sondern die Eizelle. Wenn wir schon beim Haarespalten sind.

    @Martin:
    Natürlich hat sie das Kind bekommen. Ich bitte Dich: Die Tochter von Palin und abtreiben?!

  36. @45: Aber in Bedrängnis (wenn man denn so will) hat er Palin nicht gebracht, weil er ein Kind mit der Tochter zeugte (damals war es ja nicht geboren), sondern weil er sie schwängerte.

    Albern an der Textpassage ist ja weniger der wohl in der Tat eher negativ belegte aber (soweot ich erkennen kann) alternativlose Begriff „schwängern“ als vielmehr die Verwendung der Konjunkiton „als“.

  37. Ich weiß gar nicht, was es am „Blankziehen“ auszusetzen gibt. Er tut’s doch. Er holt doch sein Schwert …
    (Ich opfere mich. Ich hab’s ausgesprochen, damit es auch der letzte Depp und sogar der letzte BILD-Leser kapiert.)

    Das „Schwängern“ hingegen sehe auch ich kritisch. Es mag ja eine Leistung für einen Mann sein, wenn die Frau, die durch seinen Samen auf den – in aller Regel – neunmonatigen Weg zur Geburt gebracht wurde, eine Karrierefrau ist, die alle nur möglichen Mittel ergreift, um genau dieses zu verhüten. Bei Bristol Palin hingegen wäre es eine Leistung gewesen, genau dieses nicht zu tun. Und vielleicht wäre nicht einmal das eine erwähnenswerte Errungenschaft gewesen, das ist persönliche Geschmackssache.

    Abschließend ist es aber nicht verwunderlich, dass eine solche Nicht-Neuigkeit den Weg in bestimmte Medien fand, immerhin gibt es auch einen Zusammenhang mit der mindestens von Spiegel Online als Nuss missverstandenen Steinfrucht Pistazie: Wer tatsächlich meint, aus so einem Gewäsch eine Nachricht konstruieren zu müssen, ist bloß eine hohle Nuss!

    ;-)

  38. Also gut, wie wäre es mit: „… geriet Palin in Bedrängnis, als öffentlich wurde, dass ihre ledige Tochter von XY ein Kind erwartete“?

  39. Wenn man der Gleichberechtigung von Mann und Frau genüge tun möchte, könnte man es auch folgendermaßen schreiben: „… wurde die Tochter von Palin gemeinsam mit ihrem Freund Johnsten schwanger…..“

  40. @ JO
    evtl. auch andere zuschauer (minderjährig/voll-im-kukident) denkbar? kugelbrust-sendungen werden i.ü. gerne resteverwertet: nachts noch einmal wiederholt, am wochenende gerne noch einmal nachverwurstet.
    verhaltensgestörte menschen in günstigfinanzierten szenarien – soll ich auf doppel cc operieren ja/nein, bin ich zur stripperin geboren ja/ nein, ist das ein qualitativ in ordnung gehender fkk ja/nein – werden so noch auf jahre hinaus (glücklich) ausgeschlachtet.

  41. @ (#51) zoey

    Sehr gut denkbar. Vielleicht könnte auch der Anteil an Minderjährigen ein Grund für die verschleppte Einführung von Ganztagsschulen in Deutschland sein?

    Erst dann stünde auch einer Finanzierung von Kugelbrust-Produktionen durch die Krankenkasse nichts mehr im Weg. Durch die Abschaffung der dann überflüssigen Gesundheitspflegenden durch eine deutschlandsweiten „Bespielung“ von Nichterwerbstätigen könnte man sicherlich den Gesundheitsfond abschaffen. Könnte das mal einer ausrechnen?

    …aber das geht gerade völlig OT.

  42. Unbehagen wg. des „veralteten“ Wortes „schwängern“?! Mit vollem Recht: Das Wort stammt nachweislich aus der Mediziner-, Juristen- und Militärsprache der frühen Neuzeit und hat eindeutig einen aggressiven Unterton. Ursprünglich ist es eine frühneuhochdeutsche Übersetzung des mittellateinischen Fachwortes „(in)gravidare“, zuerst benutzt vom Ulmer Humanisten Heinrich Steinhöwel, der zugleich Stadtmedicus war (15. Jh.). Außerdem steht „schwängern“ im Kontext mit „puellam comprimere“ – was die folgenreiche Vergewaltigung eines Mädchens anzeigt.

  43. Ach ja – und das anstößige „Blankziehen“: „Wie hat es dieser Begriff geschafft, erst seine alte Bedeutung vom Zücken des Schwertes zu verlieren und dann von der Prollsprache aus die Welt der seriösen Medien wie sueddeutsche.de zu erobern?“ (StN). Nee, hier ist sprachgeschichtlich Gleichzeitigkeit zu vermelden. Das Zücken der blanken Waffe wurde im Militärcasino- und Puffjargon immer doppeldeutig verstanden – erfunden haben das Wort aber nicht die Herren Offiziere aus Preußens Gloria. Im Mittelhochdeutschen ist „svertilin“ das erigierte männliche Glied in Aktion. Nur selbiges wurde blankgezogen – den Rest der Kleidung ließ der Mann an Ort und Stelle, zumal bei Vergewaltigung. Der illustrierte Oldenburger Sachsenspiegel von 1336 zeigt sehr drastisch den Vollzug einer solchen Szene. Allerdings konnte auch die Frau hierbei aktiv werden (mittelalterliche Bilder zum Hohelied-Kommentar) – bei unerfahrenen Paaren legte die Kupplerin Hand an. Bezeichnenderweise heißt die lüsterne Landsknechtswitwe in Goethes „Faust“ Marthe Schwerdtlein.

  44. Die Vermutung des werten Blogmasters , dass bei sueddeutsche de. prüde und geile Redakteure tätig sind, überrascht mich keineswegs. Dass es in diesem Laden schon seit langem nicht koscher zugeht war ja auch zu offensichtlich. Vielen Dank für die endgültige Diagnose

  45. ohne nachzuforschen behaupte ich, dass die story wohl nicht auf seite 1 der politik stand, mal eher in der rubrik: panorama.
    wer diesen blödsinn nicht lesen will, muss es nicht.
    da im wahlkampf der usa, noch mehr als bei uns moral, tatsächliche oder behauptete, eine grösserere rolle spielt als bei uns, ist dieser playboy-auftritt doch relevant.
    im wahlkampf war der typ ja auch eingespannt und gedrillt.
    sind flauschige eichhörnchen nicht auch sehr irrelevant für die weltsicherheitslage, und haben trotzdem den einzug in den blog gefunden?
    die medienwelt muss ja echt toll sein, wenn man zeit findet sich über den ausdruck „blank zieen“ aufzuregen.

  46. @magonza

    Ein zweischneidiges Schwert, wenn mir dieses plumpe Witzchen erlaubt ist. Natürlich ist es in gewissem Maße albern, sich über die Nichtigkeit einer Meldung zu erregen, der niemand Wichtigkeit bescheinigt hat.
    Soweit gehe ich mit Ihnen d’accord.

    Was aber die Verhunzung der Sprache durch schenkelklopfende, sabbernde Notgeilen-Phrasen angeht: Das darf der Boulevard, auch wenn’s unschön ist, das sollte aber in Medien, die den Anspruch haben, ernstgenommen zu werden dennoch unterbleiben.

    Es stimmt nämlich: Wenn die Band „Schandmaul“ in einem ihrer Lieder singt „Mit diesen Worten zieht er blank.“, dann verstehen das „dank“ St.Pauli Nachrichten -> Bild -> sueddeutsche.de mittlerweile nur noch wenige richtig.

  47. und das ist natürlich zu beklagen , dass nur noch wenige wissen, das blank ziehen schwert ziehen bedeutet. gerade im alltag. hat schon zu vielen missverständnissen in der sauna gesorgt. plus: mein gott, menschen verstehen der/die/das was auch immer das ist „schandmaul“ nicht.

  48. > Ich weiß nicht, ob es eine Altersfrage ist, aber ich kriege Pickel, wenn ich die Formulierung „blank ziehen” höre, jedenfalls außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes gelallter Sätze wie: „Kuckma, die geile Schlampe zieht blank!” Wie hat es dieser Begriff geschafft, erst seine alte Bedeutung vom Zücken des Schwertes zu verlieren und dann von der Prollsprache aus die Welt der seriösen Medien wie sueddeutsche.de zu erobern?

    Seien Sie beruhigt; ich bin vermutlich aelter als Sie, und ich habe keinerlei Probleme mit diesem Begriff. Das mag allerdings daran liegen, dass ich Saetze wie „Kuckma die geile Schlampe zieht blank“ in meinem Leben nie zu Gehoer bekam. Es ist kein Altersproblem.

    > Ich glaube, was ich an der Verwendung so eklig finde, ist die merkwürdige Kombination aus Geilheit und Prüderie, die er ausdrückt, dieses völlig abwegige Erstaunen darüber, dass jemand in der Öffentlichkeit oder sogar für die Öffentlichkeit intimere Bereiche seines Körpers entblößt.

    Nein, das ist absolut nicht, was dahinter steht. Der Ausdruck stammt vom Begriff „den Hintern blank ziehen“ ab, und daran ist absolut nichts Pruedes, im Gegenteil, es ist die direkt-nassforsche Sprache des Schuetzengrabens (in dem „blank ziehen“ ein voellig aheroischer Alltagsbegriff war), und IMHO ist das durchaus witzig als bildliche und sehr handfeste Illustration der militairisch schneidigen Durchfuehrung einer obszoen-beleidigenden Handlung. Es ist in dem obkritisierten Artikel bis zur Sinnlosigkeit in einen unangemessenen Zusammenhang uebertragen, aber ekelhaft (nicht „eklig“, bitte, das ist Proll-Jargon!) verstellte Geilheit findet sich in dieser Floskel nur bei eifrigstem Suchen.

    Und was den widerlichen Proletariergeruch angeht: Man kann gerne Sprachsnob sein (wobei es recht gescheit ist, bei seiner eigenen Sprache zu beginnen), aber Worte werden im allgemeinen nicht dadurch besudelt, dass sie auch vom Niederen Volke[tm] benutzt werden.

    [Tatsaechlich erinnere ich mich gerade, diesen Begriff, vemrutlich durchaus als Innuendo gemeint, in einer Regieanweisung eines fiktiven, aber reichlich schwuelen Stueckes aus den Zwanzigern gelesen zu haben (Karl Krauss? Jedenfalls durchaus mit Niveau); nur hatte ich das Innuendo daran damals nicht verstanden und fand die Regieanweisung vollkommen sinnlos.]

  49. Der Begriff „für Nüsse“ steht in einigen Regionen auch für „umsonst“ bzw. “ für lau“. So verstanden, ist der Spiegelaufmacher doch eigentlich ganz lustig.

  50. @62 kolm: Dieses „Blankziehen“ ist abgeleiteter Landser-Jargon – bei den Engländern übrigens als „Mooning“ bekannt. Tut mir leid – das Schwert war früher als der Ars.. (sprachgeschichtlich, versteht sich).

  51. Hallo, sz: Photo shoot. Fotoshooting gibt es nicht. Aber dort schreibt man ja auch ‚für’s‘. Eklig. Der Rest ist so belanglos wie nur was, selbst das Überfliegen war öde. Die Mücke-zum-Elefanten-Technik wird mit jedem mal langweiliger.

  52. Sehr unterhaltsamer Text, musste paar Mal lachen.

    Ich kreuze hiermit offiziell an:

    [x] Essay zum Wort „schwängern“ demnächst hier veröffentlichen.

    Damit bin ich etwa der zehnte hier in den Kommentaren der das direkt will. Und ca. 20 haben indirekt auch ihr Interesse bekundet.

    Das mit „blank ziehen“ ist ja Konsens, abgehakt. Aber „schwängern“ scheinen ja einige neutral zu finden. Ich bin mir nicht sicher, finde aber schon dass doch irgendwie bei dem Wort ein bisschen was von „ist beim Sex was schiefgegangen“ mitschwingt.

    Oder so.

    Kurz: bitte das Thema mal unterhaltsam aufarbeiten

    Danke im vorraus!

  53. Schwängern ist fuer uns älteren Laute ok und ohne Nachgeschmack, im heutigen Kontext etwas technisch. Aber so lange niemand gegen das LECKER etwas tut, muss das Schwängern in Ruhe gelassen werden.

  54. @69 haarspalter: Tja, die Wiki ist für solche Vorgänge offenbar zu technisch-gschamig.
    @68 kachelmann: Ich fürchte, diesen Wetterfrosch muß ich als Semantik-Storch im Salat mal natürlich behandeln. Das „Schwängern“ war im Falle von ehelichen Kinderzeugungen gerichtlich gar nicht anhängig, weil a) vorgesehen und b) unschicklich, darüber ein Wort zu verlieren, und überhaupt … family values: „Vater hat Mutter geschwängert“?? – nee aber auch. Das Wort kommt außerehelich in Schwange, wenn es (wie beim Osnabrücker Historiographie-Patriarchen Justus Möser, 18. Jh.) heißt: „Wenn ein Vater das Unglück hat, daß ihm seine Tochter geschwängert wird – so muß er noch wohl gar für sie eine Geldstrafe zahlen“ (wg. außerehelicher Unzucht). Eine „Geschwängerte“ verhält sich so, wie es in den Küchenliedern heißt: „Sabinchen saß weinend im Garten“, Denn der finstere Kerl hatte zwar das Dessert verspeist, wollte aber die Suppe nicht heiraten (Metapher aus: Curt Goetz, Haus in Montevideo).

  55. Danke für diesen Text. Keine Frage der Hornhaut — wenn man aus der fremdsprachigen Umgebung zurückkehrt und dort auf die deutsche Sichtweise dankend verzichten durfte, fällt der Unsinn, den man ja leider komplett versteht, umso heftiger auf. MIch haben im Ausland englischsprachige Agenturtexte über Politik bspw. ungemein entspannt, weil sie dem Lesr nicht zu sehr die Welt einzuteilen versuchen (nur die Länder, in denen vermutlich nichts verkauft wird, wie Nordkorea, Myanmar, Iran, weden dann man mit wertenden Synonymen belegt). Es ist also nur ein ganz normales Erschrecken. Bitte nicht zu schnell diesen Blick verlieren!

  56. @ 64: Harrr, Widerspruch im Internet? Eine Fröchheit!

    Aber ernsthaft, Ihre Ansicht ist eine Mindermeinung in der aktuellen Ethymologiegemeinde, Obwohl man nicht verschweigen sollte, dass der „Blankziehen“-Streit eine aehnlich zentrale Rolle spielt wie in der Germanistik der um die wahre Urfassung der Nibelungensaga, haben doch Blix und Nicks in ihrer Arbeit „Ueber die Blankziehungsverfremdungsthematik im Allgemeinen und Besonderen“ eindeutig nachgewiesen:

    (a) Statistische Differentialanalysen zeigen eindeutig (siehe die Arbeiten von Nickes, Bessr, Tsu und Thun), dass die ueberwiegende Mehrheit von Argots, die in den allgemeinen Sprachgebrauch ueberwechseln, nicht aus Offizierskreisen, sondern aus Landserkreisen eruieren,

    (b) Trotz der allfaelligen phallischen Assoziation der originaeren Handlung ist die Rapiditaet und Dringlichkeit derselben nur in hoechst angespannten Situationen auf den phallischen Bereich uebertragbar; in diesen aber ist die Bereitwilligkeit zur euphemistisch-verklaerenden oeffentlichen spaeteren Wiedergabe ueblicherweise nicht vorhanden.

    (c) Icke, Woiss und Nickes lassen in ihrer fundamentalen Arbeit zur Verteidigung der „Kasinotheorie“ den kritischen Faktor der sozialen Permebialitaet aussen vor; es ist nachgewiesen, dass Kasinoargots nahezu ausschliesslich in den oekonomischen Bereich einsickern konnten (z.B. „aufziehen“), und erst von dort weitere Teile der Bevoelkerung (insbes. das sog. Proletariat) erreichten. Dies legt zwingend nahe, dass ein Argot, welches in prekariaeren Schichten primaer verbreitet wurde (siehe als Beleg die Arbeiten von Sons, Nickes, Bessr, Tsu und Thun), nicht in Kasinokreisen originieren konnte,

    (d) Auch die von Ihnen nahegelegte Imitationstheorie von Weyls, Nickes, Tsu, Thun und Giebd wurde durch die Untersuchungen von Fan, Witt und Nambers zerbroeselt, indem nachgewiesen wurde, dass Imitationen fast ausschliesslich als „Kasino imitiert Schuetzengraben“ erfolgten, nicht umgekehrt.

    Tut mir leid, ich bin fast auf dem Grund der Flasche Brgunder.. Jetzt ganz im Ernst: Das ist >80 Jahre her, keiner weiss, wo was wirklich herkam. Mit verstellter Schamhaftigkeit hatte es aber in keinem Fall zu tun.

  57. @kolm
    Das soll uns eine Leere sein und wir
    vollen der Flasche mal auf den Grund gehn.

    „Oh, rief eine Glas Burgunder,
    Oh Mond, du göttliches Wunder,
    Du gießest aus silberner Schale
    Das liebestaumelnde, fahle
    Trunkene Licht wie sengende Glut
    Hin über das [nicht mehr] nachtigallige Land.
    Da rief der Mond, indem er verschwand
    „Ich weiß, ich weiß. Schon gut, schon gut.“

    Burgunder und die Nibelungen
    Wurden auch schon blank gesungen.
    Der Dichter, der hat nicht gelogen.
    Ich hab vor Fafnir blank gezogen,
    Stieß Balmung ihm glatt durch die Rippen.
    Das ließ ihn just nach vorne kippen.
    Hat schrecklich aus dem Hals gestunken.
    Ich hab von seinem Blut getrunken
    Und hinterher darin gebadet.
    Ein Lindenblatt hat mir geschadet,
    Ein Schulterblatt blieb ungesichert.
    Die Kriemhild hat so blöd gekichert
    Und Kreuzchen auf mein Wams gestickt.
    Das hat der Hagen gleich erblickt
    Und seine Lanze blank gezogen.
    Die ist mir dann ins Herz geflogen.

  58. @73 kolm: Hübsche Parodie, dat janze! Aber halb ernsthaft: Meine unmaßgebliche Ansicht ist keene „Mindermeinung“ (Quackelatüt eines fehlgeleiteten „Ethymologen“, ts,ts), sondern dergleichen ist tatsächlich in jüngerer Zeit des längeren und weiteren ausgebreitet worden. Man lese nur mal die 5 Bände des Ethnologen Hans Peter Duerr (der damit nichts Geringeres beabsichtigte, als Norbert Elias einen „Mythos vom Zivilisationsprozess“ unterzujubeln – was ihm höchstens zur Hälfte gelungen ist), darin wiederum Bd. 3: „Obszönität und Gewalt“ (keineswegs vollständig im Material – das ist angesichts seiner Disparatheit auch nicht zu leisten). Danach hat die Weiblichkeit in vulgär-apotropäischer Absicht (und auch um die herrschende blanke Männlichkeit zu provozieren) immer schon ihre „Hinderschamme“ (Schwabenspiegel 1283) blankgezogen. Das galt als glatter Aufruhr – und Verspottung der phallischen Präpotenz des Schwertes. Die Dame, die sich das zuerst geleistet haben soll (bei Duerr nicht erwähnt), vor einem römischen Imperator, hieß C. Afrania – daraus machten die Digesten des Justinian „Carfania“ und spätere Kommentatoren „Caefurnia, Calpurnia, Caliphurnia“. Tja, und so kam über den Schelmenroman des Montalvo (1510), der von einer Insel California redete, wo lauter nackte Frauen nach Art der Amazonen herrschten, Kalifornien zu seinem Namen. Oh California (besser als: Oh Calcutta)!

  59. Schön geschriebener Text, lieber Herr Niggemeier, über Meldungen zum Fast-noch-nicht-Schwiegersohn. Die Berichte auf SpOn, RPon und SZon haben in etwa die gleiche Relevanz wie das Manifest… Nicht-mehr-Schwiegersohn Knüwer antwortet auf Nicht-mehr-Minister Hombach antwortet auf Immer-noch-Autor Niggemeier antwortet auf…

  60. @78: Die Darstellung antwortet – antwortet – antwortet hat Herr Niggemeier bewusst gewählt, schon klar, aber mit dieser zarten Selbstironisierung ist ja nicht das grundsätzliche Problem aus der Welt, dass das selbstreferentielle Blogjournalismusblogging auf seiner Absurditätsspitze angekommen ist. Oder war das auch von langer Hand und mit großem Hirn „so gedengt“, dass diese ermüdenden Debatten schon lange nur noch in den (Schwarz-)Wald führen?

  61. a) würde das auch lesen wollen
    b) Spontan mißfällt mir auch schwängern, und mein erster Impuls war auch zu sagen: klingt, als sei die Frau nicht beteiligt, und zweitens, als sei der Erfolg dem Akteur vorher bereits gewiß, und dieser die Absicht, nicht etwa die Lust.

    Aber ein Trommler geht los, um zu musizieren – auch da ist zu erwarten, daß er nicht alleine trommelt, sondern mit einer ganzen Band, dennoch kann man das ganz harmlos so sagen.

    c) ‚Blank ziehen‘ klingt auch deswegen seltsam, weil oft keine Ziehbewegung damit verbunden ist – tatsächlich rutscht etwas raus. Ansonsten ist mir die Verknüpfung des Kriegerischen mit dem Sexuellen auch unangenehm.

    Im Wesentlichen läuft es so und so darauf hinaus eine Sprache zu verwenden, die die Selbstverständlichkeit des Umgangs mit diesen Themen demonstriert, und gleichzeitig pikiert die Nase zu rümpfen. „Hier kuck mal, wie eklig, sowas würde ich doch niemandem zeigen!“.

  62. Sehr schön: Nachdem die Urlaubsvertretung sich hier mehr oder weniger dummdreist grinsend mit den Regeln der deutschen Sprache den Arsch abgewischt hat, ist jetzt wieder sprachliche Pingeligkeit aktuell. Begrüßenswert, doch irgendwie dadurch auch leicht bigott.

    Fast so bigott wie gekünstelte Aufregung über vermischte Meldungen aus aller Welt, wenn man selbst das eigene Angebot ständig mit Tierfilmchen aufwerten muss.

    Wie niedlich, wie dümmlich.

  63. @ (#83) noir.desir.

    Sie haben aber heute schlechte Laune ..

    Bigotterie kann gut vermeiden werden, wenn man Dinge nicht sofort zu einer Religion erhebt, und das tut der Herr Niggemeier nach meinem Empfinden nicht.

    Mir wurde noch als Grundregel für journalistisches Arbeiten beigebracht: erst Bauch, dann Kopf. Und irgend wann ist auch der größte Kopf voll und eine regelmäßige, niggemeierische-sonntagliche Flausch-Serie muss her. Quasi, eine verschafte Adaption der Lindenstraße, wenn Sie es so sehen wollen. Das ist meine Interpretation und ich finde es sehr menschlich, verständlich und ich freue mich immer wieder darüber.

    Jetzt seien Sie doch nicht so. Die Tierchen sind doch wohl wirklich süß, oder?

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