„Die Blog-Konfrontation“

Bayern 2 hat am vergangenen Sonntag in der Rubrik „Zündfunk – Generator“ eine Sendung über das Verhältnis der Blogosphäre zu den klassischen Medien ausgestrahlt (in der ich auch mit ein paar Sätzen zu Wort komme). Es ist kein Stück mit bahnbrechenden neuen Einsichten, aber es ist keine schlechte Einführung in den merkwürdigen Konflikt (auch wenn es am Ende zu einer Werbesendung für Jakob Augstein und seinen „Freitag“ wird).

Und den legendären Eingangsdialog zwischen „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort, dem „Ersten“ „Journalisten“ von Burda, und dem Demokratie- und Medienexperten Ulrich Hoeneß zum Thema „Artikel 5 Grundgesetz — das kann doch keiner wollen?!“ kann man gar nicht oft genug hören und ausstrahlen.

[audio:http://gffstream-7.vo.llnwd.net/e1/imperia/md/audio/podcast/import/2009_10/2009_10_09_14_58_17_podcastgeneratorblog_konfronta_a.mp3]

(Am schönsten ist ja, dass Helmut „ich als professioneller Journalist“ Markwort nur von der „üblichen journalistischen Sorgfaltspflicht“ spricht, die von Medien wie seiner Illustrierten und ihrem Online-Ableger eingehalten werde. Das schließt offenbar die Möglichkeit der Verleumdung sowie die Chance, das Gegenteil dessen zu veröffentlichen, was stimmt, ohne sich hinterher korrigieren zu müssen, nicht aus.

Ich hatte damals, als „Focus“ meldete, dass Ulla Schmidt unter keinen Umständen zum Wahlkampfteam von Frank-Walter Steinmeier gehören würde, was sich als nicht hunderprozentig treffend herausstellen sollte, dem Autor der Geschichte, Kayhan Özgenc, Leiter der „Focus“-Parlamentsredaktion, eine Mail geschrieben:

Sehr geehrter Herr Özgenc,

ich würde Ihnen gern eine Frage zu Ihrer Exklusivmeldung von vergangener Woche stellen, dass Ulla Schmidt „keinesfalls in Steinmeiers Wahlkampfteam nachrücken“ werde. Diese Information hatte sich ja noch vor Erscheinen des „Focus“ als falsch herausgestellt.

Nun habe ich im aktuellen „Focus“ nach irgendeinem Hinweis gesucht, einer Korrektur, vielleicht auch einem kleinen Hintergrundstück, warum der „Focus“ in diesem Fall so falsch lag. Ich habe aber nichts gefunden. Habe ich etwas übersehen? Oder glauben Sie nicht, dass ein Medium solche Fehler richtigstellen oder ihr Entstehen erklären sollte — auch als vertrauensbildende Maßnahme? Oder ist sowas dem „Focus“-Leser egal?

Ich möchte darüber gern in meinem Blog stefan-niggemeier.de/blog berichten und würde mich über eine Antwort freuen.

Ich habe keine Antwort bekommen. Vermutlich ist Özgenzc als Journalist einfach genau so professionell wie sein Chef.)

16 Replies to “„Die Blog-Konfrontation“”

  1. Habe mir die komplette Sendung angehört. Ist ja fast alles drin. Das Frau von der Leyen die Netzsperre wg. Kinderpornos „um die Ohren geflogen“ sind, war mir allerdings bisher so nicht bekannt.

  2. „Elektronischer Reporter“ – so ganz weit her mit der Recherche (Googeln? Mal reinhören in das genannte Format?) ist es in dieser Bayern 2 Sendung auch nicht.

  3. Der Schlussatz ist toll: „Professionell arbeitende Journalisten sind gar nicht so anders als die Kloschreiber aus dem Internet.“ Ungewohnt deutlich für Hörfunk, aber aus dieser Richtung erfrischend.

  4. Im Alltag gibt es oft Situationen, in denen besser mal nichts gesagt werden soll, wenn Gefühle so hoch kochen, dass nur noch Verletzungen beim Gegenüber entstehen. Das ist sozial kompetent und klug! Auf professionellen Parkett hingegen dient Schweigen als rhetorisches Mittel und wirkt nur süffisant. Wenn ein Journalist, die sich bekanntlich sehr weit aus dem Fenster lehnt, schweigt ist das mehr als nur töricht. Es ist dumm, unprofessionell und Zeichen für mangelnde innere Stärke.

    Das ist meine Hauptkritikpunkt an der deutschen Redekultur: Ein Disput oder eine Diskussion wird ja hier zu Lande weder unterrichtet, noch geübt und findet so auch nicht mehr statt.

    Und, ist das eigentlich ein Kunstgriff, Dummheit, Kalkül, dass sich ein Ulrich Hoeneß über Bloggen mit Markwort unterhält? Das ist genauso absurd, als wenn ich mich über Fußball äußere – aber gewiss nicht so amüsant. Oder ist es einfach so weit, dass Herr Markwort einfach keinen kompetenten Gegenredner mehr findet?

    Vielleicht schweigt er, weil er schmollt.

  5. @ (#7) Dr. Baer

    Ich gehe davon aus, dass sein Nichtschreiben aus mangelnden Handlungskompetenzen von Herrn Herr Özgenc resultiert, nicht aber an seiner vermeintlichen Nationalität.

    möglicher Wortlaut:

    MARKWORT
    (aus dem Off)
    Niggemeier? Dem antwortest Du nicht!

    … oder er hat eine Schreibblockade …

  6. „Ungewohnt deutlich für Hörfunk, aber aus dieser Richtung erfrischend.“

    Hmmm. Ich finde nicht, dass das irgendwie ungewöhnlich für Hörfunk ist. Bei den jugendaffineren (junge Erwachsene) Sendungen der wichtigen öffentlich-rechtlichen Hörfunkwellen wie eben Zündfunk, Breitband, r1-Medienmagazin ist das irgendwie normal. Breitband hat zum Beispiel jede Menge für die Creative Commons Musikszene getan und tut es noch.

    Ich persönlich habe auch als Blogger keinerlei Probleme mit Journalisten, zumal das keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Also auch einer, der nichts kann, kann sich Journalist nennen und Klowände beschmieren, und ein Blogger kann Klowände beschmieren und/oder Journalist sein.

    Richtig sind zwei Beobachtungen: Es gibt viele Blogger, die keinen Journalismus machen. Die Frage ist, inwiefern halten sie sich selbst überhaupt für Journalisten bezogen auf ihr Blog. Und es gibt viele Journalisten, die auch keinen Journalismus machen, aber denken, sie würden das tun. Die zweite Beobachtung finde ich trauriger.

  7. Der Freitag-Anteil der Sendung ging zwar in der Tat am Ende arg in die Breite, teilweise dürfte das aber der Armut an Alternativen geschuldet sein. Welche mutigen Projekte zur konsequenten Einbindung/Nutzung des Internets von Seite der etablierten Medien in Deutschland hätten die Zündfunkler denn sonst vorstellen sollen?
    Mir fällt da nichts ein, für Hinweise wäre ich also wirklich dankbar .
    Natürlich hätte man das Elend der Klickstrecken thematisieren können, aber das wäre ja Content-Klau beim Blogger gewesen uns somit inkompatibel mit journalistischem Berufsethos…

    Spannende Sache, ob die Herren Verleger irgendwann einsehen, dass ein simples „target:blank“ einen guten Teil der Angst vor den bösen externen Links nehmen kann. So lange man als Autor keine Muffe hat, dass der eigene Artikel doch zu offensichtlich auf bspw. einer verlinkten englischsprachlichen Quelle beruht, kann man bestimmt auch das Selbstvertrauen aufbringen zu vertrauen, dass der Leser das verlinkte Zusatzangebot erst nach kompletter Lektüre der eigenen journalistischen Leistung heranziehen wird.

    Aber das ist wohl überall so, ich habe gerade in ganz anderem beruflichen Kontext erleben dürfen, welch Panik und damit einhergehende Irrationalitäten eine drohende Professionalisierung und Qualitätskontrolle auslösen kann.
    Die Tatsache, dass Web-Angebote vor allem der Presse kaum sinnvoll und im Text verlinken, zeigt doch schon, dass es mit dem Verständnis des Netzes nicht so ganz klappen will.
    Immer wieder gute und leider auch notwendige Einträge hier! Der Kampf gegen die Dummheit war schon immer ein edles Unterfangen.

    @2 -critter-: Zombiebilder? Ich schau gleich mal vorbei!
    q.e.d.

  8. Ganz so überzeugend finde ich das Freitag-Konzept noch nicht.
    Aber Blogelemente zu übernehmen finde ich eine spannende Idee. Hier und anderswo werden ja durchaus Gedanken aus den Kommentaren aufgegriffen und zu einem Blogeintrag, und das Bildblog arbeitet mit seinen Lesern als Hinweisgeber zusammen. Man könnte das ja perfektonieren, in einer Art Whistleblower-Portal, auf dem Insider Journalisten Hintergrundinfos zukommen lassen (ich meine mich zu erinnern, dass es sowas irgendwo schon gibt). Oder eine Plattform, auf der jeder Fragen, Rechercheideen und Themen vorschlagen kann; andere User können ihr Interesse an einem Thema bekunden (ähnlich wie auf Abgeordnetenwatch), so dass Zeitungen und Journalisten sehen, welche Themen gerade interessieren. Das Thema bleibt solange für Interessenbekundungen offen, bis eine Zeitung sagt, dass sie das Thema aufgreifen wird.
    Im Prinzip sind viele spannende Sachen möglich.

  9. @critter: Nein ich glaube die haben hier meinen (noch im Anfangsstadium befindlichen) Blog als Popel-Beispiel herangezogen.
    Zumindest musste ich schon Schmunzeln bei der Beschreibung, die momentan durchaus auf mein Blog zutreffen könnte.

  10. Der gar nicht so latente nationale Rassismus in den Kommentaren #7 und #10 ist ätzend und ärgerlich – denn ohne Frage handelt es sich bei dem gebürtigen Bremer und im Focus auf Deutsch berichtenden Kayhan Özgenc um einen deutschen Journalisten.

  11. @10: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/im-wuergegriff-des-internets/ – Unterpunkt „Ironie“ – Typ 3 (Naja, vielleicht 2).

    Der Nachweis des komplett sinnironiefreien Twitterns ist jedoch erbracht daher qualifiziert man sich fuer kostenlose Beduinen-Nachhilfe

    Also:
    1. Googlen mit der Kombination „Thilo Sarrazin Lettre International“. Kann man auch noch um „Skandal“ oder „umstrittene Passagen“ ergaenzen dann findet es sich schneller

    2. Kommentar 7 und 10 noch mal lesen

    3. Nochmals erklaeren dass es nicht lustig ist (erklaerte Witze sind niemals lustig)

    Der Rest darf lachen. Ueber 7, 10 UND 15. Ich tu’s. :-)

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