23 Replies to “Kurz verlinkt (44)”

  1. „Wer darauf besteht, zeitlebens an der in jungen Jahren gebildeten Vorstellung von der Welt festzuhalten, entwickelt das geistige Äquivalent zu einer Drüberkämmer-Frisur: Was für einen selbst noch fast genau wie früher aussieht, sind für die Umstehenden drei über die Glatze gelegte Haare.“

    Frau Passig: Göttlich.

    Herr Niggemeier: Danke für den Hinweis.

  2. „Anything that is in the world when you’re born is normal and ordinary and is just a natural part of the way the world works.
    Anything that’s invented between when you’re fifteen and thirty-five is new and exciting and revolutionary and you can probably get a career in it.
    Anything invented after you’re thirty-five is against the natural order of things.“
    – Douglas Adams

  3. Fein geschrieben (allein die beeindruckende Menge an Zitaten muss richtig Mühe gemacht haben), aber ich finde es enttäuschend, dass gerademal in einem Halbsatz gegen Ende des Textes zugestanden wird, dass Kritik -ob „kulturpessimistisch“ oder nicht- durchaus auch angebracht und treffend sein kann, und es eben häufig auch ist, und man sich deswegen damit auseinandersetzen muss. Dass Kritik gerne in vorhersehbaren Bahnen abläuft macht sie nicht automatisch invalide. Der Text vermittelt etwas den Eindruck, als wolle er aufgrund dieser oft vorhersehbaren Bahnen die Kritik an dem jeweils Neuen pauschal für entkräftet erklären, und das funktioniert so einfach natürlich nicht. Auch wirft er hier und da Zustandsbeschreibungen mit echter Kritik in einen Topf – ein „Fehler“, den mitunter Menschen machen, die es nicht gerne haben, wenn sich andere Menschen mit etwas befassen, was ihnen selbst am Herzen liegt. Es fehlen mir auch einige weitere ausführbare Ansatzpunkte zu Erklärung, warum Menschen Neues ablehnen (z.B. dass Neues neue Probleme bringt, die der neue Nutzen subjektiv nicht wettmacht, oder das Neues etwas Altes unnötig verdrängt, etc.).

  4. Schön, dass das mal jemand aufgeschrieben hat. Ich schließe mich aber nona an darin, dass man Kritik nicht pauschal ablehnen kann, weil sie „in vorhersehbaren Bahnen verläuft“. Die Sinnfrage muss man ja wohl weiterhin stellen dürfen.

  5. Das wäre jetzt ein sehr schöner Anlass zu zeigen, dass auch die Netzbevölkerung gute Texte honoriert (selbst nach Verlinkung :) ), und die Papierversion zu kaufen …

  6. Also ich finde ihren Text gar nicht so gelungen. Er ist witzig zu lesen und schön geschrieben, geht aber ein wenig am Ziel vorbei.

    Es gibt nämlich, wie 3 nona bereits anmerkt, durchaus berechtigte kulturpessimischte oder fortschrittsskeptische Kritik. Wenn man nun einen Artikel schreibt und sich erfolgreiche Erfindungen, Neuerungen etc. raussucht und belegt, dass an deren Durchsetzungskraft zu Anfangs jemand gezweifelt hat, zeigt das(so gut wie) gar nichts. Man hat nämlich eine „selection bias“, da man all die vergessenen oder wenig erinnerten Dinge ignoriert, die ebenfalls kritisiert wurden und eben nicht nachhaltig erfolgreich waren.

    Wer nach dem von ihr genannten Schema AOL (und gefühlte 80% aller Firmen aus Dotcomblasenzeit) und die Time Warner Übernahme, das Zeppelin (Cargo Lifter), das Autotelefon, 3 D-Kino, Daimler-Chrysler, elektrische Dosenöffner, Eierkocher und was ich nicht noch alles kritisiert hatte, behielt recht. Und die Leute die von tollen neuen Produkten faselten oder gleich von einem neuen Zeitalter des… hatten Unrecht.

  7. „Das 2004 gestartete Facebook, schrieb die Journalistin Virginia Heffernan 2009 in der New York Times, ist zu kommerziell, gefährdet die Privatsphäre, ruiniert Freundschaftsbeziehungen und war nur ein kurzlebiger Hype.“
    Da hab ich kurz seufzen müssen, denn Facebook kann sich ja durchaus noch als relativ kurzlebiger Hype entpuppen. Soziale Netzwerke gab es vorher auch schon, daher ist es gar kein Kulturpessimismus, davon auszugehen, dass auch Facebook in drei, vier Jahren wesentlich weniger bedeutsam sein und von einer anderen Onlinecommunity ersetzt werden wird. (An Friendster erinnert sich vermutlich niemand, aber dass auch MySpace mal das heiße Ding des Jahrhunderts war und inzwischen immer schaler wirkt, dürfte jeder halbwegs netzaffine Mensch mitbekommen haben. Ebenfalls: Second Life.)

  8. Ich klaue mal meinen Kommentar zum selben Artikel auf netzpolitik.org ;-)

    Natürlich gibt es gegenüber Neuem Abwehr und Bedenken. Aber wenn man das dann nur noch als neurotische Angstabwehr sieht, schießt man übers Ziel hinaus. Denn dann wird jegliche Tehcnologiekritik schnell zu einer psychischen Unpässlichkeit der Kritiker. Genauso ist es ja den “Modernisierungsverlierern” ergangen, die eine Neigung nach Rechts entwickelten. Diese Modernisierungsfeindlichkeit wurde als Angstabwehr beschrieben und damit als etwas, was man individuell therapieren müsse. Das schaffte dann den Sozialarbeitern wieder neue Legitimation. Und die vielleicht doch berechtigte Kritik an der Modernisierung blieb aus.

    Ähnlich muss wohl eine berechtigte Technologiekritik verstummen, wenn sie als Angstabwehr, also als je individuelles Problem gelesen wird. Ich halte es hier aber eher mit Tom Hodgkinson, der große Sympathien für die Ludditen (die Maschinenstürmer) hegt und deren Aufstand gegen die Maschinen keinesfalls als plumpe Fehlleitung der Kritik ansieht. Vielmehr hätten die Ludditen schon begriffen, in welcher Weise die Maschinen ihre Lebensweise verändern würden und deshalb haben sie sich recht bewusst für ihre Form des Protestes entschieden. Nachzulesen im Buch “Anleitung zum Müßiggang” von Tom Hodgkinson.

    Jedenfalls sollte man vielleicht einen Mittelweg finden zwischen der Enthüllung von Kulturpessimismus als Konstante und dem Kulturpessimismus selbst.

    Ich kann mich noch an die Frühzeit des Internets für alle erinnern, als die schlichte Existenz von E-Mail von einigen ins Unendliche hochgelobt worden ist. Mittlerweile gibt es aber in jedem Zeitmanagementratgeber den Hinweis auf den “Zeitfresser E-Mail”. Sämtliche aus der Berufspraxis stammenden Hinweise auf die Zwiespältigkeit von Mails wurden aber damals von den technophilen Befürwortern plattgeredet. Man hielt das für altmodische Technikfeindlichkeit. Nun, die Wahrheit lag wie immer eher zwischen den Extrempositionen. E-Mails sind weder einseitig gut noch schlecht.

  9. fabelhaft formuliert, die frau passig.

    das schwierige am fortschritt ist doch immer wieder die eigene sehnsucht nach dem stillstand.

    .~.

  10. Stefan, die Frankfurter Anthropologen sind gerade noch im Diskurs. Antwort folgt.
    Mäh, macht das Schaf
    Rene

  11. Famoser Artikel, wenngleich ich bei Kathrin Passig nie so ganz das Gefühl verliere, dass ihre eigene Technologie-Euphorie sie auch selbst ein wenig blind werden lässt. Grundsätzlich find ich das einen ganz sympathischen Zug, aber es stimmt natürlich, dass sie Schattenseiten gerne ausblendet.
    Trotzdem finde ich, dass sie recht hat, und derwaechter (#7) greift insofern zu kurz, dass ich die angesprochene Selection-Bias für wenig relevant halte. Sie mahnt ja, so sieht es zumindest für mich aus, in erster Linie eine Haltung gegenüber Neuem und neuer Technologie an, die sich eben nicht fragt „What the hell is it good for?“, sondern „Now let’s see what use we can put that to“. Und das ist ein himmelweiter Unterschied.

  12. Second Life ist im übrigen ein schniekes Beispiel. Es war erwiesenermaßen nutzlos und gewissermaßen nur ein kurzer Medienhype, dessen Ursprung vermutlich darin liegt, dass eine ganze Reihe von Journalisten ihre abgehalfterten Virtual-Reality-Fantasien aus den 90ern wiederbeleben konnten. Interessant bei Second Life war ja, dass es, so zumindest mein Eindruck, gerade es die „Alten“ waren, die sich kaum noch eingekriegt haben, während zumindest dieser Digital Native nur mit den Schultern gezuckt hat, so wie die meisten anderen auch. Ein Unterschied dazu übrigens Twitter, da kann ich sofort einen Nutzen erkennen. Oder besser: ganz viele.

  13. Der Text von Frau Passig ist ganz schön … lang. Ich bin mit Mühe und Not zur Hälfte gekommen, dann aber endgültig abgestorben. Er ist wirklich nett, aber viel zu langatmig.

  14. Darf ich mal technologiefeindlich und vorgestrig?
    Man kann sich jetzt jede Menge Zitate für alles mögliche zusammengoogeln.
    Damit bleiben inhaltlich flache Artikel aber inhaltlich flache Artikel.
    Selbst wenn es einem gelingt, diese im Merkur zu publizieren.

  15. @jt: Da ja schon (fast) alles gesagt wurde, ist es natürlich schwierig, etwas zu sagen, ohne dass es auch Zitate sein könnten.

    Zum Artikel von Frau Passig möchte ich anmerken:
    Schön geschrieben. Ja. Und alles „richtig“. Nur: Das Menschenbild, das „Jugend“ anscheinend hat, ist unmenschlich, weil es dem biologischen Wesen „Mensch“ nicht gerecht wird, der aufgrund seiner begrenzten Laufzeit und seiner Vergänglichkeit nicht dafür angelegt ist, sich „…immer wieder der mühsamen Aufgabe des Verlernens [zu] stellen…“ (Zitat Passig).

    Müssen wir uns dieser mühsamen Aufgabe stellen, möglicherweise in staatlich geförderten VHS-Kursen? Ja, wenn wir Maschinen sein wollen, nur nach Funktion bewertet, wie Maschinen, die immer neuen Verwendungszwecken dienen sollen. Und wer nicht mehr mitkommt, den schreben wir ab, statt ihn, wie früher in der Schule abschreiben zu lassen? Wer sich mit Maschinen auskennt, weiß, dass neuere Geräte neue Aufgaben meist besser verrichten. Ein Mensch wird nicht immer neue Maschine sein können.

    Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass Fernsehserien über das Leben vor 100 Jahren die Heutigen interessiert und fesselt. Was vor drei Generationen stattgefunden hat, ist interessant, was aber unsere direkte Vorgängergeneration gemacht und erlebt hat, ist blöd?

    Wer Alte und Junge nicht voneinander scheiden will und wünscht, dass diese froh zusammen leben und herzlich miteinander umgehen können, darf bitte auch von jungen Menschen erwarten, dass sie sich für das gelebte Leben ihrer Eltern interessieren, sich zum Mindesten mal von den benutzten abenteuerlichen, damals neuen, aufregenden Technologien erzählen lassen. Dass Junge begreifen, dass Alte, die nicht in Berufen mit ständiger geistiger Herausforderung leben oder gelebt haben, dass diese älteren Menschen „die Aufgabe des Verlernens“ nicht mühsam werden lernen müssen. Nein, es wird ihnen leicht fallen. Leider. Und sie werden nicht einmal mehr wissen, was sie vergessen haben. Allerdings werden sie Neues und neue Techniken trotzdem nicht erlernen und neue Technologien nicht begreifen.

    Es ist ein großes Abenteuer und kann eine Lust sein, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, wenn dieses nicht unter Druck und Zwang geschehen muss. Und wer die Möglichkeit hat, sich hierbei mit jungen Menschen zu messen oder auszutauschen, kann ein zufriedener alter Mensch werden. Vielleicht hat er sogar dass Glück, dass seine Enkel ihm zuhören und seine Schnurrpfeifereien heiter ertragen oder sogar lieben.

    In diesem Sinne grüßt Opa Polyphem.
    (gestern noch als Nikolaus unterwegs, heute schon wieder auf der Blogbühne) :-)

  16. Was für tiefsinnige Kommentare zu dem zugegeben schön zu lesenden Text von Frau Passig – da will ich mit meinem nicht zurückhalten:
    War der Kulturkritiker nicht der, der immer zu spät kommt, der dem aus dem Bahnhof heraus fahrenden Zug hinterher läuft und ruft: Haltet den Zug!
    (Zitat leider nicht von mir. Hab vergessen, von wem.)
    Was ist denn mit dem Merkur passiert? Wird der auf seine alten Tage progressiv, aus seiner Sicht?

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