Polylux

Auf Erstaunen stieß bei vielen die Entscheidung des RBB, in seinem Sparzwang ausgerechnet „Polylux“ einzustellen: Das sei doch für den RBB eine imageprägende Sendung. Dabei ist das nun wirklich der beste Grund für einen Sender, „Polylux“ einzustellen.

Am besten funktionierte „Polylux“ zuletzt als Maßeinheit für verspätet entdeckte Zeitgeistthemen. Sie entspricht dem ungefähr doppelten Abstand zwischen einem tatsächlichem Trend und seinem Auftauchen im Fernsehen, funktioniert aber auch als Gradmesser, um das Ende eines Trends zu bestimmen: „Ist XY eigentlich noch angesagt oder hat ‚Polylux‘ schon was drüber gemacht?“

Diese Woche unternahm das Magazin den Versuch, den Hype um „Sex and the City“ zu erklären. Nun ist es eigentlich nicht so schwer, einen Gesellschaftstrend von Film-PR zu unterscheiden, aber die „Polylux“-Leute fahndeten unbeirrt nach Experten, die ihnen das plötzliche Interesse an diesen Frauen erklärten. Sie fragten die Schauspielerinnen am roten Teppich, Menschen auf der Straße und Irina von Bentheim, die deutsche Stimme von Carrie Bradshaw, die in diesem Zusammenhang erst 387.100 Mal gefragt wurde. „Vor ‚Sex and the City‘ haben Frauen nicht so offen ihren Dildo oder Vibrator auf den Tisch gelegt“, sagte die brav, und selbst wenn das stimmen sollte: „Vor ‚Sex and the City'“ bedeutet in Deutschland vor 2001. „Polylux“ hatte sogar noch eine Gegnerin aufgetrieben, die Botschaft der Serie „gefährlich“ fand. Sehen Sie nächste Woche in „Polylux“: Wie der Erfolg der „Golden Girls“ gerade das Bild älterer Frauen verändert.

„Polylux“ hat es in elf Jahren nicht geschafft, sich neu zu erfinden, was für ein solches Magazin schon einiges aussagt. Gut, es gab halt jede Woche irgendeine neue Sache, die junge Menschen machten: dichten, tanzen, Drogen nehmen, keine Drogen nehmen, und alles ließ sich abfilmen, bunt zusammenschneiden und mit Texten versehen, die man bald auswenig mitsprechen konnte. Man muss den aufgeregten Gesichtsausdruck von Moderatorin Tita von Hardenberg gesehen haben, wenn sie den „Fightclub“ ansagt — ein langes und sehr vorhersagbares „Pro und Contra“, das es der Sendung ermöglicht, keine Stellung beziehen zu müssen — um zu wissen, dass irgendwann in diesen zwölf Jahren etwas schrecklich schief gelaufen sein muss.

Der „Sex and the City“-Beitrag endete mit den Worten: „Die Emanzipation haben sie also nicht gerade erfunden. Aber vielleicht wollten die ‚Sex and the City‘-Mädels das auch gar nicht. Also, Mädels, schnallt euch die High-Heels unter, und ab ins Kino.“ Vielleicht war das schon eine Bewerbung für „Brisant“ und das Sat.1-Frühstücksfernsehen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

21 Replies to “Polylux”

  1. Hallo!

    Entweder ist das ein Wortspiel, dass ich nicht kapiere, oder ein Fehler im Text: Der Charakter heißt Carrie Bradshaw. ;-)

    Grüße,
    Johannes

  2. Wer ab 2009 wissen möchte, was junge Leute so treiben, dem bleibt ja immerhin „MTV Dismissed“ oder „Abschlussklasse 2006“ oder „Freunde – Das Leben geht weiter“!

  3. Schon klar, dass Polylux nicht das schnellste Medium in Punkto Trendsuchen und -finden ist. Schlecht war es aber trotzdem nicht…

  4. @7 Falls Du mich meinst: Stammt aus einer Abmoderation von Harald Schmidt. „Jetzt übt Tita von Hardenberg wieder auf dem Sender.“

  5. Sehr schön auf den Punkt gebracht. Polylux war in meinen Augen schon lange nicht mehr interessant.
    Diese ewig gleichen „Irgendwas-mit-Medien-Typen“, welche irgend einen (völlig unbedeutenden) Trend kreiert zu haben glaubten. *laaangweeiiliiig*

    Von den bemühten Moderationstexten will ich erst gar nicht anfangen …

  6. Als Polylux einmal der ehemaligen In-Kneipe Mysliwska einen Besuch abstatteten, war ich leider nicht mehr absolut nüchtern und hab der Redakteurin vor laufender Kamera gesagt, was ich von Tita von Hardenberg halte. Aus irgendeinem Grund fand das allerdings keinen Platz im Beitrag.

  7. Die E-Gitarrenzupf-Erkennungsmelodie (weiß nicht mehr ob die auch zum Sendungsstart kam oder nur den Beiträgen) fand ich auffällig. Und Tita von Hardenberg frei stehend im Studio, in der Hand durchsichtige Moderationskarten mit Logo aber ohne Inhalt als unbeabsichtigtes Sinnbild für die Sendung. Oh Gott, wenn das schon die einprägsamsten Merkmale einer Sendung sind sollte man sie vielleicht wirklich absetzen.

  8. Bei Polylux habe ich mich die letzten Jahre mehr gelangweilt als beim Sandmännchen. Und auch wenn das jetzt vielleicht sehr frauenfeindlich klingt (ich bin Frau und mir macht selber Sorge, dass ich bei Polylux nicht umhin kam so zu denken), ich habe mich bei der Entwicklung dieses Formates im Zusammehang mit den ständigen Schwangerschaften der Moderatorin und ihrer wiederum im Laufe ihrer Kinderwüfe zur Langweilerin des Jahres mutierten Erscheinung gefragt, ob das Kinder bekommen, Frauen an solcher Stelle wirklich gut tut?

    Aber Frau Bauernfeind war auch nicht besser. Dabei gibt diese Stadt soviel Geiles her.

  9. Die Sendung hatte manchmal (!) Ansätze interessanter Themen, aber viele wurde dann doch auf die vorgegebenen Beitragslängen zurechtgestutzt, ein typisches Problem von „Chef“-Redakteuren: Da wird vieles kaputtgemacht.
    Die Sendung war auch nicht moderiert sondern vom Teleprompter vorgelesen, das war langweilig und hatte öfters eine unfreiwillige Komik, vor allem durch die möglicherweise unbeabsichtigt zur Schau gestellte „Überlegenheit“ der Vorleserin.
    Das die Sendung abgesetzt wird, halte ich für keinen großen Verlust, wobei die Einsparungen so groß nicht sein können: Ein Großteil der Beiträge wird wiederholt…

  10. So vorhersehbar dass es nicht hinterhersehbar sein wird. Ich werd’s jedenfalls nicht vermissen, aus vielerlei Gründen.

  11. Lag vielleicht auch daran das sich die Leute von Kobalt es sich auch sehr einfach gemacht haben, und aus Prenzlauer Berg nie rausgekommen sind um filmen- darum um so erstaunlicher das der RBB mit der Einstellung rund 54 Mio Euro sparen will- wo man doch alle Polylux- Drehorte bequem zu Fuß erreicht hatte!

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