Hombachs Streichkonzert

Das Interview ist zwar schon ein paar Tage alt, und Thomas Knüwer hat schon das Nötige dazu gesagt. Aber was WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach über das Sparpotential im Lokaljournalismus formuliert hat, ist so entlarvend dumm und zynisch, dass ich es auch hier festhalten möchte.

Aus Anlass des Forums Lokalmedientage ließ sich Hombach von einem Mitarbeiter seines Hauses fragen:

Immer mehr Verlage streichen Arbeitsplätze, immer weniger Redakteure müssen mehr Seiten füllen. Wie kann der Lokaljournalist da noch für die Wurzeln der lebendigen Demokratie sorgen?

An dieser Stelle hätte sich der Leser vielleicht über einen Hinweis gefreut, dass gerade die WAZ beim Arbeitsplatzstreichen mit einem Abbau von 600 Stellen, davon 300 im redaktionellen Bereich, weit vorne liegt. Aber man muss es mit der Aufklärung der Menschen ja nicht übertreiben. Jedenfalls antwortete Hombach:

Qualität ist nicht gleich Quantität. Ich wundere mich über Aussagen, dass nur viele Menschen gemeinsam journalistisch hochwertig arbeiten können. Dabei sehe ich den Beruf des Journalisten als einen sehr kreativen Beruf an, etwa wie ein Opernsänger oder ein Maler. Wird die Oper besser, nur weil fünf Geiger mehr auf der Bühne sitzen? Wird das Bild des Malers besser, wenn zwei weitere mitmischen? Ich denke nicht.

Darauf muss man erst einmal kommen: Weil der Journalist kein Handwerker ist, sondern ein Künstler, wird seine Arbeit nicht schlechter, wenn er die Arbeit von ein paar Kollegen miterledigen muss, die zuvor ja eh nur seine künstlerische Vision verwässert haben, anstatt an eigenen Bildern zu arbeiten (kennt man ja auch als Redensart: „Viele Maler verderben den Brei“).

Aber das Beste ist die Opernmetapher. Vielleicht könnte jemand Herrn Hombach erklären, wie viele Geiger in so einem Orchester mitspielen. Oder vielleicht besser nicht, falls jemals eines das Pech haben sollte, von ihm abgewickelt gemanagt zu werden. Hombach sähe schon in jedem Streichquartett auf Anhieb 25 Prozent Optimierungspotential.

45 Replies to “Hombachs Streichkonzert”

  1. Naja, Bodo Hombach ist der Alleinunterhalter der Politik, wer hat da was anderes erwartet?

    Der Vergleich zum Opernorchester ist dermaßen schlecht, dass wir froh sein sollten, dass er nicht ein Beispiel mit Malern erfunden hat. Es ist ja nicht schlimm, wenn einem Monet oder van Gogh die Farbe Rot gestrichen wird, schließlich gibt es ja noch andere Farben die benutzt werden können…

  2. ohjee… selbst in der kunstgeschichte bei uns in den seminaren viel diskutiert und belächelt: die vorstellung eines ganz bestimmten typus von autor/künstler (der einsame, geniale, einzig wahre). ätz ätz… sehr vorgestrig.

  3. Das ist wahrscheinlich die Qualität eines Bodo Hombach: Er schafft es in zwei, drei Sätzen, aus Journalisten den Typus des Genies zu machen. Und da er im eigenen Haus interviewt wurde, kam sicher kein Widerspruch.

    Hombach und Konsorten feilen wohl nur noch an dem Wie des Ausstiegs aus dem Printtageszeitungsgeschäft, zumindest aus dem, was der Fragesteller darunter versteht („lebendige Demokratie“).

  4. Ich glaube, Herr Hombach hat einfach Maler und Anstreicher verwechselt (bei dem ganzen Streichen kann man ja auch durcheinander kommen). Er sucht bestimmt Leute, die mit möglichst wenig Farbe (also Aufwand) die ganze Zeitung vollschmieren.

  5. Es heisst ja „Streichquartett“ – da kann man schon mal Stellen streichen, warum heisst das denn sonst so.

  6. Vielleicht meinte Hombach das ja ganz anders.
    Wenn es gelingt, alle Mahler- Sinfonien gleichzeitig geigen zu lassen, dürfte der Spareffekt am größten sein.
    Er ist sicher davon überzeugt: Was wenige Geiger schaffen, packen auch wenige Journalisten. ;)

  7. Ich will jetzt nicht pingelig sein. Aber hätte ein Streichquartett denn nicht 75 % Sparpotential? Das wäre ja schon das Dreifache der von dir vorgeschlagenen Sparmaßnahmen – die Gesellschafter und Aktionäre könnten also zufrieden sein…

    eric

  8. Welch ein Zynismus. Wie müssen sich da die Entlassenen aber auch die „Übriggebliebenen“ vorkommen …

    Dazu fällt mir aber auch noch eine Mathe-Aufgabe aus der fünften Klasse ein: 5 Geiger benötigen für das Spielen eines Stückes 10 Minuten. Wie lange brauchen dann 10 Geiger?

  9. @ SN: etwas off-topic… Vor etwa einem halben Jahr haben Sie über den Zustand beim Nordkurier geschrieben. Nun hatte ich einige Nordkuriere neulich in der Hand, Lokalausgaben, die weitgehend in Einzeitungskreisen erscheinen. Üppiges Lokal-Impressum, viele Lokalseiten. Abos fallen nicht mehr. Lohn- und Honorarentwicklung kenne ich natürlich nicht. Schreiben Sie nochmal drüber?

  10. Kann man daraus jetzt schlussfolgern, dass die Zeitung die höchste Qualität erreicht, wenn sie nur von einer Person gemacht wird?
    Herr Hombach ist ein wahrer Künstler und beweist eindrucksvoll, dass die Argumentationsstrategie, möglichst für jeden, auch simpel zu verstehenden Sachverhalt, irgendeinen abstrusen Vergleich finden zu müssen, völlig in die Hose geht, wenn man dafür nicht das intellektuelle Potenzial hat. Das ist wie mit den Geigern, die im Münchener Hauptbahnhof 10 Minuten euphorisch losfiedeln und denen dann in Rom, London und Paris die Puste ausgeht.
    Nebenbei sei noch angemerkt, dass ich ein paar Maler kenne und glauben Sie mir: Es reicht schon ein Maler, um den Brei zu verderben.

  11. Die Auffassung, dass Journalisten Künstler sind, hat Hombach exklusiv. Sie sind in mindestens dem gleichen Maß auch Handwerker. Deshalb ist seine Argumentation schon vom ersten Wort an für die Tüte. Mich würde interessieren: Glaubt der das selbst, was er da erzählt?

  12. Und warum hängt ihr euch nicht am Opernsänger auf? Reden wir darüber!

    Opernsänger = Journalist, denn:

    Opernsänger bekommt Text von meist bereits verstorbenen Komponisten – Journalist bekommt Text von meist bereits hirntoten PRlern.

    Opernsänger ist frei in der Ausgestaltung seiner Rolle, solange er sich exakt an die Noten und die Regieanweisungen hält. Journalist ist frei in der Ausgestaltung seines Aussage, solange er sich exakt an die Vorgaben und Weisungen „von oben“ hält.

    Was den letzten Satz angeht, könnte man Journalisten auch als Papst bezeichnen. Wo diese Auffassung tatsächlich geteilt wird, ist hinlänglich bekannt.

  13. Und wenn man dann auch noch das Ensemble mit Musikern bestückt, die allesamt für ein Almosen arbeiten, dann bekommt man Beethovens Neunte, gespielt auf drei Panflöten. Verkauft sich auf CD vermutlich auch besser als die wuchtige Orchesterfassung. Und zur Erfüllung von Hombachs Kunstverständnis reicht’s allemal.

    Müsste Hombach zufolge dann nicht der Ein-Mann-Blog die höchste journalistische Publikationsform darstellen?

  14. Natürlich sind Journalisten Künstler, alleine schon wegen der Künstlersozialkasse. ;-)

    Aber woher der eine Maler/Geiger die Zeit für die Suche nach neuen Motiven/Partituren nehmen soll, wenn er gerade streicht/streicht, das weiß wohl auch nur ein Geschäftsführer mit Sekretariat, Zuaberbeiterschar (und Chauffeur?).

  15. @ SN (32): Nee, unnormal sind Sie natürlich nicht. Vielleicht glauben Sie nur zuviel von dem, was in der Zeitung steht, bzw. können sich nicht vorstellen, dass das, was nicht drinsteht, tatsächlich passiert, auch wenn die zitierten A, B, C und D sich (befangen) anders zitieren lassen. Ein Thema, dass die Medien auch stärker hypte als den unbefangen Denkenden war die Schleichwerbung. Da dürften viele Normalbürger auch davon ausgegangen sein, dass deshalb bestimmte Autos durchs Bild fahren weil sich das irgendwo rechnet. Auch ein Fall von „Dacht ich mir schon immer“, als es rauskam. Und einer der Themen, wo Journalisten deshalb hinterherhinken, weil sie es juristisch wasserdicht machen müssen.

    Undsonst: Dürfen Medienanwälte sich so verstecken, wie es bei kaidiekmannde und buskeismus.de dargestellt wird oder nicht dargestellt werden darf?

  16. Sehr geehrter Herr Niggemeier,

    die Metapher von den Geigern auf der Opernbühne schlägt ja richtig hohe Wellen in der Blogosphäre. Ich habe jedenfalls Bodo Hombach Ihre Kritik an seinem Interview mit DerWesten vorgetragen. Vielleicht hätte er sein aktuelles Interview nochmal gegenlesen sollen, dann würden jetzt die Geiger im Orchestergraben sitzen. Aber seine grundsätzliche Haltung bleibt davon unberührt: Qualität ist nicht gleich Quantität. Journalismus ist ein kreativer Beruf, das hat Bodo Hombach vielfach inhaltlich begründet. Wer sich die Mühe machen will, kann dazu seine aktuelle Rede nachlesen, die er zum Start des 18. Forums Lokaljournalismus in Dortmund gehalten hat. Sie steht auf http://www.waz-mediengruppe.de/Bodo_Hombach.475.0.html?&L=

    Beste Grüße

    Paul Binder, Unternehmenssprecher der WAZ Mediengruppe

  17. @Paul Binder:
    „Ein solcher Vorwurf lässt ihn ungekränkt.
    Ein Mann, der recht zu Wirken denkt,
    Muss auf das beste Werkzeug halten.
    Er denkt, er habe weiches Holzt zu spalten…

    Und seht nur hin, für wen er schreibt…
    Wenn diesen Langeweile treibt,
    Kommt jeder satt vom übertischten Mahle,
    Doch, was das aller Schlimmste bleibt,
    Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.“
    (J.W.v.G, Faust I, leicht bearbeitet).

    Herr Binder, machen wir uns nichts vor. Er hat`s vergeigt´, ihr Theaterdirektor.

  18. @Paul Binder

    Ich habs gelesen und kann nur sagen: Das is’n Scherz oder?
    Die Rede ist in diesem und dem Kontext der WAZ Gruppe betrachtet ein Witz, da SIE (die WAZ-Gruppe) genau GEGEN alle die genannten Ziele hantiert haben…
    Das sind ja nicht mal leere Worthülsen….:tsts

  19. 30, Paul Binder:

    Zitat.
    „Ich habe jedenfalls Bodo Hombach Ihre Kritik an seinem Interview mit DerWesten vorgetragen.“

    Nach der Definitionsart von Bodo Hombach müßte ich Sie nun als Vortragskünstler bezeichnen.

    Und dass Herr Hombach meint, Qualität (Inhalt) sei nicht gleich Quantität (Rendite), glaube ich gern.

  20. @Paul Binder:

    Hier liegt ein Missverständnis vor: Es geht nicht in erster Linie um ein irgendwie vermurkstes sprachliches Bild, das Herr Hombach gebraucht hat. Der Hohn, der der Geschäftsführung der WAZ in diesen Tagen entgegen schlägt, resultiert einzig aus der Tatsache, dass Herr Hombach unentwegt über Qualität und Wichtigkeit des Journalismus und inbesondere des Lokaljournalismus schwadroniert, obwohl seine Geschäftspolitik und die Auflagenentwicklung der WAZ eine ganz andere Sprache sprechen.

    Ihnen als Kommunikationsmann mein Beileid. Glaubwürdigkeit sieht ja leider irgendwie anders aus.

  21. Und ich dachte immer, Journalismus waere harte Arbeit, zeitaufwendige Recherche…
    Wenn ich geahnt haette, dass das Kuenstler sind, denen die Inspiration geradezu zufliegt und die den ganzen Tag nur auf Geistesblitze warten…
    Und wenn weniger Journalisten da sind, werden halt die, die uebrig sind, von mehr Geistesblitzen getoffen.
    Das ist voellig logisch!
    Ich zahl nie wieder fuer eine Zeitung, wenn da nur faule Saecke arbeiten, die den ganzen Tag nur rumhocken und warten!

  22. Der Vergleich mit den Künstlern ist sicher ungeschickt. Aber ich finde in unser örtlichen Lokalzeitung rein garnichts interessant. Selbst die kostenpflichtigen Blätter berichten nur noch über Schwimmbaderöffnungen, ach so viel Schnee und der Feier des Dackelvereins. In der anstehenden Fastnachtszeit sinkt das Niveau noch weiter.
    Egal ob vier oder ein Lokaljournalist: Wenn es Mist ist, will ich es nicht lesen. Da erwarte ich von Lokalbloggern mehr Meinung und Witz.

  23. @ Stefan Niggemeier (#19): Das ist jetzt viel zu detailliert gedacht. Das sind alles Streichinstrumente, und die Bratsche kommt fast genauso hoch wie die Geigen. Das Cello eigentlich auch. Also kann das Cello im Prinzip den Part der Geigen und der Bratsche übernehmen. Macht 75% Streichpotential. Oder man leiht sich den Alleinunterhalter aus dem Altenheim nebenan aus, der macht das für einen Bruchteil der Kosten auf dem Keyboard…

  24. Sich an der Orchester-Unkenntnis von Bodo H. aufzuhängen, geht wirklich am Thema vorbei. Doch um im Bild zu bleiben: Würde der WAZ-Konzern ein Opernhaus so betreiben, wie er sein Medienunternehmen führt, dann säße das Orchester auf der Bühne, denn so könnte man ja mehr Plätze verkaufen, spart außerdem Ausstattung, Sie würden auf abgenutzten Instrumenten spielen und sich die Partituren teilen müssen. Das Bühnenpersonal würde zusammengestrichen – schließlich kann ein Sänger auch gleich mehrere Rollen singen; soviel Phantasie müsse man dem Publikum durchaus zugestehen. In der zweiten Phase wird das Orchester dann gleich gestrichen – die Musik kann ja bei der heutigen Technik auch ganz toll vom Band kommen. Dann werden die Sänger durch vollplaybacksingende Laien ersetzt, die es toll finden, auch mal auf der Bühne stehen zu dürfen. Statt eines Bühnenbildes werden Werbeplakate zahlender Kunden aufgehängt. Natürlich werden während dieses Prozesses die Eintrittspreise immer weiter erhöht – Fortschritt hat schließlich seinen Preis…

  25. Nun also erzählt Hombach schon Opern.

    Dass er als Politiker bereits versagte, hat Schröder gerade noch rechtzeitig erkannt und ihn damals nach Jugoslawien entsorgt.

    Dass Hombach als Zeitungsmanager versagen wird, habe ich erwartet.

    Dass er bleiben darf, bis wohl die letzte Redaktion verschicklert wurde, davon ist auszugehen.

    Aber waz soll`s. Eine Zeitung, die ihren Lesern mitteilt, was sie hätten einen Tag zuvor in der Rheinischen Post (der direkten Konkurrenz zur WAZ) lesen können, ist schon ein ganz besonderes Produkt. Denn da wird die Oper auch noch konserviert. Und dem kreativen Qualitätsjournalismus der Konkurrenz gehuildigt, zu dem die eigene Redaktion nicht mehr inder Lage ist. Wenn einemsoviel waz widerfährt, ist das schon die Kündigung des Abbos wert! In Hombach veritas!

    Mahlzeit.

  26. @Caroline (#40): Wenn die alle mit Partituren spielen sollten, bräuchten sie extrakräftige Notenpulte. Die kosten mehr, dann müssen die natürlich zu mehreren in ein Blatt schauen. Und sie bräuchten pro Notenpult einen, der ständig umblättert. Einzelstimmen sind sicher einfacher zu handhaben, besser für die Qualität und zudem insgesamt billiger.

    Aber man könnte von Profimusikern verlangen, ihre Stimmen auswendig zu können. Man bräuchte nur eine Partitur. Da würden dann die Partituren der für die nächste Saison geplanten Musik im Orchester rumgegeben, jeder kriegt sie für ein paar Tage, und alles wäre in den Köpfen…

  27. Mea maxima culpa – da habe ich mich doch gleich als Halbwissende geoutet. Stimmt ja – die Partitur hat ja nur der Dirigent…
    Das ändert allerdings nichts daran, dass Hombach, seine Bildsprache einmal außen vor gelassen, dumme und schlimme Dinge sagt – und noch dümmere und schlimmere Dinge macht, bzw. zulässt.

  28. @ Caroline: Immerhin haben Sie mich auf die Idee gebracht, die Noten für die Musiker einzusparen. Da wäre ich ohne die Anregung mit der Partitur nicht drauf gekommen ;)

    Ansonsten teile ich Ihre Meinung: Was der Hombach da so von sich gegeben hat, ist teils dumm, teils schlimm. Da sind die verrutschten Metaphern nur Kleinkram.

Comments are closed.