Es schnüffelt

Nur einige winzige Anmerkungen zur aktuellen Schlammschlacht zwischen „Stern“ und „Bunte“. Die Hamburger Illustrierte wirft der Münchner Illustrierten bekanntlich vor, dass sie das Privatleben von Politikern von einer Agentur mit angeschlossener Detektei systematisch und mit unlauteren Methoden ausspähen ließ. Der Burda-Verlag und die „Bunte“ reagieren darauf mit wüstem Geschrei, Klageandrohungen, einigen offenkundigen Quatschargumenten, schönen Leersätzen („Investigativer Journalismus … wird auch von allen nationalen und internationalen Publikationen betrieben“) und dem wiederholt geäußerten, vermutlich vernichtend gemeinten Hinweis, der „Stern“-Bericht über die „Bunte“ sei bloß der „Angriff auf einen erfolgreichen Mitbewerber, der zuletzt den Stern im Einzelverkauf am Kiosk überholt hat“.

Das ist ebenso kindergartenhaft wie perfide: „Bunte“-Chefredakteurin Patricia Riekel unterstellt also ungefähr, dass es beim „Stern“ eine Krisensitzung gab, in der die Verantwortlichen überlegten, was sie tun könnten, damit sie beim Kioskverkauf in Zukunft nicht mehr von der „Bunten“ überholt werden, und beschlossen, es mit einer großen Lügengeschichte über die Konkurrenz zu versuchen. Der Vorwurf wirkt gleichzeitig wie eine geschickt in die Berichterstattung geschmuggelte Werbebotschaft nach dem Motto: Ach, übrigens, wir haben den „Stern“ ein bisschen überholt.

Bevor man ein Urteil darüber abgibt, wie plausibel der „Bunte“-Vorwurf ist, sollte man sich vielleicht diese Kurve ansehen:

Die „Bunte“ hat am Kiosk nicht jetzt plötzlich oder gar zum ersten Mal den „Stern“ überholt. Die beiden Illustrierten liegen seit Jahren in dieser Kategorie ungefähr gleichauf. Beim „Stern“ sinkt dieser Teil der Auflage etwas schneller als bei der „Bunten“. Aber die „Bunte“ lag immer mal wieder vor dem „Stern“.

Aber jetzt, auf einmal, hat es dem „Stern“ gereicht und er hat deshalb eine vernichtende Geschichte über die Konkurrenz in Auftrag gegeben?

PS: Weiß eigentlich jemand, ob nur „Spitzenpolitiker“ „Vorbildfunktion“ haben, wie die „Bunte“ heuchelt, und deshalb auf Privatsphäre verzichten müssen? Oder sind Chefredakteure vielleicht auch „Leitfiguren unseres Wertesystems“, deren „privates Verhalten daher Auswirkungen auf die Moral der Gesellschaft“ hat? Wenn ja, könnte sich bitte jemand opfern und Details des Liebeslebens von Frau Riekel mit ((oder ohne, was weiß ich)) Herrn Markwort recherchieren, damit sich unsere Moral dann entsprechend darauf einstellen kann? Vielen Dank.

PPS: Was genau ist die Logik hinter der Entscheidung des „Stern“, in dem Artikel, der die Verletzung der Privatsphäre der Politiker anprangert, selbst detalliert deren Adressen und Wohnungsnummern anzugeben, die von den Detektiven erschnüffelt wurden?

Nachtrag, 15:20 Uhr. Der „Stern“ weist mich darauf hin, dass die genannten Adressen der Politiker allesamt alt und nicht mehr aktuell seien. Ich weiß trotzdem nicht, warum man das in dieser Detailfreude dokumentiert.

44 Replies to “Es schnüffelt”

  1. Das Duell von Bunte und Stern erinnert mich irgendwie an das Curlingspiel von Dänemark gegen USA (Herren). Beide Mannschaften spielten schlecht und Dänemark hat gerade so gewonnen. Auch wenn Dänemark gewann, spielte es trotzdem schlecht.

  2. Herr Niggemeier! Vorschlag für die Überschrift, anstatt „Es schnüffelt“ , „Es (schn)müffelt“

    Wieso versuchen sie überhaupt in einem kaotischen System eine logische Struktur zu finden?

    Soweit Wir wissen, haben nur Eltern und andere Familienangehörige, für Kinder eine „Vorbildfunktion“!

    Politiker, Chefredakteure und kirchliche Oberhäupter haben nur eine „Abbildfunktion“!

    Man könnte auch sagen sie sind „Abziehbilder“ der Gesellschaft!

    MfG

    Roboter tun nur so als ob
    Menschen auch

  3. Ich hätte noch eine bessere alternative Überschrift, an die mich die Kurven auch erinnern. Es gab in einem längst untergegangenen Staat mal einen großen(?) Politiker der predigte

    „Überholen ohne einzuholen!“

  4. @ Mensch,

    ich gestehe, dass ich so ziemlich gar nichts von Ihrem Kommentar verstanden habe, und das mag durchaus an meinem Auffassungsvermögen liegen. Die Floskel „Soweit Wir wissen“ hätte ich in diesem Zusammenhang dann aber doch gerne auf irgendeine Art und Weise erklärt oder begründet.
    Danke.

  5. Und die geschickt in die Blogberichterstattung geschmuggelte Botschaft ist, dass der Stern eine Illustrierte auf Bunte-Niveau ist, richtig?

    Wobei, …

  6. „PPS: Was genau ist die Logik hinter der Entscheidung des „Stern”, in dem Artikel, der die Verletzung der Privatsphäre der Politiker anprangert, selbst _detailliert (ist im Artikel btw detalliert geschrieben)_ deren Adressen und Wohnungsnummern anzugeben, die von den Detektiven erschnüffelt wurden?“

    Die ganze Sache lief doch so ab: Stern bekommt mit, dass Bunte coole Typen in langen Mänteln hat um „investigativer“ zu Journalistiesieren. Das fanden sie eine so geile Idee, dass sie sofort a) bei der Bunten drauf los hämmern und b) alles versuchen selber so gute Infos und Schnüffler zu bekommen. So ein Pharisäertum wäre doch nichts neues (oder sogar zu erwarten), oder? :)

  7. Ihr erstes Postskriptum erachte ich für mehr als nur einen gelungenen Witz. Merkwürdigerweise umgeben sich insbesondere Journalisten der erweiterten Yellow Press mit einer bigotten noli-me-tangere-Attitüde. Würde man ihr Privatleben ähnlich erschnüffeln, würden sie sich und den Fall dann gleich als „Angriff auf die Pressefreiheit“ in entsprechender Märtyrer-Pose aufwerten wollen. Wobei: Ehrlich gesagt – das Privatleben von Markwort oder Riekel interessiert mich rein gar nicht.

  8. „Spitzenpolitiker“ haben „Vorbildfunktion“? Könnte man nicht allein für eine solche Behauptung schon abgemahnt werden?

  9. Lieber Stefan,

    Deinem ersten PS kann ich nachkommen! Mir liegen Details aus dem Leben von Frau R. vor, die man nicht wissen möchte und die ich NATÜRLICH am Mittwoch in der taz veröffentlichen werde.

    In diesem Sinne: Nimm noch einen Dauerkeks!
    Beste Grüße,
    Silke Burmester, Kriegsreporterin

  10. Da müssen die doch eigentlich davon ausgehen, dass die Bunte und der Stern das selbe Klientel haben. Sonst vergleicht man ja Äpfel mit Birnen. Und den Stern würde ich schon ein wenig, aber auch wirklich nur ein klein wenig höher ansiedeln.

  11. Zu PPS: Vielleicht ist der Grund für die Angabe der Informationen, daß es Fotografen ermöglicht wird, Politiker in der Badewanne abzulichten.

  12. Na immerhin, wenn das jetzt in Georgien passiert wäre, dann hätte die Bunte dem Stern unterstellt, dass die gsamte Redaktion aus Polygamen bestehe und dort nur frühere Strafgefangene säßen.
    Oder man hätte Bilder von Müntefering etc. im Kölner Zoo aufgehangen und Besucher mit versteckter Kamera gefragt, welcher der Affen Münte am ähnlichsten sehe.
    Oder man hätte Scharping mit Geliebter auf Mallorca gezeigt und Harzt 4-Empfänger gefragt, ob der Millionen in die eigene Tasche stecken darf.

    Über genau diese Fälle aus Georgien habe ich in der vergangenen Woche berichtet. Ein Journalist musste in die Schweiz fliehen, weil die Polizei ihm und seiner Familie mit Mord gedroht. (Wachtang Komachidse).

    Und genau an diese Geschichte fühlte ich mich erinnert, als ich das diese Woche im Bildblog las.

  13. Eine Vorbildfunktion haben auch Bischöfe/Innen und Grimme-Preisträger/Innen.
    Sie sollen am vergangenen Wochenende in Hannover gesehen worden sein, Herr Niggemeier.

  14. @Gregor Keuschnig: Ach so, nein, insofern ist das doch ein Scherz. Ich weiß mehr über Frau Riekel und Herrn Markwort, als mir lieb ist. Ernst gemeint ist die Frage dahinter. Nach der Heuchelei.

  15. Auch wenn der Stern den Boulevard-Anteil stetig ausbaut – als direkte Konkurrenz zur Bunten hätte ich ihn gar nicht gesehen. Der Playboy ist auch keine Konkurrenz zur AutoBild, obwohl in beiden immer wieder mal Fotos und Bereichte über Autos und Frauen zu finden sind. :-)

  16. Die Bunte-Erklärung ist lustig, aber bei dem „P.S.“ muss ich spontan an stalkende PI-Typen denken. Uah. Auge um Auge..

  17. bunte ist zu bedauern. caroline hat sich größtmöglich rausgeklagt aus den blättern. die schweden ebenfalls. die engländer sind langweilig – nazikostüme gibts da nur alle jubeljahre und sex seit jahren nur mit den gleichen schnecken.
    da ist der bunte-glamour-focus auf einmal ins innland und auf müntefering und seehofer pp gerichtet worden.
    kann sich der stern nicht bieten lassen und wird plötzlich mal wieder investigativ. wann gabs das letzte mal von stern eine exclusive enthüllung? und ich meine eine echte.

  18. Eines versteh ich überhaupt nicht: Seit wann sind Stern und Bunte (wieder) Wettbewerber? Die haben sich doch seit den 1970er-Jahren auf anderen Märkten bewegt. Heißt die G+J-Konkurrenz von Bunte nicht Gala? Klar, Bunte hat lange versucht den Eindruck zu erwecken, man spiele in der Stern-Liga. Aber jetzt mal echt . . .

  19. Ich lese die „Bunte“ nicht. Nachdem ich aber am Dienstag die Sendung „Neues aus der Anstalt“ gesehen hab (sollte jeder Wahlberechtigte sehen), traue ich dieser Gazette (und vielen anderen Zeitungen/Verlagen auch) alles zu. Urban Priol zitierte wörtlich aus einer (der aktuellen?) Ausgabe. Reine Hofberichterstattung über die beste Regierung aller Zeiten. Die hätten sicher gerne etwas gegen die Oppositionsvertreter in der Hand.

  20. Wusste gar nicht, dass Stern und Bunte in der gleichen Liga liegen, sich in der Liga entlieben. So, wie sie sich nun langlegen, werden sie sicher nicht lang leben.

  21. @Thomas L.: Was soll die Aufregu’g? Wer braucht so ei’e‘ blöde‘ Buchstabe‘ überhaupt? Kei‘ Me’sch, ‚icht ei’er. Zoey ka“ sei‘ ‚ behalte‘. Jawohl!

  22. Hier in England steht ja gerade die ‚News of the World‘ in den Schlagzeilen, deren angeheuerte Detektei vorallem durch Telefonueberwachung aufgefallen war. Auch wenn die NOW sicher nicht mit der Bunten vergleichbar ist, die Reaktionen waren fast identisch: Einzelfall, war Detektei nicht wir, finden wir nicht in Ordnung. In den jetzt laufenden Prozessen wird deutlich, dass es so flaechendeckend war, dass NOW davon gewusst haben muss. Denn erst wenn man 10 Leute mit tatsaechlich oder vemeintlicher Vorbildfunktion durchleuchtet hat und festgestellt hat, dass die ganz normale Leben leben, bleibt bei der 11. Person etwas haengen. Diesen Arbeitsaufwand fuer eine Story koennen Redaktionen nicht (mehr) leisten. Selbst in England war man von diesem journalistischen Tiefpunkt leicht entsetzt…

  23. @38, Herr Dewi:

    Ich verstehe ihre Verallgemeinerung nicht ganz, und was dieser Thread mit dem vermeintlichen Holzmedien-Blog-Gedöns zu tun haben soll, verstehe ich noch weniger.

    Was ich aber verstehe, ist, dass Sie diesen Thread offenbar als guten Platz für eine kostenlose Werbung in eigener Sache ansehen. Denn ihr Blog-Eintrag hat mit der Bunte-Geschichte weitaus weniger zu tun als vor allem mit ihren persönlichen Lappalien.

    Ich finde das, gelinde gesagt, grob unhöflich.

    @SN: Die Detailfreude der Stern-Leute hängt damit zusammen, dass man gerne nach außen hin eine umfangreiche und verläßliche Quellenlage dokumentieren möchte. So etwas ist zwar aus Leser-Sicht nicht erforderlich und hat nicht selten etwas mit Eitelkeiten zu tun, ist aber bei längeren Recherchenauch nicht ganz unüblich. Insofern kein großer Malus.

    Insgesamt kann ich bei der ganzen Angelegenheit den Verdacht nicht loswerden, dass hinter der Bespitzelung mehr als nur publizistische und finanzielle Motive standen.

  24. Leben ohne N wär echt furchtbar. „Ey, weisst scho, Stefa‘ ‚iggemeier hat aufgedeckt, Bu’te wie Ster‘ komme raus Tag vor Freitag“.

    Ernsthafter weiter: meiner besch. Meinung nach hat dieser Merkwürd eh‘ den Schuss nicht gehört, dass er sich mit einem Journalisten verwechselt bzw. das was zwischen den Werbespotdrehs passiert mit Arbeit.

  25. Wenn man die Verkaufsahlen von Ende der 90er betrachtet, dann hatte der Stern damals ca. 300.000 Exemplare am Kiosk verkauft als die Bunte. Danach ist der Absatz des Stern zurückgegangen, während er bei der Bunte erst leicht anstieg und dann wieder sank.

    Aber die Behauptung, daß die Bunte den Stern überholt hatte, ist trotzdem Mumpitz.

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