Mit Stalkern kennt Frau Riekel sich aus

Was ich ganz vergessen hatte bei der Geschichte, wie das deutsche Fachblatt für Moral, die „Bunte“, Politiker möglicherweise systematisch bespitzeln ließ: Mit Stalkern kennt Chefredakteurin Patricia Riekel sich ja aus.

Mitte Januar befragte sie der damalige Blogger Kai Diekmann am Rande eines dpa-Empfanges, worüber sie sich in den letzten Tagen in den deutschen Medien am meisten geärgert habe.

Frau Riekel antwortete:

„Über Stalker. Journalistische Stalker, das gibt es auch, ja.“

Auf die Frage, wo sie die sehe, antwortete sie ausweichend:

„Nicht im Magazinbereich.“

Wen sie meinte, war dennoch kein Geheimnis: Hans-Jürgen Jakobs, den früheren Medienredakteur und heutigen Online-Chef der „Süddeutschen Zeitung“. Der hatte gerade ein großes Stück im Blatt veröffentlicht, in dem Helmut Markwort, der „Focus“-Chef und Lebensgefährte von Frau Riekel, nicht so gut wegkam. Und das geht ja nun gar nicht.

Markwort selbst sagte in Diekmanns Kamera:

„Ich bin schockiert, ja, dass die ‚Süddeutsche Zeitung‘ (…), dass die einen Stalker beschäftigt. Die ‚Süddeutsche Zeitung‘ hat ja in vielen Teilen gute Autoren und vernünftige Journalisten und ist teilweise ein sehr seriöses Blatt. Aber die beschäftigen einen Stalker, der mich seit Jahren mit Hass und Neid verfolgt und spuckt Gift und Galle.“

(Markwort spricht das Wort „Stalker“ übrigens deutsch aus, so als könnte man Kühe und Pferde darin aufbewahren, was seine Wut besonders niedlich wirken lässt, aber das nur am Rande.)

Der Vorwurf von Riekel und Markwort war nicht nur im Affekt dahingeworfen. Markwort wiederholte ihn in einem großen Interview mit der Fachzeitung „Horizont“:

Herr Markwort, „Focus“ wird medial seit Wochen heftig unter Feuer genommen. Den Vogel schoss Hans-Jürgen Jakobs ab, der Sie in der „Süddeutschen“ auch persönlich hart angreift.

Es ist ja schon das dritte Mal, dass Jakobs mich so attackiert. Für mich ist der Mann ein Stalker. Aus irgendeinem Grund verfolgt Jakobs mich mit Hass, Neid und Wut. Ich staune, dass ein seriöses Blatt wie die „Süddeutsche Zeitung“ einen solchen Fall von Stalking im Journalismus zulässt.

Das sind harte Vorwürfe.

Was glauben Sie, was ich für SMS bekomme! Die Leute fragen mich, was ich dem Herrn Jakobs denn angetan habe, dass der so um sich schlägt. Auch unbefangene Leser merken, wie hasserfüllt dieser Artikel ist. Als Journalist, für den Fairness ein hoher Wert ist, bin ich fassungslos, wie faktenfrei und agitatorisch hier über „Focus“ geschrieben wird.

So übersichtlich sind Gut und Böse in der sauberen Welt des Publizistenpaares Markwort-Riekel verteilt: Wenn ein augenscheinlich gut informierter Journalist kontinuierlich und kritisch über ihre Arbeit berichtet, handelt es sich um „Stalking“. Wenn ein Klatschblatt eine Detektei damit beauftragt, durch intensive Recherchen im Privatleben dem ungeheuren Verdacht nachzugehen, ein verwitweter Politiker könne eine neue Freundin haben, erfüllt es nur seine staatsbürgerliche Pflicht.

27 Replies to “Mit Stalkern kennt Frau Riekel sich aus”

  1. Diese meiner Meinung nach gestörte Selbstwahrnehmung solcher *Qualitäts*journalisten macht mich betroffen.

  2. Der Schnappschuss von Helmut Markwort ist ja mal beeindruckend unvorteilhaft…man möchte meinen, Gift und Galle kämen einem sogleich aus dem Monitor entgegengeschleudert.

  3. Hoffen wir mal dass die nicht mit journalitischem Nachwuchs „gesegnet“ sind!Wenn die in die Pupertät kommen würden , hätten sie ja keine ruhige Minute mehr!

  4. Ich finde den Artikel in der Süddeutschen recht schonunglos aber fair. Ich finde das dargestellte Verhalten von Markwort nur allzu menschlich. Es ist immer schwer etwas loszulassen, was man selbst aufgebaut hat.

  5. Das hier trifft es zu 100%:

    „Er ähnelt Helmut Kohl“, klagt ein hochrangiger Burda-Mann, „der hatte auch seine große Zeit, merkte aber nach 16 Jahren nicht, dass sie zu Ende ging.“

    Schön dazu auch der ZAPP-Beitrag: „Unbeirrbar und unbelehrbar“ http://www.youtube.com/watch?v=O9XsrJn0vco

    (da kann man auch mal hören wie der Fakten,Fakten,Fakten-Mann „Stalking“ deutsch UND englisch aussprechen kann [1.30min])

  6. Wenn dies der schlimmste Fall von Bimoral im deutschen Verlegersumpf wäre, müsste dieses Land den Namen „Paradies“ tragen. Heisst aber weiterhin Deutschland und das ist nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges.

  7. „..Deutschland [und] das ist nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges.“

    Dem möchte ich nichts hinzufügen

  8. Ein „Stallker“ ist also jemand, der vor Kuh- Schaf- und sonstigen -ställen darauf wartet, besonders putzige Fotos und Videos der Bewohner machen zu können. Erkennt sich da hier vielleicht jemand wieder? Morgen ist schon wieder Sonntag.

  9. Manche weiden sich an der Zufallsbegegung. Andere organsieren sie. Und wieder andere hecheln darum un meinen was gutes getan zuhaben.

    Nun ja, bloß welche bewegenden Erkenntnisse sollen die Menschen noch klüger machen? Wenn man meint sowas von gut zusein.

    Ah, da fällt mir ein: FAKTEN – FAKTEN – FAKTEN und immer an den Leser denken ! Nun ja soweit dazu………..

  10. Kleine Korrektur: Im letzten Hauptsatz ergibt „erfüllt sie…“ keinen Sinn. Ich glaube, Sie beziehen sich auf „Klatschblatt“. Dann wäre „erfüllt es…“ richtig.

    In der Sache bringen Sie die Heuchelei allerdings sehr treffend auf den Punkt. Danke (nicht nur) dafür!

  11. Wenn ein solcher Artikel schon Gift und Galle ist, dann will ich ja gar nicht wissen wie leicht man es sich mit Markwort in sonstigen Angelegenheiten verscherzen kann. Und Patricia Riekel… ich sag’s mal so: wenn man Leuten permanent erklärt, sie seien bedeutend, dann glauben sie es irgendwann selbst.

  12. Würde gern mal wissen wollen, wann denn die große Zeit von Herrn Markwort war!? Helmut Kohl fand ich nie sympathisch, aber er hat sicherlich doch mal zwei oder drei Dinge richtig gemacht. Das ist weit mehr, als man wohl von Herrn Markwort sagen kann. Alle seine Verdienste existieren offenbar weitestgehend nur in seiner eigenen Vorstellung.

  13. @19/anonym
    Ich mag Markwort und die Methoden, die er im Journalismus gebraucht, nicht. Aber ökonomisch war bzw. ist „Focus“ ein ziemlich großer Erfolg. Man brach das Montagsmeinungsmonopol des „Spiegel“. Dass er dabei zur Trivialisierung dessen beitrug, steht auf einem anderen Blatt. Markwort bedeutungslos zu machen zeugt von gewollter Ahnungslosigkeit bis zur Arroganz.

  14. An der Stelle hab ich aber große Augen bekommen: „Als Journalist, für den Fairness ein hoher Wert ist, …“

    Dreimal hab ich den Satz gelesen.

    Mein lieber Scholli …

  15. Markwort lädt übrigens nach eigenen Angaben keine Politiker der Partei „Die Linke“ aus ideologischen Gründen in seine „Stammtisch“-Sendung im BR ein.
    Markwort fühlt sich scheinbar als Kämpfer für die bürgerliche Klasse und sieht sich auf der Seite des Guten. Dass er aber kritikresistent und undemokratisch handelt, vergisst er dabei. Doppelmoral wie im Fall Jakobs.

  16. @ 23 (twipsy)

    Bis zu dem Tag, an dem der Presserat endlich auch Sanktionen verhängen darf, bleibt diese Einrichtung doch nur ein zahnloser Tiger. Über die öffentlichen Rügen lachen sich die – teils durchtriebenen – Empfänger schlapp, weil die meisten Vorgänge unter Guerilla-Marketing abgelegt werden – noch einen Werbeeffekt haben …

  17. Um mal etwas von dem Boulevard-Niveau loszukommen: Rüttgers will den Ruhrbarone-Blog verklagen, um zu verhindern, dass illegal ausgespähte Informationen über seine Partei nach außen dringen. Ein finde ich sehr interessantes und kontroverses Thema. Kontrovers, obwohl ich mit der CDU wirklich nichts am Hut habe.

    http://www.ruhrbarone.de/cdu-nrw-reagiert-panisch/

  18. Ich muss sagen, ich finde es absolut richtig Politiker auszuspionieren. Gerade solche Leute die den Überwachungsstaat vorantreiben, Vorratsdatenspeicherung jubelnd gutheissen und das Internet zensieren wollen haben es nicht anders verdient. Vielleicht denken solche Leute dann auch mal nach ob die ganzen Spitzelgesetze wirklich richtig sind. Vielleicht kommen die dann auch zu der Erkenntnis dass Privatshäre doch schützenswert ist.

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