91 % aller Ausrufezeichen sind über

Die „Gesellschaft für rationelle Psychologie“ (GRP), die regelmäßig zweifelhafte „Studien“ anfertigt, deren „Ergebnisse“ (Erfurter nehmen sich 13 Minuten Zeit für Sex, Berliner nur neun / zwei Drittel der Grünen-Wähler finden kleine Brüste attraktiv / in Hamburg leben die größten Männer / Kölnerinnen haben am ehesten beim ersten Mal Sex) von Medien wie Nachrichten behandelt werden, will sich gegen einen entlarvenden Artikel über sie in der aktuellen Ausgabe von „Zeit Wissen“ juristisch wehren.

Ulrike Ertel, die Geschäftsführerin des Instituts, kommentierte den Artikel am Montag unter meinem Hinweis hier im Blog so*:

Für dumm verkauft!!!!
Dumm geschrieben — Alles Lügen und falsche Behauptungen eines gekränkten Autors. Was wir demnächst auch „gerichtlich“ beweisen werden. Wir haben rechtliche Schritte gegen die wahrheitswidrigen Behauptungen und Beleidigungen eingeleitet.
Der Beitrag ist ein bösartiger Racheakt, weil Herr Paulus vor etwa zwei Jahren von uns nicht als Autor akzeptiert worden ist und wir andere Autoren autorisiert haben.
Journalisten waren und sind bei uns seit über 38 Jahre willkommen — Nur nicht so Unseriöse wie der Autor.

Ähnlich hat sich Ertels Mann Henner gegenüber „Zeit Wissen“ geäußert und das Magazin zu einer Richtigstellung und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern lassen.

Jochen Paulus, der Autor des Artikels, sagt, Ertel habe ihm bislang keinen Fehler nachweisen können. Er habe, anders als Ertel behauptet, nie vorgehabt, für die GRP oder ihre Geschäftspartner zu schreiben: „Ein Vergleich meiner Veröffentlichungen und der der G. R. P. zeigt schnell, dass ich da auch kaum hinpassen würde.“ Sämtliche Kontakte zur GRP hätten der Recherche für den Artikel gedient. „Anderslautende Behauptungen sind für einen seriösen Journalisten verleumderisch“, so Paulus.

Die pseudowissenschaftlichen Ergebnisse der GRP sind allein in diesem Jahr u.a. von „B.Z.“, „Berliner Kurier“, „Berliner Zeitung“, „Berliner Morgenpost“, „Bild“, „Express“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Magdeburger Volksstimme“, „Münchner Merkur“, „Tagesspiegel“, „taz“, „Thüringer Allgemeine“ und „Die Welt“ sowie den Nachrichtenagenturen AP und dpa verbreitet worden. Auftraggeber ist in den meisten Fällen das Möchtegernmagazin „Men’s Health“.

*) Der Kommentar ist nicht veröffentlicht worden, weil er im Spamfilter hängen blieb, den ich so eingestellt habe, dass er Kommentare mit mindestens drei Ausrufezeichen in Folge automatisch aussortiert. Das hat sich als erstaunlich zuverlässiges Auswahlkriterium herausgestellt.

68 Replies to “91 % aller Ausrufezeichen sind über”

  1. Sehr schön, zumal mehr als drei „!“ auch wirklich unprofessionell sind. Eigentlich alles mit mehr als einem. Was das über die professionalität der Geschäftsführerin aussagt, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.

  2. Den Paulusartikel hat sicher ein Jurist gegengelesen.
    Möglicherweise Wahrheitswidrige Behauptungen finden sich kaum, vielmehr der ständige Hinweis, dass alles von aussen nicht nachprüfbar sei.

  3. Vielleicht kommt dann ja mal einiges ans Licht. Im übrigen erinnert mich der Kommentar von Frau Ertel an so manches, was man sonst unter Artikeln über einen Herrn Hornauer findet. Und an ihn auch.

  4. Was wir demnächst auch „gerichtlich” beweisen werden.

    Das finde ich ja überhaupt noch viel „schöner“ als die ganzen „Ausrufezeichen“.

  5. Umso mehr Ausrufezeichen Leute in ihrem Geschreibsel verwenden, umso mehr haben Sie Recht. Ist wie bei dem, der am lautesten schreit.

    btw: „Kölnerinnen haben am ehesten beim ersten Mal Sex“? Hä? Also ich hatte auch beim ersten Mal Sex, komisch..

  6. „mehrfache Ausrufezeichen“, fuhr er fort und schüttelte den Kopf. „ein sicheres Zeichen für einen kranken Geist“.
    (Terry Pratchett, „Eric“)

    ;-)

  7. Ich werde demnächst „gerichtlich“ beweisen, dass das mit den drei Ausrufezeichen für Menschen mit einem zittrigen Finger diskriminierend ist.

  8. @8. Sven Knurr: Ich bin mir nicht mehr sicher welches Buch es war, aber ich glaube in „Helle Barden“ wird auch gesagt, dass drei gerade noch am Rand sind, aber schon kritisch. Alles darüber wäre hingegen schon… nunja.

  9. „Und auf die „gerichtliche” Auseinandersetzung bin ich gespannt…“

    Demnächst mehr bei Barbara Salesch?

  10. @tux: In der guten alten Zeit hatte man doch Rendezvouses. Oder heißt es Rendezvousen? Nein, auch nicht. Offenbar hatte man nur eins. Gute alte Zeit.

  11. Mit der Fußnote verrätst Du aber Dein ‚erstaunlich zuverlässiges Auswahlkriterium‘. Denn mir ist aufgefallen, dass hier bei gewissen Themen viele Ausrufezeichenfetischisten kommentieren. Der ‚Feind‘ liest mit ;o).

    Aber stimmt, exzessiver Ausrufezeichengebrauch ist in der schriftlichen Kommunikation ein Krakeelermerkmal.

  12. @ Iris #20:

    Ich glaube, dass das nicht wirklich schlimm ist. Menschen, die plenken oder an der Ausruferitis leiden, können nicht anders. Die können sich vielleicht für ein, zwei Kommentare for stellen verstellen, aber dann schlägt es wieder durch.

  13. @15 @20. Stimmt, in alles Sense kam das auch vor. Amüsanterweise musste ich da sofort an Blogkommentare denken. Ich krakele ja nicht gern, und krakeelen mag ich auch nicht so, deswegen stelle ich lieber mal eine Frage mit vier Fragezeichen und gucke was der Spamfilter davon hält. Darf ich????

  14. @14: Spontaner Sex sollte vorher „verabredet“ werden. Dann gibt es weniger Missverständnisse.(Piet Klocke)

  15. Achso, ehe ichs vergesse: 94% aller Anführungszeichen „sind“ über.

    (Kann mir mal jemand dieses „über“ erklären. Ist das stylish für überflüssig, oder habe ich den falschen Browser, der das „-flüssig“ nicht anzeigen kann? Falls letzteres: Bitte auf Diskussion des besten Browsers, Betriebssystems und Lieblingskabarettisten verzichten!)

  16. […] Stefan Niggemeier: Der Kommentar ist nicht veröffentlicht worden, weil er im Spamfilter hängen blieb, den ich so eingestellt habe, dass er Kommentare mit mindestens drei Ausrufezeichen in Folge automatisch aussortiert. […]

  17. @28-30:
    Auch bekannt als „übrig“ – „über“ ist eine umgangssprachliche Verschleifung davon. Nicht überall in D gebräuchlich.

  18. Wenn man etwas „gerichtlich“ klären will, dann offenbar nicht gerichtlich – sondern nur scheinbar gerichtlich – angeblich gerichtlich.

    Die sogenannte gerichtliche Klärung hieß früher „wir geh’n auf’s Pflaster“.
    Echt!! 1elf
    Diese Anführungsstriche sind die Seuche der mittelmäßigen Autoren, die alles nur halb verstehen und nichts wirklich meinen, aber viel sagen wollen. Weil sie nichts zu sagen haben, wollen sie es nicht klar ausdrücken, und Leser, die auch nichts klar verstehen wollen, lesen sowas auch gerne.
    Etwas darüber gelesen zu haben genügt.

  19. Das kannte ich, aber nicht übrig im Sinne von überflüssig nicht. Aber jetzt Schluß mit dem Thema ;-)

  20. Die „gerichtliche“ ausseinandersetzung wird im übrigen live von Sat.1 übertragen … bei Richterin Barbara glaub ich :P

  21. Der Eintrag & das Zitat zeigen, dass der Inhalt der als Spam aussortierten Mail doch gelesen wird. (mach ich aber auch so, wenn der Betreff nicht den üblichen Unsinn ankündigt)

  22. „Ähnliche hat sich Ertels Mann Henner gegenüber „Zeit Wissen” geäußert und das Magazin zu einer Richtigstellung und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern lassen.“

    Wo steht das denn? Link?

  23. Das * made sowas von my day. Echt wahr. Zum Finetuning schlage ich vor, bei mehr als drei aufeinanderfolgenden Majuskeln (auf die GEZ schimpfen muss erlaubt bleiben) ebenfalls zu filtern.

  24. Mit-Anglismen-Rumwerfer sollten besser auch im Spam hängen bleiben; nur, wie macht man das?

  25. @ Jeeves: Da geht gar nicht: Der Spamfilter müßte sich ob seines Namens selbst filtern. Websupernova! Alle tot!

  26. wie wär’s mit einem Kompromiss?!
    Ab sofort endet nur noch die Hälfte der Threads bei der A-Debatte. Im Gegenzug beginnt die andere Hälfte…

  27. Mein persönlicher Favorit von Terry Pratchett:
    „And all those exclamation marks, you notice? Five? A sure sign of someone who wears his underpants on his head.“

  28. Zu Herrn Paulus Stellungnahme.
    Zitat E-Mail von Herrn Paulus 22.2.06.
    „…Besten Dank für unser interessantes Telefonat von eben… Wie erwähnt, würde ich Ihre Arbeit gern in dem Magazin „Zeit Wissen“ vorstellen, das sich ja oft auf seriöse Weise mit den unterhaltsamen Seiten der Wissenschaft beschäftigt…“ Man beachte „unterhaltsam“, sprich populärwissenschaftlich und „seriös“.

    Erst nachdem wir ihm mitgeteilt haben, dass dieser Bericht von einem Autor erstellen wird, den allein unser Agent bzw. Medienprojekt-Koordinator bestimmen wird, wurde er aggressiv und ausfallend.
    Unseriös sind wir in seinen Augen geworden, nachdem wir ihn nicht für einen Exklusivbericht über unser Mindtrust-Forschungsprojekt autorisiert haben.

    Wir haben nie behauptet, dass er für uns arbeiten wollte. Wo steht das?

    Herr Paulus hat wilde Vermutungen und Behauptungen aufgestellt, bringt aber keine Tatsachen. Dies werden wir in dem Gerichtsverfahren beweisen.

    Nur ein Beispiel von vielen seiner wahrheitswidrigen Behauptungen, dass sich die Kunden nicht über das wissenschaftliche Konzept unserer Arbeiten informieren können bzw. informiert sind.

    Wir haben dafür Anfang der neunziger Jahre, (zweite erweiterte Auflage 1998) extra ein 571 Seiten umfassendes Handbuch herausgegeben, in dem alle Fragen zu unseren Forschungsprogrammen umfassend dargestellt und erklärt werden. Ich hatte Herrn Paulus darüber informiert, dass wir dieses Handbuch und eine dazu gehörige Arbeits-CD veröffentlicht haben. Und das bspw. die Karstadt Marktforschung und Unternehmensplanung sowie viele andere damit sehr erfolgreich arbeiten bzw. gearbeitet haben.

    Titel: H.J.H. Ertel „HANDBUCH DER WIRTSCHAFTS-, KONSUM- UND KOMMUNIKATIONSPSYCHOLOGISCHEN FORSCHUNG – Konzepte und Grundbegriffe der
    psychologischen, psychophysiologischen und sozialpsychologischen Wirtschafts-, Konsum- und Kommunikationsforschung“

    Neue erweiterte Auflage 2009, mit den neuesten Neuroscience Forschungs-Modulen der Mindtrust.Net.

  29. #58:
    Das kann man dann nur als Verdrehung der Tatsachen werten, denn „Wir haben nie behauptet, dass er für uns arbeiten wollte. Wo steht das?“ steht oben im Artikel, zusammen mit der Quellenangabe.
    Damit ist dann auch die Richtung für die restlichen Bemerkungen klar.

  30. Herrlich, wie hier „Ekirlu“ um den heißen Brei herumredet… Ich freue mich schon auf das drohende Gerichtsverfahren – in Anbetracht bisheriger Verfahren, bei denen es vor Gericht um die „Wissenschaftlichkeit“ ging, kann ich den Jungs und Mädels von der „Rationellen Psychologie“ jetzt schon Gute Nacht sagen. Manche lernen es anscheinend nur auf die harte Tour und müssen sich eine blutige Nase holen.

    Dass ein allgemeines Methodenhandbuch rein gar nichts mit der tatsächlichen Qualität von Studien bzw. deren wissenschaftlicher Fundierung zu tun hat, sollte eigentlich auch Leuten klar sein, die sich nicht in dem Bereich ihre akademischen Meriten verdient oder noch nie selbst entsprechende empirische Studien durchgeführt haben….

    Die ZEIT hat übrigens einen weiteren Artikel veröffentlicht, in dem die Reaktionen auf den Artikel geschildert werden. Ein kleiner Ausschnitt:

    „Explizit führt Ertel den emeritierten Heidelberger Psychologie-Professor Manfred Amelang an, der ihm gegenüber bestritten habe, sich so geäußert zu haben, wie ZEIT Wissen ihn zitiert hat. Doch Amelang hatte sich keineswegs distanziert, im Gegenteil: „Ich stehe sehr wohl hinter den Äußerungen, mit denen Sie mich zitieren“, schrieb Amelang unserem Autoren in einer E-Mail. Auch keiner der anderen zitierten Experten, etwa der renommierte Neurobiologe und Psychologe Niels Birbaumer, distanzierte sich uns gegenüber von ihren Äußerungen.
    […]
    Besonders erschüttert aber hat mich ein weiterer Vorstoß von Ertel. Nach einigen Tagen stellte sich heraus, dass er Wissenschaftlern, die sich in unserem Artikel kritisch über ihn geäußert hatten, mit seinen Anwälten gedroht hatte, falls sie ihre Zitate nicht widerrufen würden. Keiner der Wissenschaftler ließ sich aber einschüchtern: Alle blieben bei ihren Aussagen.“

    ZEIT: Skeptisch sein und weiterdenken
    http://www.zeit.de/online/2008/30/zeitwissen-replik

  31. drei ausrufezeichen – nennt man das in fachkreisen nicht „wissenschaftliche emphase“?

    mir war gar nicht klar, wie emotional sich die kühlen kräfte der wissenschaft hier die kommunikative bahn brechen. liegt das an den themen der untersuchungen?

    wenn berlin arm und sexy ist, was ist dann erst wissenschaft?

    fragt beeindruckt

    .~.

  32. Heimlich ins Kinderzimmer gehen und die Hörbücher starten.
    Sich unheimlich unterhalten fühlen.
    Wie von dieser Kommentar-Liste.

  33. Ist zwar schon ein bisschen älter, aber weil’s so schön ist, trotzdem eine aktuelle Ergänzung: vielleicht hat bei den dubiosen GRPlern doch die Selbstkritik Einzug gehalten, zumindest wird ein aktueller kritischer Spiegel-Artikel (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,577236,00.html) gleich auf der Homepage der als „Briefkastenfirma“ entlarvten Pseudouni „University of Neuroscience“ verlinkt (http://www.uni-neuroscience.com/news.html). Liegt zwar bestimmt am automatischen Verlinken aller Artikel aus dem Wissenschaftsressort – die Selbstreferenzialität und ungewollte Aufklärung finde ich allerdings trotzdem klasse;-)
    Fehlt nur noch der Link auf der Galileo-Seite zum Niggemeierschen Subway-Skandal (den wird’s allerdings wohl leider nie geben…)

  34. Wenn ich z.B schreibe: Rahmen in Datei vorhanden, muss ich dann ein ! setzen? Weil ich diese Bemerkung besonders hervorheben will.
    Bitte entschuldigen Sie diese Frage.

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