Peter Hahne

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Das wäre mal ein innovatives Konzept gewesen: dass Peter Hahne seine Gesprächspartner auf Gleis 15 des Berliner Hauptbahnhofs trifft, mit all den heiteren Verständigungsproblemen, wenn die S75 nach Wartenberg einfährt. Es stellt sich aber heraus, dass das ZDF den Mann nur für den Film hierhin gestellt hat, mit dem es für seine neue Talksendung wirbt. „Direkt aus Berlin und mitten aus dem Leben“, ruft er glücklich in die Kamera. „Wir sehen uns! Damit der Zug nicht ohne Sie abfährt.“ Hinter ihm schiebt sich eine Lok ins Bild.

Peter Hahne, der Frühvergleiste. Was genau uns der Sender damit sagen will, bleibt offen. Und doch ist die sinnlose Szene ein wunderbares Symbol für das, was diesen Mann noch mehr ausmacht als sein in freudiger Erregung eingerastetes Kasperlegesicht: Schmerzfreiheit.

Nicht weniger als viermal hat er in den vergangenen Jahren an Pfingsten in seiner „Bild am Sonntag“-Predigt fast wortgleich dieselben Absätze über das Wunder des Heiligen Geistes geschrieben. Zu Joachim Gauck, dem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, sagte er in dieser Woche: „Mit siebzig noch mal so gefragt zu sein – sind Sie da nicht auch ein bisschen das Opfer Ihrer eigenen Eitelkeit?“ Und: „Haben Sie keine Angst, die Fragen der jungen Generation nicht mehr zu verstehen? Christian Wulff hat noch junge Kinder!“ Und: „Ihr Lebensthema ist die Freiheit. Sind Sie da im Augenblick wirklich der richtige Mann für diese Republik, die doch ganz andere Themen hat? Sind Sie vorbereitet, auf die komplizierten Fragen der Finanzpolitik?“ Horst Köhler hätte aus seiner Kompetenz in diesen Fragen heraus Unterschriften unter Gesetze verweigert, erklärte Hahne, der sich bis zum vergangenen März stellvertretender Chef des ZDF-Hauptstadtbüros nennen durfte, in frappierender Unkenntnis der Tatsachen.

Die „Was nun?“-Sendung mit Gauck war in ihrer Unverfrorenheit und stolz zur Schau gestellten Dummheit der Fragesteller ein Skandal. Aber auch Christian Wulff musste den Moderator zwei Tage zuvor korrigieren, dass die Abstimmung geheim sei – er tat dies sachte, wie mit einem kleinen Kind. (Er hat da Übung, Sie erinnern sich.)

Nun bekommt Hahne also seine eigene Gesprächssendung. Premierengast heute um 13 Uhr ist Margot Käßmann, die bei Hahne, wie Hahne meint, ihr Schweigen über die Vorgänge in der „Schicksalsnacht“, wie er zweimal begeistert sagt, bricht. Im Sinne von: noch einmal bricht, vermutlich.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

36 Replies to “Peter Hahne”

  1. Ja,wen interessiert schon Freiheit, was will man denn jetzt mit Gauck, wo wir ganz andere Themen haben? (Wie jetzt, andere? Wichtigere? Anspruchsvollere? Dringendere?)
    Man wäre fast versucht, das naheliegende Wortspiel mit dem Brechen noch unterzubringen, aber ich bin zuversichtlich, dass das noch oft genug kommt.

  2. Also dieses Kopfgenicke macht mich kirre und von der Kameraführung wir mir schlecht. Da haben wir das b… @Muriel
    (ich meine übrigens den Käßmann-Teaser)

  3. Schönen Dank auch, @Sebastian. Mein schallendes Gelächter hat wahrscheinlich die halbe Nachbarschaft aufgeweckt.

  4. Ich frage mich schon seit Jahren, warum der immer wieder ins Fernsehen darf. Wer verwechselt ihn eigentlich die ganze Zeit mit einem kompetenten Joutnalisten?

  5. Ich frage mich sowieso, weshalb das ZDF offenbar Narrenfreiheit hat. Wenn Ulrich Deppendorf die falschen Fragen stellt oder Alois Theisen den Namen eines Vulkans partout nicht aussprechen mag, schäumt zumindest Robin Meyer-Lucht. Aber vom CDU-TV scheint niemand mehr irgendwas zu erwarten.

  6. Mit Verlaub, aber selbst beim ZDF dürfte man ihn weniger für DEN kompetenten Journalisten als vielmehr für einen beim Publikum sehr beliebten Menschen halten.
    Und das wurzelt vor allem in einer immensen Anfragelast bei der ZDF-Zuschauerredaktion anlässlich eines mehrwöchigen krankheitsbedingten Ausfalls Hahnes in seiner Zeit als Nachrichtenverleser, ähh: Redakteur im Studio, beim heute-journal, die den Senderverantwortlichen zeigte, welch enormer Popularität Hahne sich beim Publikum erfreuen durfte.
    Mein Gedächtnis (sonst. Quellen: leider Fehlanzeige, war 90/91) gibt noch her, dass er nach seiner Genesung von Sigmund Gottlieb als Überleitung zu den „Meldungen des Tages“ sinngemäss mit den Worten „Viele von Ihnen haben ihn vermisst. Nˣ Wochen war der Hahne krank, jetzt kräht er wieder – Gott sei Dank“ angekündigt wurde.

    Dass ein 20 Jahre zurückliegendes Ereignis noch bis heute ausstrahlt, mag dabei als Hinweis auf die Rolle des ZDF als Trendsetter im Sinne des demographischen Wandels gewertet werden.

    ˣ An die genaue Anzahl der Wochen gelingt es mir nicht mich zu erinnern, der sonstige Reim jedoch ist verbürgt

  7. @Dirk Landau: „Anfragelast….“ welch ein Wort.

    Was Wilhelm Busch erleiden muss. Im Original heißt es wohl:
    „Drei (??) Tage war der Vater krank.
    Jetzt trinkt er wieder Gott sei dank.“

    Gottlieb ist aber auch nur im Suff zu ertragen. ARD, ZDF u.a. sind eine schwere Prüfung für trockne Alkoholiker.

  8. @9 Stefan niggemeier: Das ZDF, schon klar.
    Aber im Hintern welches ZDF-Chefhansels steckt der Hahne jetzt genau drin, und wie tief?

    Ich kann mich noch erinnern, dass meine Schwester und ich damals anfang der 90er Peter Hahne immer irgendwie „niedlich“ und lustig fanden. Selbst als Kinder war uns klar, dass der sich dadurch irgendwie nicht so recht zum seriösen Nachrichtensprecher eignet…

  9. Ich schätze Peter Hahne, wenn er was zum Glauben sagt oder schreibt. Aber das „in freudiger Erregung eingerastete Kasperlegesicht: Schmerzfreiheit“ trifft es ziemlich gut :)

  10. Ein selten ärgerlicher Typ. Ich hoffe seit Jahren, das irgend ein evangelikaler Verein aus den USA Hahne wegkauft und von mir aus drüben als Fernsehprediger einsetzt, da kann er seiner Bestimmung folgen und wir hätten unsere Ruh. Es gibt im deutschen Fernsehen kaum einen zweiten, der auf Hahnes Level in vergleichbar unerträglicher Weise moralisierend den Zeigefinger hochhält. Das schlimmste sind seine Bücher. Bezeichnend, das so ein Mann bei breiten Bevölkerungsschichten ankommt.

  11. @Polyphem: Das passiert auch den Besten unter uns. Kein Grund für anhaltende Zerknirschung.

    Und: danke für den Gedicht-Link. Dieses Werk war mir bislang unbekannt und ich finde es überaus entzückend.

  12. Da hat wohl jemand Kritik mit Respektlosigkeit verwechselt, habe ich mir schon am Vorabend gedacht als Wullf da saß. Fast wie ein Kreuzverhör.

  13. Ich finde, in der Art, wie sie Gauck versuchen in die Enge zu treiben, hat es ihm eher genützt als geschadet, so souverän, wie er die auskontert. Die Verzweiflung darüber, ihn nicht zu fassen zu kriegen, kann man ihnen manchmal ansehen.

  14. Was für ein schöner Text, was für ein grausiges Interview. Die Frechheit, Gauck unüberwundene Verwundungen zu unterstellen und diese ganze Altersdebatte… Ich hoffe mal für Herrn Hahne, dass auch bei ihm mit 69 noch eine Veränderung drin ist (und wenn’s ein 15 Meter Abstand zu Mikros ist). Gauck hat mir in jedem Fall sehr imponiert.

  15. @Stefan:
    Ich kann die Kritik an Peter Hahne im obigen FAS-Artikel (sofern dieser ernst gemeint war) nicht so recht nachvollziehen.

    1. Der Werbeclip im Hauptbahnhof mag Geschmackssache sein, doch heißt es darin ja u.a. „direkt aus Berlin“ – und dann ist der Hauptbahnhof dieser Stadt zu sehen und eine Lok, damit das Wortspiel mit dem Zug funktioniert. Ist vielleicht kein Kandidat für die Cannes-Rolle, für mich aber auch kein Grund zur Aufregung.

    2. „Kasperlegesicht“ – finde ich für eine ernst gemeinte Kritik (sofern das das Ziel war) wenig hilfreich

    3. zu Gauck: Die Fragen an Gauck fand ich ok. Sie waren meines Erachtens provokant, herausfordernd, aber nicht respektlos, auch nicht „unverfroren“ (grenzwertiger fand ich da den Einwurf der „Zeit“-Journalisten bei ihrem Wulff-Interview neulich: „Wir zweifeln nicht daran, dass Sie ein erfolgreicher Ministerpräsident sind, wir glauben sogar, dass Sie jedes Spitzenamt ausfüllen könnten, außer vielleicht das des Bundespräsidenten.“) In Zeiten, wo sich viele kritische ZDF-Zuschauer mehr Martin Sonneborns als ZDF-Interviewer wünschen, geht die Fragerei von Frey/Hahne für meine Begriffe in Ordnung. Einen „Skandal“ kann ich darin nicht entdecken.

    4. zu Köhlers „Kompetenz“: Im obigen Artikel steht, Peter Hahne habe erklärt, Horst Köhler hätte aus seiner Kompetenz in diesen Fragen (Finanzpolitik) heraus Unterschriften unter Gesetze verweigert. Diesbezüglich wird Hahne dann „frappierende Unkenntnis“ unterstellt:

    Dazu hier mal das Transkript der entsprechenden Stelle im Gauck-Interview (ZDF-Video ab 9:16min):

    „Hahne: Sind Sie eigentlich richtig vorbereitet, zum Beispiel auf die komplizierten Fragen der Finanzpolitik? Sie hätten jetzt die letzte Unterschrift setzen müssen unter das Milliardenrettungspaket für den Euro…
    Gauck: Ich bewerbe mich nicht um ein Regierungsamt, schon gar nicht um das des Finanzministers, deshalb werde ich zu Details nicht Stellung nehmen.
    Hahne: Aber Ihr Vorgänger Köhler, wenn Sie das würden, hat ja quasi Unterschriften verweigert, bzw. gerade in dieser Frage Bedenken gehabt.“

    Hahne spricht also gar nicht von Kompetenz. Und wenn man’s genau nimmt sagt Hahne auch nicht, dass Köhler Unterschriften verweigert hat. Denn da ist ja noch dieses kleine Wörtchen „quasi“, das er für mich dann auch mit der Erklärung auflöst, Köhler habe „in dieser Frage Bedenken gehabt.“ Ich denke, wer sich mit den Vermutungen zum Rücktritt Köhlers beschäftigt hat, wird Hahnes Wortlaut an dieser Stelle nachvollziehen können. Denn, dass die Forderung an Köhler, das Euro-Schutzgesetz binnen sehr kurzer Zeit zu unterschreiben, etwas mit seinem Rücktritt zu tun gehabt hat, ist zumindest eine Möglichkeit. Eine „frappierende Unkenntnis der Tatsachen“ kann ich bei Hahne an der Stelle jedenfalls nicht feststellen, allenfalls eine unglückliche Formulierung.

    5. Zu Hahne/Käßmann: Er sagt im Clip „Erstmals bricht sie ihr Schweigen in einem
    Fernseh-Interview.“ Das „erstmals“ ist an der Stelle meines Erachtens korrekt. (Klar, man könnte jetzt diskutieren, ob ein Schweigen zweimal gebrochen werden kann, wenn es in unterschiedlichen Medien geschieht…)

    Einzig das mit Hahne und der BAMS sehe ich auch kritisch, ja.

    So, was wollte ich jetzt mit dieser Aufzählung sagen? Dass ich als großer Fan dieses Blogs und Ihrer stets klaren Argumentation von dem obigen FAS-Artikel etwas enttäuscht war, er wirkte auf mich in weiten Teilen so wie jener Text, der vor einer Weile über Sie im „Spiegel“ stand: ein wenig an den Haaren herbeigezogen.

  16. @Jakob (#29): Wie sagte Hahne?
    „…hat ja quasi Unterschriften verweigert, bzw. gerade in dieser Frage Bedenken gehabt.”…“ Herr Hahne spricht im Quasi-Modus. Eine etwas missratene Sprachfigur.

  17. Sehr schön, dass Jakob (#29) die Kritik auf die Füsse gestellt hat.

    Was ist so schlimm daran, dass Gauck, dem Bundespräsidenten-Kandidaten „von Springers Gnaden“, einige provokante Fragen gestellt wurden?
    Dass die Fragen ausgerechnet Peter Hahne stellte?
    Ich halte diese Fragen durchaus für berechtigt, besonders im Hinblick auf das weitgehend unkritische „hochschreiben“ des Kandidaten Gauck in den vorherigen Wochen.
    Andererseits, falls provokante Fragen stellen „böse“ ist, wo blieb dann (um nur mal ein Beispiel zu nennen) die Niggemeier’sche Kritik am Sommerinterview Lafontaine – Frey im vergangenen Jahr?

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