Als sie kamen, um die Kekse zu holen…

Vielleicht überlegen Sie sich vorab schon mal, ob ihnen ein treffender Vergleich einfällt: Falls eine regionale niederländische Gebäck-Spezialität namens „Judenkuchen“ nicht mehr verkauft wird, dann ist das wie…?

Aber arbeiten wir uns zunächst an den Tatsachen ab. Der faktische Kern der Geschichte scheint der folgende zu sein: Der „Welt“-Autor Henryk M. Broder hat neulich am Amsterdamer Flughafen plötzlich keine „Jodekoeke“ (Judenkuchen) mehr bekommen. Er hat eine Verkäuferin gefragt, woran das liegt. Die konnte ihm das aber nicht sagen. Ende der Recherche.

Und Anfang einer weiteren Folge des Großen Fortsetzungsromans über den Fluch der „Political Correctness“. Denn an der, weiß Broder, muss es liegen. Die Niederländer würden nämlich gerade diskutieren, schreibt er in der „Welt“, ob sich ihre Regierung dafür entschuldigen sollte, dass die holländische Polizei den Nazis im Dritten Reich bei den Deportationen der Juden geholfen habe. Und deshalb (oder stattdessen, man weiß es nicht), wurde das Gebäck aus dem Flughafen entfernt, obwohl sich eigentlich niemand an dem merkwürdigen Namen gestört habe.

Bei den „Negerküssen“ zuvor sei es schon genauso gewesen (gut, vielleicht abgesehen davon, dass sich an dem Namen „Negerkuss“ durchaus Leute gestört haben, nicht zuletzt eben die so genannten „Neger“).

Broders Geschichte endet mit der für Judenkuchen-Freunde beruhigenden Information, dass die Judenkuchen gar nicht ganz abgeschafft oder gar verboten worden sind, sondern im normalen niederländischen Supermarkt weiter gekauft werden können. Das hat das Fachpersonal von „Welt Online“ nicht davon abgehalten, über Broders Stück zu schreiben:

POLITICAL CORRECTNESS

Erst der Negerkuss, jetzt der Judenkuchen

Jetzt also auch Holland im Griff der Political Correctness. Niemand beschwert sich drüber, aber plötzlich sind sie aus den Regalen verschwunden: die Judenkuchen.

Und damit sind wir am Ende des faktischen Teils und kehren zurück zur Eingangsfrage: Mal angenommen, die „Jodekoeke“ würden verschwinden. Was wäre dann ein guter Vergleich dafür?

Herr Broder wählte den folgenden:

Möglicherweisen erleiden die Judenkuchen nun das gleiche Schicksal wie die niederländischen Juden vor genau 70 Jahren, als etwa 110.000 der 140.000 jüdischen Einwohner des Königreichs deportiert wurden.

158 Replies to “Als sie kamen, um die Kekse zu holen…”

  1. Der Kern der Geschichte ist in der Glosse verpackt, es geht um die Diskussion in der Niederlande über eine offizielle Entschuldigung für die Deportation der Juden durch Niederländer, die bereitwillig den Nazis geholfen haben.

    Ob das nun ein gelungener Versuch Broders ist, sei mal dahingestellt, dies aber nicht zu erkennen, bedarf es einiges an Verblendung. Aber für Niggemeier ist das ja nicht Neues, sobald es um einen seiner Lieblingsfeinde (Broder, Hajo Schumacher, Peter Turi und ein paar andere) geht, entblößt er sich als Wadenbeisser.

  2. Zuerst dachte ich an einen Sack Reis, der in China umkippte. Aber als ich den Namen Henryk M. Broder las, da wusste ich, dass es mindestens um den Untergang der westlichen Welt gehen müsste.

  3. Ich hatte den Schwachsinn inkl. Artikel vorhin schon bei den Politisch Inkontinenten (PI) gelesen lesen müssen. Wenn man dort in die Kommentare schaut, scheinen die Leser dort den Artikel zu großen Teilen allerdings erst gar nicht gelesen zu haben, denn natürlich hat Ali höchst persönlich dem Samuel den Kuchen weg genommen.

    Da die Leser dort aber sonst bei „Henryks hirnlose Hetze“ auf harmlose Muselmänner islamistische Terroristen gar freudige Purzelbäume machen, glaube ich endlich den Beweis entdeckt zu haben, dass ein typischer PI Lesen selbst mit einfachsten Texten schlichtweg überfordert ist. :-)

  4. Lustiger Artikel vom doch recht nervigen Broder.
    Darf man natürlich nicht lesen wenn man gänzlich ironieresistent ist.

  5. Dass ich noch einmal den Henryk M. Broder verteidigen möchte …

    Man kann die Glosse sowohl gegen Stefan Niggemeier wie gegen die WELTonline lesen (und sollte man bei Leuten, die man tendenziell verabscheut, nicht immer die freundlichste Lesart wählen?).
    .

    1) Den „gute(n) Vergleich“ am Ende der Broder’schen Glosse kann man – im Zusammenhang – durchaus verstehen als: Nagottseidank, die Kekse gibt es noch.
    Wenn ich mir Herrn Border so anschaue (und er kokettiert ja selbst damit), halte ich es als vertretbare Interpretation: Am Ende schnauft der fettleibige Kolumnist auf, dass er sein geliebtes Futter bekommt (und er sich wünschte, dass es mit den Menschen genauso wäre).

    Dass sich das so nicht vermittelt, liegt natürlich an

    2) der WO-Redaktion. Ziemlich blöd, den Text auf die Schiene der PC-Kritik zu schieben. Ziemlich blöd, WELT halt.

    Bei dieser Textform (da schließe ich mich #8 an), bei einer Glosse oder einem Feuilleton, möchte ich mich auch nicht gleich auf die – vermeintliche oder echte – Unmoral eines schrägen „Vergleichs“ einschießen.

  6. 1. Dass N-Küsse nicht so genannt werden sollen ist zu akzeptieren, da Betroffene das als rassistisch empfinden. und mehr als gute Gründe dafür haben.
    2. Das N-Wort sollte nicht reproduziert werden. Also gar nicht. auch nicht als Zitat oder in Anführungszeichen.
    3. Der Artikel von Broder ist rassistisch.
    4. Etwas mehr political correctness würde generell nicht schaden.

  7. äh…naja, auch Broder wird älter. Jetzt geht er schon auf die Leute los, weil er keinen Keks bekommen hat. Da sieht man mal, welch schräge Blüten die politische Inkorrektheit so treibt.

  8. offtopic @Petra, #5:

    In der Tat ein bemerkenswerter Artikel. Den Text würde heute nicht mal mehr eine Agentur als Waschzettel verteilen.

    „Weight Watchers hat das wahre Problem des Übergewichts erkannt: Es sind die Nahrungsmittel.“

  9. Ist doch ganz einfach. Wäre der „Judenkuchen“ in „Amsterdamm-Kuchen“ umbenannt worden, würde „political correctness“ dahinter stecken, schuld wären also die Gutmenschen. Wenn der Kuchen aus dem Sortiment verschwindet, dann kann es nur eine islamistische Verschörung sein. Nazis gibts ja nicht mehr.

    Hat sich der Pressesprecher des Ladens denn noch nicht geäußert?

    Bei Broder sind die Motive doch offensichtlich: er hofft, dass seine „Recherche“ ihre Reise durch die Weltpresse antritt.

  10. Ich denke, da überschätzt Herr Broder sich aber gewaltig mit seinem Vergleich, wenn er denkt, sein Artikel würde in Deutschland zu einer so starken Nachfrage nach diesen Kuchen führen, dass sie aus Holland „deportiert“ würden…

  11. Der Broder hat vor Jahren jeden Maßstab verloren; eigentlich entgleist er regelhaft, seit der Walter Boehlich Ende der 80er Jahre begann, mit ihm nahezu monatlich Schlitten zu fahren …

  12. Ich liebe es ja, wenn sich jemand der unsäglichen Brodertexte annimmt und sie entzaubert, allein schon deswegen, weil es 100 % Leserkommentare gibt, die versuchen Broder zu retten, seine doch so offensichtliche Ironie erklären wollen und auf andere hinab schauen, weil sie ja DEN Broder nicht verstehen!
    Aber vielleicht sollte jemand diesen Leuten mal sagen, das Broder KEIN Martin Sonneborn ist und nicht bei der Titanic arbeitet.
    Wobei es eigentlich schon Klick gemacht haben müsste, als man las, das Broder bei PI seine texte veröffentlicht. Aber egal – es amüsiert und nein Broder ist kein feinsinniger, tiefgründiger Journalist mit einem Hauch ironischer Selbsterkenntnis, sondern nur ein ungehobelter, verbitterter und in die Jahre gekommener Rassist. Passiert schon mal!

  13. Bei Broder ist Spessart anscheinend genauso ok, wie es für Roberto Blanko in Ordnung ist, stereotype Altherren Kalauer loszulassen. Stefan Raab hat irgendwann mal gesagt, Roberto Blanko wird noch wegen „Selbstrassismus“ verurteilt.

    Bei Broder finde ich es ekelhafter, weil Blanco sich nicht zum Retter des Abendlandes aufschwingt.

  14. Ich glaube, Herr Broder hätte vielleicht doch nochmal kurz nachdenken sollen, bevor er diesen Vergleich wirklich benutzt.

  15. Ich selbst mach sehr häufig in Holland Urlaub und liebe die „Jodekoeke“. In Deutschland heißt das Gebäck übrigens „Heidesand“.

  16. @Tatra: Nein, das ist er definitiv nicht: ein Rassist, und er ist auch nicht verbittert. In die Jahre gekommen, ja, aber das ist ja nichts schlimmes, und ungehobelt, ja, das ist er auch. Er keilt übel aus, aber er muss auch übel einstecken – sollte man auch mal berücksichtigen.

    Ich bin in vielem mit Broder nicht einer Meinung, man kann sich über seine Texte herrlich aufregen, man kann vieles von dem, was er schreibt und sagt, falsch finden, aufgeblasen, überzogen. Aber in vielem hat er auch Recht.

    Außerdem braucht eine Gesellschaft m.E. einfach Typen, die gegen den Strich gebürstet sind, die nicht tun und denken, was die Masse tut und denkt. Das ist, glaube ich, bei Broder oft die Antriebsquelle: Er ist dagegen. Wenn zum Beispiel – einmal angenommen – irgendwann eine Mehrheit der Deutschen den Islam und die Muslime generell als eine Gefahr wahrnehmen würden, wenn dahingehend Übereinstimmung herrschen würde, wenn Leitartikler unisono derartiges fabrizieren würden, auch in „linken“ Medien: Dann wäre Broder mit Sicherheit längst wieder auf der Gegenseite und würde dagegen anschreiben.

    Wir brauchen solche Typen einfach. Wenn es nur Menschen wie – Verzeihung – den gleichwohl geschätzten Herrn Niggemeier gäbe, der Jahre seines Lebens damit verbracht hat, eine in linken Kreisen verhasste Boulevardzeitung nach Fehlern durchzusehen, wäre unser Land vielleicht ein wenig langweilig, ein wenig zu, ja, uniform?

    Über Broder kann man sich gut und mit Recht aufregen, aber: Man regt sich zumindest auf. Ich finde das erfrischend.

  17. Ob der verbitterte Broder bei Christstollen oder Buddahcremetorte ein ähnliches Gewese gemacht hätte?

    Der Mann tut mir schon seit längerem sehr, sehr leid.

  18. So treffen wir uns wieder, TheGurkenkaiser! (Das letzte mal bei der unseeligen Rassismus/Sexismus-Diskussion bei Malte).
    Muahaha.

    1. Neger. http://www.youtube.com/watch?v=dF1NUposXVQ
    „The N-Word. That’s just white people getting away with saying „Nigger“. When you say „The N-Word“ you put the word „Nigger“ in the listeners head.“
    2. Das „N-Wort“ ist übrigens pc für Nigger (englisch: Nigger), was etwas anderes ist als Neger (englisch: Negro). Zu denken dass „das N-Wort“ Neger nicht reproduziert heißt zu glauben, dass „f*ck“ für den Lesenden etwas anderes ist als „fuck“.
    3. Broder ist ein Großmaul, aber kein Idiot.
    Er schwingt die berüchtigte Auschwitz-Keule mit solchem Übermut, dass man nicht anders kann als dahinter Ironie zu vermuten.
    4. Entschuldige bitte, Stefan, dass auch die Diskussion hier vermutlich zur Hälfte um political correctness gehen wird.
    5. Super Überschrift.

  19. Negerküsse gibt es noch, sie heißen jetzt nur Schokoküsse (oder Markennamens), der Vergleich hinkt schonmal.

    Mögliehce Erklärungen
    1. Die Keske sind in Schiphol nicht so begehrt und wurden aus dem Programm genommen.
    2. Der neue Manager hat die Kekse wegen des Names aus dem Programm genommen.
    3. Und selbst einen Lieferengpass halte ich trotz Recherche noch für möglich

    1 halte ich für die wahrscheinlichste und natürlichste Erklärung, 2 für nicht ausgeschlossen, aber auch nicht für dramatisch und 3 ist so harmlos wie 1.

  20. Ich glaube, es wird Zeit für ein Wörterbuch der unerwünschten Begriffe für Nachwuchsjournalisten/ -blogger, möglichst mit den zu verwendenden Begriffen dazu oder dem Hinweis, das Thema insgesamt zu vermeiden. Es gibt immer wieder Leute, die sich nichts dabei denken, wenn sie „Judenkuchen“, „Negerkuss“, „Mohr“ oder „Tschechei“ sagen/ schreiben. Und wer weiss, wie viele inkorrekte Worte es noch gibt, die ich gar nicht kenne. (Der Broder aber schon. Der kennt sie alle!)

  21. @S. Arenz
    früher war Broder eine Größe, ein wahrlicher „dagegen Typ“, seine texte waren feinsinnige und nicht immer durchschaubar – seitdem er den Islam als neuen Antriebsmotor für sich entdeckt hat, schwächelt er wo es nur geht – er zieht fragwürdige Objekte an Land, wie es zuletzt nur Sarrazin geschafft hat.
    Nun wenn du meist wir brauchen solche Typen – ich brauch sie nicht.

  22. @ S. Arenz (#21): Er keilt übel aus, aber er muss auch übel einstecken – sollte man auch mal berücksichtigen.

    Kann es sein, dass er vor allem deswegen „übel einstecken“ muss, weil er selbst ständig übel auskeilt? Wie man in den Wald hineinruft…

  23. @Christian-Uwe/#20: Ah, danke, jetzt kann ich mir was darunter vorstellen. Heidesand schmeckt gut, schön buttrig. Den Broder darf man nicht so ernst nehmen.

  24. @S. Arenz also ist der Broder eine Art Anti-Fähnchen? Macht ihn das nicht nur noch armseliger als er jetzt schon durch seine oberflächlichen Beiträge ist?
    Wie glaubwürdig ist der Mann? Bzw. was soll das den?
    Er ist weder lustig noch informativ. Das einzige wozu er im Moment zu gebrauchen ist, ist die Alibi-Jude Rolle für irgendwelche verschrobenen Braunen im Islamkritiker Mantel. Wäre es dann anders herum wäre er auch nur wieder ein Clown für die nicht minder niveaulose Gegenseite?
    Was soll das den sein? Mediale Prostitution?

    Der Mann würde mir Leid tun wenn er nicht so unsympathisch wäre.

  25. @christoph (#23): Ich verstehe nicht ganz, wo in dem oben zitierten Absatz der Holocaustvergleich ironisch sein soll bzw. überhaupt sein kann. Ironie bedeutet ja, dass das Gegenteil von dem gemeint ist, das ein Text aussagt. Ein Vergleich ist ein Vergleich, da kann ich nicht einfach sagen: Eigentlich ist es das Gegenteil von einem Vergleich. Das Verschwinden von Keksen aus dem Flughafenshop mit der Deportation zu vergleichen, obwohl es keinerlei Beleg dafür gibt, dass es sich hier um einen Fall von political correctness handelt, ist einfach nur daneben. Mit Ironie hat das nichts zu tun, aber auch überhaupt nicht.

  26. Entlarvend ist doch Broders Hinweis es gebe die Kuchen in einem Supermarkt um die Ecke in dem nur Holländer einkaufen. So was nennen Amis „coded language“, der islamophobe Broderfan weiss dann schon was gemeint ist ohne das Broder offen hetzen muss.

  27. Jetzt weiß ich wieder, warum ich heilfroh bin, kein „Medienjournalist“ sein zu müssen:
    weil ich keinen Gehirnschmalz für Aufsätzchen über derart unerfreuliche Zeitgenossen wie Herrn Henryk „M.“ Broder verschwenden muß.

  28. Ich vermisse hier noch die traurige Geschichte des Zigeunerschnitzels. Anstatt es in Sinti&Roma-Schnitzel umzubenennen, ist es leider von den Speisekarten fast gänzlich verschwunden.

  29. Gut, Sie mögen Herrn Broder nicht. Das kann ich gut verstehen, ich mag ihn auch nicht: weder ihn als Menschen, noch die politische Richtung, die er eingeschlagen hat und auf der ihm eine beträchtliche Anzahl an Hetzern folgt.

    Aber entwertet man nicht all die guten Argumente gegen Broder und Konsorten nicht, wenn man sich mit wadenbeißerischem Eifer auf ein Stück Text stürzt, was keineswegs mehr ist und sein will als eine Glosse.

    Das ist einfach nicht schön, wenn das Ekel Broder mit seinem islamophobem Geifer vor dem Mund auf den politisch „schwer in Ordnung“-en Niggemeier mit broderphobem Geifer vor dem Mund trifft. Der uneingeweihte Betrachter unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Arten des Geifers.

  30. „Aber entwertet man nicht all die guten Argumente gegen Broder und Konsorten nicht, wenn man sich mit wadenbeißerischem Eifer auf ein Stück Text stürzt, was keineswegs mehr ist und sein will als eine Glosse.“

    Nein.

  31. „Und so müssen eben die „Jodekoeken“ in Schiphol dran glauben. Allerdings, im nächsten Albert Heijn Supermarkt, wo nur Holländer einkaufen, sind sie immer noch zu haben. “

    Der nächste Albert Heijn Supermarkt ist übrigens (welch Überraschung) der im Flughafen Schiphol.

  32. @TheGurkenkaiser #10: Ich finde nicht, dass mehr political correctness anzustreben ist. Mann sollte freundlich miteinander umgehen und niemanden ohne Not beleidigen. Ein der von mir am meist geschätzten Vorteile der Deutschen und ihrer Sprache, dass man i.d.R. kurz und knapp das sagt, was man meint. Wenn Sie hin und wieder mit Britten zu tun haben, dann wissen Sie, was ich meine.

    Manchen Menschen gehen in ihrer pc-Verblendung soweit, dass sie z. B. zu Chines Walls (das ist die vollständige informationstechnische Trennung von sensiblen Daten zweier Mandanten innerhalb eines Beratungsunternehmens) plötzlich nur noch Ethical Barriers heissen. Der ursprüngliche Name wurde aus dem Respekt des auch heute noch bekanntesten und beeindruckendsten Abwehrbollwerks aller Zeiten so benannt, und das soll nun die Gefühle der Chinesen verletzen?

    @Elvez #32: Es stimmt mich froh, dass ich nicht weiß, was damit gemeint ist. Erklären Sie’s mir?

  33. Übrigens bekomm ich gerade etwas Angst: Ich war letztens (als Deutscher!) im Albert Heijn einkaufen. Durfte ich das etwa gar nicht?

    Das wäre sehr schade, da gibt es so viele leckere Sachen.

  34. Broder ist tatsächlich eine sehr unangenehme Type. Ein Brandstifter, ein Hetzer, ein Agitator. Man sollte und muss ihm seine Sachen um die Ohren hauen. Anderseits sollte man auch wissen, dass er den Rummel um sich genießt. Wenn er ordentlich Traffic erzeugt, ist das für ihn ein innerer Reichsparteitag.

    Wie geht man also mit solchen Leuten um? Vermutlich gibt es da keinen idealen Weg.

  35. hm. ich esse gerne negerküsse (aber auch amerikaner), aber keine judenkuchen.
    macht mich das jetzt antisemitisch ambivalent? wie würde broder das einteilen?
    mit meiner weigerung, judenkuchen zu essen – stimme ich dann (nach broders logik) der deportation holländischer juden im zweiten weltkrieg zu?
    es ist alles etwas komplizierter …

    nurmalso

  36. @ SvenR (#40): Ein der von mir am meist geschätzten Vorteile der Deutschen und ihrer Sprache, dass man i.d.R. kurz und knapp das sagt, was man meint.

    Kurz und knapp, so wie hier?

  37. @svenr

    Einfach bei PI in den entsprechenden Kommentarbereich reinschauen, dann wirds vielleicht verständlich. Oder „racist coded language“ googlen. Oder am besten beides. Das ist dann selbsterklärend.

  38. @Elvez

    Entweder, Sie erklären es oder Sie lassen es.

    Ganz bestimmt werde ich nicht den Kommentarbereich von PI betreten, weil Sie vor die Erlangung Ihres Wissen eine Fleißarbeit setzen wollen.

  39. Genau, die vermeintliche Political Correctness ist wie das Naziregime, denn so wie im 3. Reich Juden vernichtet wurden, werden in der politisch korrekten Gesellschaft Gebäcknamen geändert.

    Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

  40. @ SvenR (#51): Naja, er spricht da aber allenfalls leicht angebairischtes Hochdeutsch. Eigentlich klingt Bairisch deutlich kerniger. Aber gut, er ist natürlich unzweifelhaft Bayer, der Herr Stoiber, egal was er spricht.

  41. Wenn man Nägerküsse in die Lüneburger Heide portiert und sie in Heidesand umbenennt und beim Verzehr derselben zu Jodeln beginnt, ist das m.M. p.i., aber was sacht Herr Bruder dazu? (Ist er aber nicht mein Broeder!) der Hein

  42. Darf man „Jude“ eigentlich noch sagen?
    Oder ist das politisch incorrect, äh correct, oder korrekt? Bin verwirrt.

  43. wo kann ich eingentlich die ursprünge dieser völlig überflüssigen (und dazu noch: total dämlichen) Feindschaft mit h.m.broder nachlesen? ich würde mich freuen, wenn sie sich auf die (gemeinsamen) gegner konzentrieren würden. oder hat broder mal eine despektierliche meinung zum grand-prix-d´eurovision dela schangsong getan? dann scheidet er natürlich auf immer aus dem kreis möglicher verbündeter aus … und, fairerwesie sollte es gesagt werden, ging es in dem welt artikel/glosse in erster linie um die diskussion um eine mögliche entschuldigung der holländer für die die von deutschen veranlasste deportation von hollänischen juden und weniger um gebäck

  44. @SvenR u.a.: Broder meint, dass da, wo nicht nur Niederländer einkaufen, die „Judenkuchen“ verschwunden sind. Die Niederländer sind also nicht Schuld am Verschwinden der Judenkuchen, sondern die anderen, die Nicht-Niederländer. Ausländer also. Wohl eher nicht die christlichen, jüdischen, westlich-nationalen oder israelischen, aber er weiß ja, dass seine Anhängerschaft von PI und der Rest seiner Fans schon wissen, dass er die nicht gerade meint.

    Und da Broder wie immer weiß, dass diese Ausländer, die Schuldigen, nicht den Kuchen, sondern die Juden allgemein meinen, wie das ja auch bei der Iraelkritik immer so ist, hat er zwingend broderlogisch bewiesen, dass es sich hier um einen eindeutigen Fall von strukturellem Antisemitismus handelt.

    Das muss man doch wissen – der Broder macht anscheinend keinen guten Job, wenn es immer noch Leute gibt, die diese einfachen Methoden, Antisemiten zu erkennen, nicht verinnerlicht haben. ;)

  45. @ – Joachim -, #59

    Broders Text hat 407 Wörter. Der Abschnitt über die „mögliche entschuldigung der holländer für die die von deutschen veranlasste deportation von hollänischen juden“ hat 65 Wörter. Ich finde, dass es in diesem Text in erster Linie um das geht, worum es in seinen Texten (in meiner Wahrnehmung) immer geht: Durch unhaltbare Möchtegern-Fakten seine krude Weltsicht zu bestätigen.

  46. Broder ist erfolgreich, weil er die Aufmerksamkeitsgrenze überschreitet, indem er unter die Gürtellinie tritt. Das ist immerhin eine Strategie, die ihn seit Jahren Geld verdienen lässt. Fachlich hat er von nichts eine Ahnung, aber aus seiner Fähigkeit, provozierende Texte zu verfassen, holt er das Maximum raus. Immerhin.

    Ein ähnlicher Fall aus der Welt vom vergangenen Mai:

    http://exportabel.wordpress.com/2011/05/18/broder-hochbrisant-und-hochbekloppt/

  47. @Joachim: Stefan Niggemeiers letzter Artikel, der sich mit Broder befasst, wurde hier am 5.10.2010 veröffentlicht (sofern ich die Suche richtig betätigt habe). Bisschen dünn als Beleg für die postulierte persönliche Feindschaft, finde ich. Gerade, weil Stefan immer sehr genau erklärt, was ihm an einem Brodertext nicht passt und dies belegt, verstehe ich Ihre Frage nicht. Lesen Sie’s doch nach.

  48. @Kati #60: Danke Kati, das hatte ich so auch verstanden. Nur den Herrn Elvez nicht. Durch Sie jetzt aber dann doch. Wobei das nur an mir liegt.

  49. Ja, zum Thema Vergleich.. Das ist dann, wie wenn es bei uns auf dem Markt keine Frauenschenkel (ein Gebäck ;) mehr gibt. Manchmal denke ich, etwas mehr Gelassenheit im Bezug auf die Namen mancher regionaler Gebäcksorten, Kekse oder anderer Lebensmittel wäre angebracht. Das heißt aber nicht, dass man das Verschwinden einer Gebäcksorte mit dem Verschwinden der juden vergleichen kann, das ist einfach geschmacklos, egal, ob Ironie oder nicht!

  50. Broder steht für Null-Recherche bei maximaler Skandalisierung. Er taugt als Journalist so viel, wie Omas Bimsstein als Nagelpolitur.

    Ich habe keine Lust mehr, mich über diesen Menschen aufzuregen, weil er immer (und ich gehe mit dem Wort „immer“ meistens sorgsam um) auf polemische Art und Weise versucht, Maximal-Provokationen zu produzieren.

    Für mich umso mehr ein Grund, dankbar für solche Artikel wie von Stefan Niggemeier zu sein!

  51. Wie kann man nur auf die Idee kommen, Henryk M. Broder könnte seine ‚Glosse‘ möglicherweise nicht ironisch gemeint haben? Der Mann ist doch bekannt für seinen feinen Humor, der sich dem unbedarften Leser leider häufig erst beim zweiten Lesen erschließt! Alle die das nicht glauben, sollten sich einfach mal einige seiner tiefsinnigen Texte durchlesen oder ihm zuhören. Sicher kämen sie dann auch zu der absolut richtigen Einschätzung von Tessathedog bei YouTube:

    Menschen die Broder hassen sind einfach nur zu dumm, um ihn zu verstehen.

    Ich bin allerdings der Meinung, Tatra trifft es doch deutlich besser:

    Broder ist kein feinsinniger, tiefgründiger Journalist mit einem Hauch ironischer Selbsterkenntnis, sondern nur ein ungehobelter, verbitterter und in die Jahre gekommener Rassist.

  52. Im niederländischen Internet habe ich genau EINE Diskussion über Jodenkoeken gefunden, und die ist eine Reaktion auf Broders Artikel in der Welt. Es ist nur heiße Luft, weil in einem Supermarkt zufällig in Schiphol sein blöden Kekse nicht mehr da sind. Und dafür ein Artikel in der Welt, unglaublich.
    Es gab im Dezember in NL eine Diskussion über den Zwarte Piet, der Gehilfe von Sinterklaas (Nikolaus), der von schwarz angemalten Weißen gespielt wird. Viele schwarze Niederländer finden das rassistisch, nicht zuletzt wegen der Bezüge zum Sklavenhandel, in dem auch die Niederländer fleißig mitgemischt hatten.
    Aber die Broder-Kekse waren und sind kein Thema.

  53. @Geert

    Broder hat so viel Hass in sich, dass dieser sich bei jeder noch so abstrus erscheinenden Gelegenheit Bahn bricht. Und die WELT druckt diese Tiraden ab, weil es das ist, was die WELT-Leser gerne lesen.

    Selbstverständlich ist das in den Niederlanden kein Thema.

    Die dortige Aufregung um den „Zwarte Piet“ ist aber ähnlich gewollt und an den krausen Haaren herbeigezogen.

  54. Geert, danke für die Hinweise.

    Wenn man zusammenfasst: Broder war also am Amsterdamer Flughafen, wollte dort Judenkuchen kaufen, bekam ihn nicht, flog nach hause und schrieb den Artikel. War es so? Keinerlei weitere Recherche? Und bei der Welt ist niemand, dem das auffällt und der den Text rauskippt? Kein Praktikant in einer Lokalredaktion bekäme so eine Geschichte unter. Broder schafft es.

    Broder suggeriert ja, dass es am gesamten Schipholer Flughafen keinen Judenkuchen gibt, aber es ist nicht anzunehmen, dass er in der riesigen Shopping Mall überall nachgefragt hat. Es sieht wohl so aus, dass er tatsächlich nur in einem Laden war. Eigentlich eine unglaubliche Geschichte.

    Wobei das Problem nicht der neurotische Broder ist, sondern das Umfeld, das ihn gewähren lässt.

    Ich mache das jetzt mal flott genauso: Ich gehe ins Büdchen ums Eck, und wenn da gerade die Coca-Cola Light aus ist, schreibe ich in der Welt einen Kommentar darüber, dass jetzt in ganz Berlin Coca-Cola verboten ist, weil die Linken der Meinung sind, das sei ein us-imperialistisches Getränk.

  55. „Und bei der Welt ist niemand, dem das auffällt und der den Text rauskippt?“

    Wieso denn? Der Text macht doch dem durchschnittlichen WELT-Leser mehr Freude als es jede noch so gut recherchierte wahre Geschichte tun könnte. Und billiger ist es obendrein. Da geht es schon lange nicht mehr um Zeitungslesen zur Erweiterung des Horizonts, sondern nur noch um Zeitungslesen zur Bestätigung der eigenen verqueren Weltsicht.

    Der Fehler, den wir hier alle machen, ist, dem ganzen Mist überhaupt eine Minute unserer Lebenszeit zu widmen.

  56. Also ich verstehe den Kuchenbereich tatsächlich als launische Einleitung zu dem Absatz über die Diskussion über eine Entschuldigung der Holländer ob eine Entschuldigung nötig sei…

  57. „gut, vielleicht abgesehen davon, dass sich an dem Namen „Negerkuss“ durchaus Leute gestört haben, nicht zuletzt eben die so genannten „Neger““

    Gibt es dafür eine Quelle? Und ich meine tatsächlich dafür, dass sich Schwarze in nennenswerter Menge* über den Begriff „Negerkuss“ aufgeregt haben, nicht irgendwelche Berichte, wonach man sich generell über das Wort „Neger“ empört hat und das Wort „Negerkuss“ quasi mitsamt dem „Mohrenkopf“ als Kollateralschaden mit versenkt wurde.

    * Die nennenswerte Menge ist mir deswegen wichtig, weil man bei jedem Kleinscheiß irgendeinen findet, der darüber meckert. Es gibt schließlich auch Feministen, die darüber meckern, dass Lego-Polizisten standardmäßig männlich sind, aber solche Randerscheinungen muss man (auch und gerade als Journalist) ignorieren können, um ihnen nicht eine öffentliche Bedeutung zuzuweisen, die ihnen nicht zusteht.

  58. @ Klopfer (#75): Erstens mal ist „Negerkuss“ ein rassistischer Begriff, egal ob auch nur ein Schwarzer sich darüber ärgert. Ganz egal, wie lange das Wort in Deutschland ganz „unschuldig“ verwendet wurde, wie sehr es zur Folklore gehört und für viele mit flauschigen Kindheitserinnerungen verbunden ist.

    Außerdem: Es reicht, wenn ein Schwarzer sich über den Begriff „Negerkuss“ ärgert. Niemand, auch nicht ein Einzelner, muss es sich gefallen lassen, beleidigt oder herabgewürdigt zu werden, selbst wenn das ohne Absicht und nur implizit geschieht.

    Der Duden schreibt zu diesem Stichwort folgenden Hinweis: „Wegen der Anlehnung an die diskriminierende Bezeichnung Neger sollte das Wort Negerkuss ebenfalls vermieden und durch Schokokuss ersetzt werden.“

    Und sogar wenn das vorauseilende politische Korrektheit der Dudenreaktion gewesen sein sollte, gibt es tatsächlich Leute, die sich über „Negerkuss“ ärgern: Der Braune Mob hat dazu einen offenen Brief an die Braunschweiger Zeitung geschrieben. Ich weiß nicht, wieviele Mitglieder der Verein hat, aber als irrelevant lässt sich sowas nicht beiseiteschieben.

  59. Ich halte „Neger“ für einen rassistischen Begriff (auch wenn es ältere Leute gibt, die diesen Begriff ohne jeglichen rassistischen Hintergrund verwenden). „Negerkuss“ hingegen ist eine Bezeichnung für Zuckerschaum in Schokohülle und nichts weiter.

    Bei uns zu Hause hießen die nie so, sondern immer Mohrenkopf. Und so nenne ich sie auch meinen Kindern gegenüber. „Neger“ kommt nur in „Negergeld“ vor, kleinen, schwarzen Lakritzmünzen.

    Im übrigens finde ich eine Einzelmeinung einer „AG Kolonialismus im Braunschweiger Friedensbündnis“ durchaus interessant zu vernehmen, aber wohl kaum verbindlich für den Sprachalltag von Millionen von Deutschen.

  60. Äh, vonundzu. Lesen Sie sich Ihren Kommentar noch einmal durch und unterstreichen Sie bitte folgende Passagen: „Ich halte…“ und “ … finde ich ein Einzelmeinung…“

    Wenn ich Sie als verblödeten Wichser tituliere ist das auch für den (Sprach-)Alltag vieler Millionen Menschen unerheblich, stellt aber um nichts weniger eine Beleidigung dar.

  61. Nun nennt aber hier niemand einen schwarzen Menschen einen „Neger“, sondern eine Süßigkeit einen „Negerkuss“.

    Und die Herleitung einer darüber erfolgten indirekten Beleidigung einer ganzen Rasse und alles, was dann folgt, ist doch, mit Verlaub, reichlich deutsch.

    Wirklich: Wenn mir irgendein Hinweis darauf erbracht wird, dass sich ein real existierender Schwarzer ob dieses Begriffst beleidigt gefühlt hat, dann würde ich selbst den „Mohrenkopf“ aus meinem Wortschatz streichen. Unterbeschäftigte Betroffenheitsprofis zählen aber nicht.

  62. @ vonundzu: Sie halten „Neger“ für einen rassistischen Begriff, Zusammensetzungen mit „Neger“ aber nicht? „Negerkuss“ ist ja nur eine Süßigkeit, also harmlos. Wie ist es denn mit „Negermusik“?

    Muss man erst jemanden vorweisen, der sich gestört fühlt? Warum sollte man sich diskriminierenden Sprachgebrauch nicht freiwillig abgewöhnen, bevor man damit jemanden verletzt?

  63. @ vonundzu: Warum zählen die nicht? Warum sollte ihre (offensichtlich argumentsresistente) Meinung dann zählen?

  64. @vonundzu:

    Ja, ist es denn so ein Opfer, wenn man auf den „Negerkuss“ als Begriff verzichtet? Was regen Sie sich denn so darüber auf?

    Oder geht es Ihnen ums Prinzip? Das ist dann etwas anderes. Prinzip-Debatten sind immer schlecht, jeder trägt seine Prinzipien stolz vor sich her, das Ganze endet selten in einem Kompromiss.

    Mein Vorschlag: wenn es nicht wehtut, futtern Sie halt keine „Negerküsse“ mehr. Schmecken tun die auch, wenn man sie anders nennt.

  65. @gnaddrig: Und wie ist es mit „Ernst-Neger-Musik“?

    btw.: Was ist eigentlich aus dem Krümelmonster geworden? Angeblich bekommt das auch keine Kekse mehr. Ist das wahr?

  66. @ gnaddrig

    Wo anfangen, wo aufhören? Wenn die Verwendung von Begriffen der Diffamierung, Diskriminierung, Beleidigung von Personen oder Personengruppen dient oder von den Betroffenen so aufgefasst werden kann oder im allgemeinen Sprachgebrauch als religiöses, nationalistisches oder rassistisches Schimpfwort „belegt“ ist, dann sind diese Begriffe strikt abzulehnen wie z.B. Neger, Nigger, Jude, Kaffer, Hottentotte…

    „Negerkuss“, „Mohrenkopf“ oder „Franzosenkraut“ beziehen sich jedoch nicht auf Personen und ihnen kann deshalb auch schwerlich eine Persönlichkeitsverletzung unterstellt werden. Es gibt eben auch historische Epochen (z.B. Kolonialzeitalter), in denen solche Begriffsbezeichnungen Eingang in die deutsche Sprache fanden und heute als kulturelle und Sprachtradionen fortleben. Verbieten kann man diese „traditionellen“ Begriffe nicht. Wer sie verwendet sollte sich aber ihrer Bedeutung jederzeit bewusst sein und wissen, dass er sich eines „gestrigen“ Sprachgebrauchs bedient. Und wer outet sich schon gern als Ewig-Gestriger? Schauen wir mal über die Grenzen nach U.K.: wie viele Briten bezeichnen heute noch die Deutschen stereotypisierend mit dem Ethnophaulismus „Krauts“. Freundlich und wertschätzend ist dieser Begriff selten gemeint.

    Auch „Bulle“, „Rote Socke“, „Zecke“, „Sozi“, „Sachse“, „Russe“, „Franzmann“, „Polacke“, „Araber“, „Türke“, „Japse“, „Knoblauchfresser“, „Kameltreiber“, „Kanake“ „Nutte“, „Ostfriese“, „Alm-Öhi“, „Fischkopp“, „Affe“, „Homo“, „Weichei“ etc. sind Begriffe, die der herabwürdigenden Bezeichnung von bestimmten Personen/Gruppen dienen. Wer selber als Person von anderen respektiert werden möchte, sollte jederzeit auch in seiner eigenen Sprache den Respekt anderen gegenüber zum Ausdruck bringen und auf jede verbale Diskriminierung verzichten. Das fängt bereits mit dem Denken an!

  67. Jetzt kommen wir aber langsam vom Thema ab.

    Ich persönlich vermisse noch immer die „Juddeferz“ (Heute: Ladykracher), die schon vor Jahrzehnten der PC weichen mussten.

  68. Interessant ist ja, dass es tatsächlich Menschen gibt, die gar nicht merken, wie abstrus es ist, dass sie auch „Jude“ als Schimpfwort empfinden.

  69. @ Ham S. Ter, #85

    Lassen Sie mich nicht dumm sterben, bitte. Wie nennt man Menschen jüdischen Glaubens? Wie nennt man Menschen russischer, türkischer oder (Saudi-) arabischer Nationalität? Wie nent man Menschen aus dem Bundesland Sachsen und aus dem Landkreis Ostfriesland?

  70. @vonundzu: Genau deshalb ist es ja von Broder abstrus anzunehmen, das Verschwinden seiner Jodekoeken aus genau einem Supermarkt hätte irgendwas mit political correctness zu tun.
    Völlig anders verhält es sich mit Negerkuss, Mohrenkopf, dem Zwarte Piet und auch der Verwendung von Blackface im Schlosspark-Theater, weil in allen diesen Fällen konkrete rassistische Bezüge (sicherlich nicht beabsichtigt) vorhanden sind. In diesen Fällen finde ich es nicht zu viel verlangt, Sprachgebrauch und Praktiken zu ändern.

  71. @ polyphem (#83): Dem Ernst N. wird man vielleicht sogar seinen Nachnamen ändern müssen… Ansonsten habe ich’s nicht so mit der Ernst-Musik.

  72. Bei oben verlinkter niederländischer Seite scheint es sich um eine islamophobe à la PI zu handeln. Da passt Broder ja dann ganz gut hin.

  73. @Ironidetektoren: 260 wörter leiten also zu den entscheidenen 123 Wörtern hin, die (fast) nix mit dem verschwinden von Gebäck oder Süßigkeiten (oder derne namen) zu tun haben…

    Das soll jetzt was genau vermitteln? Und wieso erklärt das keiner den Weltlesern, deren Komentare sich gar nicht mit der Entschuldigugns-Debatte beschäftigen??
    (ok bei 60 hab ich aufgehört auf „weitere Kommentare“ zu klicken, sollte die rhetorische Frage im späteren Verlauf dort noch wiederlegt werden, wäre ich über einen Direktlink dankbar…)

  74. @vonundzu: Ich würde daraus schließen, dass die Personen keine Juden kennen, und mit Judentum auch sonst nicht Kontakt haben, wohl aber mit Leuten, die das Wort als Schimpfwort benutzen.

    @Klopfer:

    Gibt es dafür eine Quelle? Und ich meine tatsächlich dafür, dass sich Schwarze in nennenswerter Menge* über den Begriff „Negerkuss“ aufgeregt haben, nicht irgendwelche Berichte, wonach man sich generell über das Wort „Neger“ empört hat und das Wort „Negerkuss“ quasi mitsamt dem „Mohrenkopf“ als Kollateralschaden mit versenkt wurde.

    Kannst Du mir sagen was das sind, „Schwarze“? Wie definiert man das? Wer gehört dazu, und wer nicht? Zum Beispiel, einfaches Beispiel: Das Kind von 2 Leuten, die Du als Schwarz und Weiß bezeichnen würdest – ist das auch wieder schwarz? Wieso?

    Ist Obama schwarz?

    Die Ureinwohner Mosambiks, Äthiopiens und Ghanas haben alle unterschiedliche Hautfarbe. Da gibt es tiefschwarz, mattschwarz und dunkelbraun. Wieso unterscheiden das so wenige? Unterscheidest Du das auch? Schau Dir mal die Endrunden der Läufe i.d. Leichtathletik an: Da sind viele unterschiedliche Nationen am Start und man sieht viel Haut.

    Die Willkür, die darin liegt, zwischen Weiß und Schwarz zu unterscheiden, und zwischen mattschwarz und glänzend schwarz nicht, die stereotype Wiederholung der Grenzziehung zw. Weiß und Schwarz ist eine Ausgrenzung. Es ist das alte „Wir gegen die“.

    Sie ist auch nicht unschuldig, sondern geistige Bequemlichkeit. Man verweigert die Auseinandersetzung, und besteht auf dem bornierten Recht sich wie ein Blödian zu gebärden, der nicht wissen will, welche Geschichte das Verhältnis der Rassismus, der sich darin äußert hat. Auf der Seite der Privilegierten ist darin nichts unschuldiges mehr.


    Kameruner, Jude, Berliner, Frankfurter und Wiener gibt es als ganz gewöhnliche Bezeichnungen, ohne diskriminierende Konnotation. Neger gibt es nicht ohne die diese.

    Dass man dennoch meinen kann, die Bezeichnung Negerkuss sei in Ordnung, ist grotesk. Ich bin ihr früher allerdings auch erlegen.

    Ich kannte aber früher auch keine Personen (in der Art, dass diese mich auch gekannt hätten, also jenseits von Muhammed Ali, Aretha Franklin usw.), die sich hätten beleidigt fühlen können. Als sich das änderte fragte ich relativ unbefangen auch mal nach, ob denn wohl ‚Negerkuss‘ nicht negativ ankomme – ich schaute in ein wirklich empörtes und überraschtes Gesicht, dass ich so eine Fragen stellen konnte!

    Es war mir sehr peinlich, aber half mir zu verstehen.

    Der Begriff ist empörend, auch wenn es der Schoko- oder Schaumkuss nicht ist.

  75. @Stefan W. #97: Wahrscheinlich haben Sie recht.

    Trotzdem tue ich mich schwer, so unschuldige Lebensmittel wie „weiße und schwarze Amerikaner“, „Negerkuss“ und „Zigeunerschnitzel“, oder kulturelle Leistungen wie „Zigeunerbaron“ oder „Zigeunerjunge“, so nicht mehr zu nennen.

    Natürlich haben die Worte „Neger“ und „Zigeuner“ negative Konotationen. Glauben Sie aber, dass das rassistische Arschloch, das nicht „Neger“ sagt, aber „unwerter Untermensch“ denkt dadurch besser wird?

    Was ist die Alternative? Schwarzafrikaner oder Afro-Amerikaner finde ich persönlich genauso diffamierend und dazu noch falsch, weil nicht alle so bezeichneten aus Afrika oder Amerika kommen. Tansanier, Afro-Deutscher oder Kameruner kann ich erst sagen, wenn ich den Menschen kenne. Dann kann ich aber auch einfach seinen Namen sagen. Meine schwarzen Kollegen, die Deutsche, US-Amerikaner, Franzosen oder Niederländer sind haben grundsätzlich kein Problem mit dem Wort „Neger“ oder „Schwarzer“, es kommt immer darauf an, wer es wie sagt.

    Nicht alle Zigeuner sind Sinti oder Roma. Genauso, wie nicht alle Indianer Sioux oder Apachen sind. Ist „reisende Volksgruppe“ so viel freundlicher? Im Landkreis, in dem ich lebe, gibt es eine Zigeunerkönigin samt Hofstaat. Sie benimmt sich teilweise extrem klischeehaft (allerdings zu aller Freude nur maximal im Ordnugswidrigkeitenbereich) und hat einmal mir gegenüber gesagt: „Ich bin die Zigeunerkönigin, das erwartet man doch von mir?“.

    Dicke, Rotharige, Kleine, Brillenträger, Einarmige – alles diffamierend und ausgrenzend. Aber auch beschreibend und kategorisierend. Und trotzdem bleibe ich dick und klein, auch wenn es keiner sagt.

    Zu „Chinese Walls“ habe ich mich ja schon oben echauffiert, „Jedem das Seine“, „Innerer Reichsparteitag“, „dann ist Polen hinten offen“ wird auch immer wieder gerne als Pro-Nazi-Sprech diffamiert – isses aba nich.

    Es bleibt schwierig, aber am Ende werden die Aufklärung obsiegen.

  76. In den 70/80-ern war der Begriff „Negergeld“, bei Selbstständigen, gleichbedeutetend für Schwarzgeld das am Finanzamt vorbeigeschleust wurde. Somit m.E. eher ein Positivum, das meines Wissens heute nicht mehr im Sprachgebrauch vorkommt.

  77. > ich schaute in ein wirklich empörtes und überraschtes
    > Gesicht, dass ich so eine Fragen stellen konnte!

    > Es war mir sehr peinlich, aber half mir zu verstehen.

    Möglicherweise nicht.

    > Der Begriff ist empörend,

    Wie du schon selber schriebst: evtl. war es die Frage.

    Diskriminierung ist nicht das Benennen einer offensichtlichen Eigenschaft, sondern die Bereitschaft einiger Menschen, deswegen Nachteile „einzuräumen“. Die Sprachregelung (etwas per se Dummes) des Nicht-Benennens und der damit einhergehende Irrglaube, so würde Diskriminierung abgeschafft, nennt man Bigotterie.

  78. @hrool:

    Wenn Du immer wieder von Weißen sprichst, auch wenn es nichts zur Sache tut, einfach weil Du meinst die sog. weiße Hautfarbe sei ein Fakt, den Du ja ruhig erwähnen kannst, dann glaube ich, dass Dein Sprachgebrauch nicht diskriminierend ist.

    Es gibt eben Personen, die immer wieder darauf hingewiesen werden, welche Hautfarbe sie – grob gesehen – haben, und auch andere werden immer wieder darauf hingewiesen. Wieso?

    Du Großnase, bleichgesichtige!

  79. @Stefan W.

    Wenn ich sage: „Ich saß in der Sauna und eine Blondine kam herein“ ist das o.k., wenn ich sage: „Ich saß in der Sauna und eine Schwarze kam herein“ ist das nicht o.k.? In einer überwiegend weißen Gesellschaft ist bei Menschen mit deutlich dunklerer Hautfarbe diese nun einmal das erste mir ins Auge fallende Merkmal. Und das ist es ganz unabhängig davon, ob blonde Haare oder dunkle Haut in der Situation eine Rolle spielen.

    Vor einiger Zeit kam mal ein Boxkampf, Klitschko gegen einen Schwarzen. Der Kommentator sagte: Klitschko mit der schwarzen Hose, … mit der schwarzen Hose mit goldenem Streifen. Politisch korrekt bis hin zur Lächerlichkeit, und fast bis man denken könnte, schwarze Hautfarbe sei ein Makel, den man noch nicht einmal erwähnen darf.

    Übrigens bin ich mir sicher, dass ich bei meinen Reisen nach Schwarzafrika für die Einheimischen in allererster Linie „der Weiße“ oder eher „der Rote“ war.

  80. @vonundzu: Natürlich macht auch der Ton immer die Musik. Die Frage ist, ob Du Dich mit ihr befreunden kannst, und sie dann immer noch „eine Schwarze“ nennst. Ich sage Dir: das tust Du nicht, weil es ihr nicht gefällt.

    Vor einiger Zeit kam auf Phönix eine Doku über Jack Johnson, den ersten schwarzen Boxweltmeister im Schwergewicht. Jahrzehntelang bekam kein Herausforderer der nicht bleichgesichtig war einen Titelkampf angeboten – auch nicht, wenn diese alle Herausforderer dunkler Haut besiegt hatten – gerade dann nicht.

    Das Phantasma der Überlegenheit des weißen Mannes musste aufrecht erhalten werden, und durfte nicht durch die Realität gefährdet werden. Und dann gewährte ein Weltmeister vom diplomatischen Geschick eines Wulffs einen Titelkampf unter gewissen Bedingungen, und kam nicht mehr ohne Gesichtsverlust aus der Nummer heraus. Der Titel wurde prompt verloren, und Johnson 7 Jahre lang unbesiegt, und lehnte nun seinerseits ab, gegen schwarze Herausforderer anzutreten.

    Das ist etwa 100 Jahre her, aber seitdem schwingt diese Frage nach der Hautfarbe in Kämpfen um die Krone des Boxens, besonders in der höchsten Gewichtsklasse, immer wieder mit. Immer wieder sind Teile der weißen Welt auf der Suche nach einer „weißen Hoffnung“.

    Die Sympathien für Schmeling oder die Klitschkos gelten in den USA oft nicht dem Deutschen, oder dem boxenden Individuum, sondern einem weißen Stellvertreter der weißen Sache.

    Im Boxring ist ein sog. Afroamerikaner keine Ausnahme mehr – also wo ist die Notwendigkeit das zu betonen? Was sagt der Kommentator denn, wenn Tyson gegen Foreman boxt? Oder ein sog. weißer Boxer gegen den anderen? Da muss er auch die Hosengestaltung oder die Körpergröße bemühen.

    Die Anstrengung sich zu artikulieren ist keine Ausrede – man kann es lernen Rassismen zu vermeiden, und dann fällt es auch leicht. Die meisten Menschen, die von herabsetzenden Stereotypen betroffen sind sind es einfach leid das immer wieder zu problematisieren; deswegen wirst Du oft von den Betroffenen nichts hören.

    Es ist eine Frage der Höflichkeit, sich der Anstrengung zu unterziehen, Rücksicht zu üben – nenn es von mir aus PC. Wem es zu anstrengend ist, den nenne ich Rassist, und mir ist es auch zu anstrengend da zwischen bösartigen Rassisten und solchen aus Bequemlichkeit zu unterscheiden – das erste, was auffällt ist eben der Rassismus.

  81. @Stefan W.

    Gut, dann dürfen Sie mich jetzt Rassist nennen, weil ich Boxer WENN MÖGLICH auch anhand der Hautfarbe unterscheide und nicht nur an der Bekleidung. Ich werd’s überleben.

  82. Wie kommt es, dass ausnahmslos immer, wenn über Rassismus, Sexismus und andere Arten der Diskriminierung gesprochen wird, Privilegierte ihre diskriminierenden Gewohnheiten mit Zähnen und Klauen verteidigen? Da gibt es ein paar Standardargumente:

    „Das ist ja gar nicht so schlimm, die sollen sich nicht so anstellen.“
    „Wo ist das Problem? Das schadet doch niemandem.“
    „Die xyz machen das ja umgekehrt auch.“

    Mindestens eines davon wird garantiert in der einen oder anderen Variation vorgebracht. Und die dahintersteckende Auffassung, als Privilegierter einen Anspruch darauf zu haben, einfach weiterzudiskriminieren, ist nicht totzukriegen. Und es erstaunt mich immer wieder, wie scheißegal es vielen zu sein scheint. Dieselben Leute möchte ich erleben, wenn sie einmal Ziel diskriminierenden Sprachgebrauchs sind.

  83. In welcher Form bin ich gegenüber einem in Deutschland geborenen Neger privilegiert? Ich bin es nicht, und das ist gut so.

  84. @vonundzu: Ich könnte Dir da vieles erzählen. 2 Beispiele:

    Eine meiner Freundinnen hat nach dem Studium am Gericht gearbeitet. Sie legt viel Wert auf ihr Äußeres, und ist immer piccobello gekleidet und tadellos gepflegt. Dennoch wurde sie von einer Tippse auf der Toilette angesprochen, die Mitarbeitertoilette sei nicht für Putzfrauen gedacht. Nicht in bösartig herabsetzender Absicht, sondern einfach der festen Überzeugung, eine Schwarze könne nichts anderes als eine Putzfrau sein.

    Anderes Beispiel, ein Freund, der oft am Bahnhof von der Polizei kontrolliert wird. Nur so. Routine. Ich wurde noch nie am Bahnhof kontrolliert.

    Arbeitssuche, Wohnungssuche usw. will ich gar nicht erst anfangen.

  85. @ vonundzu (#110):
    Kauft ein Schwarzer Obst. Kommt von der Seite eine Bemerkung: „Ja, immer schön Bananen fressen, der Affe.“

    Sucht ein schwarzer Deutscher eine Wohnung, verabredet in lupenreinem Deutsch einen Besichtigungstermin, und als er dort auftaucht ist die Wohnung schon vergeben („Grad eben erst haben wir den Vertrag gemacht!“). Der nächste weiße Interessent hätte dann die Wohnung gekriegt (Das habe ich übrigens selbst erlebt, ich war der nächste weiße Interessent, und die Vermieter haben mich schon am Telefon gefragt, ob ich Deutscher sei. Gemeint war natürlich: Weißer und „echter“ Deutscher, also ohne Migrationshintergrund.)

    Dazu kommt, dass Schwarze in Deutschland oft ungeniert angestarrt werden, dass sie in der Öffentlichkeit oft ungefragt belehrt werden: „Bei uns macht man das aber so/anders/wie-auch-immer. Das werden Sie im Busch nicht gelernt haben.“ (Habe ich auch schon miterlebt.), dass sie oft in einer Art Pidgin-Deutsch angesprochen werden.

    Es gibt viele, viele mehr oder weniger schlimme Spitzen, Beleidigungen und Demütigungen, die sich unter Umständen zu einer riesigen Last aufaddieren können. Und wer das nicht am eigenen Leib erfahren hat, kann sich kaum vorstellen, wie schlimm das sein kann. Wir als Privilegierte in diesem Land können in der Regel nicht ermessen, wie es sich ohne unsere diversen Privilegien so lebt.

    Schwarze z.B. wissen das nur zu gut, und wir müssen ihnen schon glauben, wenn sie davon sprechen. Die machen das sicher nicht zum Spaß, sondern weil sie tatsächlich daran leiden, wie sie allenthalben behandelt werden. Und bloß weil wir das nicht aus eigener Erfahrung kennen, dürfen wir das nicht als Unsinn abtun!

  86. @Stefan W. und gnaddrig

    Vielen Dank für die Beispiele, die haben mir schon zu denken gegeben. Ich bin weit davon entfernt, diese sehr bitteren Erfahrungen von Menschen als Unsinn abzutun. Die Kontrollen durch Polizei/Bundesgrenzschutz sind mir auch ein Dorn im Auge: Das ist Rassismus, wir stehen dann immer auf und fragen die Beamten, warum wir nicht kontrolliert werden.

    Auch sehe ich ein, dass in Sprache großes rassistische „Potenzial“ liegt, den Gemeinheiten sind da leider keine Grenzen gesetzt. Aber eben da, in sprachlichen Hinterfotzigkeiten sehe ich den Feind, nicht im „Negerkuss“ und nicht im hier noch gar nicht erwähnten „Eisneger“.

  87. @gnaddri #112: Leider haben Sie recht, viele dumme Menschen da draußen benehmen sich so. Was ich nicht verstehe: Warum glauben Sie, dass sich daran etwas ändert, wenn Sie und ich nicht (mehr) »Neger« sagen?

  88. @vonundzu: Schön, dass Ihnen die Beispiele zu denken geben. Jeder schwarze Deutsche hat sicherlich vieles von dem Geschilderten selbst schmerzhaft erfahren müssen. Jeder „Negerkuss“ wird ihn auch zukünftig daran erinnern.

  89. @ SvenR (#114): Gute Frage. Das ist nicht so einfach zu beantworten.

    Ich weiß nicht, wieviel sich ändert, wenn Sie und ich versuchen, unseren Sprachgebrauch und unser Verhalten nach Möglichkeit rassismusfrei zu gestalten. Viele Leute sind bewusst und absichtlich Rassisten, die haben wohl kein Interesse daran, den Rassismus in der Gesellschaft zu reduzieren. Die werden sich nicht darum scheren, wie wir uns verhalten. Viele haben ohne Absicht rassistische Elemente in ihrem Verhalten (Ich zum Beispiel auch, und es war mir verdammt unangenehm, das feststellen zu müssen. Seitdem arbeite ich daran, das zu ändern.), und die kann man vielleicht wirklich zum Nachdenken bringen. Andere sind sich der Problematik schon bewusst und versuchen, bei sich und anderen Verhaltensänderungen zu bewirken.

    Ich fürchte, dem harten Kern der bewussten Rassisten wird man kaum beikommen. Die große Mehrheit der unbewussten Rassisten wird man auch kaum zum Nachdenken bringen, geschweige denn zu einer aktiven Änderung ihres Verhaltens. Es sieht im Prinzip aussichtslos aus.

    Andererseits – soll man deshalb aufgeben? Vielleicht kann man ja doch etwas erreichen, wenn man mit kleinen Dingen bei sich selbst anfängt.Wenn man zumindest selbst zu den Leuten gehört, die sich dem üblichen Alltagsrassismus verweigern und versuchen, alle Leute anständig zu behandeln. Und dazu gehört eben auch, dass man Kleinkram ernstnimmt und z.B. nicht mehr Negerkuss sagt. Es dürfte auch nicht selten vorkommen, dass man die Auswirkungen des eigenen Verhaltens gar nicht mitbekommt, im Guten wie im Bösen. Und Kleinvieh macht auch Mist – ich mache lieber die Kleinigkeiten, die ich kann, als dass ich unter Hinweis auf das vermutlich unerreichbare ganz große Ziel gar nicht erst losgehe.

  90. @ polyphem (#116): Ja, das war doch eine elegante Wendung, nicht wahr? Das muss so eine Art selbstreferenzielle Metaironie sein oder so…

  91. @ gnaddrig und Stefan W.

    Vielen Dank für die Beispiele. Ich muss zugeben, dass ich bis vor einigen Jahren auch oft unbedacht vermeintliche Ausländer auf Englisch angesprochen habe. Bis ich ein Interview mit Minh-Khai Phan-Thi las, die sich genau darüber immer aufregte, und auch verstand, wieso. Seitdem spreche ich in Deutschland mit jedem erstmal Deutsch, ins Englische kann man ja immer noch wechseln (etwas OT: wenn ein Ausländer Sie auf Deutsch anspricht, SPRECHEN SIE DEUTSCH! Nichts ist deprimierender, als eine Sprache zu lernen, und vor Ort dann immer Muttersprachler zu erleben, die ständig ins Englische wechseln, nur weil ein Wort mal nicht akustisch ankam).

    Ich habe auch schon ähnliche diskriminierende Situationen erlebt (in denen ich bevorzugt wurde): z.B. bin ich vor einem halben Jahr mit dem Berlin-Warszawa-Express nach Deutschland eingereist. Der Zug hielt in Frankfurt/Oder, und die Bundespolizei ging durch und kontrollierte die Dokumente. In meinem Abteil (Chinesen, Türken) wurden alle Reisepässe äußerst penibel kontrolliert (inkl. Durchblättern und Eingabe des Namens in ein tragbares Gerät), nur ich (dunkelblond, weiß, „deutsch“) musste noch nicht mal meinen Personalausweis vorzeigen.

  92. @DaW: Deine Sorgen möchte ich haben. In jedem Land Europas oder Asiens würde jemand, der nicht wie ein Einheimischer aussieht, zunächst für einen Ausländer gehalten.

  93. Warum glauben Sie, dass sich daran etwas ändert, wenn Sie und ich nicht (mehr) »Neger« sagen?

    Woran soll sich nichts ändern? Wenn die Betroffenen den Begriff ablehnen, weil er in der Tradition von Kolonialismus und Sklaverei geprägt wurde, und sie sich herabgesetzt fühlen, wenn der Begriff benutzt wird – was würde sich dann ändern, wenn man den Begriff vermeidet?

    Soll man jede Änderung unterhalb von „Paradies sofort für alle“ sein lassen?

    Ich bin auch schon Leuten begegnet, die, wenn sie erfahren, dass man aus Deutschland kommt, reflexartig den Arm hochreißen und „Heil Hitler!“ rufen. Manche drücken damit eine Ablehnung aus, manche eine Zustimmung.

    Wenn das alle 5 Jahre mal vorkommt, dann kann man darüber lachen. Wenn es 2x am Tag vorkommt lacht man nicht mehr. Es macht einfach müde. Es zermürbt.

    Wieso sollte man aufhören andere Leute zu zermürben?

  94. @ Stefan W., # 122

    Gutes Beispiel. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die kein Problem damit haben, andere auf ihre Nationalität/Hautfarbe/Religion zu reduzieren, am lautesten aufschreien, wenn andere dasselbe mit ihnen machen.

    @ Boris Beggemann, # 121

    Ja und? Macht es das besser? Müssen wir in Deutschland nun auch Homosexuelle verfolgen, weil das anderswo auch üblich ist? Und wieso muss ich als dunkelblonder Weißer eigentlich „deutsch“ sein deshalb nicht kontrolliert werden? Das ist genauso großer Unsinn wie der umgedrehte Fall, dass also z.B. Schwarze keine Deutschen sein können.

    Davon abgesehen halte ich die Aussage, dass dies in jedem anderen Land so wäre, schlicht für falsch. In wenigen Ländern wird Zugehörigkeit zur Nation so stark über die Ethnie definiert wie in Deutschland, trotz allem, was passiert ist.

  95. Ich versuch noch mal, eine Lanze für den „Negerkuss“ zu brechen. Ein letztes Mal.

    Ich bin auch der Meinung, dass Rassismus in Handeln und Sprache zu verurteilen ist. Aber vielleicht zieht man den Kampft gegen den wirklichen Rassismus ins Lächerliche, wenn neben der beleidigenden Verwendung von „Neger“ auch der niemanden beleidigende „Negerkuss“ ins Fadenkreuz gerät.

    Der Zigeunerschnitzelvergleich hinkt ja, weil das Schnitzel ja zumindest kulinarisch entfernt an eventuell in diesem Kulturkreis verwendete Zutaten erinnert, und nicht an das Aussehen der Volksgruppe(n). Aber Zigeuner ist als Begriff vielleicht interessant. Ich kenne Menschen, die mit Zigeunern befreundet sind und die den Begriff neutral bis respektvoll verwenden. Und ich kenne Menschen, die „Sinti und Roma“ als Begriffspaar fast ausspucken vor Abscheu. Und die dann übelste Klischees ablassen.

    Ich empfinde die Verdammung einzelner Worte zu einfach. Leider ist es viel schwieriger, viel subtiler.

  96. @vonundzu: Warum dann nicht mit dem Einfachen beginnen und das Wort „Negerkuss“ vermeiden? Bitte auch die 115. lesen.

  97. @ vonundzu (#125): Und inwiefern beleidigt der „Negerkuss“ jetzt niemanden? Können Sie das beurteilen? Und was verlieren Sie denn, wenn Sie statt „Negerkuss“ jetzt „Schaumkuss“ o.ä. sagen?

    Natürlich verhindert eine politisch korrekte Sprache nicht Rassismus und Diskriminierung. Man kann rassistische Inhalte auch anders rüberbringen. Aber wenn die vielen Leute, die nicht rassistisch sein wollen, die aber bisher unbeabsichtigt und ohne weitere Reflektion rassistische Ausdrücke wie eben Negerkuss verwenden, ihren Sprachgebrauch ändern, fällt für die Betroffenen ein erheblicher Teil der rassistischen Nadelstiche weg, die sie Tag für Tag für Tag erleben. Und das wäre viel wert!

    Man kann das für übertrieben halten und glaube, dadurch werde der Kampf gegen den „wirklichen Rassismus“ ins Lächerliche gezogen. Man kann aber auch argumentieren, es sei wenigstens ein Anfang. Es würde das Leben vieler Betroffener in unserem Land erträglicher machen.

    Davon abgesehen weiß ich gar nicht recht, was ich mir unter wirklichem Rassismus vorstellen soll – fängt das erst beim Ausländerverprügeln oder Wohnungen niederbrennen an, oder zählen mein Beispiel mit dem Bananenfressen in #112 oder die ständigen Passkontrollen von Stefan W. in #111 auch schon dazu? Ich verstehe wirklich nicht, was Ihnen am Negerkuss gelegen ist.

  98. @gnaddrig

    Erstmal danke für die Geduld. Ich merke selbst, dass es mir schwerfällt, meinen Standpunkt zu erklären.

    Selbstverständlich sind die von Ihnen am Ende genannten Beispiele Rassismus. Gegen diese stehe ich auch auf, wann immer ich ihn erlebe. Aber da richtet sich das Verhalten und/oder die Worte auch ganz klar gegen die diskriminierte Gruppe. Beim Negerkuss/Mohrenkopf nicht.

    Ich kann einen Schaumkuss Mohrenkopf nennen, im Wissen, dass man früher dunkelhäutige Menschen als Mohren bezeichnet hat und das diese Bezeichnung aus Zeiten stammt, in denen das abwertend gemeint war. Mir geht es dabei auch nicht um die Wörter als solche. Die verwende ich selten genug, ich mag die Dinger gar nicht. Aber ich bin gegen jede Form eines politisch motivierten Neusprechs. Denn es geht ja gar nicht um den bedenklichen Kontext der Begriffe Mohr und Neger. Sonst hätte man die Dinger ja auch Afrikaner oder Afroküsse nennen können.

    Und so sehr ich jeder unterprivilegierten Minderheit überall auf der Welt das Recht zugestehe, nicht rassistisch herabgewürdigt zu werden, so sehr fände ich es aber auch praktikabel, sich nicht auch da herabgewürdigt zu fühlen, wo es gar keine Herabwürdigung gibt.

  99. @vonundzu: Wie schnell man sich sprachlich auf dünnes Eis begeben kann, zeigt Ihr letzter Absatz. Ich glaube Ihnen, dass Sie gegen Rassismus sind (auch wenn ich wie gnaddrig, Stefan W. u.a. nicht verstehen kann, was daran so schwierig sein soll, die genannten Begriffe einfach nicht mehr zu verwenden), aber nicht diskriminiert zu werden ist ein Menschenrecht. Keine „unterprivilegierte Minderheit“ ist darauf angewiesen, dass Sie ihr dieses Recht „zugestehen“, sie hat es ganz einfach. (Sorry, ich glaube gerne, dass Sie das nicht so gemeint haben, aber die Formulierung ist mir einfach unangenehm aufgestoßen).

  100. @vonundzu:

    Aber ich bin gegen jede Form eines politisch motivierten Neusprechs.

    Das klingt als würden sie glauben, Gott habe den Deutschen eine unschuldige, geschichtslose, reine Sprache geschenkt, die es zu bewahren gilt – komme, was da komme.

    Als ob die Sprache, die wir heute sprechen, nicht das Resultat politisch motivierter Einflussnahme sei.

    Oder geht es um das Recht unreflektiert zu sprechen? Müssen wir uns alle wie geistlose Blöde benehmen die unfähig sind, Sprache zu analisieren, und die Geschichte der Begriffe zu hinterfragen, um hinterher eine besser informierte, aufgeklärte Entscheidung zu treffen?

    Es gibt keine Unschuld in der Sprache, und einmal einer Problematik bewusst ist es auch schwer zu leugnen, dass man eine Entscheidung getroffen hat. So rum, oder eben andersrum. In den Mutterbauch zurückkriechen ist nicht.

  101. @ vonundzu (#128): Sie schaffen es mit erstaunlicher Leichtigkeit, erstaunlich viele der von Geert in #108 verlinkten Derailing-for-Dummies-Methoden hier anzubringen.

    Vielleicht fühlen sich manche Schwarzen durch „Negerkuss“ tatsächlich nicht herabgewürdigt, andere aber sehr wohl. Das müssen Sie die Leute selbst fragen. Aber warum sollten Schwarze „Negerkuss“ nicht als Herabgewürdigung empfinden? „Negerkuss“ enthält eben das Wort „Neger“, das wir ja schon als rassistisch konnotierten Begriff aus der Kolonialzeit identifiziert haben. Diese Konnotation verschwindet nicht, wenn man das Wort in Zusammensetzungen verwendet. Es ist nicht so, dass Schwarze sich absichtlich dafür entscheiden, sich jetzt einfach mal herabgewürdigt zu fühlen. Das Gefühl, herabgewürdigt zu werden, entsteht nicht durch bewusste Analyse einer Situation, sondern einfach dadurch, dass ein rassistischer Begriff benutzt wird. Rassistische Wörter sind auch dann rassistisch, wenn der Sprecher, der sie benutzt, sich dessen nicht bewusst ist und keine rassistische Aussage beabsichtigt.

    Ich halte es jedenfalls für besser, im Zweifelsfall einen auf einem rassistischen Wort basierenden Ausdruck, der von vielen Schwarzen höchstwahrscheinlich als herabwürdigend verstanden wird, zu vermeiden. Zumal, wenn es fast nichts kostet und brauchbare Alternativen vorhanden sind. Man gewöhnt sich daran, und es fällt dann auch leichter, das nächste rassistische Sprachmuster zu vermeiden, das einem bewusst wird. Und dadurch trägt man dazu bei, Deutschland ganz langsam zu einem weniger rassistischen Land zu machen. Ob man das will, muss man sich natürlich selbst überlegen.

  102. @SvenR (98, 114)
    @Olly (89)

    Ob Sie „Neger“ zu Ihrem Gegenüber sagen wollen, wenn ein Schwarzafrikaner vor Ihnen steht, dass müssen sie wissen. Dass Sie, wenn sie auf das Wort „Neger“ verzichten, nicht der Rassismus oder rassistische Ressentiments aufhören zu existieren, das ist auch klar. Und seine dunkle Hautfarbe behält Ihr Gegenüber auch. Mich interessiert aber nicht, ob mein Gegenüber „Neger“ oder „Jude“ ist, sondern dass er Paul oder Frederik heißt, Gemanistikstudent oder Krankenpfleger ist. Selbst bei einer schriftlichen Erwähnung würde ich es nicht für mitteilenswert halten und wenn, dann eher formulieren: er stammt aus jüdischem Elternhaus. Im normalen Umgang beschreibe ich keine Rasse oder Religion oder „kategorisiere“ Menschen nach Hautfarbe oder ethnischen Merkmalen. Deshalb verzichte ich darauf zu sagen: er ist ein Jude, denn dieser Begriff hat einen „Hintersinn“, der mir gar nicht in den Sinn kommt.

    Mir ist die Persönlichkeit meines Gegenübers wichtig, seine Ansichten, sein Verhalten. Und so wähle ich meine Worte. Ich nenne es Respekt, Sie Bigotterie. Worte sind eben immer nur das Abbild des Denkens.

  103. @vonundzu:
    Es geht nur sekundär darum, wie ein Wort gemeint ist, primär geht es um seine Wirkung auf andere. Und diese Wirkung kann man nicht einfach wegwischen mit Aussagen wie, man müsse sich ja nicht „herabgewürdigt fühlen…“. Das klingt für mich ungefähr so, wie „Stell dich nicht so an!“.
    Um zu verstehen, dass auch das Wort „Negerkuss“ einem schwarzen Deutschen ein Nadelstich versetzen kann, wie es gnaddrig formuliert hat, benötigt man allerdings eine gewisse Empathie. Herr vonundzu, haben Sie die? Und ist es wirklich so viel verlangt, auf das Wort „Negerkuss“ zu verzichten?

  104. @ Ham S. Ter, #132

    Sie sind sich sicher, dass das eine passende Antwort auf meinen Kommentar #89 ist?

    Sie sind sich sicher, dass Sie das Gleichsetzen der Wörter „Sachse“, „Russe“, „Araber“, „Türke“, „Jude“ und „Ostfriese“ mit „Nigger“, „Kameltreiber“ und „Kanake“ Ihrerseits damit rechtfertigen können, dass Sie etwas davon faseln, dass Ihnen nur die Persönlichkeit Ihres Gegenübers wichtig ist?

    Interessant…

  105. Wie muss ich mir diesbezüglich Aussagen von Ihnen vorstellen? Ich lerne jetzt türkisch, weil meine neue Freundin Architektur studiert? Mein Nachbar feiert Hanukkah, weil er gerne zeichnet? Mein Kollege kennt nur das kyrillische Alphabet, weil er Briefmarken sammelt?

    Dass Sie „Türke“, „Jude“ und „Russe“ als Beispiele für nicht zu benutzende Worte gewählt haben und nicht „Deutscher“, „Däne“ oder „Engländer“ spricht Bände!

  106. Ich finde die genannten Argumente sehr nachvollziehbar und stimme zu, dass es letztlich nicht darauf ankommt, ob etwas rassistisch gemeint ist oder nicht, sondern allein darauf, ob es so empfunden wird.

    Off-Topic: Ich versuche allerdings genauso, das Wort „Schaumküsse“ zu vermeiden, nicht wegen irgendeiner Abneigung gegen „politisch motivierten Neusprech“, sondern weil ich finde, dass es sagenhaft dämlich klingt. Es beschwört eher Bilder von tollwütigen Nymphomanen herauf als von pappsüßen Schoko-Schaum-Einheiten.

    Nicht ganz so Off-Topic: Es gibt eine einzige Stelle, wo ich es dann doch problematisch finde, auf unverfängliche Sprache auszuweichen, und zwar dann, wenn es um literarische Texte geht, die im Kontext ihrer Zeit gelesen werden müssen. Die „robotic edition“ von Huck Finn und wogegen sie protestiert ist ja mittlerweile legendär (http://www.kickstarter.com/projects/dianidevine/replacing-the-n-word-with-robot-in-huck-finn).

    Das betrifft nicht nur die USA. Von Pippi Langstrumpf weiss ich zufällig, dass der deutsche Verlag dafür gesorgt hat, dass ihr Vater nun „Südseekönig“ ist. Nun ist es beileibe nicht so, dass mir dort das Wort „Neger“ wirklich fehlen würde, denn inhaltlich macht es tatsächlich keinen Unterschied, aber das Anpassen von Original-Werken aus Kunst, Film und Literatur an den vorherrschenden Zeitgeist verursacht mir irgendwie Bauchschmerzen (und da schließe ich harmlosere Varianten wie das Ersetzen der Pistolen durch Walkie-Talkies in neueren Editionen von Spielbergs E.T. ausdrücklich mit ein).

    Wäre es nicht besser, wenn die vorlesenden Eltern ihren Kindern erklärten, warum das Wort dort steht und warum sie es besser selbst nicht benutzen sollten, statt dass man es einfach aus dem Originaltext tilgt und den Erziehungsverpflichteten dieses unangenehme Gespräch bequemerweise erspart?

  107. @Geert

    Genügt es vielleicht, auf das Wort „Negerkuss“ im Gespräch mit Schwarzen zu verzichten? Das könnte ich mit Leichtigkeit, ich spreche nämlich, wenn ich mal genau darüber nachdenke, fast nie mit Schwarzen und überhaupt nie über Negerküsse.

    Und nein, das ist kein Rassismus, ich habe nur keine schwarzen Freunde, keine schwarzen Kollegen, keine Schwarzen im Sportverein. Und mit den Toilettenfrauen und -männern im Einkaufszentrum rede ich nicht viel.

  108. @vonundzu: Stelle ich mir schwerer vor, als den eigenen Sprachgebrauch einfach zu ändern. In einem solchen Gespräch müsstest du immer überlegen, welche Worte du eigentlich lieber nicht sagen willst. Ein normales entspanntes Gespräch wäre das sicher nicht. Wenn ich mich mit meinem Freund jamaikanischer Herkunft unterhalte, muss ich über sowas nicht nachdenken und unterhalte mich ganz normal und locker mit ihm. Seine Hautfarbe ist mir in der Regel selbst nicht (mehr) bewusst.

  109. Dieser Text Don’t you call me Neger kommt, im Ggs. zu dem vom Sprachblog, nicht auf die Idee, der N.-Begriff sei um 1960 aus Gründen der Galanteerie abgewertet worden, sondern behauptet er sei bereits Ende des 18. Jhrs. zur Unterstreichung eines kolonialen Verhältnisses geprägt worden.

    Ich kann darin nicht jeden Satz unterstreichen, aber habe den Eindruck zu verstehen, wieso ich den Rassismus des Begriffs nur partiell verstehe. Er verdeutlicht mir meine Distanz zu den Betroffenen, und hat darin seinen Wert.

  110. Einige Kommentatoren offenbaren ein erstaunliches Unverständnis dafür, was Sprache bedeutet und wie sie funktioniert. Als Mittel zum Zweck der Kommunikation (und damit eben als „Werkzeug“ und auch „Waffe“) fußt sie nun mal zwingend auf Konventionen – also zwischenmenschlichen Übereinkünften -, die selbstverständlich je nach Kulturkreis, Gesellschaft und Epoche unterschiedlich ausfallen und ständig im Wandel befindlich sind. Schon allein deshalb ist die Erwartung, ein Begriff der „früher immer“ in Ordnung gewesen sei, müsse von daher auch heute (und in aller zukunft) gleichermaßen unbeanstandet durchgehen können, reichlich naiv und weltfremd. Dass Worte nicht einfach „sind, was sie sind“, nicht unveränderlich und/oder schon garnicht wertfrei und „neutral“, belegt anschaulich die Bezeichnung „Kanake“, die in Neukaledonien bekanntermaßen nichts anderes meint als die melanesischen Ureinwohner und insofern dort wahrscheinlich von den Menschen ganz „matter of factly“ oder sogar mit Stolz ausgesprochen wird. Als Lehnwort in der deutschen Sprache mutiert sie allerdings in der Regel zu einer weniger schmeichelhaften und eindeutig negativ konnotierten Beleidigung. Natürlich lassen sich Worte auch umdeuten, und manchmal ist es gerade wichtig, die mit der Wortwahl verbundene Deutungs- und Beschreibungshoheit nicht ausgerechnet denen zu überlassen, die eine verleumderische Sichtweise etablieren wollen. Aber so etwas passiert angesichts globaler medialer Zusammenhänge eben fließend. Auch wenn die Konnotationen mancher Worte während dieser Zeit möglicherweise uneindeutig sind (Zigeuner ist so ein Wort, dass mir dazu aktuell einfiele), so ist dieser Umstand gerade kein Anlass zur Sorglosigkeit und keine Entschuldigung für Blauäugigkeit. Gerade in diesem Prozess ist eine besondere Sprach-Sensibilität und Geschichtsbewusstsein gefragt. Sprechen ist doch immer auch ein politischer Akt. Wer heute noch auf „Neger“ (und all seine Komposita) insistiert, darauf „besteht“, der sagt buchstäblich wo er ideologisch und politisch „steht“. Er bezieht damit – so sehe ich das – Stellung in einem – ich sag´s mal bewusst pathetisch – verbalen und tatsächlich gewaltsamen Gefecht um die seit Jahrhunderten von unbelehrbaren Dummköpfen hartnäckig behauptete Überlegenheit des weißen, europäischen Mannes gegenüber den angeblich minderwertigen dunkelhäutigen Menschen auf diesem Planeten.

    Dass manche Kommentatoren hier am liebsten die Bezeichnung Türke, Jude, Araber, Sachse, Russe und Ostfriese in der gleichen Weise wie „Kanake“ als übles Schimpfwort verstanden wissen wollen, ist ein Beleg dafür, dass man sich die Sprache nicht von jedem menschenverachtenden Deppen „aus dem Mund“ nehmen lassen darf. Dass dies jemals zur anerkannten sprachlichen Konvention wird, sollten wir alle helfen zu unterbinden.

  111. @ Superglue, #144

    Ich kann mich Geert nur anschließen, vielen Dank.

    „Schon allein deshalb ist die Erwartung, ein Begriff der ‚früher immer‘ in Ordnung gewesen sei, müsse von daher auch heute (und in aller zukunft) gleichermaßen unbeanstandet durchgehen können, reichlich naiv und weltfremd.“

    In dieser Hinsicht möchte ich darauf hinweisen, dass im Deutschen bis heute wie selbstverständlich Vokabular der Nationalsozialisten benutzt wird. Das fängt schon beim „Dritten Reich“ an und geht weiter bis zur „Vernichtung“ (statt „Ermorderung“) der Juden, selbst „Reichskristallnacht“ (statt „Reichsprogromnacht“) ist auch außerhalb rechter Kreise vereinzelt noch zu hören. Ganz ähnlich wie bei Schwarzen vermögen sich viele sicher nicht vorzustellen, was dies für „betroffene“ Menschen bedeutet – aber ich denke, es spricht für sich, dass z.B. die Guides im Galizischen Jüdischen Museum Krakau angehalten sind, eben dieses Vokabular zu vermeiden.

    Im letzten Satz kann man auch ganz gut meine eigene Unsicherheit in Bezug auf Nazi-Vokabular erkennen: ich habe ein Problem mit dem Wort „Führer“ und benutze daher „Guide“. Andererseits – billigt man Hitler (damit das Wort endlich auch mal in der Diskussion auftaucht :)) nicht eine unglaubliche Macht zu, wenn er auch noch fast 70 Jahre später die Alltagssprache beeinflusst und das Wort exklusiv für ihn in Anspruch genommen wird? Dazu hat sicher auch beigetragen, dass es das Wort in diverse andere Sprachen geschafft hat, und zwar nur in der von Hitler gewünschten Bedeutung. Ein Krakauer Theater hat z.B. vor einiger Zeit für ein Stück „Jestem waszym Führerem“ (Ich bin Euer Führer) geworben. Anders als in Deutschland geht aber in Polen zumindest der exklusive Gebrauch verloren, das Wort wird auch für andere Diktatoren angewandt – mit eben jenem Satz hat z.B. die liberale Gazeta Wyborcza einen Artikel über Lukaschenka überschrieben.

    Ähnlich das zunächst unverdächtig erscheinende Wort „Anschluss“: Hier hat es der Propagandabegriff „Anschluss Österreichs“ u.a. ins Englische, Polnische, Tschechische, Französische, Italienische, Ungarische, Dänische, Spanische, Portugiesische und Rumänische geschafft und wird in diesen Sprachen benutzt, ohne sich der Vergangenheit des Begriffs bewusst zu sein. Nur im Englischen und Polnischen wird übrigens „Österreich“ ergänzt, in den anderen Sprachen spricht „Anschluss“ offenbar für sich. In deutschen Texten wird es (in diesem Zusammenhang, nicht bei Anschlusszügen…) inzwischen vielfach in Anführungszeichen gesetzt.

    Leuten wie Broder sind solche Überlegungen natürlich fremd, denn es geht ihnen ja ausschließlich um die billige Provokation, Effekthascherei – und da gilt das gleiche wie bei der Programmgestaltung von Phoenix und N24: „Hitler geht immer!“ Wer – wie Broder im beschriebenen Fall – keine Argumente oder noch nicht mal relevante Themen hat, muss halt durch Pöbeln auf sich aufmerksam machen. Da sind irgendwelche Befindlichkeiten nebensächlich (vielleicht mit Ausnahme seiner eigenen).

    Gut, im konkreten Fall: Ist Broder nicht sogar Jude? Dann wäre der Vergleich zu den deportierten Juden zwar noch immer billige Provokation, aber immer noch etwas anderes, als wenn ein christlicher oder atheistischer Deutscher ihn schriebe. Abgesehen davon ist ja wohl die ganze Argumentation, aus einer Lapalie wie dem Entfernen EINES Artikels aus dem Sortiment EINES Supermarktes den Untergang des Abendlandes abzuleiten, in höchstem Maße lächerlich. Aber wenn Rechte irgendwas können, dann den Untergang des Abendlandes beschwören…

  112. Schade, dass der broder keine webkamera in seinem Büro installiert hat. So kann man leider nicht sehen, wie er sich über die Aufregung hier totlacht.

  113. Erstaunlich wie aktuell das Thema doch immer noch ist und wie hartnäckig manche Leute eben darauf bestehen, von hässlichen „Negern“ und ihren „ekligen Schlauchbootlippen“ schwadronieren zu dürfen. Wenn´s kein kalkulierter PR-Gag als Promo zur Buchtour war, dann ist Sarah Kuttners minutenlange öffentliche Hasstirade auf ihre ungeliebte „Negerpuppe“ und die darauf folgende Anzeige eines Zuschauers wegen Beleidigung genau wie ihr ehemaliger Kollege Mola Adebisi richtig sagte, ein Ausweis von fehlender emotionaler Intelligenz, Rassismus und „Minderbemitteltheit“. If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck. Wer rassistische Sprache benutzt ist, wahrscheinlich ein Rassist.

  114. „Wer rassistische Sprache benutzt ist, wahrscheinlich ein Rassist.“

    Das ist vielleicht etwas zu kurz gedacht. Ohne Frau Kuttner diesbezüglich einordnen zu können und zu wollen und auch ganz ohne sie vielleicht unverdientermaßen in Schutz nehmen zu wollen: Man kann auch rassistische Sprache benutzen, um Rassismus bloßzustellen. Das ist ein Stilmittel unzähliger Kabarettisten.

  115. @ PeterOhneWolf

    Danke für die Belehrung. Von Ironie hatte ich tatsächlich noch nie vorher gehört.

    Ohne das weiter ausbreiten oder Frau Kuttner Unrecht tun zu wollen – ich war nicht dabei und die Darstellungen des fraglichen Vorfalls sind sehr wiedersprüchlich – , ist imho allerdings schon interessant, was sie ihrer Protagonistin im Roman über diese Puppe (http://www.gutefrage.net/media/fragen/bilder/ich-suche-eine-grosse-negerpuppe-aus-den-7080-jahren/0_big.jpg) in den Mund legt:

    „Nichts zu sagen ist allerdings gegen meine Negerpuppe. Ein riesiges Stoffungetüm, ganze achtzig Zentimeter purer, unschuldiger Rassismus mit einem obszön großen Kopf, der so schwer ist, dass er der Puppe immer wieder auf die schmalen Schultern fällt und ihr so permanent einen ergreifend niedergeschlagenen Eindruck verleiht. Als wäre das nicht schon entsetzlich genug, wird das Ganze noch von einem furchterregenden Paar praller, aufgenähter Wurstlippen getoppt. Vollkommen undenkbar, dass so etwas heute noch verkauft würde (…).“

    Da es sich ja – wie Kuttner selbst sagt – um eine autobiographische Passage handelt, beschreibt sie offensichtlich ihre eigene Wahrnehmung. Und die ist doch in der Tat entlarvend. (Oder bin ich der einzige, der das so sieht?!) Ich persönlich finde die Puppe eigentlich ganz niedlich. Weder „unschuldig rassistisch“, noch mit einem „permanent ergreifend niedergeschlagenen Eindruck“. Auch der Kopf ist nicht „obszön“ groß und die angeblichen „Wurstlippen“ sind auch nicht „furchterregend“, sondern lächeln doch eher freundlich. Ich unterstelle mal, dass sie eine Puppe, die ein weißes „Kindchen-Schema“ bedient, wahrscheinlich einfach nur „süß“ gefunden hätte. Was hat Sarah Kuttner (respektive ihr literarisches alter ego) für ein Problem mit einer Puppe, die ein schwarzes Kind darstellt? Und warum ist diese naive Darstellung in ihren Augen automatisch „rassistisch“? (Ist Jim Knopf rassistisch?) Mir erscheint der Text irgendwie verquast, um nicht zu sagen, etwas …hmmm… verlogen. Ich kann mir nicht helfen, aber mir kommt es vor, als würde sie unter dem fadenscheinigen Vorwand, rassistische Ressentiments anzuprangern, diese gleichzeitig lustvoll-verschämt bedienen. Die wurstlippige Karikatur, die sie von der Puppe zeichnet, hat – mit Verlaub – schon beinahe „Stürmer“-Niveau. Die Puppe ist wie eine Art negativer Fetisch, an dem sie sich ungeniert abarbeitet. Am Ende kann sie dabei immer verwundert und entschuldigend behaupten, sie habe ja nicht die „echten Neger“ gemeint. Die Puppe ist die kindlich-naive (und wenn man sie ganz unbefangen betrachtet, doch garnicht gehässsige) Darstellung eines schwarzen Kindes. (Asiatische Puppen haben übrigens Mandelaugen, europäische Puppen sind häufig hellblond und blauäugig. Ist das rassistisch?Warum glaubt sie: „Vollkommen undenkbar, dass so etwas heute noch verkauft würde.“ Einfach z.B. mal bei Ikea nach „Lekkamrat“ suchen.)…Rassismus ist eben für mich auch schon, wenn man ihn permanent irgendwo verortet, wo er garnicht ist. Rassismus ist das Gegenteil von Unbefangenheit in bezug auf die Hautfarbe und die äußere Erscheinung von Menschen. Dass und wie Frau Kuttner die in ihrem Text zum Thema macht, scheint mir aber eher etwas befangen. Auch wenn es vordergründig nur um eine Puppe geht.

  116. @H.M.Voynich

    ich dachte eigentlich an den Jim Knopf auf dem Buchdeckel: http://ecx.images-amazon.com/images/I/71VSFC84RNL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-arrow-click,TopRight,35,-76_AA300_SH20_OU03_.gif
    oder wer´s moderner mag an den auf dem Hörbuch:
    http://cdn.vital.de/bilder/gallery_big/sites/default/files/storybilder/jim-knopf-hoerbuch.jpg

    Ich finde übrigens auch diese Lippen ganz „normal“.

    Wer hat nochmal gesagt: „Die Deutschen werden den Juden den Holocaust nie verzeihen.“? So ähnlich ist es wohl mit den Schwarzen: Denen werden wir die durch uns verübte Ausbeutung und Unterdrückung auch nie vergeben.
    S. Kuttner spricht über den „unschuldigen Rassismus“ der Puppe, den ich z.B. garnicht erkennen kann. Puppen sind doch immer naive und überzeichnete – wenn man so will – „karikaturenhafte“ Darstellungen von Kindern. Das ist bei weißen Puppen nicht anders. Jede (!) Puppe arbeitet mit Klischees und Stereotypen, sonst würde sie doch als kindliche Projektionsfläche garnicht funktionieren. Daran ist solange nichts Anrüchiges, bis man es dazu macht und beginnt, die Typen mit negativen Attributen („wulstig“, „eklig“, „niedergeschlagen“) zu belegen. Ich finde hingegen, man kann schwarze Kinder als Puppe so darstellen, ohne dass irgendeiner Grund hätte, diese Darstellung automatisch als gehässig oder rassistisch zu problematisieren. Ich empfinde es z.B. nicht so, dass die Lippen der Puppe dem „Klischee“ oder rassistischen Stereotyp des „Negers“ mit Wulstlippen geschuldet sind, sondern dass sie vielmehr – wie Sie ja selbst mit Ihrem Bild eindrucksvoll belegen – einfach einen breiten, freundlich lächelnden Mund darstellen, den man bei vielen anderen Puppen auch finden kann…Nur Kuttner scheint in der Puppe reflexhaft das Klischee des schwarzen „Bimbos“ mit den Schlauchbootlippen zu sehen, findet sie deshalb hässlich, „niedergeschlagen“ und „eklig“. Und das – wohlgemerkt – als „reflektierende“ Erwachsene. Sie beschreibt ja nicht die unmittelbare kindliche Wahrnehmung. Ich hatte beim Lesen vielmehr den Eindruck, sie schäme sich geradezu dafür, dass sie diese Puppe als Kind einmal gemocht hat und nun – als Erwachsene – will sie in ihr einen „unschuldigen Rassismus“ entdecken, den sie aus einem Gefühl der „political correctness“ heraus kritisiert. Mein Problem damit ist, dass sie schlicht übers vermeintliche Ziel hinausschießt: Sie vermutet selbst in einer (für mich) harmlosen (oder sogar niedlichen) Repräsentation eines schwarzes Kindes, rassistischen Ressentiments oder Hintergedanken des Herstellers. Indirekt stigmatisiert sie damit beinahe jegliche Darstellung nicht weißer „Typen“ als problematisch und belegt diese mit einem Tabu. „Vollkommen undenkbar, dass so etwas heute noch verkauft würde (…).“ Und eine wesentliche Eigenschaft von Tabus ist, dass ein unbefangener und entspannter Umgang mit Ihnen nicht möglich ist. Ich stelle mir einfach die Frage, wie wohl nach Frau Kuttner Auffassung eine schwarze Kinderpuppe aussehen muss, damit sie nicht hässlich, furchteinflösend oder traurig wirkt. Vielleicht – so zumindest mein Verdacht – wäre es ihr am liebsten, die Puppe wäre einfach weiß.

  117. „Ich bin zutiefst erschrocken darüber, wie viele Menschen sich in den letzten Tagen eine handfeste Meinung über mich, basierend auf einer einseitigen Berichterstattung der Boulevardpresse, gebildet haben. (…) Ich bin kein Rassist. Ich habe mich auf keiner meiner Lesungen rassistisch geäußert, ganz im Gegenteil: Ich habe mich über ein rassistisches Spielzeug echauffiert.“ zitiert nach http://www.abendblatt.de

    Für sie ist das Spielzeug rassistisch, weil es schwarz ist, große Kulleraugen hat, krause, schwarze Haare und ein breites Lächeln mit kräftigen roten Lippen? Wäre spannend zu erfahren, was Frau Kaufmann wohl zu diesem Herrn eingefallen wäre: http://images.zeit.de/kultur/film/2012-05/guenther-kaufmann/guenther-kaufmann-540×304.jpg

  118. Als ich mir diese Puppe auf dem Drehstuhl neugierig ansah dachte ich erst spontan: „Sowas will ich aber nicht in der Wohnung haben, wenn meine Freunde zu Besuch kommen“.

    Aber dann dachte ich auch, dass wir sommersprossige Puppen haben, die das gleiche, was diese Puppe ist, in weiß ist. Ohne Kontext unterstellt man so einer Puppe leicht, was doch eigene Projektion ist.

    Man könnte sicherlich herrlich unterschiedliche Meinungsbilder mit der gleichen Puppe bilden, je nach dem, wie man sie präsentiert – zum Beispiel in dem man sagt, sie ein das Mitbringsel eines Flüchtlingkindes aus – sagen wir – Nordnigeria. Oder man sagt es sei ein Tombolagewinn einer christlichen Sammelaktion aus 60ern in Baden-Württemberg.

    Der Kontext macht hier die Musik. Von Phönix gab es mal so eine Werbung „Machen Sie Sich das ganze Bild“.

    Wieviel weiß Frau Kuttner über die Puppe, also wer die Produktion unter welchen Gesichtspunkten veranlaßt hat, und was sind nur ihre Projektionen? Das wäre interessant zu wissen. Und wer hat sie wieso angeschafft?

    Als Kind kann man sicher mit einer solchen Puppe spielen, und sich mit ihr identifizieren – egal ob man selbst ein sogenannt farbiges Kind ist oder ein elfenbeinweißes. Ein Kind kann auch ein Stück Holz zur Person erklären und damit spielen. Es kann die Puppe auch als weiteren Zoobewohner einordnen, neben Bär und Reh und Pferdchen.

    Gleich nach der Puppe selbst ist das Kind sicherlich die unschuldigste Figur in diesem Setting.

    Was Frau Kuttner über die Puppe weiß, und was nur ihre Projektion ist entzieht sich meiner Kenntnis – strategisch wäre sie gut beraten sich eine Anwältin mit dunkler Hautfarbe beim Prozess zu bedienen. Mir zeigt das Beipiel, wie anfällig ich für rassistische Zuschreibungen bin, und dass es gar nicht verkehrt ist, wenn man sich in dem Thema so befangen präsentiert, wie man ist, und nicht den pol-kor.-unbefangenen Checker spielt, der mit gar nix ein Problem hat.

  119. Sorry, Leute. Egal, ob man diese Puppe jetzt als rassistisch ansieht oder nicht (ich tu’s, genauso übrigens wie die Darstellung der Numibier bei Asterix oder der Afrikaner bei Tim im Kongo), um Sarah Kuttner aufgrund der oben zitierten Textpassage als rassistisch oder sogar als Rassistin zu bezeichnen, braucht es neben viel bösem Willen auch ganz schöner argumentatorischer Verrenkungen. Weil sie sagt, dass man Menschen mit dunkler Hautfarbe heute nicht mehr so darstellen würde, ist sie eine Rassistin? Häää?! Ich kenne die Frau nicht, vielleicht ist sie Rassistin, aber anhand des Textes kann man das nun wirklich nicht erkennen.

  120. @ guido
    Der fragliche Benjamin B. ist selbst ein schwarzer Deutscher mit äthiopischen Wurzeln.

    Meine Aussage „So ähnlich ist es wohl mit den Schwarzen: Denen werden wir die durch uns (sic!) verübte Ausbeutung und Unterdrückung auch nie vergeben.“ ist in einer Hinsicht verräterisch: Man beachte das mich einschließende „uns“. Ich selbst bin also weiß und kann demnach nicht Benjamin B. sein. Und glauben Sie mir: Wenn ich es wäre, hätte ich ganz sicher hier mit meinem vollen Namen gezeichnet. Im übrigen denke ich: Ein Mensch, der sich traut, eine so öffentliche Person wie Frau Kuttner noch aus der Lesung heraus anzuzeigen – insbesondere nachdem das ansonsten versammelte weiße Publikum an den fraglichen Passagen und mündlichen Erläuterungen offensichtlich keinen Anstoß genommen hat – wäre wahrscheinlich auch nicht so „feige“, sich dann hinterher ausgerechnet bei Niggemeier unter einem Pseudonym zu äußern.

    Ob Frau Kuttner Rassistin ist oder nicht , weiß ich nicht und interessiert mich auch sehr wenig. Ich glaube allerdings, dass sie sich wahrscheinlich selbst eigener xenophober Ressentiments nicht bewusst ist und sich trotzdem für jemanden hält, der diese kritisch reflektieren kann und frei davon ist. Ich glaube, dass sie in dem Bemühen „politisch korrekt“ zu sein, absichtlich oder unabsichtlich eben solche Klischees und Steroptypen bedient hat. Und allein, dass sie die Puppe (ohne dies als die inzwischen erwachsen gewordene Person kritisch zu kommentieren) hartnäckig „Negerpuppe“ nennt, steht meiner Ansicht nach im Widerspruch zu dem von ihr behaupteten aufklärerischen antirassistischen Impetus. Diese Wortwahl wird von ihr z.B. garnicht hinterfragt, nicht mal in Anführungszeichen gesetzt. (Sie hätte ja z.B. auch über die schwarze Puppe berichten können, die sie als Kind noch unschuldig-naiv „Negerpuppe“ genannt hat.) Sie ist es, die aus einer („politisch neutralen“) harmlosen, freundlich lächelnden Puppe, eine verabscheuungswürdig rassistische, gehässig literarische Karikatur macht, um dann – fast schon hinterhältigerweise – zu behaupten, sie wollte doch nur eben diese Wahrnehmung kritisieren. Das ist der Sache unangemessen, fahrlässig und kontraproduktiv, wenn nicht gar verlogen. Ich glaube mindestens, dass Frau Kuttner keine besonders gute Schriftstellerin ist – auch keine Intellektuelle – und nicht eben virtuos mit Worten umgehen kann. Ich halte sie nicht für besonders fein- und scharfsinnig. Wenn es – wie von ihr erklärt – darum ging, sich polititisch unmissverständlich als jemand zu positionieren, der xenophoben Äußerungen ablehnend gegenüber steht, dann ist sie meiner Ansicht nach gescheitert, weil sie zuviel Raum für ungewollte Fehlinterpretation gelassen hat. Dies ist kein Thema für Mehrfachlesbarkeiten. Dafür finde ich es zu heikel. Wenn sie politisch verstanden werden will, dann muss sie auch den sprachlichen Schlüssel zum gewünschten Textverständnis mitliefern.

    @ Inga
    Ihr Beitrag zeigt, dass Sie offensichtlich nicht wirklich verstanden haben, worüber hier gesprochen wurde.
    „Weil sie sagt, dass man Menschen mit dunkler Hautfarbe heute nicht mehr so darstellen würde, ist sie eine Rassistin? Häää?!“
    Nun, sie hat wohl etwas mehr als das gesagt. Und ich auch. Zur Textrezeption und -interpretation gehört aus Gründen der Fairness und Redlichkeit schon ein bisschen mehr Akkuratesse.

    Aber – I beg your pardon – dieser Thread schweift ab.

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