Baku wird erst durch dapd richtig schön

Einerseits ist es natürlich traurig, dass die Nachrichtenagenturen dpa und dapd zu ihrem anhaltenden Sandkastenduell nicht einmal eigene Förmchen mitbringen. Andererseits wäre es auch schade, wenn über die Qualität von dapd diskutiert würde, ohne deren Feature „Baku — Kaukasische Metropole zwischen Europa und Orient — Geschichte und Moderne dicht beieinander — ‚Kommt und schaut euch Baku an'“ zu würdigen.

Es ist ein Stück, das sich liest, als hätte es eine der PR-Agenturen Aserbaidschans selbst diktiert — als Kontrastprogramm zu all den unschönen Geschichten über zusammengeschlagene Journalisten, drangsalierte Regimegegner, verhaftete Demonstranten.

Um es vorweg zu sagen: Natürlich ist Aserbaidschan mehr als ein Ort, an dem Menschenrechte verletzt werden. Es ist ein faszinierendes Land voller Widersprüche, der vielleicht säkularste muslimische Staat der Welt, Baku eine glitzernde, staubige Metropole.

Im Baku-Werbeprospekt von dapd, verfasst von Jakob Lemke, liest sich das so:

Gut 20 Jahre nach der Befreiung von sowjetischer Fremdherrschaft öffnet sich Baku zunehmend wieder dem Westen und den Touristen. Am 26. Mai wird man sich als Gastgeber des diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) Tausenden von Besuchern und geschätzten 140 Millionen Fernsehzuschauern präsentieren. Um sich unabhängiger vom Öl- und Gasgeschäft zu machen, soll Tourismus entwickelt werden. Die internationale Geschäftswelt strömt bereits wieder ins Land.

So weit, so gut. Und jetzt geht’s los:

„Baku wird die schönste Stadt der Welt“, verspricht Staatspräsident Ilham Alijew regelmäßig. 2008 wurde er mit 88 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen im Amt bestätigt. Um viele Prestigeprojekte wie das ESC-Finale, das neue Teppichmuseum mit Goldornamenten im Dach oder den prunkvollen Boulevard am Kaspischen Meer kümmert sich die Präsidentenfamilie persönlich. Die Stadtbevölkerung scheint den Kurs zu bejahen. „Seit die Alijews regieren, geht es aufwärts“, hört der westliche Besucher in aller Regel auf die Frage, ob zur wirtschaftlichen Dynamik nicht auch mehr Demokratie passe.

Ein legitimer Herrscher, der seine Stadt schön und ihre Bewohner glücklich macht. Wer will so ein hübsches Bild schon zerkratzen durch die Information, dass die Präsidentschaftswahl von internationalen Beobachtern kritisiert wurde, weil zum Beispiel die Opposition kaum Möglichkeiten hatte, sich in den Medien oder der Öffentlichkeit darzustellen; dass Demonstrationen verboten waren, und dass alle größeren Oppositionsparteien die Wahl boykottierten.

Und klingt es nicht rührend, fast selbstlos, dass sich die Präsidentenfamilie sogar „persönlich“ um die aufregendsten Projekte „kümmert“? Die Feststellung an sich ist nicht falsch. Man könnte es, etwas treffender, vielleicht so formulieren, dass die Präsidentenfamilie das Land einfach behandelt, als würde es ihr gehören. Aserbaidschan ist eines der korruptesten Länder der Welt. Es ist reich (Öl), aber der Reichtum kommt vor allem einer kleinen Clique zugute. Bürgerrechtler sagen, dass die Präsidentenfamilie und ihre Freunde sich um das Land „kümmern“, wie es die Mafia tut.

Aber auch mit der kann man sich ja arrangieren, und warum soll man die Menschen in Baku mit so etwas Anstrengendem wie echter Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit zwangsbeglücken, wenn sie zufrieden sind, so wie es ist? Zum Beleg dafür zitiert dapd irgendjemanden, der nicht genannt wird, und behauptet, was er sagt, sei das, was der westliche Besucher „in aller Regel“ hört. Wenn ich Kunde bei einem Laden wäre, der seriöse Nachrichtenagentur sein will und eine solch windige Formulierung durchgehen lässt, würde ich mein Geld zurückverlangen.

Und wie geschickt vage das Zitat eingebaut ist:

„Seit die Alijews regieren, geht es aufwärts“, hört der westliche Besucher in aller Regel auf die Frage, ob zur wirtschaftlichen Dynamik nicht auch mehr Demokratie passe.

Es ist in dieser Formulierung nicht eindeutig, ob es laut (mutmaßlich von dapd erfundenem) Zitat wirtschaftlich aufwärts geht oder in Bezug auf die Demokratie. Nach Ansicht von Bürgerrechtlern und internationalen Beobachtern geht es mit der Demokratie in Aserbaidschan nicht aufwärts, nicht einmal ein bisschen. Es wird schlimmer.

Man würde das nicht ahnen, als dapd-Kunde oder -Leser.

Es folgen weitere Werbe-Sätze:

Wolkenkratzer entstehen in atemraubendem Tempo, an Bushaltestellen informieren moderne LCD-Bildschirme, Luxusboutiquen und Einkaufszentren locken — Baku zeigt sich reich. Wer sich auf das Stadtleben einlässt, erlebt eine selbstbewusste, zukunftsorientierte City.

Ich will nicht ausschließen, dass es das auch gibt. Mir haben Menschen, die sich auskennen oder dort leben, erzählt, dass sie eine Stadt erleben mit wenig Kulturleben und viel Materialismus — und dass die klugen Köpfe, die es können, das Land verlassen.

An den Plakatwänden prangt Werbung für Mobiltelefone und Modeketten, die alten Lada-Taxis haben mittlerweile Konkurrenz von violetten London-Taxis bekommen.

Ja. Oder wie es Peter-Philipp Schmitt in seiner Reportage in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb:

Seinen Job hat Saxib auch gleich verloren. Er war Taxifahrer, hatte einen Kredit aufgenommen und einen Lada gekauft. Vor einigen Wochen aber schaffte Baku Tausende Neuwagen an. Sie sehen aus wie die berühmten Londoner Cabs. Gleichzeitig erging ein Erlass, dass Autos bestimmter Marken wie Lada und Wagen, die vor 2006 gebaut wurden, nicht mehr auf Bakus Straßen als Taxis fahren dürfen. Baku soll modern und westlich sein, wenn die Europäer kommen. Doch die alten Taxifahrer, die keine Lizenz für das neue Zeitalter bekommen, sind arbeitslos geworden.

Aber zurück zu dapd, deren Bericht sich dem propagandistischen Tiefpunkt nähert:

Auf den Marmorplatten des Boulevards promenieren Familien und schwitzen Jogger, daneben locken Cafés. Natürlich patrouillieren auch Polizisten – aber meist haben sie Zeit für ein Schwätzchen oder eine Tasse Tee, denn Baku ist eine Hauptstadt mit gegen Null tendierender Kriminalitätsrate.

Tatsächlich scheint Baku eine Stadt zu sein, in der man relativ sicher ist, solange man nicht auf die absurde Idee kommt, sich politisch zu engagieren, demonstrieren zu wollen, für Bürgerrechte zu kämpfen. Dann aber kann man erleben, wie die freundlichen aserbaidschanischen Alois Dimpfelmosers doch kurz ihre Teetassen zur Seite stellen und mit massiven Mitteln dafür sorgen, dass sich die Präsidentenfamilie weiter ungestört um die Verschönerung der Stadt kümmern kann.

Geht weiter:

Das gilt auch für die ärmlicheren Vororte, wo sich Autos über Holperwege mühen und auf dem Markt Hammelköpfe angeboten werden. Konkrete Wünsche wie „eine neue Schule“ oder „der Spielplatz sollte renoviert werden“ verschweigt hier niemand — aber umsetzen sollen das ruhig „die Alijews“. Vor manchem baufälligen Haus parkt ein Mercedes, daneben stolzieren junge Frauen hochhackig durch ihr Viertel. Der auf Öl- und Gasproduktion beruhende neue Reichtum verteilt sich stetig, nirgendwo sind Bettler zu sehen.

Es gibt doch keine effektivere Armutsbekämpfung als das Entfernen von Bettlern von der Straße.

Der dapd-Text endet mit einem Mann, der in einer alten Karawanserei arbeitet:

Sulejmanzade ist überzeugt, dass „manche Kritik aus dem Ausland eigentlich wie Besserwisserei von Ortsfremden klingt“. Man habe nichts zu verstecken, sagt er. Mit Klischees ist Baku nicht beizukommen, diese Stadt will sich wieder selbst definieren.

Der dapd-Reporter Jakob Lemke hat sie nicht einmal explizit erwähnt, die Kritik an der fehlenden Rechtsstaatlichkeit Aserbaidschans, am Umgang des Landes mit seinen Bürgern, an der Korruption, an der Missachtung universaler Menschenrechte, an den unerklärlichen Toden von Regimekritikern im Polizeigewahrsam, aber sicherheitshalber diffamiert er sie trotzdem als „Kritik aus dem Ausland“, als Klischee.

Lemke betreibt übrigens für dapd auch ein Blog, in dem er über seine Erfahrungen in Aserbaidschan schreibt. Darin stehen Sätze wie „Angst vor Uniformierten ist in Aserbaidschan nicht notwendig“. Und: „Uns folgt auch kein Aufpasser, wie ich es in anderen ex-kommunistischen Ländern schon erlebt habe. (…) Und bei Treffen mit Personen, welche dem offiziellen politischen Kurs der Führung in Baku widersprechen, haben wir weder bei uns noch beim Gegenüber Angst gespürt.“

Es muss in einem anderen Baku gewesen sein als dem, das viele Kollegen und ich in den vergangenen Monaten besucht haben.

Nachtrag, 22:00 Uhr. „Der Westen“ hat den dapd-Artikel gelöscht.

57 Replies to “Baku wird erst durch dapd richtig schön”

  1. Erinnert mich ein bisschen an die Nordkorea-Reportage, die ich mal auf einem Blog der „Freunde der Demokratischen Volksrepublik Korea“ (oder so ähnlich) gelesen habe.

  2. @wortwart: Na, die Spannungen sind schon insofern nicht „beigelegt“, als Armenien einen erheblichen Teil des Staatsgebietes von Aserbaidschan besetzt hält. Der Konflikt dient beiden Seiten aber offenbar auch als Vorwand dafür, demokratische Reformen zu verschleppen.

  3. Und nun die unvermeidliche Lemke-Blog-Lese, 1. Teil.

    Der Reporter wird oft mit „Heil Hitler“ begrüßt und resümiert:
    „Anmerkung: Ich weiß, dass man sich mit solchen Themen in Deutschland schwer tut, finde aber, dass man dies in einem Blog über das Land zur Sprache bringen kann und sogar muss.“

  4. Warum schreibt man sowas? Also Lemke jetzt? Weil man doof und blind ist? Weil man dafür von der richtigen Seite bezahlt wird? Oder weils einfach komplett egal ist?

    Eine betrunkene Brigitte Nielsen meinte sich auch in irgendeiner Talkshow über das wunderbare, offene, phantastische Kuba auslassen und einem dann doch eher Experten, der da dezidiert anderer Meinung war, widersprechen zu müssen.

  5. En passant löst der Text vielleicht auch das Kürzelrätsel: Deutsch-Aserbaidschanischer Presse-Dienst

  6. Kann mir einer von Euch ein Land nennen, das nicht voll von Widersprüchen ist? Da würde ich gerne mal Urlaub machen. Moment! Die Antarktis.

  7. Margot Honecker war ja auch so freundlich, sich um die Volksbildung der DDR zu „kümmern“. Wenn die ganze Familie mitregiert, ist das doch immer ein besonders gutes Zeichen!

  8. Lesen Sie im nächsten Teil von „Diktatur – eine missverstandene Staatsform“ über die Bombenstimmung in Teheran und die schnellen Wege der Bürokratie in Kabul…

  9. Das ist aber ganz toll, dass er keine Angst vor Repressalien hatte, als er sich mit Dissidenten unterhalten hat.

  10. „Personen, welche dem offiziellen politischen Kurs der Führung in Baku widersprechen“

    Das Auswärtige Amt ist neuer dapd-Großkunde. Schlimmer kann das AA so etwas nicht formulieren.

  11. @theo: Ja. Aber das AA formuliert stattdessen:

    Die mangelnde Umsetzung von Vorgaben des Europarates, insbesondere hinsichtlich der Medienfreiheit, gibt nach wie vor Anlass zur Kritik. (…)

    Insbesondere die starken Einschränkungen von Medien- und Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan beeinträchtigen die demokratische Chancengleichheit. (…)

    Auch wenn die im Juli 2009 wegen „Rowdytums“ verhafteten kritischen Blogger und Jugendaktivisten Emin „Milli“ (Abdullayev) und Adnan Hajizade im November 2010 sowie der Journalist Eynulla Fatullayev im Mai 2011 vorzeitig auf freien Fuß gesetzt wurden, sind Meinungs-und Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan nach wie vor eingeschränkt.

  12. Kunden wie der „Westen“ lesen solche Agenturmeldungen vermutlich gar nicht, bevor sie sie online stellen, geschweige denn, dass sie sich vor der Veröffentlichung kritisch mit dem Inhalt auseinander setzen. Mindestens vier Schreibfehler in Vorspann und Bildzeile deuten jedenfalls nicht darauf hin, dass viel Energie in die Aufbereitung des Textes geflossen ist.

    Hauptsache, die Seite ist voll. Und die Agentur, die hat eh immer recht.

  13. „Uns folgt auch kein Aufpasser, wie ich es in anderen ex-kommunistischen Ländern schon erlebt habe.“

    Ja, das kenne ich aus Diktaturen. Linientreue Kollegen können auf sich selbst aufpassen, da spart man sich den Aufwand seitens der Sicherheitskräfte. Vermutlich unterschätzt er aber das Risiko, auf seiner Schleimspur auszurutschen.

  14. Mal persönlich gefragt: Stefan, fährst du eigentlich dieses Jahr nicht nach Baku? Gar keine Bedenken sich hier im Vorfeld so kritisch zu äussern? Gerade weil der Begriff Pressefreiheit in Baku anscheinend eher nur in Fremdwörterbüchern vorkommt würde ich selbst ja eher meine Kritik am Regime auf die Zeit nach meinem Aufenthalt verschieben aus Angst sonst schon am Flughafen freundlich „begrüsst“ zu werden.

    Oder bist du einfach nur ein sehr mutiges Kerlchen und ich ein Feigling?

  15. Ich vermute, dies ist jene Vorbereitungsarbeit, die üblich ist, wenn sich die Aktionäre der DAPD media Holding AG auf weitere Zukäufe zum Ausbau der europäischen Nachrichtenagentur vorbereiten (oder bereits daran arbeiten).

    Es wäre geschäftsschädigend durch kritische Berichte die Aufkäufe zu verteuern oder gar zu verhindern.

  16. Ich fand die ersten paar zitierten Textstellen durchaus interpretationsfähig. Wer jeden der Sätze innerlich mit „, wenn Sie wissen was ich meine“ vervollständigt, kann da für meine Begriffe auch DDR-typischen, ironischen Sarkasmus statt unreflektiertem Jubelpersertum entdecken. Das relativiert sich leider in den späteren Passagen zusehens.

  17. Hallo Herr Niggemeier,

    auch wenn es mir nicht notwendig erscheint, die kompetente, dezidierte Arbeitsweise der dapd zu thematisieren, vielen Dank für Ihren Text.

    Ein Aspekt stört mich jedoch auch nach dem zweiten Lesen: Sie kritisieren – mit Recht – die Anonymität des nicht näher benannten Aserbaidschaners, der stellvertretend für sein Land Herrn Lemke, stellvertretend für den – dem Regelwerk entsprechenden – westlichen Besucher, erklärt, dass „es“ aufwärts geht.

    Sie bedienen sich jedoch eines ähnlichen Mittels, wenn Sie von „Menschen, die sich auskennen oder dort leben“ berichten, die Ihnen erzählt haben, „dass sie eine Stadt erleben mit wenig Kulturleben und viel Materialismus – und dass die klugen Köpfe, die es können, das Land verlassen“.

    Insgesamt empfinde ich den Text als behauptende Aufzählungen, die meiner Ansicht zumeist zutreffend sind; jedoch vermisse ich die Links zutiefst, die erkennen lassen, dass sich die Listungen auf belegbare Ereignisse berufen.

    Grüße

  18. Ich bin, anders als der Hausherr hier, der Meinung, dass nicht jeder einzelne Text über Aserbaidschan die problematischen politischen Verhältnisse dort thematisieren muss.

    Baku ist eine faszinierende Stadt, Aserbaidschan ein faszinierendes Land. Es mag auch Menschen geben, denen ein gepflegtes Stadtbild ohne Bettler wichtiger ist als das Recht, sich gegen eine Regierung aufzulehnen, die dem Volk dort wirklich überwiegend Wohlstand und Sicherheit beschert hat.

    Es ist eine der abstoßenderen Eigenschaften der deutschen Linken, die eigenen Maßstäbe auch allen anderen Völkern aufdrängen zu wollen. Da manövriert man sich von ganz links dann auch mal schnell in ein ansonsten doch eher verpöntes Herrenmenschengehabe. Nicht Herrenmenschen weil groß und blond und deutsch, sondern weil westlich und demokratisch und sozial und immer mal wieder „dagegen“.

  19. Wollen Sie das dapd-Zitat, das allem Anschein nach frei erfunden wurde und auschließlich dem Zweck dient, per diffuser Feel-Good-Stimmung jedwede (höchst berechtigte) Kritik am Regime abzuwinken, tatsächlich in die selbe Schublade packen wie die Ausführungen Niggemeiers? Bloß, weil beide sich auf eine anonyme Quelle berufen ist es automatisch die gleiche perfide Propaganda? Die Tatsachen, dass Niggemeiers Zitate echt sind, konkrete und reale Mißstände aufgezeigen, keinen Allgemeingültigkeitsanspruch vorgaukeln, aufklären wollen statt verblenden, usw usf, sind wirklich nicht von Belang?
    Lesen sie aus diesem Artikel tatsächlich den Vorwurf heraus, alle anonymen Zitate seien per se böse Propaganda? Oder waren sie lediglich auf der Suche nach einer billigen Möglichkeit, den Autor als Heuchler darzustellen (wie es in „intellektuellen“ Diskussionen ja usus ist)?

  20. @peterOhneWolf: Ich bin keineswegs der Meinung, dass jeder Text über Aserbaidschan die politischen Verhältnisse thematisieren muss. Aber das dapd-Stück thematisiert die politischen Verhältnisse — in einer Weise, die einer Propaganda für das Regime gleichkommt.

    Und ich versuche mal, auf den Rest Ihres Kommentars unangemessen sachlich zu antworten: Aserbaidschan ist Mitglied im Europarat. Damit hat sich das Land verpflichtet, die Menschenrechtskonvention anzuerkennen. Es missachtet aber Urteile des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und verweigert dem Sonderbeauftragten für politische Gefangene die Einreise.

  21. @Rocco: Ja, aber das hier ist auch kein Artikel, den ich an eine Zeitung o.ä. verkauft habe, und ich kennzeichne das als subjektive Erfahrung und gebe es nicht als allgemeine Wahrheit aus.

  22. @26 (könnten Sie sich vielleicht einen Namen geben, der den meinigen nicht beinhaltet?): Ich denke, mein Kommentar ist kein Resultat der Suche nach einer „billigen Möglichkeit, den Autor als Heuchler darzustellen“ und nein, ich stecke mitnichten in die gleichen Schublade.

    Vielmehr war es der Versuch, die Schubladen – um dieses Bild noch ein wenig auszureizen – offen zu lassen. Wie schon angeklungen, teile ich die Meinung Herrn Niggemeiers und bin allenfalls daran interessiert, Feuer nicht mit Feuer zu bekämpfen.

    @ Stefan Niggemeier: Sicher, Sie verkaufen Ihren Artikel nicht an Zeitungen o.ä. und auch auf Objektivität erheben Sie keinen Anspruch (schon die Adresszeile widerlegte diesen), aber Sie kritisieren den Stil in einem Absatz und wenden ihn im Verlauf gleichfalls an.

    Ich denke, das ist jedoch bei der Kommentierung eines Artikels mit derart auffälligen Mängeln jedoch nicht notwendig – daher stolperte ich.

  23. ich muss Rocco hier Recht geben, Baku und Aserbaidschan sind faszinierend. Natürlich gibt es Mißstände in Aserbaidschan, aber man kann ein Land auch verteufeln und in die Schämecke stellen und damit erreichen, dass es gar nicht wahrgenommen wird. Je mehr Besucher zum ESC fahren, desto mehr können sich ein eigenes Bild über Aserbaidschan machen, dass trägt sicher ehr zur Veränderung bei, als jeder kritisch geschriebene Text in Deutschland oder sonst.

    @oohpss: Wer zu dem Thema die dapd-Gesellschafter ins Spiel bringt, schreibt wohl ehr am Thema vorbei.

    Im übrigen gibt es andere europäische Länder, in denen es mit den Menschenrechten mindestens genauso bestellt ist, wenn nicht sogar schlimmer, die tragen sogar die Fußball-EM aus.

  24. Auch ich möchte all jenen Kommentaren hier, die ich nicht gelesen habe, ausdrücklich Recht geben: Aserbaidschan ist eine Oase der Glückseligkeit. Beim obigen Artikel, den ich ebenfalls nicht gelesen habe, handelt es sich um ein wüste Schmähung.

    Und überhaupt gibt es noch Sachen, die viel schlimmer sind als die Sachen, die irgendwo geschrieben stehen, auch wenn ich sie nicht gelesen habe. Wer das nicht berücksichtigt, der schreibt am Thema vorbei!

  25. @Jens:

    Je mehr Besucher zum ESC fahren, desto mehr können sich ein eigenes Bild über Aserbaidschan machen, dass trägt sicher ehr zur Veränderung bei,

    Wie gut das funktionert, haben wir ja in China gesehen, das seit den Olympischen Spielen ein Hort der Menschenrechte ist?

    Im übrigen gibt es andere europäische Länder, in denen es mit den Menschenrechten mindestens genauso bestellt ist,

    Na, wenn es anderswo genauso schlimm ist, dann ist’s ja in Ordnung, wenn in Baku (nicht nur) die Menschenrechte mit Füßen getreten werden…

  26. @ Jens (#31): Jetzt verteufeln Sie aber bitte die Ukraine nicht! Je mehr Besucher zur Fußball-EM fahren, desto mehr können sich ein eigenes Bild über die Ukraine machen. Das trägt sicher eher zur Veränderung bei als jeder kritisch geschriebene Text in Deutschland oder sonstwo.

    Es gibt bestimmt Reiseleiter und Informationsmaterial von den jeweiligen Tourismusbehörden, die dafür sorgen, dass der werte Besucher keine unangenehmen Sachen zu sehen kriegt und stattdessen erfüllt und begeistert von dem schönen Land und den netten Leuten zurückkommt. Wer wird da schon kritische Texte schreiben wollen…

  27. Über den Stil des Artikels des Artikels muss man ja kaum reden, ich denke aber, dass die Kritik an dem „erfundenen Zitat“ unzutreffend ist. Erstens ist es offenbar kein Zitat einer einzelnen Person, sondern die Wiedergabe eines Antwortmusters auf eine bestimmte Frage, also die Zusammenfassung einer Stimmung, die der Autor erfasst zu haben vermeint. Zweitens kann das gut sein, dass er das tatsächlich so erlebt hat. Es ist für Systemforscher fasst schon eine Binse, dass Repressionen zwar ein notwendiger Faktor für die Systemstabilität in Diktaturen sind, nicht aber ein hinreichender. Repressionen allein haben sehr hohe Transaktionskosten, die bislang keine Diktatur auf Dauer verkraftet hat. Es kommen also immer noch Faktoren hinzu, die legitimierend wirken.

    Sichtbarer wirtschaftlicher Aufschwung, und sei er noch so prekär, verbunden mit der Hoffnung, selbst vom in Aussicht gestellten Wohlstand partizipieren zu können, gehört dazu. Oder die Erfahrung politischer Stabilität nach einer langen Periode instabiler Regimes, die auf die Masse der Bevölkerung häufig subjektiv verheerender wirkt, als die Absenz von Menschenrechten, die eigentlich erst dann auffällt, wenn man von ihnen Gebrauch machen will, also gerade den Intellektuellen, die dann natürlich ganz andere Erfahrungen machen. In der Forschung zu den Problemen bei der demokratischen Konsolidierung der ehemaligen Ostblockstaaten taucht gerade dieser Widerspruch immer wieder auf. Da wo er nicht mehr existiert, steigt die Wahrscheinlichkeit für Systemzusammenbrüche, weil Widerständler dann eben nicht mehr relativ isoliert sind, sondern schnell mal die gesamte Bevölkerung hinter sich haben.

    Daher glaube ich ohne weiteres, dass es sein kann, dass der Autor die Frage mehrmals gestellt hat und ähnliche Antworten bekam, die er so, wie beschrieben, zusammengefasst hat. Er hat allerdings versäumt, diese Antworten richtig in den Gesamtkontext einzuordnen. Aber das ist eine intellektuelle Leistung, na ja, da kann man lange drüber nachdenken, ob das von der dapd zu erwarten ist.

  28. Entweder hat hier ein Blinder geschrieben oder ein Dummkopf oder es war ein PR-Auftrag. Unglaublich wie man so an der Realität dieses Landes vorbei schreiben kann. Ich kenne Aserbaidschan aus vier Besuchen in den letzten zehn Jahren. Es gibt dort viel interessantes zu sehen und zu entdecken. Faszinierendes aus einer unruhigen und bewegten Geschichte, spannendes über den rasanten Zufluss an Ölgeld und abstossendes über die gewissenlose Durchsetzung von Macht- und Geldinteressen. Es ist ein buntes Bild mit heftigen Schattenseiten. Wer nur den Sonnenschein schildert muss sich gefallen lassen, naiv, blind oder bezahlt genannt zu werden.

  29. #34:

    „Repressionen allein haben sehr hohe Transaktionskosten“

    So kann man es auch formulieren.

  30. Ich muss mich korrigieren, es handelt sich wohl tatsächlich _nicht_ um die Erweiterung des Geschäftsmodelles der Finanzinvestoren.
    Aus Der Spiegel vom 08.02.2010, Ausgabe 06/2010, Seite 162 ff ergibt sich unter der Headline, Zwei gegen alle:

    „Als Löw und Vorderwülbecke den deutschsprachigen Dienst der AP kauften, richtete ihre PR-Tochterfirma ddp-direct gleich mal ein unmoralisch klingendes Angebot an die Werbeabteilungen deutscher Unternehmen: ‚Für Ihre PR-Inhalte’ gebe es nun ‚allein intern 300 Journalisten, die für rund 85 Prozent der deutschen Journalisten berichten’.

    Somit handelt es sich also um einen wohl eher normalen PR-Auftrag. Die ganze Aufregung scheint umsonst, weil es dapd-typisches Businessmodel ist und auch genau so von den Inhabern angekündigt worden ist.

    Da dürfte den Inhalt auch kaum noch einen überraschen.
    Leider bekommt man sonst keine Angaben darüber, wann die dapd oder die ddp direct PR-Texte als Nachrichten unter das Volk gebracht haben.

    Der Vorderwülbecke und der Löw stellen das ganz schön schlau an. Bei der Masse an Staaten oder Staatsoberhäuptern, die eine Korrektur der Warnehmung wünschen, ist das sicherlich ein wirtschaftliches Zukunftsmodell erster Sahne.

  31. tisch, #38

    Der neueste Eintrag im Blog von Lemke bestätigt eigentlich alles, was hier – zuletzt von Markus Löning – geschrieben wurde. Das ist Propaganda in Reinkultur. Ich werde auch den Verdacht nicht ganz los, dass das nicht allein auf dem Mist von Lemke gewachsen ist.

  32. @theo #38

    Nachdem ich seinen kompletten Blog gelesen habe, scheint mir Lemke ein Mensch zu sein, der Sympathien für das Gesellschaftsmodell des „wohlwollenden Diktators“ hat. Für ein Modell, in dem das Mißachten von individuellen Rechten zugunsten des Fortschritts der Gemeinschaft als zulässig angesehen wird. In so einer Gesellschaft kann man sich gut einrichten – auch als Journalist. Das schliesst einen kritischen Blick nicht aus, aber eine grundsätzliche Kritik am System.
    Ich kann aus dem Blog keine Propaganda entnehmen, sondern eher eine optimistische Betrachtung des bestehenden Systems . Deshalb ist Lemke ein Glückfall für die aserbaidschanische Regierung – und auch für dapd, wenn zwischen beiden eine finanzielle Verstrickung besteht. Was könnte beiden besseres passieren, als ein naiver Korrespondent, der wirklich daran glaubt, dass das Modell der „wohlwollenden Diktatur“ ein zukunftsfähiges ist?

  33. @tisch, #41:

    Ich frage mich, ob die Annahme, der Mann sei naiv, nicht auch naiv sein könnte.

    Es gibt sehr viele sehr ernste sehr lukrative Interessen, was dieses Land betrifft. Das ist eine Gemengelage, wo öfters dicke Bröckchen vom Tisch fallen können.

  34. @Jens

    Nein, das ist nicht am Thema vorbei, sondern das eröffnet die Möglichkeit die Motivation zu verstehen.

    Auch wenn die Finanzinvestoren wohlfeil ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des Journalismus jedem erklären, der es hören und glauben möchte, geht es nach meinem Eindruck nur um Geld und Macht.

    Abseits der Medienbranche geben sich die beiden Besitzer dann auch wieder als Investoren und Unternehmer zu erkennen (die diesen Job offensichtlich sehr gut machen) . Das ist wie bei der industriellen Hähnchenproduktion, die es schafft ein Tier für etwa 1,50 Euro zu produzieren und an die Weiterverabeiter zu liefern. Man mag das unmoralusch oder unethisch finden, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass es einen Markt für diese Billigprodukte gibt.

    Ach ja, da ist der Link zu dem Bericht aus der Passauer Presse, in dem auch das Engagement bei dapd als das beschrieben wird, was es ist: ein Invest durch Investoren: http://www.alzchem.de/news/articles/attachment/2011/07/26/mit-bluo-als-eigent%C3%BCmer-auf-gutem-kurs.pdf

    Man darf gespannt sein, wer in ein paar Jahren die einzige europäische Nachrichtenangentur kaufen wird bzw. wer sich mit welchem Beitrag an der AG beteiligen wird. Ein ist jedenfalls sicher: Es wird eine Chash-Cow.

    Um solche Berichte einordnen zu können, ist es sicher nicht falsch an dieser Stelle auf die Investoren hinzuweisen.

  35. Ich teile zwar die Kritik an dem Text, dem Autor und der Chefetage, aber die hier geübt Kritik ist nicht differenziert. Sie pauschalsieren und werfen die rund 500 Redakteure von dapd unter einen Hut. Kommente wie „Deutsch-Aserbaidschanischer Presse-Dienst“ sind unnützt und schlecht. Wer bezogen auf diesen Artikel alle Autoren der dapd kritisiert, ist ein schlechter Journalist und vergisst die Sorgfaltspflicht, die dieser Beruf mitsich bringt

  36. Nachdem ja das Mysterium darum, was mit ‚dapd‘ nun eigentlich genau abgekürzt wird, weiterhin ungelöst ist, mach ich auch mal einen Vorschlag: debilste aserbaidschanpropaganda deutschlands.

  37. @Manfred

    Wieso sollte es ein Mysterium geben?

    Die damalige DAPD, noch mit der Agenturkürzel APD, löste das als „Deutscher Auslands-Depeschendienst“ auf.
    http://www.netzeitung.de/medien/1532519.html

    Erst als nach weiteren Konsolidierungen die dapd entstand, verschwand die offizielle Ausformung.

    Zu der Zeit lief bemerkenswerterweise auch die Auseinandersetzung mit dem Auswärtigen Amt. Da hätte es wohl kaum gepasst, wenn die sich weiter als _Auslands_-Depeschendienst bezeichnen.
    Deshalb ist davon auszugehen, dass es wohl eine strategische Entscheidung gewesen ist, fortan zu behaupten, dass die Kürzel nur noch eine Buchstabenfolge ohne Abkürzung für irgend etwas sein solle.

    Das passt halt besser für die Zielerreichung.

    Zudem gilt zu bedenken: Es hatte sich für die Investoren in der Folge ergeben, dass sie auch in Frankreich Agenturen einkaufen konnten.

    Es macht sich einfach besser, wenn dann der Eigentümer der Agenturen auch im Ausland den geichen Namen haben kann. Und so eine Buchstabenfolge ist international verständlich.
    Die Holding der ganzen Unternehmen im Konzernverbund ist die DAPD Holding Akiengesellschaft.

    Wollte man also irgendwann in der Zukunft die dann europäische Nachrichtenagenturgruppe versilbern, dann ist es egal aus welchem Land sich die Investoren interssieren: in allen Ländern funktioniert die Zeichenfolge „DAPD“.

    Bei denen immer bedenken, dass es gilt, langfristig und wirtschaftlich starategisch zu denken. Es geht nicht primär um eine Nachrichtenagentur. Das Konzept von denen hat schon in vielen Branchen wirtschaftlich sehr ergfolgreich funktioniert.

  38. Lieber Herr Niggemeier,
    vor ein paar Tagen habe ich hier einen sehr pointierten Kommentar geschrieben. Inzwischen habe ich weitere Berichte von Jakob Lemke gelesen, so z.B. sein Interview mit Ali Kerimli, einem der Oppositionsführer. Ich habe Herrn Lemke daraufhin angerufen und mich für den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung und meine scharfe Wortwahl ihm gegenüber entschuldigt.
    Markus Löning

  39. Ist der User, der das Pseudonym „Markus Löning“ benutzt, Markus Löning oder ist das jemand anderes, der den Namen für diesen Eintrag benutzt?

    Gibt es überhaupt irgendeine Sicherheit bezüglich der Quelle des Eintrags?

  40. @Der Präsident: Ich habe bei Markus Löning und seinem Büro nachgefragt, aber noch keine Antwort bekommen.

    (Und wie wär’s, wenn Sie sich für ein Pseudonym entscheiden würden?)

  41. @Stefan Niggemeier

    Sorry, mea culpa, ja ich habe mich für ein Pseudonym entschieden.
    Da sollte eigentlich ein kleiner Gag sein. hat wohl nicht geklappt.
    Passiert nicht wieder.

  42. Zitat Jens im Kommentar #30: „Je mehr Besucher zum ESC fahren, desto mehr können sich ein eigenes Bild über Aserbaidschan machen, dass trägt sicher ehr zur Veränderung bei, als jeder kritisch geschriebene Text in Deutschland oder sonst.“

    Diese Aussage wage ich allerdings sehr zu bezweifeln. Das Gleiche wollte man der Weltöffentlichkeit schon vor den Olympischen Spielen in Peking weißmachen. Und was ist in China passiert? Nicht allzu viel scheinbar, wie das aktuelle Beispiel zeigt. Dass diese freundliche Umarmungstaktik immer wieder zum scheitern verurteilt ist, zeigen auch weitere Beispiele. Man muss nur tief genug in die historische Mottenkiste greifen.

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