Barbara Schöneberger

„Wer kein Geld hat, soll sich bei mir melden“. Wie macht man eine Show, die fast nichts kostet, und wird trotzdem für den Fernsehpreis nominiert? Fragen wir Barbara Schöneberger

Frau Schöneberger, haben Sie sich schon informiert, ob der Deutsche Fernsehpreis dotiert ist?

Nein, aber das war die erste Frage von allen meinen Freunden, als sie erfahren haben, daß ich nominiert bin: Und? Dotiert? Geil!

Und? Ist er?

Ich glaube, nur, wenn Günther Jauch gewinnt. Wenn wir ihn bekommen, dann nicht. Denn wo viel ist, muß noch mehr hin.

Dabei könnten Sie es so gut gebrauchen für Ihre kleine Show.

Ja, denkt man immer. Aber wir wollen gar nicht mehr. Wir kommen mit unserem schmalen Budget ganz gut zurecht.

„Blondes Gift“ lebt ja auch davon, daß Sie sagen: Dies hat der Requisiteur wieder nicht besorgt; hier hinten bricht das Bühnenbild zusammen; meine Redaktion besteht aus drei unfähigen Menschen…

… einem! Die Spiele werden mir ja immer aufgeschrieben. Da heißt es: „Barbara zieht aus einer Lostrommel Bingo-Kärtchen“ oder so. Es stellt sich heraus: Eine „Lostrommel“ ist ein Blumentopf, wo einer zwei Henkel drangeklebt hat, mit einer Pappe drumherum, das sieht aus wie ein schwules Handtäschchen. Und du guckst rein und fällst echt vom Glauben ab, denn in diesem Blumentopf, den du in der Hand hältst mit den Bingo-Kärtchen, war gerade noch eine Zwerg-Azalee drin, die auf meinem Schreibtisch stand. Jeder, der mal beim Fernsehen war, fällt bei uns vom Glauben ab. Das Studio ist ein normales Wohnhaus. Das Set könnte man in meinem Wohnzimmer aufbauen, und es wäre noch dicke Platz. Das Tor, durch das der Gast kommt, wurde früher von Hand von unserem ostdeutschen Quotenmitarbeiter mit einem Seilzug hochgezogen. Inzwischen funktioniert das elektrisch.

Plötzlicher Geldsegen?

Weil das Ding so schwer war, konnte der das nicht so reibungslos nach oben ziehen, daß es immer die gleiche Geschwindigkeit hat, sondern das war so hööö-hööö. Da haben wir dann gesagt — also, ich nicht, mich hat das nie gestört –, daß zu der sphärischen Musik ein Hau-Ruck-Hochziehen nicht so gut kommt.

Stand vor dem Dauerwitz über die Billig-Ausstattung echtes Entsetzen?

Na klar. Als der Komiker Bernhard Hoecker zu Gast war, hatten wir ein Spiel mit Höckern, also Kamelen, auf Höckern. In diesem Fall wurden einfach Bürostühle verschiedener Größe ins Studio geschoben, und man hat Plüschkamele da draufgesetzt, die mit Sicherheit nur ausgeliehen und nicht gekauft waren. Und das muß auch so sein. Du kannst ja nicht einen Messebauer beauftragen: Du, wir brauchen das und das, und es muß sich organisch in die Deko einfügen.

Jauch kann das.

Ja, Jauch sitzt auch in einem Studio, das 150mal größer ist und eine Deckenhöhe hat, wo gewisse Bauten Sinn machen. Bei uns ist es so, wenn ich die Hand oben ausstrecke und noch einen Stift halte, stoße ich an den Scheinwerfern an.

Nervt das nicht?

Nein, jetzt ist es toll. Ich mag diese High-Tech-Scheiße nicht. Egal, in welche Sendung du reinplatzt, es steht immer irgendwo ein Drei-mal-drei-Meter-Flatscreen, wo Muster draufgebeamt werden, und du weißt genau: Das Ding zu leihen kostet am Tag schon 30.000 Euro. Bei uns schrabbert halt dieses Tor nach oben, und ich finde, das hat viel Charme. Manchmal guck‘ ich mich im Monitor an, und dann sage ich zu Richy, der hinten am Licht sitzt, „Richy, was ist denn hier los?“, und Richy sagt: „Naa, das ist nur der Fernseher do, der ist nicht gscheit eigstellt, mußt amol auf meinen Monitor schaun, da schaugst du supa aus“, und dann sag ich, „Entschuldige mal, mir stehen Drähte aus dem Kopf, weil meine Haare, meine blonden, vor dem schwarzen Hintergrund aussehen, als wären sie zentimeterdick, die mir da so vom Kopf wegstehen, und ich hab‘ Ringe unter den Augen“, und er: „Naa, überhaupt net, das ist nur der Monitor.“

Hm.

Wir haben eine Pilotsendung aufgezeichnet mit Bully, da haben wir wirklich fünf Stunden an dieser dreiviertelstündigen Sendung gearbeitet, die nie gesendet werden konnte. Wir saßen da wie zwei Wasserleichen. Bully lief nur die Soße runter, er hat immer mit dem Zeigefinger so die Schweißperlen weggeschnipst, es war so heiß. Permanent sind die Sicherungen rausgeflogen. Mir standen die Haare weg, und die sehr bemühte Visagistin hat versucht, mit sehr viel Pomade mein Haar zu bändigen, was dazu führte, daß ich aussah, als wär‘ ich gerade aus der Dusche gekommen, mit so einem angeklatschten Fettkopf, es war wirklich fürchterlich.

Ahnt man in so einem Moment, daß diese billige Show einmal Kult werden könnte?

In dem Moment denkst du nur: Okay, Barbara, du machst das jetzt einfach. Es wird eh nie jemand erfahren, weil dahin, wo das läuft, verirrt sich kein Fernsehzuschauer.

Weit gefehlt.

Binnen zwei Wochen kannten das viele. Wir haben ja nicht durch Qualität auf uns aufmerksam gemacht, sondern durch Quantität. Wir wurden zu jeder Tages- und Nachtzeit wiederholt, mehrfach täglich, was zu einer ganz subversiven Durchdringung der Gesellschaft führte. Das war geil, dann kannte uns jeder, und dann konnte der WDR sagen: Okay, jetzt senden wir sonntags um null Uhr.

Gibt es jetzt vom WDR mehr Geld, oder haben die sich gefreut, nichts ausgeben zu müssen?

Es gibt schon mehr Geld. Bei den Ballungsraumpleitensendern gab es ja eigentlich Minusgeld. Der WDR ist unglaublich reich, und wir dürfen davon profitieren. Das Budget ist bestimmt locker 3000 Euro höher, aber das ist immer noch nichts.

Jetzt konkurrieren Sie um den Fernsehpreis mit Oliver Geißen und Günther Jauch…

…den absoluten Riesen…

…da drängt sich der Gedanke auf: Braucht man gar kein Geld, um gutes Fernsehen zu machen?

Die Frage ist natürlich: Wie kommerziell bin ich? Und: Könnte ich zur gleichen Sendezeit ebensoviele Leute unterhalten — da bin ich mir nicht so sicher. Ich denke, daß viele Leute das gutfinden, wenn das Studio groß ist und das Licht Kreise machen kann und dazu eine Melodie kommt wie dödödödödööö (macht die Runden-Anfangs-Melodie von „Wer wird Millionär“ nach). Das kommt allgemein schon gut an, und das versteht man auch unter „Großer Abendunterhaltung“. Mit meiner Show könnte ich um 20.15 Uhr wahrscheinlich keinen hinter dem Ofen hervorlocken.

Aber umgekehrt kann fehlendes Geld anscheinend keine Ausrede für langweiliges Programm sein.

Definitiv nicht. Ich finde das Allerschlimmste, wenn ein Sender wieder mit einer Unterhaltungsshow um die Ecke kommt, „du, das wird ganz toll, da werden die auf Schlitten reingefahren, und da fallen Kandidaten aus der Decke, und dann machen die ’nen Hubschrauberrundflug und alles groß groß groß“ — nicht oft hat man damit Erfolg. Ich glaube, es gibt nicht die Korrelation: viel Geld = viele Zuschauer, viel Geld = gute Unterhaltung.

Jetzt bekommen Sie den Fernsehpreis, jetzt wird alles anders.

Gott, ich weiß nicht, ob das so heilsbringend ist. Ich find’s nur schon geil, nominiert zu sein, das kann einem keiner nehmen. „Nominiert für den Fernsehpreis“, Punkt.

Soll sich gar nicht viel ändern?

Nein, es muß sich überhaupt nichts ändern. Das Schlimmste ist, wenn du denkst: Jetzt muß alles ganz groß werden, ganz schick, und plötzlich unterscheidet man sich in nichts mehr von Nina Ruge, und das ist natürlich bitter.

Alle werden Sie fragen: Wann machen Sie eine Samstagabendshow?

Ja, genau, weil der Samstag, 20.15, auch der dankbarste Fernsehtermin ist, herzlichen Glückwunsch. Ich glaube, im Marginalfernsehen, wie das so schön heißt, kann man sich mehrere Jahre gewinnbringend durchmogeln. Es gibt Leute, die machen seit 20 Jahren eine Nachrichtensendung im Dritten, die sind nie jemandem aufgefallen, und die fahren auch Porsche und haben eine Eigentumswohnung. Es gibt andere, die sind für sieben Monate on top bei RTL und fliegen dann derartig raus aus dem Kader, daß es für immer zappenduster bleibt. Klar reitet einen oft die Eitelkeit, ich will vorne dabeisein, aber ich glaube, wenn man da steht, denkt man sich manchmal: Ach, war das geil früher bei TV München.

Halten wir fest: Wenn den Sendern das Geld ausgeht, ist das keine Ausrede, schlechtes Fernsehen zu machen.

Nein, wer kein Geld mehr hat, soll sich bei mir melden. Ich bin gerne zu anspruchsvoller Abendunterhaltung mit wenig Geld bereit.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

6 Replies to “Barbara Schöneberger”

  1. Am Freitag bei 3nach9 hat Frau Schöneberger erwähnt, dass das einzige mit ihr geführte Interview, in dem sie sich richtig wiederfand, dieses hier gewesen sei.

  2. Durch 3nach9 bin auch ich jetzt endlich auf Stefan Niggemeier aufmerksam geworden. FAZ lesen scheint sich ja doch zu lohnen, trotz der wenigen Bilder.

  3. Während ich dieses Interview las, wurde ich ein bißchen wehmütig. Blondes Gift in der WDR-Variante habe ich sehr gerne gesehen.
    Nach dem Ausverkauf am Pro7 und sie sich die ganzen D-Promis aufs Sofa setzen ließ, war ich enttäuscht. Als sie dann aber mit den peinlich Shows anfing nur noch entsetzt.
    In Anbetracht dieses Interviews frage ich mich ob es tatsächlich dieselbe Frau Schöneberger ist, die durch die ganzen SuperduperMegaShows hampelt – vielleicht oder sogar wahrscheinlich haben wir es ja mit ihrem bösen Zwilling zutun, der all ihre Alpträume von 2002 wahr macht.

  4. Wenn sie nicht in diesen mit „Promis“ bestückten, inhaltsleeren Shows der Privaten wäre, wäre sie jetzt nirgends. War eigentlich abzusehen, dass es so kommt, oder? Und trotzdem sehe ich sogar in solchen Frau Schöneberger lieber als den Rest.

    Es wäre wirklich interessant zu wissen, was Herr Niggemeier jetzt über Barbara Schöneberger und ihre „Karriere“ denkt.

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