„Bild“ stürzte Wulff mit einer Falschmeldung. Das kümmert aber keinen.

Christian Wulff musste aufgrund einer Falschmeldung der „Bild“-Zeitung als Bundespräsident zurücktreten. Es ist erstaunlich, wie wenig das bekannt ist und wie wenig das die Leute zu stören scheint.

Wulff trat am 17. Februar 2012 zurück, weil die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitete. Ausschlaggebend dafür waren, wie der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig später der „Welt am Sonntag“ sagte, Presseberichte, wonach Wulffs Freund David Groenewold versucht habe, „Beweise aus der Welt zu schaffen“. Berichtet hatte das die „Bild“-Zeitung am 8. Februar 2012. Doch deren Behauptungen und Mutmaßungen waren falsch und sind längst gerichtlich untersagt.

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Am Ende von Wulffs Amtszeit steht ein Skandal. Es ist ein Medien-Skandal.

Der „Bild“-Artikel, der zum Rücktritt des Bundespräsidenten führte, trug die Überschrift:

VERTUSCHUNGS-VERDACHT. Wer zahlte Wulffs Sylt-Urlaub?

Es geht um einen Urlaub, den die Eheleute Wulff im Herbst 2007 mit Groenewold im Hotel Stadt Hamburg auf Sylt verbrachten. Groenewold hatte die Reise organisiert und vorab bezahlt. Wulff sagt, er habe Groenewold Auslagen vor Ort in bar beglichen.

Das war nicht neu. Das hatte der NDR schon Wochen vorher berichtet; Groenewold hatte dem Sender damals entsprechend Auskunft gegeben. „Bild“ wurde die Behauptung, diesen Sachverhalt „enthüllt“ zu haben, später gerichtlich untersagt.

Neu war aber der Vorwurf der versuchten Vertuschung.

Anfang Januar, so „Bild“, hätte Groenewold beim Hotel angerufen und die Angestellten aufgefordert, „keinerlei Infos über ihn“ und den gemeinsamen Urlaub herauszugeben. „Falls also Bild oder Spiegel anruft, wir wissen von nichts!“, habe das Hotel notiert.

Wenige Tage später habe sich Groenewold erneut im Hotel einquartiert und Mitarbeiter des Hotels aufgefordert,

relevante Rechnungen und Belege aus dem gemeinsamen Kurzurlaub mit dem Ehepaar Wulff aus dem Jahr 2007 auszuhändigen. Ein Hotel-Manager übergibt Groenewold Anreiselisten, Meldescheine und Verzehrquittungen.

Um der Geschichte die nötige Wucht zu geben, suchte und fand das Blatt vor der Veröffentlichung Menschen, die den „Bild“-Recherchen blind vertrauten und sie in gewünschter Form kommentierten. Zwei führende niedersächsische Oppositions-Politiker ließen einspannen, und so konnte „Bild“ noch in dem Artikel mit der vermeintlichen Enthüllung melden:

Die Opposition wittert jetzt „Versuche, Akten zu säubern“. (…)

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Niedersächsischen Landtag Stefan Schostok sagte zu den Vorgängen rund um den Sylt-Urlaub des Bundespräsidenten gestern zu BILD: „Offenbar finden gerade Versuche statt, Akten zu säubern.“ Der Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, forderte Ermittlungen der Behörden in diesem Fall. Wenzel zu BILD: „Wer solche Dokumente verschwinden lassen will, dürfte etwas auf dem Kerbholz haben. Hier muss endlich der Staatsanwalt ran!“

Die „Bild“-Geschichte war in allen entscheidenden Punkten falsch. Es gab keinen Vertuschungsversuch.

Groenewold hatte bemerkt, dass er keine Unterlagen hatte, um Fragen der Presse nach diesem gemeinsamen Urlaub beantworten zu können. Er rief beim Hotel an und bat, ihm Kopien der Rechnungsbelege zu schicken. Das Hotel lehnte das unter Verweis auf den Datenschutz ab — er müsse schon vorbeikommen. Groenewold bat um Diskretion, fuhr ein paar Tage später hin und holte Kopien ab.

Keine Anreiselisten, Meldescheine und Verzehrquittungen, wie „Bild“ schrieb. Nur Kopien der Rechnungsbelege. Zeugen bestätigten das der Staatsanwaltschaft.

Dass Groenewold keine Originaldokumente mitnahm, wusste „Bild“ schon am Tag vor der Veröffentlichung. Der Direktor des Hotels teilte der „Bild“-Chefredaktion am Nachmittag mit, es habe nie einen Versuch von Groenewold gegeben, etwas zu vertuschen oder zu vernichten. Er habe lediglich Kopien für seine Unterlagen erbeten.

Diese Information hätte der ganzen „Bild“-Geschichte die Brisanz genommen. Das Blatt ließ sie einfach weg.

Laut Wulff erklärte der Axel-Springer-Verlag das später damit, das Schreiben des Hoteldirektors sei nicht relevant gewesen, weil es in dem Artikel nicht darum gegangen sei, dass Herr Groenewold Originale angefordert habe. Das ist natürlich Unsinn, denn nur so konnte der Eindruck einer Vertuschung entstehen.

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Bis hierhin ist es bloß eine Geschichte, die niemanden überraschen kann, der sich ein bisschen mit den feinen Methoden der „Bild“-Zeitung beschäftigt. Es kommt aber noch besser.

Groenewalds Anwalt beeilte sich, gegen die falschen „Bild“-Behauptungen vorzugehen. Er erwirkte am 14. Februar 2012 beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung, die „Bild“ die Behauptung untersagte, auf Sylt sollten Beweismittel beseitigt werden. (Vier Monate später erkannte der Springer-Verlag sie in allen Punkten rechtskräftig an.) Eine Kopie des Gerichtsbeschlusses, der einen wesentlichen Teil der Berichterstattung der Vortage kassierte, schickte er an die Nachrichtenagentur dpa. Und die meldete:

Nichts.

Die Information war zwar angekommen. Man habe aber „aufgrund unseres Grundsatzes, immer auch die Gegenseite zu hören“, wie dpa gegenüber „Meedia“ erklärte, erst bei Springer nachgefragt. Springer hatte aber keine Eile mit der Antwort. Später sei die Sache dann, so dpa, „tatsächlich leider in unserem Nachrichtenfluss stecken geblieben“.

Natürlich hätte dpa keine Stellungnahme Springers abwarten müssen. Eine Bestätigung des Gerichtes hätte genügt. (Vorabmeldungen der „Bild“-Zeitung veröffentlicht dpa übrigens routinemäßig vorab ohne jede eigene Prüfung.)

Es gibt zwei Möglichkeiten, was bei dpa passiert ist. Entweder kam es da zu einer ganz unglücklichen Verkettung von Verzögerungen und Schlampereien. Oder die Nachrichtenagentur hatte einfach kein Interesse daran, diese für Springer unschöne Geschichte zu verbreiten. Springer ist einer der größten Kunden von dpa; dpa ist mit seinen Büros Untermieter bei Springer.

Drei Tage später trat Wulff zurück.

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So. Würde man nicht annehmen, dass diese Vorgänge rund um einen falschen und, wie ich sagen würde: absichtlich irreführend geschriebenen Bericht der „Bild“-Zeitung ein großes Thema in den anderen Medien wären? Noch einmal: Es handelt sich um den Artikel, der den Auslöser dazu bildete, dass Wulff zurücktrat. Ist das nicht eine große, berichtenswerte, recherchierenswürdige Sache? Ist es nicht bemerkenswert, dass Wulff am Ende durch eine Falschmeldung der „Bild“-Zeitung zu Fall gebracht wurde?

Offenbar nicht. Kaum jemand hat darüber berichtet. Die einzige größere Ausnahme, die ich gefunden habe, ist „Focus Online“. Dort berichtete die Berliner Korrespondentin Martina Fietz im November 2013, zwei Tage vor Beginn des Prozesses gegen Wulff, ausführlich über die Ungereimtheiten.

Die beiden Autoren der falschen „Bild“-Zeitungs-Geschichte, Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch, wurden im Mai 2012 von den führenden Journalisten des Landes mit dem Henri-Nannen-Preis in der Kategorie „Beste investigative Leistung“ geehrt. Ausgezeichnet wurde allerdings konkret ihr „Bild“-Stück über den Hauskredit Wulffs. Der damalige Chefredakteur des „Handelsblattes“ Gabor Steingart hatte vorher eine solche Würdigung für die beiden gefordert, denn: „Die ‚Bild‘-Geschichte war sauber recherchiert. Und sie war, da das Staatsoberhaupt schließlich zurücktrat, die wirkungsmächtigste Enthüllung des Jahres 2011.“

Dass die „Bild“-Geschichte derselben Autoren, wegen der Wulff tatsächlich zurücktrat, eine Falschmeldung war, interessierte Steingart so wenig wie die meisten Kollegen.

Christian Wulff schildert die Vorgänge ausführlich in seinem Buch „Ganz oben — Ganz unten“, das in der vergangenen Woche erschieden ist. Das wäre nochmal ein guter Anlass gewesen, sich diesem besonderen Kapitel der ganzen Affäre zu widmen, die eben auch eine Medienaffäre ist. Hat aber wieder keinen interessiert.

Stattdessen fragt zum Beispiel Hans-Martin Tillack, der „Stern“-Journalist, der bei Wulffs letzter Dienstreise nach Italien den Bundespräsidenten im Flugzeug anblaffte, ob er eigentlich im Ernst glaubte, dass sich irgendjemand dafür interessiere, was er in Italien vorhat, dieser sympathische Kollege also fragt auf stern.de stattdessen: „Wie schönfärberisch ist das Wulff-Buch?“

Das ist eine berechtigte Frage, und vermutlich ist auch mindestens ein Teil seiner für Wulff eher ungünstigen Antworten nicht falsch. Aber bemerkenswert dabei ist auch, wie beiläufig er dabei über die Sylt-Sache hinweggeht:

Den einzigen größeren Fall [sic!] einer Falschmeldung, den Wulff in seinem Buch erwähnt, betrifft einen Bericht der „Bild“-Zeitung vom 8.2.2012. Dort war in der Tat zu Unrecht der Eindruck erweckt worden, Wulffs Freund David Groenewold habe versucht, bei einem Hotel in Sylt Originale von Rechnungen verschwinden zu lassen.

Erwähnt, erledigt.

Anders als Wulff verstehe ich schon, warum so viele Journalisten offenbar glauben, dass es keine Rolle spielt, ob diese Geschichte falsch war. Für sie ist der Bundespräsident nicht wegen dieser einen Geschichte zurückgetreten, sondern wegen allem. Weil er eh fällig war, untragbar, peinlich, diskreditiert, da kommt es nicht auf so läppische Details wie den Auslöser des Rücktritts an. Natürlich ist an dieser Sicht etwas dran.

Diese eine, falsche Geschichte aber war der konkrete Auslöser des Rücktritts, und wer weiß, ob die Staatsanwaltschaft auch ohne sie die Aufhebung der Immunität beantragt hätte, und ob Wulff nicht dann im Amt geblieben wäre, beschädigt, aber, wie das so ist, mit der Chance, die Leute wieder für sich zu gewinnen. Jedenfalls muss man diese Episode kennen, um zu verstehen, warum Wulff meint, sein Rücktritt sei falsch gewesen. Ich kann seine Fassungslosigkeit verstehen, dass die Medien sich für diese Dinge so gar nicht interessieren. Dass die, die ihm jetzt wieder „Mehr Selbstkritik!“ zurufen, in größeren Teilen dazu selbst nicht in der Lage sind.

Dirk Kurbjuweit zum Beispiel. Kurbjuweit hat im „Spiegel“ vor Verachtung berstende Texte über Wulff geschrieben, hat ihm vorgehalten, sich mit Filmstars schmücken zu wollen, mit Filmstars! Voller Ekel malte er es sich aus, wie es gewesen sein muss, als Wulff 2007 in dem Hotel auf Sylt Groenewold das Geld in bar zurückzahlte: „Da stand also der Ministerpräsident von Niedersachsen und zählte einem 14 Jahre jüngeren Mann ein Bündel Geldscheine in die Hand. Wenn das nicht gelogen ist, wünschte man sich beinahe, es wäre gelogen, weil es so unwürdig ist.“ Man stelle sich das vor: einem 14 Jahre jüngeren Mann!

Im aktuellen „Spiegel“ übt Kurbjuweit ein klitzekleines bisschen Selbstkritik, aber vor allem kritisiert er Wulff. Er verteidigt vehement das „Grundrecht“ der Journalisten, Fragen zu stellen, als wäre das das Problem gewesen. Als hätten die Journalisten damals nicht fortwährend Antworten gegeben.

Auch Kurbjuweit ist die Sylt-Sache mit der „Bild“-Zeitung, die Wulff in seinem Buch beschreibt, nicht ganz entgangen. Ganze fünfeinhalb Druckzeilen widmet er ihr:

Selbstverständlich ist bei der Recherche nicht alles erlaubt. Wulff schreibt, dass Bild ein manipuliertes Schriftstück verwendet habe, um ihn schlecht aussehen zu lassen. Das wäre dann auch ein Fall für den Staatsanwalt.

Ach guck mal, das wäre also ein Fall für den Staatsanwalt. Warum ist das nicht auch ein Fall für die Journalisten?

Wulff deutet in seinem Buch an, dass hinter der falschen Geschichte vom Vertuschungsversuch eine noch größere Manipulation durch „Bild“ stecken könnte; dass eine Notiz in den internen Hotel-Unterlagen, die als Indiz für den Vertuschungsversuch galt, fingiert sei. Es ist tatsächlich unbefriedigend, dass Wulff an dieser Stelle nur vage einen Verdacht andeutet. Aber vielleicht hätte es geholfen, wenn einer der vielen tollen investigativen Journalisten, die alle, wie Kurbjuweit in seinem Stück behauptet, keine gemeinsamen Kampagnen fahren und „nicht das Gemeinsame, sondern den Unterschied“ suchen und sich „abheben wollen von den Kollegen, exklusive Nachrichten zutage fördern“, dieser Sache damals nachgegangen wäre.

Aber es interessiert sie auch heute nicht.

Nachtrag, 11:30 Uhr. Hans-Martin Tillack vom „Stern“ bemängelt, dass ich nicht erwähnt habe, dass die Staatsanwaltschaft bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens von der einstweiligen Verfügung gegen „Bild“ wusste. In ihrem Antrag auf Aufhebung der Immunität sei das auch erwähnt und berücksichtigt.

In einem Blog-Eintrag kritisiert er ausführlich „die Methode Niggemeier“.

174 Replies to “„Bild“ stürzte Wulff mit einer Falschmeldung. Das kümmert aber keinen.”

  1. Ist es nicht eher so, dass Wulff nicht über diese Falschmeldung gestürzt ist, sondern über eine ganze Serie politischer Fehler? Die Falschmeldung war the last straw, aber das Ende wäre auch so gekommen, der Mann war schon – und zwar wie gesagt durch eigene Fehler! – zu beschädigt. Natürlich ist Wulff zurecht zornig auf Bild, aber bevor er bei Springer in Ungnade fiel, hat er sich doch gerne und häufig dieses Blattes bedient. So gesehen ist es eine ironische Wendung, dass man durch die Leute fällt, die man vorher unterstützt hat und denen man gerne Exklusiveinblicke auch in Privates zukommen ließ:

    http://www.sueddeutsche.de/medien/wulff-und-die-springer-presse-erst-gehaetschelt-dann-fallengelassen-1.1250046

    Vielleicht ist es kein schöner Zug von mir, aber mein Mitleid mit Wulff hält sich deshalb in Grenzen.

  2. Vielen Dank, das sich wenigsten 1 Journalist traut es genau darzustellen was die BILD da mal wieder angestellt hat.

  3. @Peter Masberg: Gelesen?

    Anders als Wulff verstehe ich schon, warum so viele Journalisten offenbar glauben, dass es keine Rolle spielt, ob diese Geschichte falsch war. Für sie ist der Bundespräsident nicht wegen dieser einen Geschichte zurückgetreten, sondern wegen allem. Weil er eh fällig war, untragbar, peinlich, diskreditiert, da kommt es nicht auf so läppische Details wie den Auslöser des Rücktritts an. Natürlich ist an dieser Sicht etwas dran.

    Und um die Frage von Mitleid geht es gar nicht.

  4. @Stefan Niggemeier: Ja, das habe ich gelesen, aber mir kommt diese Sicht bei Ihnen zu kurz. Sie behandeln Wulffs Eigenanteil an seinem Scheitern für meinen Geschmack zu beiläufig. „Natürlich ist an dieser Sicht etwas dran“, schreiben Sie – für mich ist Wulfss Scheitern vor allem ein Resultat seines eigenen Verhaltens, des Sichgemeinmachens mit der Wirtschaft, des Dabeiseinwollens, der Selbstüberschätzung. Und ja, es geht tatsächlich nicht um Mitleid, sondern um das Exemplarische am Sturz eines Politikers durch eigene Fehler und eigene Eitelkeit, aber auch durch den Springer-Konzern, obwohl sich dieser Politiker vorher mit eben diesem Konzern gemein gemacht hat. Ich wage allerdings nicht zu hoffen, dass das anderen PolitikerInnen eine Lehre sein wird.

  5. @Peter Masberg: Es geht mir nicht darum, ob es gut oder richtig ist, dass Wulff zurückgetreten ist. Das ist nun wirklich in epischer Breite diskutiert worden. Es geht mir darum, dass die Medien sich verblüffend wenig dafür interessieren, was der konkrete Auslöser seines Rücktrittes war.

    Und in gewisser Weise trifft das einen Kern der ganzen Debatte: In den Medien gab es damals eine breite Übereinstimmung, dass Wulff nicht haltbar war, dass er zurücktreten musste. Und es gab einen vernehmbaren Frust, dass er es einfach nicht tat.

    Und plötzlich gab es einen Anlass und er musste zurücktreten, und keiner beschäftigte sich mit der Fragwürdigkeit dieses Anlasses. Weite Teile der Medien waren so zufrieden mit dem Ergebnis, dass sie nicht darauf schauten, wie es erreicht wurde. Das finde ich bedenklich — ganz unabhängig davon, ob man der Meinung ist, dass es gut ist, dass Wulff zurückgetreten ist.

  6. Das ist natürlich interessant und sicherlich relevant, aber ganz ehrlich? Mir hängt das Thema „Wulff“ inzwischen sowas von zum Hals raus. Jetzt musste er auch noch ein Buch schreiben und wieder geht die ganze Diskussion von vorne los. Ob er jetzt selbst Schuld hat, die Bild, die Kanzlerin, ob man Mitleid haben muss, wie sich das mit Hoene? oder Kachelmann vergleichen lässt usw. usf. Ich bin die Thematik inzwischen leid und würde auch für keinen Artikel bezahlen, der genau diese „Bild“ Story noch mal aufbereitet. Zumal Herr Wulff an dem Buch prächtig verdienen dürfte, auf die Idee seine Geschichte beispielsweise frei zugänglich zu machen, kommt er trotz üppigem „Ehrensold“ natürlich nicht.

    Diese Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie mag man anprangern, aber in dem Fall finde ich das mal wirklich verzeihlich. Fukushima, Syrien, NSU, alles aus dem Fokus gerückt, weil es die Leute irgendwann nicht mehr hören konnten oder wollten, obwohl es nichts von seiner Aktualität verloren hat. Ja und irgendwo liegt in der gleichen Grube auch die Geschichte um Christian Wulff und wer, wann, was gemacht oder geschrieben hat. Bitte liebe Journalisten steckt die Arbeitszeit in andere Themen.

  7. Bei ZeitOnline hat Ludwig Greven die Rolle des Apologeten der Medien übernommen. Er schrieb dazu zwei Artikel. Auf die vielen Kommentare darunter reagierten gewohnheitsmäßig nur die anderen Leser, Herr Greven aber nicht. Und es war ungewöhnlich viel Gegenwind, wie ich finde. Auch auf seinem Blog http://quersatz.wordpress.com veröffentlichte er einen längeren Artikel, unter den ich einen langen Kommentar geschrieben habe, bei dem ich mir viel Mühe gegeben habe und auch sehr nett war und konstruktiv. Er hat ihn nach zwei Tagen immer noch nicht freigeschaltet und wahrscheinlich auch noch nicht gelesen…

  8. Vielen Dank für den Beitrag, die Story mit der bewussten (!) Falschmeldung von BILD war mir in den Medien wirklich nicht aufgefallen. Und ohne diese Falschmeldung keine staatsanwaltlichen Ermittlung, und ohne das kein Rücktritt in dieser Form – von „last straw“ (@1) möchte man da nicht sprechen.
    Aber für Journalisten würde die Erwähnung der BILD-Falschmeldung ja auch bedeuten, die eigene Rolle beim medialen Treiben gegen Wulff hinterfragen zu müssen. Stimmt es eigentlich, dass führende Journalisten von Diekmann am Telefon mit einzelnen Sätzen aus der Mobilbox so lange gefüttert wurden, bis die Story hinreichend angespitzt war? Da möchte manch einer doch lieber Gras über das BILD-Gehabe gewachsen sehen. Und Wulff machte sich mit seinem larmoyant-rechthaberischen Auftritt leider wieder zur einfachen Zielscheibe, die von diesem Fragenkomplex ablenkt.

  9. Wulff wird ja auch unter anderem vorgeworfen, er habe an der Aufklärung der Vorwürfe nie mitgewirkt respektive nur scheibchenweise. Die Anwälte von Wulff haben damals sämtliche Fragen der Jouralisten und die Antworten zur Aufklärung ins Netz gestellt (leider habe ich den Link nicht mehr). Bei Durchsicht der Fragen ist mir damals gruselig geworden: infantil, vorurteilsbehaftet, laienhaft, juristisch ahnungslos, inhaltsleer etc. Die dortigen Fragen, gerade auch vom Spiegel, bewegten sich auf absolutem BLÖD-Niveau. Sollte jemand den Link der Anwälte noch finden -absolut lesenswert !!! Die sogenannte seriöse Presse nehme ich seitdem nicht mehr ernst, was sich hoffentlich durch die Krautreporter ändern wird.

  10. Krass. Ich bin nach Lektüre des Textes und der Links ein bißchen schockiert. SNs Bewertungen und Schlussfolgerungen stimme ich vollständig zu, insbesondere dahingehend, dass es schon erstaunlich ist, hierzu in der Presse nichts zu lesen, denn genau genommen ist es ein großer Medienskandal.

    Es stimmt ja: Die Aufnahme des Ermittlungsverfahrens war damals der Sargnagel für Wulff. Ausschlaggebend war die Information, dass Groenewold versucht haben soll, Unterlagen verschwinden zu lassen. Wenn die Bildzeitung tatsächlich bereits vor dem Artikel wusste, dass er lediglich Kopien haben wollte, womit der Verdacht einer Vertuschungsaktion ja vom Tisch gewesen wäre, und zwar vollständig, und trotzdem bewusst wahrheitswidrig so berichtete, ist das insbesondere angesichts der Konsequenzen ein echter Hammer.

    Danke für die Info!

  11. In meinen Augen gibt es wesentlich relevantere Dinge, die bei den Medien unter den Tisch fallen. Relevanter natürlich nicht für Herrn Wulff, zugegeben.

    Nun gut, uns steht ja nun das journalistische Shangri-La bevor. Die Krautreporter werden’s retten richten.

  12. Danke. Ich halte für nach wie vor völlig unaufgeklärt, was den Springer Verlag seinerzeit eigentlich motiviert hat, _von Anfang an_ gegen Wulff so entschlossen loszuschlagen. Das Ziel scheint geradezu vorgegeben gewesen zu sein.
    Vor 4 Tagen habe ich daher folgenden Kommentar versucht, bei Welt-online abzuwerfen – er wurde nicht veröffentlich (sehr wohl aber alles, was die bekannte Meute mal wieder loswerden wollte und sollte):
    „Das Verhalten des Springer Verlags seinerzeit kam mir extrem auffällig vor. Ich kann mich erinnern, mir täglich nur noch verwundert die Augen gerieben zu haben, weil der Aufruhr in den insgesamt ja eher CDU-treuen „Bild“ und „Welt“ im Verhältnis zu den Vorwürfen überhaupt nicht zu passen schien und weil der Verlag schon frühzeitig per Überschrift bekannt gab, dass er in diesem Fall nicht nachlassen wolle („Aus dieser Nummer kommen Sie nicht mehr raus!“ etc.). Ich würde mir von Ihnen einen Artikel wünschen, der aufklärt, was die Verlagsleitung damals zu ihrer absichtsvollen Aktion getrieben hat, warum das Ziel, Wulff aus dem Amt zu zwingen, von Anfang an feststand – aber das wünsche ich mir wohl vergebens? Es ist jedenfalls nicht zu übersehen, dass der Springer Verlag in Fällen von ganz anderem Kaliber längst nicht so hartnäckig ist, wenn nicht geradezu verzeihend, nehmen wir bspw. den jüngsten Fall von massenhafter Rechtsbeugung in Bayern. Zudem könnte die „Welt“ ja auch mal Stimmung machen gegen die kaum vorhandene Korruptionsprävention im Bundestag. Aber da liest man eben höchstens mal was Punktuelles, bei Wulff wurde dagegen enorm in Agenda-Setting investiert, um die ganze Medienlandschaft mitzureißen und den Mann aus dem Amt zu drängen. Warum das tatsächlich geschehen ist und warum sonst der vergleichbare journalistische Aufwand stillschweigend entfällt, weiß ich nicht. Gibt es Redaktionsprotokolle, bevor die Geschichte ins Blatt gehievt wurde? Ich finde den Fall ausgesprochen dunkel …“
    Das habe ich also ausgesprochen höflich und nur „nachfragend“ formuliert, trotzdem darf auch so ein zaghaftes Nachfragen auf WELT-online nicht erscheinen. Auch interessant …

  13. Vielen Dank.

    Was mir im Laufe der Wulff-Diskussion immer mal wieder besonders auffiel:

    Auch an sich gescheite, weltoffene und freundliche Menschen, bleiben sehr gern und meist auch recht unbeugsam, bei der ihnen „medial vorgegebenen bzw. eingepflanzten Sichtweise“ und werden zudem sichtlich ungehalten, falls man nicht mit ihnen übereinstimmt.

    Irgendwie normal. Und eventuell auch gefährlich…

  14. http://www.redeker.de/fragen-und-antworten-zu-christian-wulff.html

    Link gefunden: machen Sie sich bitte einfach mal die Mühe, die teilweise dummdreisten und kindischen Anfragen der Journalisten an Wulff in den pdf-Dateien am Ende der Pressemitteilung durchzulesen. Es wird mir als Anwalt angst und bange um den vermeintlichen Qualitätsjournalismus.
    Wenn man dae alles liest, kann man nur von einer Hetzjagd sprechen (sagt ein bekennender Grün-Wähler).
    Die betreuende Kanzlei, auch wenn sicherlich gut bezahlt, kann einem nur leid tun, wenn einem teilweiser solch geballte Dummheit und Unwissenheit journalistischer Rragen entgegentritt und man als Anwalt trotzdem ernsthaft antworten muss.

  15. Wenn der strafrechtliche Anfangsverdacht ohne den falschen BILD-Beitrag nicht gegeben war, ist das ein wirklicher Skandal.

    Wulff spricht ja von den „leeren Händen“ der Staatsanwaltschaft. Dies ist insofern falsch, als der Freispruch das Ermittlungsverfahren rückwirkend nicht rechtswidrig werden lässt. Aber wenn die BILD den Anfangsverdacht so provoziert hat, dann hätte Wulff insoweit recht. Gisela Friedrichsen hat im SPIEGEL ja geschrieben, dass auch auf Grundlage der damaligen Lage bereits das Ermittlungsverfahren nicht hätte eröffnet werden dürfen.
    Ich wollte Wulff nicht als BuPrä und war froh für den Rücktritt und mit Gauck sehr zufrieden. Aber auf diese Weise ist es schon ein Skandal. Danke Stefan Niggemeier für den Beitrag!

  16. Um mal wenig zum Inhalt zu sage:
    „Zwei führende niedersächsische Oppositions-Politiker aus Niedersachsen ließen einspannen,…“
    Sicher, dass die niedersächsischen Oppositionspolitiker auch aus Niederdachsen kommen?

  17. Unabhängig davon, wer da wie, wann ,wo und warum gelogen hat, meiner Erinnerung nach ist der zurückgetreten, nachdem sein (imho dämliches) Telefonat mit einem Anrufbeantworter bekannt gemacht wurde.
    Gibts da noch ein Update dazu oder passt das nicht ins „journalistische“ Konzept?

  18. @RASchleicher: Und auch ARD und ZDF in Bestform ;)

    https://www.youtube.com/watch?v=d2IymCuxmjQ

    @mike: Mailbox am 12.12. 2011 besprochen, FAZ deutet die Story am 19.12. an, am 01.01.2012 lassen FAS und SZ die Katze aus dem Sack. Rücktritt am 17.02.2012. Also schon sehr danach. Dazwischen ist noch einiges passiert. Einfach mal ins Internet schauen! Macht schlau und frischt Erinnerungen auf.

  19. @Peter Masberg: „für mich ist Wulfss Scheitern vor allem ein Resultat seines eigenen Verhaltens, des Sichgemeinmachens mit der Wirtschaft, des Dabeiseinwollens, der Selbstüberschätzung. Und ja, es geht tatsächlich nicht um Mitleid, sondern um das Exemplarische am Sturz eines Politikers durch eigene Fehler und eigene Eitelkeit, aber auch durch den Springer-Konzern, obwohl sich dieser Politiker vorher mit eben diesem Konzern gemein gemacht hat. Ich wage allerdings nicht zu hoffen, dass das anderen PolitikerInnen eine Lehre sein wird.“

    Natürlich ist das Opfer Wulff selbst schuld, nach dem Motto:
    „Das Vergewaltigungsopfer ist selbst schuld. Warum joggt sie auch ohne Wintermantel und Kopftuch durch den Park, sogar mit offenen blonden Haaren. Ich wage allerdings nicht zu hoffen, dass das anderen blonden JoggerInnen eine Lehre sein wird.“

  20. @Uli: „Zumal Herr Wulff an dem Buch prächtig verdienen dürfte, auf die Idee seine Geschichte beispielsweise frei zugänglich zu machen, kommt er trotz üppigem „Ehrensold“ natürlich nicht.“

    Uli,
    das haben Sie schon sinngemäß bei Sarrazin und Kachelmann gesagt.

  21. @Illustrissimus:“Stimmt es eigentlich, dass führende Journalisten von Diekmann am Telefon mit einzelnen Sätzen aus der Mobilbox so lange gefüttert wurden, bis die Story hinreichend angespitzt war?“

    Ja!

  22. @Jürgen Gerrhard, # 24 aE: Genau das habe ich auch gedacht, hätte es mich aber nie zu schreiben getraut.

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wulffs-schweigen-der-kredit-des-praesidenten-11562994-p2.html

    Dieser Artikel beginnt ebenfalls mit einer Falschmeldung. Schirrmacher schrieb:

    „Spätestens am 17. August erfuhr Christian Wulff, dass die Presse in der Sache seines Hauskaufs recherchierte. Am 24. August sprach er im Kreis von Nobelpreisträgern über Bonität und Bürgschaften. Es war seine erste und letzte Rede über das Schicksalsthema unserer Zeit.“

    Was es mit dem Datum 17. August (2011) auf sich hat, erfährt der Leser auf Seite 2:

    „Der Bundesgerichtshof hat dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, das ebenfalls Recherchen in der Sache anstellte, am 17. August genehmigt, Einsicht ins Grundbuch des Präsidenten zu nehmen, weil es sich bei der Frage, ob ein Unternehmer an der Finanzierung der Immobilie beteiligt war, um eine Frage handele, „die die Öffentlichkeit wesentlich angeht“. Spätestens seitdem wusste der Präsident, dass etwas bevorstand. Eine Woche später hielt er die Rede am Bodensee.“

    Nun war aber Wulff tatsächlich in jenem Verfahren gar nicht beteiligt, was man beim Durchlesen der BGH-Entscheidung

    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=57746&pos=0&anz=1

    sofort bemerken musste, heisst es doch bei Randnummer 5:

    „Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 1 u. 3 GBO; § 71 FamFG), über die im Allgemeinen – und zum Schutz der Gesamtrecherche der Antragstellerin auch hier – ohne Beteiligung des eingetragenen Eigentümers zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 6. März 1981 – V ZB 18/80, BGHZ 80, 126, 128; BVerfG, NJW 2001, 503, 506), hat Erfolg.“

    Der ganze Schirrmacher-Artikel, der auf einem Gegensatz zwischen Wulffs angeblichem Wissen um den BGH-Beschluss einerseits und seiner Lindauer Rede vom 24. August 2011 andererseits basiert, ist damit obsolet.

    Auch die Süddeutsche war demselben offensichtlichen Irrtum erlegen:

    http://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesident-in-der-kritik-wie-wulffs-kreditaffaere-bekannt-wurde-1.1236319

    „Im Bundespräsidialamt gibt es zum Hintergrund des Vorgangs eine verblüffende Auskunft: Von der Anfrage beim Grundbuchamt in Großburgwedel habe man so wenig gewusst wie vom Rechtsstreit und der BGH-Entscheidung, heißt es. Dabei sollte der Eigentümer im Streit befragt worden sein.“

    Nein, Herr Schneider, das sollte er gerade nicht, und wer die BGH-Entscheidung gelesen und verstanden hat, weiss auch warum.

    Aber die Süddeutsche war sich auch nicht zu schade, Artikel wie diesen zu veröffentlichen:

    http://www.sueddeutsche.de/politik/vorwuerfe-gegen-bundespraesident-christian-wulff-neue-ungereimtheiten-beim-hauskauf-1.1252433

    „Der Fraktionschef der niedersächsischen Grünen, Stefan Wenzel, sagte der Frankfurter Rundschau, Wulff habe keinen notariellen Vertrag abgeschlossen und auch im Grundbucheintrag seine Kreditgeber nicht genannt.“

    Einen Hauskauf ohne notariellen Vertrag gibt es nicht, kann es gar nicht geben. Aber die Süddeutsche schreibt es von der FR einfach ab.

    „“Von Ausnahmen abgesehen, haben die Journalistinnen und Journalisten in der sogenannten Affäre Wulff 2011/12 ihre Wächterfunktion ernst genommen“, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.“

  23. @Niggemeier: Es ist wohl richtig, dass die Bild hier eine Falschmeldung verbreitet hat und alles spricht ja offenbar auch dafür, dass dies auch noch Absicht war.

    Nur: Was mir an Ihrer Analyse fehlt ist das ein oder andere Glied in der vermeintlichen Kausalkette. War denn der Bild-Aritkel tatsächlich Grund für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens? Wie hat die StA Hannover den Anfangsverdacht denn begründet? Lag dem tatsächlich (nur) der Bild-Artikel zugrunde?

    Und eine Sache darf man auch nie vergessen: Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder auch der Antrag auf Aufhebung der Immunität führen eben nicht dazu, dass ein Bundespräsident zurücktreten muss. Der Rücktritt war Wulffs eigene Entscheidung. Es mag ja sein, dass viele denken, dass ein Ermittlungsverfahren schon das Amt beschädigt. Allerdings ist das falsch und sogar ein fatales Signal. Es stellt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in der öffentlichen Wahrnehmung von vornherein einer Verurteilung gleich. Aber das ist ein anderes Thema.

  24. @Max M.: Der am Anfang des Textes verlinkte WamS-Artikel spricht dafür, dass der falsche Bild-Artikel ausschlaggebend war.

  25. In diesem Artikel wird der Staatsanwalt so zitiert:
    „Es war ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr anders ging.“ Ausschlaggebend für die Aufnahme der Ermittlungen seien am Ende Presseberichte gewesen, die belegten, dass Wulffs Mitangeklagter David Groenewold versucht habe, „Beweise aus der Welt zu schaffen“.
    „Presseberichte, die belegen“ als Ersatz für eigene Ermittlungen sind schon abenteuerlich. Zumal eine einfache Nachfrage bei den Beteiligten Klarheit hätte schaffen können. Aber wie viele andere auch war die Schuld Wulffs in den Köpfen wohl schon implementiert. Da bedurfte es keiner harten Fakten, denn man wusste ja, …

  26. Man hätte allen die unappetitliche Geschichte der Medien und des Herrn Wulff ersparen können, wenn er nicht mit Macht ins Amt gepeitscht worden wäre. Insofern bedaure ich nicht, daß jemand dort rausgeflogen ist, wo er gar nicht erst reingehört hätte.

  27. @Max M.: An anderer Stelle hat die „WamS“ das Interview mit Frank Lüttig im Wortlaut veröffentlicht:

    Lüttig: Es war ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr anders ging. Es waren so viele möglicherweise belastende Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, dass einem verantwortlichen Staatsanwalt gar keine andere Wahl blieb, als diese Informationen zu überprüfen. Und wenn er überprüfen muss, zum Beispiel durch Zeugenvernehmung, dann bleibt ihm keine andere Wahl, als Ermittlungen aufzunehmen.

    Die Welt: An welcher Stelle war dieser Punkt erreicht?

    Lüttig: In dem Moment, als in der Presse zu lesen war, dass David Groenewold versucht, Beweise aus der Welt zu schaffen.

    Die Welt: Rechnungen aus dem Hotel „Stadt Hamburg“ auf Sylt.

    Lüttig: Ja, da war die Sache gelaufen. Da durfte eine Staatsanwaltschaft nicht drüber hinweggehen.

    Also: Die Vertuschungs-Vorwürfe waren natürlich nicht die einzigen, die Wulff gemacht wurden. Sie waren aber nach Aussagen des damals dafür zuständigen Beamten der entscheidende Anlass. Es kann natürlich sein, dass die Staatsanwaltschaft auch ohne diese Geschichte später ein Ermittlungsverfahren eingeleitet (bzw. die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragt) hätte. Das ist aber hypothetisch. Fakt ist: Nach Aussage von Lüttig (damals noch Leiter der Strafrechtsabteilung im niedersächsischen Justizministerium) waren die Vertuschungs-Vorwürfe der Auslöser.

    Was Wulffs Rückritt betrifft: Richtig ist, dass er juristisch nicht hätte zurücktreten müssen. Klar war aber allen Beteiligten auch, dass er nicht im Amt bleiben konnte, wenn gegen ihn ermittelt wird. Wulff selbst schreibt dazu in seinem Buch:

    Es war für mich politisch undenkbar, nach Aufhebung der Immunität meine Amtsgeschäfte weiterhin wahrzunehmen.

  28. @34: Habe ich gesehen. 1. Das reicht mir aber irgendwie nicht so richtig. 2. Es geht dort gar nicht um den Antrag auf Aufhebung der Immunität, sondern um die Anklage. Da war Wulff ja schon zurückgetreten.

  29. der durchschnittsjournalist beschäftigt sich mit „auslösern“ für irgendwas, der qualitätsjournalist geht der ursache nach und den dingen auf den grund.

  30. @Gerrhard: „Natürlich ist das Opfer Wulff selbst schuld, nach dem Motto:
    „Das Vergewaltigungsopfer ist selbst schuld. Warum joggt sie auch ohne Wintermantel und Kopftuch durch den Park, sogar mit offenen blonden Haaren. Ich wage allerdings nicht zu hoffen, dass das anderen blonden JoggerInnen eine Lehre sein wird.““

    Ich finde den Vergleich mit einem Vergewaltigungsopfer sehr geschmacklos. Der Kern meines Statements war: Wulff wurde von Springer attackiert, das ist nicht in Ordnung. Aber bevor er zum Opfer wurde, hat er mit Springer gemeinsame Sache gemacht, wohlwissend, zu welchen Methoden dieses Haus greift (im Fall Ypsilanti konnte er es studieren – ob es ihn gestört hat?).

  31. @ 35 Schön, dass wir geklärt haben, wer dafür zuständig ist zu entscheiden, wer in welches Amt gehört.

  32. Der beste Artikel, den ich zu diesem Thema gelesen habe. BILD hat wieder eindrucksvoll demonstriert, dass man sie nicht zum Feind haben möchte. Das wird für andere Politiker eine Lehre sein.

  33. Die Journaille hält zusammen, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

    Ich bin sehr gespannt auf den Krautreporter!

  34. @Th. Koch – ich bin nicht zuständig für die Entscheidung, aber es ist nicht Muttis Job, jemanden mit Macht durchzuprügeln. Vor allem, wenn der im Vorfeld nicht mal seine Ämter ruhen lassen möchte. Also, moralisch gesehen fehlt mir jedes Mitleid mit Wulff – die Summe der vielen Kleinigkeiten, die immer wieder erkennen lassen, das er bevorteilt und abgesichert sein möchte, haben ihn schon im Vorfeld unglaubwürdig gemacht.

  35. Der Springerverlag sollte dafür eigentlich den Ehrensold für Wulff übernehmen, sagen wir für eine Präsidentenamtzeit und die Kosten des Wahlverfahrens einer Amtszeit, alles unnötige Kosten die dem Staat entstehen. Der Springerverlag hat meiner Meinung nach eine riesiege Steuerverschwendung verursacht. Kann man das irgendwo einklagen?

  36. […] Stefan Niggemeier | “Bild” stürzte Wulff mit einer Falschmeldung. Das kümmert aber keinen. Juni 2014. Christian Wulff musste aufgrund einer Falschmeldung der „Bild“-Zeitung als Bundespräsident zurücktreten. Es ist erstaunlich, wie wenig das bekannt ist und wie wenig das die Leute zu stören scheint. Wulff trat am 17. Februar 2012 zurück, weil die Staatsanwaltschaft Hannover ein … […]

  37. Der Artikel zeigt sehr schön, dass die Bild-Zeitung in dieser Affäre nicht allein agiert hat und hätte agieren können. Voraussetzung war das stillschweigende oder tätige Einverständnis anderer Medien, inklusive FAZ und SZ. War es nicht so, dass die Inhalte von Diekmanns AB zuerst von diesen Zeitungen gedruckt wurden? Sie brachten die Affäre ins Rollen. Wulff hat Fehler gemacht, die seinen Rücktritt am Ende unvermeidlich erscheinen ließen. Aber inhaltlich war dieser Rücktritt nicht gerechtfertigt. Die Affäre wird als ein Tiefpunkt deutscher Mediengeschichte in Erinnerung bleiben.

  38. @ Nils von Aswege:

    „Der Springerverlag hat meiner Meinung nach eine riesiege Steuerverschwendung verursacht. Kann man das irgendwo einklagen?“

    Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das Geld wird nach der nächsten BILD-Hetzkampagne bei Hartz-IV-Empfängern oder Asylbewerbern eingespart.

  39. Ich kann jetzt über herrn Wulff nicht so viel sagen ausser, dass er bei mir immer unglaublich fies ‚rübergekommen ist und ich einfach froh war ihn nicht mehr sehen zu müssen. Einfach zu glatt und ungreifbar. Da ist mir vor lauter Freude ihn los zu sein schon fast egal, was genau er im Detail gemacht hat und ws man ihm nachweisen kann. Hauptsache er ist weg ! Dafür akzeptiere ich sogar einen kriegstreibenden Nachfolger.

    Was die Zeitschriften angeht : Bild versteht sich ja , offenbar zu recht, als Königsmacher oder, wie in diesem Fall, als Königs-Nicht-Macher. Da muss es einen ja nicht überraschen , dass sowas passiert.
    In bezug auf die ‚gute Zusammenarbeit‘ mit den anderen Medien : Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Auch das ist nicht überraschend.

  40. Sehr gut dargestellt. Die Krautreporter könnten ja mal nachrecherchieren, ob der Rücktritt wegen Wulffs Aussage „der Islam gehört zu Deutschland…“ erzwungen wurde. Macht so was „Mutti“ nicht über den kurzen Dienstweg beim Kaffee mit Friede & Co. ?
    Ohne Verschwörungstheorien anzuheizen, aber ist die Springer-Presse nicht der USA zu besonderem Einsatz freiwillig verpflichtet (wg. 9/11)?

  41. @ Kraeuselhirn:

    „Was die Zeitschriften angeht : Bild versteht sich ja , offenbar zu recht, als Königsmacher oder, wie in diesem Fall, als Königs-Nicht-Macher.“

    So ganz zu Recht nicht. Bei Guttenberg oder dem Volksentschied über die Offenhaltung des Flughafens Berlin-Tempelhof kam es nicht so, wie es die Bild angewiesen hatte.

  42. Pssst, nicht das das ein Anreiz zum Üben ist :-)

    Vieleihct wars der Bild nciht wichtig genug :-)

  43. […] erträglich ist der Umstand, dass Niggemeier ungewöhnlich freihändig mit den Fakten umgeht. „’Bild’ stürzte Wulff mit einer Falschmeldung. Das kümmert aber keinen“, betitelte er seinen gestrigen Blogeintrag, der sich noch einmal mit einer Story der „Bild“ vom […]

  44. Nach dem Zeitablauf ist es manchmal schwierig, die Reihenfolge und Ursachen-Wirkungsbeziehungen noch auf die Reihe zu bekommen. Aber allein die angeblichen Vertuschungsversuche (gegenüber der Presse!) hätten sicherlich keinen Staatsanwalt zu Ermittlungen veranlasst. Nach den damaligen Berichten, beruhte der Anfangsverdacht, der Ermittlungen der StA auslöste und damit den Rücktritt, entscheidend auf dem „grüne Tinte-Vermerk“ Wulffs zu Landesbürgschaften für Filmproduktionen (Groenewold).
    http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wulffs-ruecktritt-der-toedliche-vermerk-11654412.html
    http://www.faz.net/aktuell/nach-dem-ruecktritt-staatsanwaelte-leiten-ermittlungen-gegen-wulff-ein-11655378.html
    http://blog.beck.de/2012/02/22/staatsanwaltliche-ermittlungen-kein-ruecktrittsgrund-fuer-wulff

    Erst in zweiter Linie (ich würde sagen: colorandi causa) beruhte dies auf der (heute entlarvten) BILD-Nachricht, Groenewold habe Einzelheiten zur Hotelbuchung vertuschen wollen. Ich halte es dennoch für richtig und enorm wichtig, die Wirkung der BILD-Fehlinformationen durch die preisgekrönten Journalisten unter die Lupe zu nehmen. Das ein so häufig bösartig falsch berichtendes Medium überhaupt noch ernst genommen wird (insbesondere von den Kollegen der „seriösen“ Presse) ist schon erstaunlich.
    Eine andere Frage ist diejenige nach der politischen Legitimation des Rücktritts: Die politischen Maßstäbe, die Wulff selbst an seinen Vorgänger in der niedersächsischen Staatskanzlei angelegt hatte, musste er letztlich auch gegen sich gelten lassen, unabhängig von BILD und Justiz.

  45. Vielen Dank für den Artikel, das waren für mich tatsächlich viele neue, interessante Informationen!

    Schon eine Durchsicht der Kommentare hier zeigt, wo das Problem liegt. Es ist für zu viele Leute einfach viel zu komfortabel: der Typ, denn man eh unsympathisch fand, dessen Weg ins Amt man missbilligt hat, der mit der „Bild“ kooperiert hat, der schon deswegen, aber auch sonst irgendwie selbst schuld ist usw. hat eben die mediale Schlacht verloren, ist weg vom Fenster und fertig. Dass er versucht, sich gerichtlich und medial zu rehabilitieren interessiert keinen mehr und erscheint eher wie ein lästiges, rechthaberisches Querulantentum eines schlechten Verlierers. Und dann will er auch noch Geld für sein Buch, dabei hängt das Thema sowieso schon allen zum Hals raus…
    Die Gegendarstellungen und Richtigstellungen von Betroffenen interessieren ohenhin kaum jemanden, wenn es dann noch jemand ist, dem man seinen Fall irgendwie „gönnt“ umso weniger. Geschweige denn irgendwelche lästigen Details und Kausalitäten. Irgendwie wird’s schon passen, wo Rauch ist, ist auch Feuer und irgendwas wird schon hängenbleiben. Genau so und genau deswegen funktionieren solche Kampagnen wie gegen Wulff.
    Wer so denkt, braucht sich weder über die Macht der Medien, noch die „Bild“, noch über fehlende Werte und Rechtsstaatlichkeit in der Mediengesellschaft aufzuregen.
    Ich bin froh und dankbar, dass Stefan Niggemeier, der Themen auch oft genug durch die Brille der eigenen (politischen) Weltanschauung auswählt und behandelt, hier gegensteuert – obwohl oder gerade weil er Wulff (vermutlich) nicht eben nahesteht.

  46. P. S.: ich wundere mich etwas, dass der Artikel hier und nicht im BildBlog erschienen ist, das ich früher gerade wegen solcher Beiträge gerne und wesentlich häufiger als heute gelesen habe.

  47. Eine Anmerkung dazu: Die Frage, ob Groenewold die Original-Rechnung oder eine Kopie verlangt hat, ist nicht die entscheidende. Denn das Hotel hat seinerzeit selbst erklärt, dass es dort gar keine Original-Rechnung gab. Zitat aus dem Schreiben des Hotels an Groenewold, das seine Anwälte verbreiteten: „Sie reisten am 19. Januar 2012 persönlich an und erhielten eine Kopie Ihrer damaligen Rechung für Ihre Unterlagen. Originalrechnungen erhalten unsere Gäste bei Abreise. Wir konnten Ihnen also nur eine Kopie aushändigen.“

    Es gab also im Hotel ohnehin nur eine Kopie. Die entscheidende Frage wäre demnach, ob Groenewold vom Hotel „die Kopie“ der Rechnung haben wollte (also die einzige, die es dort gab) oder ob es ihm um „eine Kopie“ (also eine weitere) ging. Weil er ja nach Auskunft des Hotels das Original bereits hatte, scheint die Interpretation, dass er „die Kopie“ haben wollte und es damit doch um Vertuschung ging, zumindest nicht völlig undenkbar. Und durch den Hinweis, er habe kein Original gefordert oder erhalten, ist diese Vermutung eben auch nicht zu entkräften. (Zu beweisen ist sie aber zum jetzigen Zeitpunkt wohl auch nicht mehr.)

  48. Tja, und jetzt haben wir den ehemaligen Medien-Liebling Gauck. Und spätestens seit dem Wochenende wünsche ich mir sehnsüchtig den Wulff zurück.

  49. Es ehrt den Blogbetreiber, dass er auf Tillacks Entgegnung verweist. Wenn das stimmt, was Tillack nun schreibt, ist aus diesem Blogbeitrag die Luft raus, zumindest ließe sich die Überschrift nicht halten. Unabhängig davon, dass ich Tillack für einen arroganten Fatzke halte – seine Sicht der Dinge sollte schon noch hier kommentiert werden.

    M.E. wäre Stefan besser beraten, wenn er gelegentlich vor dem Schreiben „die Gegenseite“ um Stellungnahme bitten würde (auch weil die eigene Aktenlage fehlerhaft oder unvollständig sein kann).

  50. In dieser Kommentarspalte findet man einige Kritik an meiner Erwähnung der ehemaligen Nähe Wulffs zu Springer. Er sei dennoch ein Opfer Springers. Natürlich ist er das. Aber ein Opfer, das genau über die Methoden Springers Bescheid wusste und sie nicht kritisierte, solange sie ihm nutzten. Mir ist jedenfalls keinerlei Kritik Wulffs an Springers Methoden bekannt, bevor sie sich gegen ihn selber richteten. Und warum hätte er das auch tun sollen – lief aber bestens zwischen ihm und Springer:

    http://www.sueddeutsche.de/medien/wulff-und-die-springer-presse-erst-gehaetschelt-dann-fallengelassen-1.1250046

    Der kommende Star Wulff wurde gepusht von Springer, Springer verteidigte ihn bei seinem Eheende, Springer machte schöne Homestories von Wulff und neuer Gefährtin, Wulff verriet Bild exklusiv, dass Nachwuchs erwartet wurde und so weiter. Nutzte ihm ja alles.

    Auf deutsch: Wulff hat sich mit Springer gemein gemacht. Es war ihm herzlich egal, ob Springer andere PolitikerInnen fertig machte. Dann wendete sich das Blatt buchstäblich gegen ihn selber – und erst in diesem Moment erkannte er, wie skrupellos Springer ist, wie brutal die Methoden Springers? Springer habe ihn „von Anfang an … verfolgt“, sagte Wulff bei seiner Pressekonferenz zur Buchvorstellung. Das muss man nicht mehr kommentieren.

  51. @61 Malte
    In welchem Jahrhundert leben Sie? *Kopien* macht man heute durch Druck auf eine Taste im Computer, nachdem man die Rechnung dort gefunden hat, die ursprünglich als Original (ebenfalls durch einen Drucker hergestellt) ausgehändigt wurde.
    Jeder Ausdruck wird somit zur Kopie und nicht wie Sie vermuten, dass man nur eine Kopie aus Papier hat und diese wieder per Kopierer kopieren müsste.
    Wenn Sie schon Argumente suchen, dann aber nicht völlig ohne Ahnung wie es im 21. Jahrhundert in einem Hotel zugehen könnte.

  52. @theo: Ich hätte Tillack in diesem Fall gar nicht als „die Gegenseite“ gesehen oder verstanden. Dann hätte ich eher schon bei „Bild“ nachfragen müssen.

    Jedenfalls wusste ich das schon, was Tillack da schreibt. Es steht in dem von mir oben verlinkten „Focus Online“-Text. Wörtlich:

    Die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigt auf Anfrage von FOCUS Online, dass sie über die Entscheidung aus Köln wusste. Diese finde mitsamt der Berichterstattung über Groenewolds Aktivitäten auf Sylt auch Erwähnung in dem Antrag an den Bundestagspräsidenten auf Aufhebung der Immunität, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hans-Jürgen Lendeckel.

    Ich finde nicht, dass das in Sache substanziell etwas ändert. Mein Thema ist ja nicht das Verhalten der Staatsanwaltschaft, sondern der Medien.

  53. Mit Nichtwissen glaube ich, dass hier ein Blatt zeigen wollte, dass es fähig ist, ein Staatsoberhaupt zu stürzen. Darüber sollten wir uns Gedanken machen.

  54. Stefan: die Bild-Ente war wohl nicht ausschlaggebend für das Ermittlungsverfahren, da hat – will man Tillack folgen – der Generalstaatsanwalt etwas Falsches erzählt. Somit sind Überschrift und Aufhänger deiner Geschichte falsch. Vielleicht hätte man es nicht ganz so hoch hängen sollen (was ja den übrigen Text nicht schlechter macht).

  55. @34 Christian Schulz

    Zitat: „“ „Presseberichte, die belegen“ als Ersatz für eigene Ermittlungen sind schon abenteuerlich. Zumal eine einfache Nachfrage bei den Beteiligten Klarheit hätte schaffen können. „“

    Falsch!

    Der StA muss für eigene Ermittlungen ein Ermittlungsverfahren einleiten. Es gibt kein Ermittlungsverfahren über die Aufnahme eines Ermittlungsverfahren.

    Der StA ist nicht für das Ermittlungsverfahren zu kritisieren. Die BILD schon.

    Der Freispruch führt im Übrigen nicht zu einem rückwirkend rechtswidrigen Ermittlungsverfahren.

  56. @theo: Tillacks sagt: Machmal wissen Vorgesetzte nicht so genau, was Sache ist. Das ist sein ganzes Argument.

    Frank Lüttig war, als die Entscheidung fiel, das Ermittlungsverfahren einzuleiten, Leiter der Abteilung für Strafrecht im niedersächsischen Justizministerium. Danach wurde er Leiter der Generalstaatsanwaltschaft in Celle, die vorgesetzte Behörde der Staatsanwaltschaft Hannover. Er war also, wie es Christian Wulff in seinem Buch formuliert, gleich in zwei Rollen mit dem Fall befasst:

    Frank Lüttig [übernahm] die Aufsicht über das Ermittlungsverfahren gegen mich, dessen Eröffnung er als Abteilungsleiter mit zu verantworten gehabt hatte.

    Dieser Mann sagt öffentlich in einem Interview, dass die „Bild“-Verschwörungs-Geschichte der Punkt war, an dem man soviel zusammengekommen war, dass man nicht mehr um Ermittlungen herumkam.

    Und Tillack erwidert: Vermutlich kannte der sich einfach nicht aus.

    Hm.

  57. @ 69 theo
    „da hat — will man Tillack folgen — der Generalstaatsanwalt etwas Falsches erzählt“

    Mh, nun ja, da hätte ich doch gern gewusst, aus welchen Gründen ich „Tillack folgen“ und dem Generalstaatsanwalt Schwindeleien unterstellen sollte.

  58. meykosoft:
    Von Schwindeleien ist ja keine Rede. Ich zitiere Tillack:

    „es kommt gelegentlich – selten – vor, dass Vorgesetzte wie der Generalstaatsanwalt Lüttig weniger Sachkunde haben als ihre Untergebenen.

    Als nämlich die heute Lüttig unterstellten Staatsanwälte die Immunitätsaufhebung beantragten, erwähnten sie bereits, dass der „Bild“-Vorwurf der Vertuschung von Beweisen zweifelhaft war. Groenewold hatte dagegen am 14. Februar 2012 erfolgreich vor dem Landgericht Köln geklagt. Auch das wussten die Staatsanwälte.

    Und dieser Hintergrund ist unter Journalisten, die das Thema schon länger begleiten, allgemein bekannt. Die NDR-Journalistin und Rechtsexpertin Sarah Tacke erwähnte ihn am vergangenen Mittwoch Abend in der ARD-Talkshow „Anne Will“.“

    Zumindest den Widerspruch in den Bekundungen der Staatsanwälte hätte man hier darlegen sollen, möglicherweise auch darlegen müssen. Man hätte z.B. den GSA einfach noch mal anrufen können.

  59. @73 theo
    Die Welt schreibt über Lüttig:

    Ausschlaggebend für die Aufnahme der Ermittlungen seien am Ende Presseberichte gewesen, die belegten, dass Wulffs Mitangeklagter David Groenewold versucht habe, „Beweise aus der Welt zu schaffen“.

    http://www.welt.de/print/wams/politik/article115461996/Wir-mussten-Wulff-anklagen.html

    Hr. Tillack weist darauf hin, dass der StA bekannt war, dass gegen den Bericht der BILD erfolgreich eine Verfügung beantragt war.

    Zwischen diesen Aussagen gibt es keinen Widerspruch.

  60. @73 theo
    Ah, ja, es gehört meines Wissens unter anderem zur Journalistenausbildung:
    Den Beitrag wiederholen, Wiederholung modifizieren, wiederholen, nochmal und evtl. nochmal – im Volksmund auch: Akzeptanz durch Penetranz…

  61. „Springer ist einer der größten Kunden von dpa; dpa ist mit seinen Büros Untermieter bei Springer.“
    Wirklich? Ernsthaft? Das ist das Argument? Reicht vielleicht für ein „Tatort“-Drehbuch. Aber doch nicht für die Realität. Bitte mal zusammenreißen.

  62. @77 staph
    „Springer ist einer der größten Kunden von dpa; dpa ist mit seinen Büros Untermieter bei Springer.„ – nicht unbedingt ein Argument, aber sicherlich ein interessantes Detail. Zumindest soweit die üblichen sozialen Bezüge bei Untervermietung und Nachbarschaft mit hineinspielen…

  63. @6 Stefan Niggemeier
    Ich glaube, das wird einmal ein Lehrbuchfall, wie man die Justiz manipuliert um – hier durch eine daraus folgene Manipulation der öffentlichen Meinung – ein gewünschtes politisches Ziel zu erreichen, indem stattdessen ein ganz anderes juristisches Ziel behauptet wird. Das Scheinziel ist zwar unerreichbar, weil letztlich der Schein zusammenbricht, aber bis dahin ist der durch den juristische Prozess angestoßene potische Prozess schon unumkehrbar. Das erinnert an Maximilian Harden, nur dass Springer nicht bezweckt, die Verfilzung von Kaiserhaus, Militär, Verwaltung und Justiz aufzudecken.

    Groenewold und seine Anwälte haben, soweit es erkennbar ist, so schnell wie möglich gehandelt und alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft, trotzdem ist der Igel dem Hasen unterlegen. Verwunderlich ist das nicht, immerhin hatte man es mit wahren Profis zu tun, für die der Ablauf „Mit Behautungen Stimmung erzeugen und später dann eben Gerichtskosten zahlen“ praktisch täglich Brot ist, aber es illustriert wie chanchenlos selbst der gut betuchte und vernetzte gegen diesen Mißbrauch ist. Hätte es nicht geklappt, weil die StA, die an einen gewissen Hang zur Selbstdarstellung litt, wie das heutzutage leider öfter der Fall ist, doch noch die Kurve gekriegt hätte, so hätte es eben nicht geklappt. Better luck next time baby.

  64. Thorsten V:

    („Zwischen diesen Aussagen gibt es keinen Widerspruch.“)

    Wenn man die Augen schließt, ist das so.

  65. „Weite Teile der Medien waren so zufrieden mit dem Ergebnis, dass sie nicht darauf schauten, wie es erreicht wurde. Das finde ich bedenklich — ganz unabhängig davon, ob man der Meinung ist, dass es gut ist, dass Wulff zurückgetreten ist.“ (niggi, #6)

    Genau darum geht’s. Dass der Zweck die Mittel heiligt(e). Dass die Unabhängigkeit zwischen der moralischen Bewertung einer Person und der Bewertung journalistischer Methoden offenbar nicht gegeben war bzw. ist.

  66. “ Forsa-Umfrage: Zwei Drittel der Deutschen halten Wulffs Rücktritt für richtig.“ (SPON, 17.06.)

    Damit wären dann sämtliche Fragen geklärt.

  67. @ 82 Oliver says
    „Damit wären dann sämtliche Fragen geklärt.“

    Ja. Zumindest, soweit es die erfolgreiche Medienbeeinflussung der Bürger betrifft…

  68. @80 theo Ich lasse mich gerne auf nähere Erläuterungen ein, warum hier ein Widerspruch vorliegen soll. Die bloße Wiederholung der Behauptung, dass dem so sein soll, hilft mir aber nicht weiter.

  69. Stefan, gibt es einen Grund, warum du meinen Kommentar nicht freischaltest?
    Wenn ja, welchen denn?

  70. @peter: Keine Ahnung, warum der in der Moderationsschleife gelandet ist, aber die E-Mail-Adresse stimmt eh nicht, oder? Ich kopiere ihn der Einfachheit halber hier hinein:

    @71: Wieso hast du nicht einfach, um alle Zweifel zu beseitigen bzw. eine konkrete, offizielle Bestätigung zu holen, direkt bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt?

    Das ist ein rührender Gedanke, dass ich von dort dann eine Antwort bekommen hätte, die stimmt und der Wahrheit entspricht und „alle Zweifel beseitigt“, im Gegensatz zu der Antwort von Herrn Lüttig, die nicht stimmt, weil, hm?

    Warum beseitigt die Antwort von Frank Lüttig, der sowohl bei der Einleitung der Ermittlungen als auch später bei der Aufsicht über das Verfahren in gleich zwei Rollen dafür verantwortlich war, nicht „alle Zweifel“? Was ist an der Aussage dieses Mannes nicht „offiziell“?

  71. Niggemeier fasst analytisch korrekt und nüchtern zusammen, wie ein sachlich unbegründeter, von Interessengruppen gezielt lancierter und gnadenlos aufgebauschter Verdacht gegen einen „Großen“ beim stets wutbereiten „Kleinen“ nackte Blutgier auslöste. Saubere Aufarbeitung komplexer, da ins Emotionale driftender Wurzeln, die Niggemeier da liefert. Eine Chance, das beschämende Versagen aller Involvierten, hüben wie drüben, klar zu benennen.

    Und was tut einige „Kleine“ mit dem Abstand vieler Monate und den gerichtlich evidenten Fakten, dass sie zu Unrecht ihrFäustlein gen Wullfscher Großburg wedelten? Korrekt. Sie beweisen erneut, von welch vulgärer Qualität ihre Diskussionskompetenz ist. Diskreditieren den Menschen Wulff, weil er mit einem Buch Geld verdient will. Schalten in Sachen Tillack ihr Textverständnis aus, damit auch ja übersehen werden kann, was für einen indiskutablen Tenor Tillack, Autor eines siechen Blattes, an den Tag legte. Und so weiter, und so fort.

    Alle nichts gelernt. Alle vom Shitstorm beseelt, im Genuss, dass die eigene Meinung endlich, endlich, endlich einen Großen gestürzt hat.

    Ihr, Kameraden der Demokratie, seid die Hand, die zerstört! Tillack und Diekmann klatschen.

    Wulffs Glück, dass beim damaligen Höhepunkt dieses zivilisatorischen Tiefpunkts kein Schafott zur Hand war.

  72. „Das ist ein rührender Gedanke, dass ich von dort dann eine Antwort bekommen hätte, die stimmt und der Wahrheit entspricht“

    Stefan, ich will da nicht weiter drauf herumreiten, aber:
    Schon vorab bei einer Recherche zu wissen, was das Gegenüber sagen wird, fällt eher in die Kategorie übersinnlich.
    Du hast dich auf eine frühere Aussage eines Beteiligten verlassen, von der du ebenfalls nicht wissen konntest, ob sie der Wahrheit entspricht. Wenn das schon der Aufhänger für deine Story ist, hättest du jede Möglichkeit nutzen müssen, es gegenzuchecken. Auch auf die Gefahr hin, anschließend keine eindeutige Aussage treffen zu können.

    Das hätte dem Kern der Story (Verbreiten einer Ente) nicht geschadet. Im Gegenteil: es hätte die Story unangreifbarer gemacht, auch wenn die Überschrift dann weniger knallig ausfällt.

  73. Könnte man in der Diskussion hier nicht wenigstens ansatzweise so tun, als könne man zwischen der medialen Hatz und der Tatsache, dass Wulff unbeschadet dessen trotzdem ein korrupter Vollhonk sein kann, unterscheiden?

  74. Die Leitmedien haben seit dem 24.8.2011 gegen Wulff agitiert, der Beginn war Sven Bölls Spiegel Online Artikel: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/euro-krise-deutschlands-oberster-populist-a-782144.html
    Im damaligen Kontext waren Regierung und Fraktionsspitzen der großen Parteien einig im Bemühen, die Gesetzgebung für Eurorettungsschirme sicherzustellen.
    Wulff – der als Präsident die Gesetze bestätigt wenn er keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat- reihte sich allerdings nicht in den disziplinierten Kanon der Eurorettungsschirmbefürworter ein.

    Vielmehr äußerte er sich skeptisch (siehe Artikel).

    Der Vorwurf des „Populismus“ ist in Deutschland die kleine Schwester des Nazi-Vorwurfes. Es ist eine ganz außergewöhnliche Situation, wenn eine große Zeitung hinter dem „Populismusvorwurf“ gegenüber dem Präsidenten steht. Es war quasi der Startschuß, ein Testballon, wie weit kann man gehen, wer wird sich hinter Wulff stellen, ihn verteidigen?

    Unter anderen Umständen hätten sich zahlreiche Stimmen wegen dieser Entleisung zu Wort gemeldet, aber es herrschte großes Schweigen, es war offenkundig, daß der Präsident politisch isoliert ist, daß niemand es wagte, mit einer skeptischen Sicht auf die Eurorettung in Verbindung gebracht zu werden.

    In diesem Kontext konnten sich die Medien austoben; mit dem gemeinsamen Ziel, Wulff zumindest so sehr in die Defensive zu bringen daß er kein Hindernis bzgl. der Unterschrift unter die entsprechenden Gesetze darstellt.

  75. Zumindest kann jeder verständige Bürger davon ausgehen daß dann, wenn die Leitmedien in ö.r. Radio, TV und die großen Zeitungen sich in einer wichtigen politischen Frage auf einen emotionalisierenden einseitigen Weg begeben, die journalistisch gebotene Ausgewogenheit schon lange auf der Strecke geblieben ist.

    Da interessieren dann keine Details mehr und die „Gegenposition“ wird nur noch schwach und selten und allenfalls zum Wahren eines Anscheins vertreten.

  76. @theo: Es geht doch nicht darum, dass ich schon weiß, was die sagen. Es geht darum, dass der politisch mitverantwortliche Mensch und spätere Aufseher über das Verfahren eine klare öffentliche Aussage dazu gemacht hat. Das Wort „gegenchecken“ hat in diesem Zusammenhang gar keine Bedeutung. Ich hätte andere Leute noch fragen können, ja. Aber dass der, noch einmal: politisch mitverantwortliche Mensch im Justizministerium und spätere Aufseher über das Verfahren öffentlich sagt, dass dies der Punkt war, an dem man nicht mehr nicht ermitteln konnte, das ist eine Tatsache.

    (Du meinst den Satz „Ich will da nicht drauf rumreiten“ im Sinne von: „Ich will da drauf rumreiten“, richtig?)

  77. „Ihr, Kameraden der Demokratie, seid die Hand, die zerstört! Tillack und Diekmann klatschen.“

    Ich erlaube mir, noch einmal daran zu erinnern, dass Wulff mit Springer eng verbunden war und an Springers Methoden nichts auszusetzen hatte, bevor er selber zum Opfer wurde. Gehörte dann Wulff nicht auch zu den „Kameraden der Demokratie“ und war selber auch „die Hand, die zerstört“?

  78. @ 91theo
    Da muss man aber schon sehr von „Tillak-Gläubigkeit“ beseelt sein, wenn man darauf besteht, einem Lunte legenden, zündelnden Stern-Kollegen unbesehen zu glauben, wenn dieser einem Generalstaatsanwalt während der heißgelaufenen „Anti-Wulff-Kampagne“ unterstellt, der Generalstaatsanwalt habe bei seinen, wie ich finde, „unmissverständlichen Begründungen“ wohl weniger Ahnung als seine Untergebenen gehabt.

    Und dann am liebsten nochmal jemanden losschicken wollen, der den betroffenen Generalstaatsanwalt darum bitten soll, er möge doch dazu nochmals Stellung beziehen.

    Also nochmal: Ich hätte wirklich nach wie vor gern gewusst, aus welchen Gründen ich „Tillack folgen“ und dem Generalstaatsanwalt „Unkenntnis“ unterstellen sollte.

    Ich meine außer, dass Herr Tillak es so darstellt und Sie es unbesehen zu glauben scheinen.

  79. Es geht nicht wirklich um persönliche Petitessen rund um Wulff.

    Es ging darum, daß Wulff sich gegen die fragwürdige Eurorettungspolitik der Regierung und der EZB gewandt hatte und als Präsident verfassungsrechtliche Bedenken andeutete und so eine Gefahr für die Bankenpläne darstellte.

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/euro-rettung-wulff-kritisiert-anleihekaeufe-der-ezb-11124526.html

    Daß daraufhin sämtliche Leitmedien in die Kampagne gegen das Staatsoberhaupt einstiegen ist eigentlich ein Politskandal höchster Relevanz, der bis heute verniedlicht wird.

  80. 95, Stefan:

    Dass er es gesagt, ist Fakt. Aber dass er den Sachverhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt des Verfahrens richtig dargestellt hat, ist eine These. Gegenchecken ist schon richtig, weil du gar nicht weißt, ob der Mann nicht hinterher seine Erklärung evtl. widerrufen hat bzw. widerrufen würde, täte man ihn dazu nochmals befragen. Du verlässt doch auf das, was mal in einer Zeitung stand. Das ist in diesem Fall zu wenig.

    meykosoft: „Tillack-Gläubigkeit“ und all diese damit einhergehenden Betrachtungen finde ich eher infantil. Hier geht es um nüchterne Recherche. Beide Thesen, die von Stefan ebenso wie die von Tillack, hätte man prüfen können. Ein paar Telefonate, ein paar Mails, und wir müssten gar nicht drüber reden. Stefan weiß, dass ich im Normalfall eher bei ihm bin als bei Tillack; nur hindert es mich nicht daran, auch ihn da zu kritisieren, wo es mir geboten erscheint.

  81. @theo: Ach so, Du meinst, ich hätte nicht bei der Staatsanwaltschaft Hannover „gegenchecken“ müssen, sondern bei der Oberstaatsanwaltschaft Celle (wo Lüttig sitzt)? Das ist nicht das Gegenchecken, das Tillack meint.

    Der Mann hat seine Erklärung hinter nicht widerrufen, sondern sich (erfolgreich) gegen den juristischen Versuch von Groenewold gewehrt, sie ihm (in der Form, wie die „Welt am Sonntag“ sie teilweise verbreitet hat) verbieten zu lassen, vgl.: http://www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=22004&article_id=116808

  82. @ 99 theo
    Ich finde „Tillack-Gläubigkeit“ und all diese damit einhergehenden Betrachtungen auch eher infantil.

    Selbstverständlich kann man nach einiger Zeit nochmals „Gegenchecken“. Nur sollte es dazu einen zwingenden Grund geben. Die unbewiesene Unterstellung eines „rasenden Reporters im Kampfgetümmel“, halte ich in diesem Zusammenhang allerdings nicht für ausreichend.
    Also.

  83. Es muss keinen „zwingenden Grund“ für ein Gegenchecken geben. Das gehört zum Einmaleins. Und dabei ist es zunächst unerheblich, was ich von einem anderen Reporter halte.

    Stefan: hast du überhaupt versucht, Beteiligte von damals jetzt nochmals zu befragen? Sieht nicht so aus.

  84. @theo: Nochmal, wir reden von „Gegenchecken“ im Sinne von: „Was Sie 2013 über ein Verfahren von 2012 gesagt haben, gilt das auch noch 2014?“

    Nein, ich habe nicht versucht, Beteiligte von damals „jetzt nochmals zu befragen“. Die Beteiligten von damals, um die es mir geht, waren vorrangig die Medien (die jetzt selbst wieder darüber kommunizieren) und Wulff (der gerade ein Buch dazu veröffentlicht hat, was Anlass dieses Blog-Eintrages ist).

  85. Die Frage ist, ob die Falschmeldung tatsächlich ausschlaggebend war für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Sollte es daran Zweifel geben, und die gibt es ja – ob begründet oder nicht -, muss man es verifizieren. Man kann das so machen wie mit deiner Frage, man hätte ebenso die zuständigen Staatsanwälte befragen können oder Leute wie Tillack, den du ja nochmals mit einem eigenen Beitrag in die Pfanne hauen willst.
    Du hast das nicht für notwendig erachtet. Ob das nun aus Gründen der Bequemlichkeit war, weiß ich nicht. Vielleicht war es auch das vermeintliche Risiko, eine Sache totzurecherchieren. Wenn Journalisten meinen, eine tiefergehende Recherche sei nicht notwendig, schaden sie am Ende häufig auch sich selbst.

    Mehr möchte ich das wirklich nicht kommentieren, du und ich haben da ganz offensichtlich unterschiedliche Ansichten, wo wir nicht auf einen Nenner kommen werden. Zumal ich das Gefühl habe, mich dauernd zu wiederholen. Nuff said.

  86. @ theo und andere: Wieso dieses Nachhaken? Wir haben einerseits eine klare Aussage einer für die Ermittlungen verantwortlichen Person. Andererseits haben wir – gar nichts? Wo ist denn der Beleg, dass der Staatsanwalt gelogen hat? Oder sich geirrt? Tatsächlich ist die Aussage auch noch plausibel.
    Und ein andererseits gibt es natürlich – einen Journalisten, der sagt: „Lüge! Irrtum!“ Und dies nicht begründen kann, wie auch. Der übrigens auch nicht „gegengecheckt“ hat, er hätte ja einfach mal nach einem offiziellen Statement fragen können, wenn er der ersten Aussage so überhaupt nicht glaubt.
    Also nochmal – was soll eine Nachfrage hier bewirken? Man erhält eine Aussage von einer völlig anderen Person, die noch viel weniger involviert war damals. Und selbst wenn die Aussage bestätigt würde, dann hieße es „der war ja noch viel weniger involviert!“

  87. @ST:
    Bei der Frage „was soll eine Nachfrage bewirken?“ ersetze Nachfrage durch das Wort „Recherche“.

  88. @Peter Stollewerk
    „Ich wollte Wulff nicht als BuPrä und war froh für den Rücktritt und mit Gauck sehr zufrieden.“

    Sie sollte sich mal diesen Artikel von Evelyn Hecht-Galinski betreffend Herrn Gauck durchlesen:

    Kommentar vom „Hochblauen“
    Der „Gotteskrieger“, ein Präsident zum Fürchten!
    Von Evelyn Hecht-Galinski
    http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20462

    Vielleicht ändern Sie ja dann ihre Meinung zu Herrn Gauck wieder.

  89. „Sollte es daran Zweifel geben, und die gibt es ja — ob begründet oder nicht -, muss man es verifizieren.“

    Zweifel gibt es immer. Geht morgen die Sonne auf? Hat mein Interviewpartner nachdem ich die Tür hinter mir zu gemacht habe vielleicht seine Meinung geändert? http://de.wikipedia.org/wiki/Eine_Untersuchung_%C3%BCber_den_menschlichen_Verstand

    Dabei ist hier noch nicht einmal klar, warum eine spätere Befragung höheren Beweiswert haben soll, als eine frühere. Es geht darum, die damalige Motivation festzustellen. Selbst angenommen, Lüttig würde nun von seiner bisherigen Aussage abweichen und sagen, er habe sich über seine frühere Motivation selbst getäuscht, woher wissen wir dann, dass diese neue Ausage nicht ihrerseits auf einem déjà-vécu beruht? Daran wird auch nichts besser, wenn man die Nachfrage anders nennt.

    Konkrete Anhaltspunkt für Zweifel sehe ich bei Herrn Tillack, nämlich Zeifel, ob dieser die Rolle und Aussagekraft einer einstweiliger Verfügung im Rechtssystem richtig einschätzt. Schon die Wortwahl ist gelinde gesagt sonderbar: „Groenewold hatte dagegen am 14. Februar 2012 erfolgreich vor dem Landgericht Köln geklagt.“ Inzwischen räumt er ein, dass es sich um eine einstweilige Verfügung handelt, die da erging. Wer sich mit dem Thema „Anordnungsgrund“ noch nie näher beschäftigt hat, dem unterlaufen bei der genannten Einschätzung natürlich leicht Fehler. Sich zu irren ist an sich keine Schande. Der eigentümliche Satz steht aber immer noch so im Artikel.

  90. Korektur: „… sich über seine frühere Motivation selbst getäuscht …“ ist sinnentstellend falsch. Korrekt muss es heißen „… sich mit seiner früheren Einschätzung der Motivation der Staatsanwaltschaft getäuscht …“

  91. ThorstenV:

    eine – mögliche – Korrektur einer früheren Aussage wird als bedeutungslos angesehen, weil man ja nicht wisse, welche Aussage von beiden nun wahrhaftiger sei.

    Da muss man erstmal drauf kommen.

    Wenn ein Volontär nicht selbst recherchiert, weil er meint, schon im voraus das Ergebnis zu kennen – oder aber die Beweiskraft einer Aussage bezweifelt, noch bevor er sie überhaupt einholt und es deshalb auch unterlässt… tschuldigung, das würde ihm sein Ausbilder aber so was von um die Ohren hauen. Und mit was? Mit Recht.

    Eine Recherche muss ergebnisoffen angelegt sein. Dass man das ausgerechnet im Blog von Stefan Niggemeier noch betonen muss, ist allerdings befremdlich.

  92. @theo: Dürfte ich morgen behaupten, dass du mir in diesem Fall fehlende Recherche vorwirfst? Oder müsste ich vorher nochmal bei Dir nachfragen, weil Du mir sonst fehlende Recherche vorwirfst, weil ich ja nicht ergebnisoffen an die Frage herangegangen bin, ob Du mir fehlende Recherche vorwirfst?

    Okay, wir werden uns in dieser Sache nicht einigen. Darf ich ein paar andere Fragen stellen? (Und ich meine die nicht polemisch oder um von mir abzulenken, sondern ich weil es wirklich nicht verstehe.)

    Meine Argumentation beruht auf nachvollziehbaren Quellen und öffentlichen Aussagen (die man natürlich in Frage stellen kann) sowie, wie ich sagen würde, einem plausiblen Ablauf. Dann kommt Tillack und sagt: So war es nicht. Er hat dafür keinen einzigen Beleg. Er sagt auch nicht, wie es stattdessen war. Seine Argumente lauten: Journalisten, die sich mit dem Fall auskennen, wissen das. Und: Manchmal, sehr selten, wissen Chefs nicht, was wirklich Sache ist.

    Und an diesem Punkt entscheidest Du, dass ich nicht gründlich recherchiert habe? Weil ich meine Quellen nicht noch einmal „gegengecheckt“ habe? Während Tillack nicht einmal eine Quelle nennt?

    Du sagst, man muss besonders recherchieren, wenn es Zweifel gibt. Meinst Du nicht, dass derjenige, der die Zweifel äußert, sie zumindest belegen muss? Muss der nicht „recherchieren“? Reicht es, dass der sagt, „ich weiß es und so stimmt es“ und dann bin ich in Zugzwang?

    Und was die angebliche Pflicht angeht, die Gegenseite vorher anzuhören, bevor man sie angreift, die Tillack ja so wichtig ist: Tillack sagt über diesen Generalstaatsanwalt: Der hatte keine Ahnung. Was der öffentlich gesagt hat, stimmt nicht. — Wäre es nicht nach Tillacks Postulat von der Pflicht zur vorherigen Anhörung, dem Du zu folgen scheinst, nicht das Mindeste gewesen, diesen Mann vor der Veröffentlichung anzuhören?

  93. Ich zitiere Tillack aus seinem eigenen Blog:

    „Der Antrag auf Aufhebung der Immunität betraf nicht nur den gemeinsamen Aufenthalt von Wulff und Groenewold im “Hotel Stadt Hamburg”, sondern auch einen weiteren gemeinsamen Sylt-Aufenthalt, für den Groenewold die Kosten ausgelegt hatte – sowie das besonders bekannte gemeinsame Wochenende im Bayerischen Hof Ende September 2008, über das jetzt das Landgericht Hannover verhandelt hatte.“

    So sehr mich Tillacks eitles Gehabe auch oft anwidert: Er wird das sicher nicht behaupten, wenn er es nicht belegen könnte, da ist er ein ziemlicher Pedant.

    Wenn man so wie du allen möglichen Journalisten wegen schlechter Recherche auf die Finger haut, sollte man sich etwas mehr bemühen, sonst könnte sich das mal zu einem Bumerang entwickeln. Und das wäre sehr schade, weil ich deine Arbeit sehr schätze.

    Deine ganze Konstruktion hier stützt sich auf eine einzige ältere Aussage, nämlich die von Lüttig. Da wäre der Gedanke, den Mann oder seine Kollegen vorsichtshalber nochmals zu befragen, doch sehr naheliegend gewesen.

  94. @theo: Ich widerspreche der von Dir zitierten Aussage Tillacks gar nicht. Es geht in diesem Eintrag darum, was der Anlass war: der Punkt, an dem die Staatsanwaltschaft beschloss — womöglich unter mehr oder weniger sanftem Druck von „Bild“ — dass sie nun ermitteln muss. Dass es bei diesen Ermittlungen um mehr ging als den Vertuschungsverdacht, bestreite ich doch gar nicht.

    (Und dass es für Lüttig schon aus rechtlichen Gründen schwer ist, seine Aussage von damals zu widerholen, magst Du irgendwie nicht zur Kenntnis nehmen.)

    All die anderen Fragen, Tillack betreffend, fandst Du jetzt nicht beantwortenswert?

  95. (Und dass es für Lüttig schon aus rechtlichen Gründen schwer ist, seine Aussage von damals zu widerholen, magst Du irgendwie nicht zur Kenntnis nehmen.)

    Wenn du den Versuch gewagt hättest, ihn oder andere Staatsanwälte heute zu fragen, müssten wir uns jetzt nicht bloßen Vermutungen aufhalten.

  96. @115 theo
    „Da wäre der Gedanke, den Mann oder seine Kollegen vorsichtshalber nochmals zu befragen, doch sehr naheliegend gewesen.“

    Als „juornalistischer“ Routineimpuls Mh. Ja. Eventuell. (So als vorrauseilende Rechtfertigung oder Beweis…(A guilty conscience needs no accuser.))

    Nach kurzer Überlegung – Nein.

  97. @120 theo
    „Das wäre auch sinnlos.“
    Ja. Habe selten so konstante, offensichtliche Dissonanzmechanismen mitbekommen.
    Relativ kreativ und dabei wunderbar selbstentlarvend. Dank dafür.

  98. @theo: ???
    „So sehr mich Tillacks eitles Gehabe auch oft anwidert: Er wird das sicher nicht behaupten, wenn er es nicht belegen könnte…“
    Was dagegen, wenn Grundlagen für Aussagen auch genannt werden? Wie, nur als Beispiel, in diesem Artikel hier? Das ist dann schlimm? Und als Gegenbeispiel, bei Tillack? Das ist viel besser als Argumentationsgrundlage, weil er es sonst wahrscheinlich immer gut gegen recherchiert…?

  99. Vielleicht wird es irgendwann hoffentlich einmal möglich sein objektiv nachzuvollziehen, warum die Staatsanwaltschaft tatsächlich das Ermittlungsverfahren eröffnet hat. Vielleicht stehen bisher noch Dienstgeheimnisse und die persönliche Reputation der damals handelnden Staatsanwälte dagegen. Aber vielleicht darf irgendwann mal die Ermittlungsakten eingesehen werden und Zeithistoriker können dies klären. Es wäre wichtig zu erfahren, ob Wulff tatsächlich durch einen falschen Pressebericht zurücktreten musste. Das wäre auch zeitgeschichtlich bedeutsam.

  100. Das hätte der Herr Wullf wohl gerne, dass er sich rühmen kann, wegen eines falschen Pressberichtes zurückgetreten worden zu sein. Das muss doch jedem halbwegs intelligenten Menschen wehtun, wenn jetzt so getan wird, als sei Wulff nur zurückgetreten , weil die Staatsanwaltschaft annahm, der Herr Groenewold schaffe Beweise beiseite.

    Mag sein, dass der feine Herr statt offen korrupt einfach nur unfassbar dusselig und naiv im Umgang mit Leuten war, die was von ihm wollten und von ihm profitieren konnten. Genauso wie die Nummer, mit der Bildzeitung ins Bett zu gehen, und sich danach zu wundern, dass die Bild die Bild ist. Das alleine würde schon dafür reichen, ihn für das Amt des Bundespräsidenten komplett zu disqualifizieren.

    Das soll die falsche und dreiste Berichterstattung nicht nach dem Motto „Da triffts den Richtigen“ relativieren, aber man muss doch bitte auch die Kirche im Dorf lassen, wenn man von zeitgeschichtlichen bedeutsamen Vorgängen schwadroniert. Allein die haarscharf an der Lüge vorbeigeschrammte Auskunft auf die parlamentarische Anfrage zu Wulffs Geschäftsbeziehungen ist Rücktrittsgrund genug. Da muss man noch nichtmal mit dem Strafrecht wedeln.

  101. @113 theo

    eine — mögliche — Korrektur einer früheren Aussage wird als bedeutungslos angesehen, weil man ja nicht wisse, welche Aussage von beiden nun wahrhaftiger sei.

    Soll ich das behauptet haben? Nein natürlich ist die mögliche Korrektur nicht bedeutungslos, Der Humsche Zweifel ist immer möglich. Er ist eines der zentralen Probleme der Erkenntnistheorie, also eher das Gegenteil von bedeutungslos. Nur sind wir hier nicht in einem philosophischen Seminar.

    Fragt man einen vernünftige Philosophen, wie man Erkenntnis gewinnen kann wird der, eben da der Versuch durch ausschöpfende Recherche etwas zu beweisen, immer scheitern muss, stattdessen z.B. vorschlagen sich die vorliegenden Argumente und Gegenargumente im Vergleich anzusehen und abzuwägen, also ungefähr das was Niggemeier in Kommentar 114 praktisch vorführt.

    Wenn ein Volontär nicht selbst recherchiert,

    Es wurde doch recherchiert. Oben steht beispielsweise der Link zum Artikel in der Welt. Da von einer Nichtrechereche somit nicht die Rede sein kann, kann es also nur mehr um den Umfang der Recherche gehen. Es wäre also etwa nachzuweisen, das sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hier für jeden sorgfälgtig arbeitenden Journalisten hätte aufdrängen müssen, dass noch weitere Recherche erforderlich ist. Was wäre also konkret die hier noch erforderliche Recherche gewesen und woraus genau war das erkennbar?

    weil er meint, schon im voraus das Ergebnis zu kennen

    Das ist nicht im Voraus, sondern eine Wertung im Nachhineine: nach dem Lesen der Welt.

    oder aber die Beweiskraft einer Aussage bezweifelt, noch bevor er sie überhaupt einholt und es deshalb auch unterlässt

    Die Aussage wurde durch Lesen der Welt eingeholt. Welche Anhaltspunkte gab es, dass diese unzutreffend wäre? Ich sehe noch nicht einmal jetzt welche.

    Eine Recherche muss ergebnisoffen angelegt sein.

    Hatte der Autor sich schon vor dem Lesen der Welt festgelegt? Woraus ersieht man das? Kann ich nicht erkennen.

    Und weil wir bei Behaupten und Beweisen sind: der Beweis für die Behauptung, es gäbe einen Widerspruch ist noch abgängig vgl. Kommentare 73 und 75,

  102. @118 theo

    Wenn du den Versuch gewagt hättest, ihn oder andere Staatsanwälte heute zu fragen, müssten wir uns jetzt nicht bloßen Vermutungen aufhalten.

    Das ist eine relative steile Behauptung für jemanden, der wünscht, dass man alle Möglichkeiten betrachtet. Wenn man angefragt hat, hat man gefragt? Und? Was weiss man jetzt? Zwar gibt es nach Art 17 GG ein Recht auf Antwort, wenn man sich an öffentliche Stellen wendet, aber diese muss nach der Rechtsprechung nicht inhaltlich sein und auch nicht begründet werden, es reicht also beispielsweise die Standardformulierung „Ihre Nachfrage haben wir zur Kenntnis genommen. Von weiteren Darlegungen sehen wir ab.“

  103. @115 theo

    So sehr mich Tillacks eitles Gehabe auch oft anwidert: Er wird das sicher nicht behaupten, wenn er es nicht belegen könnte, da ist er ein ziemlicher Pedant.

    Mittlerweile behauptet er

    Diese Darstellung wird jedoch von den ermittelnden Staatsanwälten bestritten ...

    „Dies Darstellung“ ist dabei die von Lüttig-Niggemeier, dass die Vertuschungsvorwürfe ausschlaggebend waren. Durch welche konkreten Äußerungen die Staatsanwaltschaft das bestritten hat oder aus welchen Äußerungen dieses Bestreiten erschliessbar ist, hat er allerdings bisher noch nicht ausgeführt. Wir wissen also immer noch nicht über welchen Text der Staatsanwaltschaft wir hier überhaupt diskutieren sollen, der nahelegen könnte, dass Niggemeier mehr als dies geschehen ist, recherchieren hätte müssen.

  104. Was in dieser Sache möglicherweise ein wenig kurz gekommen ist, dürfte folgendes sein: Es kann kaum Zweifel geben, dass über kurz oder lang die Staatsanwaltschaft Hannover den Anfangsverdacht für derart gefestigt gehalten haben könnte, dass sie zu einem Antrag auf Aufhebung der Immunität gelangt wäre, um überhaupt Ermittlungen aufnehmen zu können.

    Das große „ABER“ ist die Zuspitzung und zwar aufgrund eines Artikels, zu dem die Beschreibung „frei erfunden“ eher passt als „fehlerhaft“. Über die Motive der beiden Verfasser werden wir so wenig erfahren wie über den konkreten Kipppunkt, der Kai Diekmann veranlasst hat, generell die Linie des Blattes zu Wulff zu ändern.

    Der Umstand, dass ein Artikel, dem allenfalls die Qualität bescheinigt werden kann, ein Gerücht in die Welt gesetzt zu haben, geeignet ist die Justiz zu beeinflussen, ist derart ungeheuerlich, dass mich persönlich die teilweise vehemente Zurückweisung dieser Möglichkeit hier in den Kommentaren und bei Tillack überhaupt nicht wundert. Denn da gerät in Sachen „Ethik“ einiges ins Rutschen – politisch, juristisch, journalistisch. Dass ein Kollege den anderen nicht vorab um dessen Stellungnahme angeht, ist da nur noch eine Petitesse.

    Aber es wäre gerade im Fall Wulff nicht das erste Mal, nachdem Gerüchte zu seiner Gattin es sogar bis ins Biedermeier eines Jauch-Studios geschafft und erst konkrete rechtliche Schritte es verhindert haben, dass daran festgehalten wird. Die ganze Story Wulff ließe sich also zwanglos unter der Überschrift „Die Macht der üblen Nachrede“ subsumieren. Wer sich daran beteiligt hat, sollte sich nicht beklagen, wenn es künftig ihn oder sie trifft.

  105. Marian,
    von einer „teilweise vehementen Zurückweisung dieser Möglichkeit“ habe ich hier nicht viel gelesen, wohl aber ging es darum, ob der Artikel TATSÄCHLICH ausschlaggebend war für den Antrag auf Aufhebung der Immunität. Im Übrigen war die StA vielleicht doch nicht wegen der Immunität allein auf Zeitungsartikel angewiesen. Es hätte ja bereits erste Ermittlungen gegen Groenewold geben können, bei denen automatisch auch Hinweise zu Wulff aufgetaucht wären.

    Alles zusammen also ein ganz großes „hätte, wäre, wenn“. Wenn man ernsthaft herausfinden möchte, ob „diese eine, falsche Geschichte der konkrete Auslöser des Rücktritts“ gewesen ist, kann man nicht auf dem nur veröffentlichten Wissensstand von 2012 verharren. Wenn es hingegen darum geht, anderen Journalisten ans Bein pinkeln zu wollen, reicht das aus.

    Wobei ich Linus noch gerne in der Hauptsache beipflichten möchte: dass Wulff nur wegen einer Falschmeldung zurückgetreten worden sein soll, ist m.E. eine Mär. Ich glaube auch der Verschwörungstheorie nicht, dass er mit seinen politischen Ansichten für die „Bild“ oder anderen eine Gefahr dargestellt hat. Das wäre dann doch zuviel der Ehre. Wulff hat sich – auch durch eigenes Taktieren, durch eigene Rücksichtslosigkeit – über all die Jahre enorm viele Feinde gerade in der eigenen Partei geschaffen. Die politischen und menschlichen Rechnungen lagen auf dem Tisch, der CDU-Justizminister Niedersachsens trieb die Seinen zum Jagen.

  106. @Theo/131:

    Sie glauben also nicht die eine Verschwörungstheorie – Sie glauben aber eine andere? Bizarr.

  107. Guten Abend, Theo,

    es gibt durchaus elegantere Möglichkeiten, das Gegenüber zu desavouieren als vermittels des Wortes „Verschwörungstheorie“.

    Es besteht gar kein Zweifel, dass sich Wulff mit seiner Rede vom 3.10.2010 hinsichtlich des kosmopolitischen Teils dezidiert in Antithese zur Haltung des Exekutivs Merkel II setzte, das die Frage der Integration allenfalls unter bürokratisch-fachlichen, ansonsten und vor allem unter sicherheitspolitischen Aspekten behandelt wissen wollte und heute immer noch will – von Kultur kaum eine Spur. Die von Ihnen geforderte Hinzufügung des ex-post-Gesichtspunktes besagt, dass diese erste und letzte bedeutende Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten nicht nur ausdrücklich von seinem Amtsnachfolger relativiert, sondern der inneren Rechtfertigung beraubt wurde, weil sie von jemanden geäußert worden ist, der „nicht einwandfrei“ sei. Diese Rechnung machen Sie aber seltsamer Weise nicht auf und legen sie auch nicht auf den Tisch. Ich glaube, von derlei blinden Flecken gibt es noch ein paar mehr.

    Wenn SNs Artikel einen Vorzug hat, dann den „das Undenkbare zu denken“. Das Undenkbare aber ist nicht nur Theorie, es ist auch Praxis.

    Beste Grüße, MS

  108. Frank Lüttig

    http://www.fotocommunity.de/fotograf/frank-luettig/1558109

    war nicht nur höchstpersönlich auf Sylt,

    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/25340839

    sondern hat es – wenn auch schlecht rasiert – bis ins Fernsehen geschafft:

    http://daserste.ndr.de/panorama/absturz187.html

    Lüttig (ab Minute 00:14):

    „Morgens zum Frühstück zog ich die BILD-Zeitung, die dort lag und las diesen Artikel mit Gronewold, Sylt, und dann dachte ich: Ach du Schande!“

    Von dem Vermerk in grüner Tinte, den Prof. Müller mit # 58 in Erinnerung gerufen hat, war, wie mir scheint, späterhin nie wieder die Rede.

    Wulff über Lüttig:

    „Auch Frank Lüttig dürfte nicht gut auf mich zu sprechen gewesen sein, hatte ich doch personelle Wünsche des Justizministeriums aus Kostengründen abgelehnt und damit gerade ihn am Aufstieg gehindert. Erst nach meinem Wechsel nach Berlin konnte Lüttig Abteilungsleiter werden.“

    (Ganz oben ganz unten, Seite 225)

  109. @Marian Schraube

    Sie wollen sich wirklich einreden, Wulff sei wegen seiner geäußerten Ansichten zur Rolle des Islam in Deutschland oder gar wegen seiner Bänkerkritik von Merkel (bzw. denjenigen, die hinter ihr stehen) via Friede Springer aus dem Amt entfernt worden? Das ist so absurd, das behauptet ja noch nichtmal Wulff selber. Wahrscheinlich wäre er als nächstes noch Barschel- oder Möllemannmäßig nicht nur aus dem Amt, sondern gleich aus dem Leben entfernt worden, so unbequem und subversiv, wie der war. Hat die ganze prachtvolle Machtfülle seines Amtes ausgenutzt, ums den Mächtigen, denen er sein Pöstchen verdankt, aber mal so richtig zu zeigen.

    Den üblen Leumund hat sich Herr Wulff übrigens schon höchstselbst verschafft.

  110. @130 Marian Schraube

    Der Umstand, dass ein Artikel, dem allenfalls die Qualität bescheinigt werden kann, ein Gerücht in die Welt gesetzt zu haben, geeignet ist die Justiz zu beeinflussen, ist derart ungeheuerlich, dass mich persönlich die teilweise vehemente Zurückweisung dieser Möglichkeit hier in den Kommentaren und bei Tillack überhaupt nicht wundert.

    Aus Sicht der Justiz ist das nur logisch, denn da die Presse eine besondere Verpflichtung zur Sorgfalt und Wahrheit hat, darf sie erst einmal davon ausgehen, dass Presseartikeln eher ein höherer Beweiswert als etwa irgendwelchen Aussagen beliebiger Personen zukommt. Soviel zur Theorie. In der Praxis dürfte die Überlegung „Was ist, wenn es richtig ist und wir ermitteln (immer noch) nicht?“ eine Rolle spielen. Es liegt auf der Hand, dass dann Vorwürfe und Verdächtigungen aufkommen würden, wie: Es steht doch sogar in der Zeitung! Warum haben die immer noch nicht ermittelt? Kann der Staatsanwalt nicht lesen? Gibt es eine Sonderbehandlung für Politiker? Warum erlaubt man denen erst die Beweis verschwinden zu lassen, während der kleine Mann sofort fällig ist und man bei ihm erstmal präventiv zuschlägt und sich dann nichmals entschuldigt, wenn’s nix war?

  111. @131 theo

    Wenn man ernsthaft herausfinden möchte, ob „diese eine, falsche Geschichte der konkrete Auslöser des Rücktritts“ gewesen ist, kann man nicht auf dem nur veröffentlichten Wissensstand von 2012 verharren.

    Es gibt (immer noch) keinerlei Anhaltspunkt, dass der Wissensstand aus dem Artikel in der Welt nicht aktuell ist. Im Übrigen geht es um einen Zustand zum damaligen Zeitpunkt, der ist „frozen in time“ d.h. er ist objektiv keiner Änderung zugänglich, man kann höchstens aufgrund später auftauchender Hinweise zu einer anderen Einschätzung des früheren Zustands kommen. Tillack behauptet auch keine Änderung des Wissenstands, sondern Unwissenheit von Niggemeier. Er ist der Meinung, dass im Gegensatz zu dem kritisierten Journalisten Niggemeier übersehen habe, dass die Staatsanwaltschaft tatsächlich gar nicht wegen der betreffenden BILD-Falschmeldung ermittelte. Sein Argument dafür ist einzig, dass die Staatsanwaltschaft angemerkt hätte, es gäbe aufgrund der Verfügung (die Tillack ebenso hartnäckig wie irreführend weiterhin mit „erfolgreich vor dem Landgericht Köln geklagt“ umschreibt) Zweifel an der Richtigkeit und daraus folgert, das die Darstellung in der Welt falsch ist. Aus den schon mehrfach dargelegten Gründen greift das Argument aber sachlich nicht. Das alleine schließt dennoch nicht aus, dass er mit seiner Behauptung „Diese Darstellung wird jedoch von den ermittelnden Staatsanwälten bestritten …“ tatsächlich Recht hat, beispielsweise kann sich ja auch ein Staatsanwalt mal irren (indem er z.B. denselben argumentativen Fehler macht, den Tillack macht), das müsste man dann aber etwa durch ein direktes Zitat der Staatsanwaltschaft stützen. Darauf warten wir noch.

  112. „Aus Sicht der Justiz ist das nur logisch, denn da die Presse eine besondere Verpflichtung zur Sorgfalt und Wahrheit hat, “

    Hmm, also wenn ich da jetzt an diesen Sylt-Artikel denke, an die Hitler-Tagebücher, an Baggersee-Krokodile oder Killer-Karpfen oder überhaupt an den Begriff Ente, dann habe ich doch irgendwie etwas Probleme mit ihrer Aussage.

    „dass Presseartikeln eher ein höherer Beweiswert als etwa irgendwelchen Aussagen beliebiger Personen zukommt. “

    Stimmt, z.B. solchen überflüssigen Personen wie etwa Zeugen .

  113. @ Linus
    Bitte beachten Sie den Zusammenhang, dass die meine eine Antwort auf Theo war, der anmahnte, nicht nur den (hypothetischen) ex-ante-Blickwinkel einzunehmen: Ich habe ein Ergebnis aufgeschrieben, das unbestreitbar ist. Die Konstruktion dazwischen (!) haben Sie (!) mit Namensnennungen (!) gebracht, was ich recht bemerkenswert finde – offenbar beschäftigen Sie Gedanke und Personen.

    @ ThorstenV (138)
    Sie legen da den Finger in eine Wunde: „Warum erlaubt man denen erst die Beweis verschwinden zu lassen, während der kleine Mann sofort fällig ist“ ist genau die auch von mir aufgeworfene Frage und kennzeichnet ein Klima, in dem Begriff und Konzept von „Immunität“ gar keine Rolle spielen. Der Antrag auf dessen Aufhebung wurde nicht nur von interessierter Seite, sondern auch medial so behandelt, als habe es sich dabei bereits um einen fertigen Anklagesatz gehandelt. Damit war aber der Boden bereitet, dass Wulffs Rücktritt obligat gewesen sei, während die StA per Gesetz tatsächlich erst ab dem 16. ermitteln durfte.

  114. Marian Schraube („Der Antrag auf dessen Aufhebung wurde nicht nur von interessierter Seite, sondern auch medial so behandelt, als habe es sich dabei bereits um einen fertigen Anklagesatz gehandelt.“):

    Wenn Inhaber von ranghöchsten Staatsämtern auch nur im Verdacht stehen, Gesetze gebrochen zu haben, ist ein Rücktritt meist unausweichlich. Das hat noch nicht einmal mit bösen Medien oder „interessierter Seite“ zu tun, sondern ist seit zig Jahren Teil der deutschen politischen Kultur. Ausnahmen bestätigen die Regel.

    Vielleicht wäre es für den weiteren Verlauf der kleinen Diskussion hier förderlich, einmal daran zu erinnern, was sich Wulff so alles selbst eingebrockt hat. Es waren ja nicht nur Medienvertreter, sondern auch namhafte Juristen und andere Experten, die ein ums andere Mal einen Gesetzesverstoß attestiert haben. Der Kürze halber verweise ich auf:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Wulff-Aff%C3%A4re

  115. @ Theo
    Kann es sein, dass es ein wenig hilflos wirkt, wenn Sie jetzt obiter dictum schreiben was „sich Wulff so alles selbst eingebrockt hat“ und dazu auf WikipediA verweisen?
    Fakt ist: Wulff wurde nicht nur freigesprochen, das Urteil ist nicht nur rechtskräftig, sondern die Staatsanwaltschaft selbst hat die Aussichtslosigkeit von Rechtsbehelfen eingesehen und darauf verzichtet.

    Das Füttern der Öffentlichkeit mit ungenauen, teilweise gerichtet falschen Angaben hat den hinlänglich bekannten Juristen von Arnim genauso zu seinem im Ergebnis falschen Testat zur „Grenze der Strafbarkeit“ verleitet wie es etwa in der Causa Hoeneß den früheren Vorsitzenden Richter (BayObLG) Bernd von Heintschel-Heinegg im beck-blog zu Mutmaßungen in Richtung unerlaubter Prozessabsprachen gebracht hat. Das einzige, was die Medien hier in beiden Fällen beanspruchen können, ist das fumum vendidi – den Braten bleiben sie schuldig. Werden Sie, Theo, vom Bratenduft satt?

    Allen Beteiligten, und SN, ein geruhsames Wochenende.

  116. Lieber Marian,

    achten Sie bitte auf ihren eigenen Herd. Mir scheint, da brennt gerade was an.

    Vielleicht reden wir auch aneinander vorbei. Wulff ist freigesprochen, gewiss, aber: im Amt des Bundespräsidenten eignet sich nicht jeder, der gerade frei herum läuft. Sonst könnte ja auch Carsten Maschmeyer das Amt bekleiden. Sie mögen das aus juristischer Sicht betrachten, ich sehe das mehr aus einem politisch-gesellschaftlichem Blickwinkel. Aus meiner Sicht heraus ist Wulff kein Unschuldslamm und eignet sich somit auch nicht für den Niggemeierschen Flauschcontent..

  117. @theo

    Wenn Inhaber von ranghöchsten Staatsämtern auch nur im Verdacht stehen, Gesetze gebrochen zu haben, ist ein Rücktritt meist unausweichlich.

    Nö. Siehe z.B. Absatz 1, Artikel 26 Grundgesetz („Führung eines Angriffskrieges bzw. Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören“) und eine aktuelle Diskussion um einen bestimmten Repräsentanten der Bundesrepublik, auch Ende Januar, Anfang Februar diesen Jahres gab es schon eine ähnliche Diskussion. Der Inhaber schrammt immer haarscharf an einer Anklage herum – haarscharf könnte man z.B. „als im Verdacht stehen eine solche Handlung zu unternehmen“ übersetzen. Und ich schreibe bewusst Anklage nicht Anzeige.
    Andere Personen drohen Nachbarländern dafür z.B. mal mit der Kavallerie und machen später dann den Effe.

    Vielleicht wäre es für den weiteren Verlauf der kleinen Diskussion hier förderlich, einmal daran zu erinnern, was sich Wulff so alles selbst eingebrockt hat. Es waren ja nicht nur Medienvertreter, sondern auch namhafte Juristen und andere Experten, die ein ums andere Mal einen Gesetzesverstoß attestiert haben.

    Ich fand Herrn Wulff nicht besonders sympathisch, aber angesichts dessen was sich andere Leute in diesem Land leisten, ist das wirklich lächerlich. Wer sich, als nicht ganz unwichtige Person, für die Wahrheit allzu laut ausspricht, bekommt früher oder später Probleme.

    „Im 21. Jahrhundert muss jeder Aktivist, der wirklich Tatsachen schafft, um sein Leben bangen“, schreibt Dammann: „Die Snowden-Affäre hat uns in aller Deutlichkeit unsere absolute Hilflosigkeit demonstriert, momentan bemerken Friedensaktivisten in ganz Deutschland, wie sie gnadenlos verfolgt und – paradoxerweise – als ‚Nazis‘ verbrämt werden.

    http://www.neopresse.com/gesellschaft/die-macht-der-geheimdienste-im-21-jahrhundert-methoden-strategien-und-ziele/

    Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der ENBW Utz Claasen kann dazu sicher die eine oder andere Anekdote erzählen. Und es gab da auch mal eine Vorsitzende des EKD, die hatte Probleme nach einer Fahrt mit einem Phoenix. Das war nicht allzu lange nachdem diese Frau sich gegen ein weiteres Engagement in Afghanistan ausgesprochen hatte. Das Vorbild dieser Frau war übrigens Martin Luther King.

  118. Okay,

    dann haben also Dunkelmänner im Auftrag des militärisch-industriellen Komplexes der netten Frau Käßmann was in den Tee getan. Sensationell, was im Zuge dieses Threads so alles aufgeklärt wird.

  119. Obwohl… da fällt mir ein, dass knapp eine Woche, nachdem ich 1981 bei der Friedensdemo am Bonner Hofgarten war, mein Moped intensiv kontrolliert worden ist und ich nur mit Mühe den Polizisten beim Ritzel-Zählen ablenken konnte.

  120. Gott, ist das alles dämlich.

    Gauck bereitet einen Angriffskrieg vor, Kässmann wird kalt gestellt (Ganz klarer Beweis: Eins ihrer Vorbilder ist erschossen worden) und ausgerechnet Utz Claasen erzählt Anekdoten. Und Montagsdemonstranten, die das Protokoll der Weisen von Zion im Sinne des Friedens nacherzählen, wundern sich darüber, als Nazis bezeichnet zu werden. Und mittendrin der Widerstandskämpfer der Herzen, Christian Wulff.

    Kleine Frage: In einem Land, in dem die Eliten (oder ihre meist jüdisch-atlantischen Hintermänner) alles und jeden kontrollieren (Die Medien, wahlweise aber auch die Justiz), sollen wir jetzt einen Freispruch eben dieser Justiz als Beweis für irgendwas nehmen? Aber macht ja auch Sinn, die Verabredungen zur Korruption mit Maschmeyer, Geerkes und Groenewold gibts ja nicht als Youtube-Video, also können sie nicht die WAHRHEIT sein.

  121. Lieber Herr Niggemeier,
    ich bin zu 100% bei Ihnen in Ihrer Bewertung, verstehe jedoch Ihre Verwunderung nicht, warum sich (fast) niemand über die Falschmeldung der BILD aufregt. Das hat zwei Gründe und ich bemühe aus aktuellem Anlass dafür zwei Bilder aus dem Fußball:
    Als Deutschland 1990 Weltmeister gegen Argentinien wurde, war dies eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters zu verdanken, der „unserem“ Team einen Elfmeter schenkte. Das wurde auch von vielen so wahrgenommen. Aber da Deutschland klar das bessere Team war und die Argentinier vor allem durch unfaire, überharte Spielweise aufgefallen waren, hat jeder in Fußballdeutschland den Sieg als gerecht und verdient betrachtet.
    Nicht anders ist es mit Wulffs Rücktritt. Da trat ein Mann zurück, der die persönliche Eignung für dieses Amt nicht mitbrachte und schon bei seiner Wahl (im 3. Wahlgang) wussten es eigentlich alle. Da nimmt man den „falschen Elfmeterpfiff“ der Staatsanwaltschaft halt nur oberflächlich zur Kenntnis.
    Und zum Thema BILD-Zeitung: Wenn sich heute jemand hinstellt und behauptet, dass die FIFA eine von Korruption durchzogene Organisation ist, schafft er es doch nicht mal mehr in die kleinste Nachrichtenspalte. Das ist halt schon „Allgemeinwissen“. Und wer regt sich denn über die x-te Falschmeldung dieses Blattes auf?

  122. Tja, es ist immer wieder faszinierend und es wiederholt zudem sich regelmäßig:

    „Auch an sich gescheite, weltoffene und freundliche Menschen, bleiben sehr gern und meist auch recht unbeugsam, bei der ihnen „medial vorgegebenen bzw. eingepflanzten Sichtweise“ und werden zudem sichtlich ungehalten, falls man nicht mit ihnen übereinstimmt.“

    Beängstigend wird so etwas, wenn neue, andere Überlegungen nicht mehr zugelassen oder „weggeschrieben“ werden sollen. Häufig, weil diese neuen, anderen Informationen nicht vollkommen zu den medial geprägten und monatelang „gefühlten, richtigen Werte“ passen.

    Schade eigentlich…

  123. […] alles »Bild« und Journaille? Ja und nein. Die Sache ist vermutlich komplizierter. Die These von Stefan Niggemeier, Wulff sei über eine Falschmeldung in »Bild« gestürzt, ist verkürzend und falsch. Selbst Wulff sieht das komplexer. Die manipulierte Meldung der […]

  124. Niemand MUSS zurücktreten. Nie. Es ist immer eine eigene Entscheidung, und die Annahme, daß ein Pressebericht dazu ausreicht, ist nicht realistisch (außer man ist so dünnhäutig wie Horst Köhler).

  125. @theo
    Man muss den wenigsten etwas in den Tee tun. Es reicht auch einfach die entsprechende Person pausenlos zu überwachen bis sie einen Fehler macht. Es könnten vermutlich hunderte Personen in Deutschland in gehobenen Positionen jedes Jahr aus dem Verkehr gezogen werden, wenn es denn gewollt wäre. Bei Herrn Claasen war das mit der Überwachung sogar direkt sichtbar. Das hatte er bei einem Gespräch mit Frank Elstner bei „Menschen der Woche“ (SWR3) mal so erzählt, ist schon ein paar Jahre her. Bis zu diesem Gespräch dachte ich bei Herrn Claasen, dass dieser halt auch einfach nur irgend so ein Vorstands-Heini wäre.

    Man kann aber auch Menschen bewusst etwas anhängen, um sie aus dem Verkehr zu ziehen (ziehen zu lassen), s. den Sylt-Artikel.

  126. @148 Villiper
    Es ist seine Berufspflicht verwundert zu sein. Ihre Erklärung ist zwar unbestreitbar, in dem Sinn, dass sie die bekannten Fakten umfassenden erklärt, aber sie ist nicht erlaubt. Das ist eine Verschärfung des Satzes von Meinhof (nach Ulrike, der das Zitat zugeschrieben wird): „Wir können sie nicht zwingen, die Wahrheit zu sagen, wir können sie nur dazu zwingen, immer unverschämter zu lügen.“ Diese Behauptung ist nämlich von geradezu absurder Naivität. Das darf man so ohne weiteres sagen, weil es sich ja um eine Terroristin handelt, die das behauptet hat. Das Problem ist, dass es eine ungeheuer staatstragende Navität ist. Man kann schon ja keinen zum Antworten zwingen, wie also sollte es möglich sein, ihn zum Lügen zu zwingen? Auch kann man nicht erzwingen, dass eine „Antwort“ nicht bloß verschwurbelter Blödsinn ist. Es bleibt also nichts übrig, als darauf hinzuweisen, dass Antworten und Reaktionen fehlen, oder dass sie nichts oder nichts Erklärendes aussagen und sich laut darüber zu wundern, dass sich das nicht ändert.

  127. @143 theo says:

    Aus meiner Sicht heraus ist Wulff kein Unschuldslamm und eignet sich somit auch nicht für den Niggemeierschen Flauschcontent..

    Einen Anspruch auf faire Behandlung durch die Medien sollte auch derjenige haben, der nicht deren Liebling ist. So funktioniert das Spiel zwar tatsächlich und alle Beteiligten wissen, dass man besser Rosa Parks als Claudette Colvin als Medienfall aufbaut, wenn man politisch etwas erreichen will, aber das heißt nicht, dass das ewig so bleiben muss.

  128. […] Stefan Niggemeier | “Bild” stürzte Wulff mit einer Falschmeldung. Das kümmert aber kei… “Es gibt zwei Möglichkeiten, was bei dpa passiert ist. Entweder kam es da zu einer ganz unglücklichen Verkettung von Verzögerungen und Schlampereien. Oder die Nachrichtenagentur hatte einfach kein Interesse daran, diese für Springer unschöne Geschichte zu verbreiten. Springer ist einer der größten Kunden von dpa; dpa ist mit seinen Büros Untermieter bei Springer.” […]

  129. Lüttig: Es war ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr anders ging. Es waren so viele möglicherweise belastende Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, dass einem verantwortlichen Staatsanwalt gar keine andere Wahl blieb, als diese Informationen zu überprüfen. Und wenn er überprüfen muss, zum Beispiel durch Zeugenvernehmung, dann bleibt ihm keine andere Wahl, als Ermittlungen aufzunehmen.

    Die Welt: An welcher Stelle war dieser Punkt erreicht?

    Lüttig: In dem Moment, als in der Presse zu lesen war, dass David Groenewold versucht, Beweise aus der Welt zu schaffen.

    Die Welt: Rechnungen aus dem Hotel „Stadt Hamburg“ auf Sylt.

    Lüttig: Ja, da war die Sache gelaufen. Da durfte eine Staatsanwaltschaft nicht drüber hinweggehen.

    Ich lese das etwas anders als Stefan Niggemeier.
    StA Lüttig hatte das Problem, dass er die (alle) Presseberichte eben nicht überprüfen konnte, denn dies wäre bereits ein Ermittlungsverfahren gegen ein Staatsorgan mit Immunität gewesen. Er hätte, wie er schreibt nicht einmal Zeugen vernehmen dürfen.

    Daher beobachtete er ein Fass, dass immer voller wurde mit möglicherweise strafrechtlich relevanten Vorwürfen.
    Eine Ermittlung gegen den Bundespräsidenten wollte er nicht leichtfertig aufnehmen.

    Die Bild-Falschmeldung brachte jedoch das Fass zum überlaufen.
    Das Fass war jedoch vorher schon voll.
    „Es waren so viele möglicherweise belastende Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, dass einem verantwortlichen Staatsanwalt gar keine andere Wahl blieb, als diese Informationen zu überprüfen.“

    Die Staatsanwaltschaft musste um zu ermitteln, ob positiv oder negativ für Wulff, die Aufhebung der Immunität beantragen.

    Letzlich ist Wulff über seine Immunität gestürzt, die ihn eigentlich schützen sollte.
    siehe auch:
    http://www.rp-online.de/politik/deutschland/berlin/fall-sebastian-edathy-nachdenken-ueber-immunitaetsregeln-aid-1.4081071
    http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/immunitaet-des-bundespraesidenten-die-staatsanwaelte-und-das-vorsichtige-parlament/

  130. @Stefan Niggemeier 165
    Ja, das ist richtig und traurig für den (Bild-)Journalismus.

    Leider gab es vorher schon genug, für die Staatsanwaltschaft, möglicherweise strafrechtlich relevantes.
    Wer weiß, wann die Aufhebung der Immunität beantragt worden wäre. Nach dem nächsten, sachlich richtigen Artikel?
    Nötig war es für die Staatsanwaltschaft jedenfalls.
    Und dem kann man beipflichten. (Wie auch der Bundestag, der die Immunität aufhob und das Gericht, das die Anklage zuließ)

    Leider kann ein Staatsanwalt ohne Ermittlungen nicht den Wahrheitsgehalt von Zeitungsartikeln bewerten.

    Jedenfalls haben Sie recht damit, dass der Artikel der Bild und der Umgang der übrigen Journalistendamit im Nachhinein nicht akzeptabel ist.

  131. Was mich ab und an beschäftigt: Wollen wir damit leben, dass „jeder“ Journalist, so er denn einflussreich genug ist, sich irgend Jemanden aussuchen und über ihn Mutmaßungen anstellen oder Gerüchte verbreiten kann?

    Und bei den dadurch ausgelösten Ermittlungen, gelassen eine juristische Klärung abwarten kann, um bei einem „Freispruch in allen Punkten“ zu schreiben: „…aber trotzdem lag ein, wie auch immer geartetes, (moralisches) Versagen vor…“ ?

    (möge er nun Müller, Meyer oder Wulff heißen…)

  132. 166 Gregor Weidninger

    Wer weiß, wann die Aufhebung der Immunität beantragt worden wäre. Nach dem nächsten, sachlich richtigen Artikel?

    Die Presse hat doch mit Erhebung des Antrags nicht die Arbeit eingestellt. Wo ist also dieser nächste, sachlich richtige und gleichzeitig über das schon Bekannte hinausgehende Artikel?

  133. Das ist dünn. Sie berichten:

    Die beiden Autoren der falschen „Bild“-Zeitungs-Geschichte, Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch, wurden im Mai 2012 von den führenden Journalisten des Landes mit dem Henri-Nannen-Preis in der Kategorie „Beste investigative Leistung“ geehrt. Ausgezeichnet wurde allerdings konkret ihr „Bild“-Stück über den Hauskredit Wulffs …

    Also sind die beiden Journalisten durchaus willens und in der Lage ausgezeichneten Journalismus zu betreiben. Was könnte sie dazu veranlasst haben, die erworbene Reputation mit einer billigen Falschmeldung aufs Spiel zu setzen? Die Zusage trotzdem einen Preis zu bekommen? Oder das Risiko keinen Preis mehr zu bekommen?

  134. „Was könnte sie dazu veranlasst haben, die erworbene Reputation mit einer billigen Falschmeldung aufs Spiel zu setzen?“

    Die Falschmeldung war am 08. Februar 2012, lange bevor die Reputation im Mai 2012 erworben wurde.

    Der Journalismus war „ausgezeichnet“ nur in der Hinsicht, dass er tatsächlich eine Auszeichnung erhalten hat. Was beim Artikel über den Hauskredit vom 13.12.2011 nun so auszeichnungswürdig gewesen sein sollte, hat die Jury der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln vermocht. Den Kreditvertrag hat Wulff durch Glaeseker Herrn Heidemanns vorlegen lassen, so dass von „investigativ“ oder gar einer „Enthüllung“ keine Rede sein konnte. Das wurde in dem Artikel wohlweislich verschwiegen, wie auch mit keinem Wort erläutert wurde, was denn eine Landtagsanfrage überhaupt sei, ob dabei die Regierung ihr Tun gegenüber dem Parlament rechtfertigen müsse oder ob sie ein Mittel dazu sei, das Privatleben von Regierungsangehörigen auszuforschen.

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