Charlie Brooker über Winnenden-TV

Gerade erst gesehen, dass sich auch der britische Fernsehkritiker Charlie Brooker in seiner BBC-Show „Newswipe“ der Berichterstattung über den Amoklauf von Winnenden vorgenommen hat.

Er zeigt unter anderem ein Interview mit dem Psychologen und Kriminologen Park Dietz, in dem der erzählt:

Seit 20 Jahren habe ich zu CNN und den anderen Medien immer wieder gesagt: Wenn ihr nicht dazu beitragen wollt, dass es weiterer Massenmorde gibt, fangt Eure Geschichten nicht mit dem Geheul der Sirenen an, zeigt keine Fotos des Mörders, macht daraus keine 24-Stunden-Live-Berichterstattung, vermeidet es soweit wie möglich, mit der Zahl der Toten aufzumachen, stellt den Mörder nicht als eine Art Anti-Helden dar, macht stattdessen aus der Berichterstattung eine lokale Geschichte für die betroffenen Gemeinden und macht den Fall so langweilig wie möglich für alle anderen Märkte. Denn jedesmal, wenn wir ausufernde, intensive Berichterstattung über einen Massenmord haben, erwarten wir ein oder zwei Nachahmungstäter innerhalb einer Woche.

So, wie Brooker die Sätze geschnitten hat, werden sie allerdings ungleich eindrucksvoller:

Ist es nicht erstaunlich, wie ein ganzer Berufsstand es kollektiv und grenzüberschreitend abzulehnen scheint, Verantwortung für die Folgen seiner Arbeit zu übernehmen?

[via Mind Hacks]

46 Replies to “Charlie Brooker über Winnenden-TV”

  1. Deutlicher und knapper kann man es nicht sagen. Danke. Leider hören die Hyänen der Journaille nicht zu.

  2. Uff und nur noch dem Kopfschütteln verfallen: Je öfter ich hier im Blog, die neusten Fehleistungen der internationalen TV – Meute so seziert bekomme. Da macht man sich seine Nachrichten lieber selbst, da weiß man was man hat! Guten Abend!

  3. Man kann Park Dietz bis zu einem gewissen Grade recht geben – bis zum letzten Satz. Da verkehrt sich der moralische Appell in etwas Beunruhigendes.

    Wäre es nicht erschreckend, wenn die Medien kollektiv einen Massenmord an einer Schule in die Lokalberichterstattung abschieben könnten? Wenn das funktionierte, könnte man schlichtweg jedes Thema unterdrücken, aus der Öffentlichkeit verbannen.

  4. Ich habe mir früher im Kino gern diese Teen-Scream-Movies als „Scream“ und I“ch weiß, was du letzten Sommer getan hast“ gesehen. Mittlerweile brauche ich für sowas nicht mal mehr ins Kino zu gehen. Ich brauche nur die Zeitung aufschlagen oder Fernsehnachrichten sehen. Überall Mord und Totschlag, in Großaufmachung, mit vielen „lebensnahen“ Bildern von Leichenabtransporten oder – mit Glück – sogar Wiederbelebungsmaßnahmen (Fall Morsal O.).
    Das reale Bild eifert dem fiktionalen nach. Alles groß, alles nah, alles echt. Doch die Grenze zwischen real und fiktiv wird so immer verschwommener. Und damit verliert die Realität ihr Grauen. Sieht schließlich genauso aus wie die Krimi-Serien. Gewöhnung, Abstumpfung, Gleichtgültigkeit zieht das seitens der Rezipienten nach sich. Und wie will man dann noch mehr Konsumenten gewinnen? Klar, noch blutiger, noch grausamer, noch mehr Details. Meiner Meinung nach ist das ein Teufelskreis.

    Zu dem Vorschlag, solche Taten ins Lokale zu schieben: Im Prinzip nicht schlecht. Ich möchte da auch auf die Handhabung von Selbstmorden hinweisen. Da gelingt es schließlich auch fast allen Medien, auf eine Berichterstattung zu verzichten, um mögliche andere Selbstmörder nicht auf dumme Ideen zu bringen.

  5. Man merkt, dass die Geschichte der modernen Massenmedien relativ gesehen noch in den Kinderschuhen steckt und wir von etwas wie einer breiten Medienethik und gesellschaftlichen Medienkompetenz noch weit entfernt sind.

  6. ich hör‘ sie schon: „das kann man ja mit dem deutschen medienmarkt überhaupt nicht vergleichen, wir haben ja auch ganz andere waffengesetze hier, die zuschauer haben ein recht darauf, informiert zu werden, das geht doch ganz deutschland was an, für die grausamkeit der tat und die unübersichtliche lage vor ort können sie doch die berichtenden medien nicht verantwortlich machen, wenn wir’s nicht machen, machen’s die anderen – oder noch schlimmer: im pösen internet machen das dann die blogger“

    @5 (georgie):

    tun sie mir einen gefallen, sagen sie bitte nicht selbstmord. ihrem kommentar kann ich nur zustimmen. die mediale verwertung greift in das geschehen ein.

  7. Fällt denen das eigentlich nicht auf? In so einem Fernsehstudio hüpfen eigentlich genug Leute rum – irgendwer muss doch bemerken ‚oh.. irgendwas passt da nicht‘.

  8. ich verstehe solche Leute wie Thorsten #4 nicht. Leider Gottes geschehen Morde in Deutschland (fast) täglich Morde. Ein paar Tage nach Winnenden tötete ein Familienvater seine Familie. Die Berichterstattung fand, soweit ich das mitbekam, zurecht nur im Lokalteil statt. Der Erkenntinsgewinn des blossen Wissens solcher Taten wie in Winnenden tendiert doch gegen Null, auch wenn die Berichterstattung zukünftig seriöser ablaufen sollte (was kaum der Fall sein wird).

  9. @7
    Der Einwurf zum Mord ist wirklich unnötig albern. Schließlich handelt es sich bei dem Begriff Selbstmord um einen real existierenden Begriff der deutschen Sprache. Dass Juristen das Wort Mord innerhalb ihres Berufes anders definieren, rechtfertigt nicht so eine realitätsfremde Belehrung.

  10. #5 Aber nein, nein, so kann man das doch nicht machen – schließlich ist es doch viel wichtiger, Depressive vom Suizid einer Person (1) abzuhalten als potentielle Massenmörder (>1) nicht auf dumme Gedanken zu bringen! Was lernen wir daraus: Die einzelne Person ist wichtiger als die Masse, wenn nur der Kontext stimmt… oder wie hab ich das in mein Weltbild einzuordnen?

    Ich werde nie verstehen, weshalb das eine so vernünftig und das andere so wahnsinnig gehandhabt wird.

  11. JMK: Beim Leute-Verstehen hilft lesen ungemein.

    Ab und zu hilft es die eigene Wahrnehmung zu überprüfen. Wenn ein Vater seine ganze Familie tötet, findet die Berichterstattung eben nicht alleine im Lokalteil statt. Es gibt allerdings auch keine 24-Stunden-Liveberichterstattung. Zwischen diesen beiden Polen ist viel Spielraum.

  12. Hallo,
    Einerseits verstehe ich die journalistische Pflicht der verantwortungsvollen Berichterstattung. Ich möchte aber mal, etwas abseits, die Frage in den Raum stellen ob ein Wissenschaftler für die Folgen einer Entdeckung/Erfindung haftet (solange diese nicht mit einer zerstörerischen Intention vorangetrieben wurde).
    Sicherlich gestaltet sich die Frage im Journalismus etwas anders, da hierbei der Nutzen/Schaden durch eine „langweilige“ Berichterstattung bestimmt weniger stark betroffen ist, ich denke jedoch meine Absicht wird ersichtlich.

    [Dies soll nicht heißen, dass ich die Winnenden-Berichterstattung gutheiße, ich möchte nur die Frage der Verantwortung der Journalisten etwas in das Blickfeld rücken und vielleicht etwas besser verstehen]

    mfg

  13. Das die Presse mit Nachrichten versucht, Auflage zu machen ist das erstmal nicht verwerflich, sondern im System der Marktwirtschaft begründet. Wenn aber die gleichen Menschen, die für ihre Arbeit jede Verantwortung ablehnen und Tätern Titelseiten widmen, am schnellsten sind, mit vordergründigen Behauptungen Schuldige zu finden, wird diese Menschen mitsamt ihrer Meinungsmacht plötzlich sehr, sehr perfide.

    Boris Schneider-Johne hat das drüben auf dreisechzig.net sehr schön zusammengefasst:

    „Wenn sechs Familien aus Winnenden in einem offenen Brief ein weitgehendes Waffenverbot und Einschränkungen beim Sportschießen, ein Fernseh-Gewalt-Verbot, ein Killerspiel-Verbot, eine Internet-Chat-Überwachung und eine Einschränkung der Berichterstattung über Amokläufer fordern, dann gibt es keinen, aber auch wirklich keinen objektiven Grund, als Überschrift: “Opferfamilien aus Winnenden verlangen Killerspiel-Verbot” zu nehmen. Da hat der Autor oder Redakteur seine private Meinung vor eine objektive Nachricht gestellt.“

  14. Bei aller Liebe und der Abscheu vor den modernen Geldmachermedien: wäre nicht etwas WESENTLICH falsch in unserer Gesellschaft gäbe es keine Menschen, die Berichterstattungen über Amokläufe, Selbstmorde etc. zum Anlass nähmen, selbst loszuziehen. „Killerspiele“ und blutrünstige Dauerberichterstattung schaffen nur eines: das Ventil aufzudrehen und den Dampf, welcher eigentlich Ursächlich ist, herauszulassen…

  15. @Chris: Stellt nicht immer, wenn ein Autor oder Redakteur eine Überschrift über einen Artikel stellt, dieser seine Meinung vor eine Nachricht, wertet, priorisiert, gewichtet?
    (Und da er das öffentlich macht habe ich mir erlaubt auf das Attribut ‚privat‘ zu verzichten.)

    Sollte man Leser überprüfen, ob sie auch brav immer die Artikel lesen, und ansonsten Zeitungsverbote aussprechen?
    Genügt es nicht, wenn er im Artikel den Rest erfährt, und dabei sieht, welche Tendenz der Redakteur gewählt hat?

  16. .
    Seit der Berichterstattung aus Winnenenden ertappt sich der TV-Zuschauer vor der heimischen Glotze einmal mehr beim Fremdschämen. Vorher war’s einem vielleicht mal kurz peinlich, wenn eine Reporterin vor der Kamera rumgeeiert hat. Aus Selbstschutz hat man dann eben einfach umgeschalten. Geht aber jetzt nicht mehr: Verfolgung auf allen Kanälen. Am schönsten mit Milena! Schamdurchpulst kann man schnell die Augen schließen, wenn sie berichtet, dass in den USA schon wieder einer Amok gelaufen und 13 Menschen abgeballert hat. Life-Reporter direkt vor Ort: „Schon wieder ein Massaker, Schrecklich! Viele Opfer sind Ausländer, die gerade einen Englisch-Kurs gemacht haben.“ Leider weiß man noch nicht Genaueres über die Umstände, wird aber bis zum Nachmittag herausgefunden haben, was der Attentäter vorgestern zu Mittag gegessen hat und dass er schlecht im Vokabel-Lernen war.

  17. Ich halte es für kurz gedacht, wenn man jetzt massive Forderungen stellt (keine Berichterstattung, minimale Berichterstattung…).
    Man kann Berichterstattung nicht pauschal immer dann verdammen, wenn sie potenziell auch negative Auswirkungen haben könnte.

    Allerdings wäre es in meinen Augen wünschenswert, dass es bei solchen School Schootings weniger Sensation, weniger Wühlen im Dreck gäbe. Von daher kann ich Park Dietz in weiten Teilen zustimmen.
    Wünschenswert wäre eine Selbstverpflichtung ähnlich wie bei Selbstmorden, bei denen die Medien im Hinblick auf potenzielle Nachahmungstäter auf Details zum Hergang weitgehend verzichten.

  18. Unbestritten, die Berichterstattung war anfängerhaft, sensationsgeil , ohne moralischen Instinkt, ehrverletztend und auch in Teilen verantwortungslos. Aber trotzdem Herr N: Von welchen „Folgen“ reden Sie bitte? Soweit mir bekannt gab es bisher keine Nachahmer, kein weiteres Schulmassaker nach Winnenden. Also ich möchte bitten die Kirche doch immer schön im Dorf lassen.

  19. Nochwas: Die Behauptung das potentielle Täter sich durch die Berichterstattung der Medien zur Nachahmung motiviert fühlen ist genauso an den Haaren herbeigezogen wie die Behauptung Killerspiele wären der Auslöser für ebensolche Amokläufe. Wenn Sie das behaupten und sei es nur als Frage, dann möchte ich allerdings auch das Sie dieses mit Beweisen oder wenigstens Indizien unterfüttern. Andernfalls stellen Sie sich selbst mit jenen achso sensationsgeilen Journalisten, die Sie so hart kritisieren auf eine Stufe. Oder wollen Sie das endlich irgendein labiler Schüler ein weiteres Massaker anrichtet damit Sie sich, Herr N., bestätigt fühlen können? Ich glabue so zynisch sind nicht mal Sie.

  20. Bin ich eigentlich der einzige, der den BBC-Ausschnitt völlig widersprüchlich findet?

    „Repetedly showing the killer’s face isn’t news […] it only serves to turn this murdering little twat into a sort of a nihilistic pin-up boy“

    Der Beitrag zeigt den Täter sieben mal in weniger als drei Minuten. Es werden genau dieselben Einstellungen bildlich wiederholt, die kurz darauf massiv kritisiert werden. Das ist doch aberwitzig!

    Die ganzen Abartigkeiten die nicht gezeigt werden sollten, können also nicht einfach in die Kamera gesprochen werden, sie müssen erst noch mal gezeigt werden, bevor man sich darüber entrüsten kann?

  21. Wieso eigentlich nicht 24/7 und worldwide? Hitler läuft auch auf allen Kanälen. Was fehlt, ist Distanz, Gelassenheit und Ruhe für Erläuterungen und vor allem fehlen konfliktbewusste, entscheidungsbereite Menschen. Wenn sich Journalisten darauf einstellen können, Material nicht für Revolversendungen oder absurde Schlagzeilen zu liefern, sondern als Unterfütterung einer Lösung des Problems, würden sie auch anders arbeiten. Das Versagen ist grundsätzlich, und auch die Art, wie Stefan Winnenden aufbereitet und hier verheizt, spricht da Bände.

    @24 apro
    Da bist Du nicht der einzige.

  22. Also können wir jetzt zusammenfassen: Schuld an Amokläufen sind hauptsächlich das Internet, Ballerspiele und die Medien (allerdings nur für Amokläufe, die innerhalb von sieben Tagen nach einem anderen stattfinden). Eine schwierige Kindheit und enttäuschte Liebe mussten die TOP3 dagegen verlassen.

  23. @27 Sorry, die Medien haben nichts damit zu tun.

    Das sind ausschliessliche die Mörderübungsnazispiele aus der Hölle, die schlimmer sind als Kinderpornographie und Drogen zusammen. Wenn die Politiker uns das so sagen, dann wird das doch wohl stimmen. Was haben die für einen Grund zu lügen?

  24. Was allerdings genau so wenig geht: Jetzt die Schuld auf die Medienberichterstattung lenken. Wie #27 sagte: Es sind nicht die Medien schuld, nicht die Computerspiele nicht das Internet. Nichts von alledem. Das sind vielleicht auslösende Faktoren. Es könnte genau so gut so sein, dass ein Computerspiel den letzten Schubs gibt wie die Aussicht, danach ein Medienheld zu sein. Zynisch ist bloß, dass ausgerechnet die Medien die Schuld auf das eine schieben und dabei sich selbst nicht sehen.

  25. „Bin ich eigentlich der einzige, der den BBC-Ausschnitt völlig widersprüchlich findet? “

    Das bringt eine grundsätzliche Frage hervor: Muss man kritikwürdiges Verhalten nochmal zeigen, um daran Kritik über zu können? Als Beweis?
    Ich finde, dass es angemessen ist, wenn man glaubhaft und verständlich aufzeigen will, worin das Fehlverhalten lag.
    Genausogut kannst du auch sagen „wenn die BBC News über den Amoklauf berichtet hat, kann BBC Four keine glaubhafte Kritik äußern.“ Ist das gleiche wie mit Tagesschau und Zapp.
    Aber wenn wir uns verbitten, dass Kollegen der Pressetäter Kritik üben, wer bleibt dann noch übrig?

  26. So, und in einem Landshuter Gericht hat es jetzt gerade einen Amoklauf gegeben, wenn ich das in den Radionachrichten richtig verstanden habe.

  27. richtig. und jetzt können wir das ganze nochmal live verfolgen. nicht den amokaluf, sondern die berichterstattung. alles beim alten.

    ps: gott sei dank, schäuble hat uns alle gerettet: Nach zahlreicher Kritik nahm Schäuble 2007 einen Gesetzentwurf seines Ministeriums zur Senkung des Mindestalters für den Waffenkauf zurück. [http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Schäuble]

  28. off-topic: gehört zwar nicht direkt hier her, aber ein sachdienlicher Hinweis ist es ja auch nicht gerade – die neue Farbgebung vom Bildblog ist ziemlich daneben. Gelb auf weiß ist zu kontrastarm, bitte das Gelb durch eine andere Farbe ersetzen!

  29. pff, der amoklauf war viel zu langweilig. kein täter mehr, den man live filmen könnte. keine toten kinder. keine computerspiele. nächster klatsch bitte, danke.

  30. Weshalb sollen jetzt die Medien die Schuld an Amokläufen haben?
    Schuld hat alleine der Täter. Und natürlich dass er so leicht an eine Waffe kommen konnte und diese dann auch benutzte.
    Ich würde es schon merkwürdig finden, wenn die Medien nicht über solche Taten berichten würden.

    Die genannten Fälle von Winnenden über den Familienvater in Niedersachsen der seine Frau und deren Sohn erschoss, zwei weitere Kinder anschoss, der Mann der in Landshut seine Schwägerin und sich selbst erschoss, zwei weitere Personen verletzte, sie alle verübten ihre Taten mit legalen Waffen, da sie oder der Vater Sportschütze waren.
    Das möchte ich schon wissen, um mir eine Meinung über das Waffengesetz bilden zu können.

    Der weisse Ring sagt immer, es wird zuviel über den Täter gesprochen, keiner ist bei den Opfern.

    In Winnenden war dieses auch der Fall. Der Täter war in allen Medien, wurde durchleuchtet, gefragt was er machte, weshalb es so kam.
    Aber kaum einer fragte nach den Opfern.
    Sie blieben ohne Gesicht, irreal, fast wie Figuren in einem Game. Entmenschlicht und nur Zahlen oder Nummern an Toten und Verletzten.
    Dieses wird mit Pietät und Opferschutz erklärt.
    Doch hätten diese Opfer ein Gesicht, ein Leben was sie führten, noch führen wollten, dann würde es Amokläufern vielleicht sogar schwerer fallen, auf Menschen zu schiessen.
    Der Täter hatte sie entmenschlicht. Es waren für ihn scheinbar nur Nummern, Opfer, keine Menschen. Denn sonst wäre es ihm vielleicht schwerer gefallen, wenn er sie gekannt hatte, oder sich zumindest vorstellen könnte, was er da macht, was er alles vernichtet. Aber über die Opfer, die sich ihr Schicksal nicht aussuchten, spricht kaum jemand.

    Hätten sie es nicht verdient, dass man sie nicht vergisst. An sie denkt, was sie noch alles wollten und vorhatten, was sie jetzt nicht mehr erleben dürfen?
    Stattdessen wird gefragt, was der Täter alles eventuell erleiden musste, dass er so wurde wie er war. Ein Täter, ein Mörder. Er bekam durch die Medien ein Gesicht. Über ihn weiss man vieles.Über seine Opfer aber kaum etwas. Sein Name bleibt in Erinnerung, doch die Opfer sind schnell vergessen.

    Erschrecken tut mich in diesem Zusammenhang auch unser Jugendstrafrecht. Hätte er sich nach seinen 15 Morden einfach festnehmen lassen, hätte er maximal 10 Jahre absitzen müssen. Wäre mit 28 wieder ein freier Mann. Pro Mord nicht einmal ein dreiviertel Jahr Gefängnis als Sühne.

  31. @ 4/Torsten: „Wäre es nicht erschreckend, wenn die Medien kollektiv einen Massenmord an einer Schule in die Lokalberichterstattung abschieben könnten? Wenn das funktionierte, könnte man schlichtweg jedes Thema unterdrücken, aus der Öffentlichkeit verbannen.“

    Was natürlich stimmt. Aber ist das wirklich schlimmer, als die derzeit gängige Praxis, dass ‚dramaturgisch wertvolle‘ Zwischenfälle* zu Medienereignissen hochgepusht werden, während anderswo auf dem Erdball täglich Menschen unfotogen und deshalb unbeachtet dahinsiechen?

    *Wie lange es wohl dauert, bis ein FilmFilm draus wird? Die Elemente sind vorhanden: Die Geschichte spricht eine jugendliche Zielgruppe an (Ort der Handlung, vermeintliche Motivation teenage angst), hat einen Handlungsverlauf nach Drei-Akt-Modell, entspricht dem Zeitgeist (Bildungsmisere, Generationskonflikt 2.0), usw.

  32. @sternenschein:

    sag mal was hast Du denn bitte vor Deinem Kommentar getrunken? Das ist ja irrwitzig.

    Über die Opfer wird nicht gesprochen?!? Hast Du mal in die BILD geschaut? JEDES der Opfer wurde mit Bild gezeigt, obwohl dies gegen den Pressecodex spricht. Die Opfer sind zu SCHÜTZEN. Sie sind keine Personen von öffentlichem Interesse.

    Ganz davon ab frage ich mich, WIE Du denn über die Opfer reden willst, die STERBEN bzw. gestorben sind. Das, was der weiße Ring da sagt, gilt für Opfer von Gewalttaten mit nicht-tödlichem Ende – sprich Vergewaltigungsopfer, Opfer von häuslicher Gewalt etc. pp ohne Tötung.

    Ich hab eigentlich gar keine Lust, weiter auf Dein Geschwurbel einzugehen. Meine Güte wie weltfremd kann man sein, das ist ja von vorne bis hinten absolut hirntot…

  33. @Sebastian,
    ich mag ja hirntot sein, die Biild lese ich dennoch nicht.
    Hatte aber auf verschiedenen Blogs gelesen, dass sich über die Fotos der Opfer aufgeregt wurde.
    Ebenso, dass weinende oder entsetzte Schüler gezeigt wurden.

    Da hier die Frage ist, ob die Berichterstattung Nachahmungstäter zu ihrer Tat anregt, frage ich mich, ob die Bilder der trauernden Menschen bzw. Opfer dazu anregen oder eher die immer wieder gezeigten Bilder von Ballergames, von Amokläufern die sich schwarz gekleidet mit Waffe in der Hand im Internet präsentieren. Sowie die Suche nach Gründen, die aufzeigen dass er fast schon zwangsläufig Amok laufen musste. Die den Amokläuf entschulden bzw. rechtfertigen.
    Für solch eine Tat gibt es keine Rechtfertigung. Um es klar zu sagen
    Natürlich ist es nicht richtig, wenn die Presse die Angehörigen verfolgt oder bedrängt.

    Zu der Forderung, es sollte garnicht, oder nur lokal berichtet werden.
    Wenn du ein Kind durch so etwas verlieren würdest, Würdest du wollen, dass da nicht darüber gesprochen, es verschwiegen wird?
    So als sei es garnicht geschehen.
    Opfer und auch Angehörige von Opfern leiden oftmals darunter, dass ihnen, wie sie sagen, nicht zugehört wird.
    Das gesagt wird, es ist geschehen, dass Leben geht weiter. Für sie aber geht das Leben nicht einfach so weiter. Sie leiden unter dieser Tat und dieses sehr lange.

  34. Sehr geehrter Herr Niggemeier,

    vielen Dank für Ihren Beitrag. Ihrem Fazit stimme ich zu. Die Verantwortungslosigkeit des gemeinen Journalisten ist erstaunlich.

    In der Hoffnung, dass Ihre Arbeit Besserung bringt verbleibe ich
    mit den besten Grüßen.

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