Das große Nichts

Ich sehne mich nach Helmut Thoma. Das ist kein gutes Zeichen.

Ich sehne mich danach, dass irgendein deutscher Senderverantwortlicher etwas sagt, wofür man ihn lieben oder hassen kann. Der sich aus dem Fenster lehnt. Angreifbar macht. Okay, der letzte, der das getan hat, Marc Conrad, war nach 100 Tagen seine Stelle los.

Aber kann man diese Jobs wirklich ohne jede Leidenschaft machen? Ohne jede Vision? Ohne jeden Glauben an einzelne Programme? Ohne jeden Ehrgeiz, das Publikum für solche Sendungen zu begeistern? Ohne jeden Mut, eine Meinung zu haben, und sie auch zu äußern?

RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt hat in dieser Woche der „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview gegeben, und sie sagt darin: nichts. Okay, sie kündigt ein, zwei Fernsehfilm-Projekte an, aber der Inhalt dieses mehrere Hundert Zeilen langen Gesprächs lässt sich verlustfrei in einer Kurzmeldung zusammenfassen. Es liest sich, als hätte Frau Schäferkordt sich nicht getraut, irgendetwas zu sagen, und hinterher wäre ihr Pressesprecher nochmal drüber gegangen und hätte auch das, was sie schon nicht gesagt hat, auch noch rausgestrichen. Aber vielleicht hatte Frau Schäferkordt auch einfach nichts zu sagen.

Auf die Frage, wie es kommt, dass der Vorsprung von RTL vor der Konkurrenz im Januar größer war als sonst, sagt sie: „Wir sind gewachsen, die Kollegen in München und Berlin haben verloren.“

Auf den Hinweis, dass die im „CSI“-Stil gedrehte RTL-Serie „Post Mortem“ rasant Zuschauer verliert, und die Frage, ob die Deutschen amerikanische Serien wie „CSI“ zu schlecht kopierten, antwortet sie: „Post Mortem basiert nicht auf CSI, sondern auf einem TV-Movie, das Ende der neunziger Jahre erfolgreich bei RTL lief und auch Post Mortem hieß.“

Auf den Hinweis, dass die Comedys am Freitagabend bei RTL nicht mehr so gut laufen wie früher, sagt sie: „Stimmt, in diesem Genre wird es einiges Neues geben“ und zählt zwei Serien auf.

Auf die Frage, ob RTL die Formel-1-Rechte behalten will, sagt sie: „Sport ist wichtig für uns, aber es gibt eine Schmerzgrenze beim Preis.“

Auf die Frage, ob RTL die Sonntagsspiele der Fußball-EM 2008 kaufen will, sagt sie: „Es ist möglich, dass wir über einige Spiele sprechen werden.“

Auf die Frage nach dem Verhältnis zu Günther Jauch nach dessen ARD-Flirt sagt sie: „Wir arbeiten weiter eng und gut mit Günther Jauch zusammen.“

Und auf die Frage, ob RTL den Krawall, den der Sender mit Dieter Bohlen und „Bild“ für „Deutschland sucht den Superstar“ veranstaltet, überhaupt nocht braucht, sagt sie erst: „Ich finde es gut, dass über unser Programm gesprochen wird.“ Und dann: „Das sind immer wieder nur Zitate aus den ersten drei Sendungen, über einige kann man sicher streiten.“

Nein, Frau Schäferkordt, kann man nicht. Mit Ihnen nicht. Genau das ist es ja. Sie sagen, „darüber kann man streiten“, um dann nicht darüber zu streiten.

Es ist undenkbar, dass Frau Schäferkordt wirklich sagen würde, welche Sprüche Bohlens sie wunderbar findet, welche an der Grenze und welche drüber. Es ist undenkbar, dass sie sich ernsthaft auf die Frage einließe, ob der Umgang mit den Kandidaten in der Sendung Auswirkungen auf den Umgang der Kinder auf den Schulhöfen miteinander haben könnte oder nicht. Es ist undenkbar, von ihr eine klare Aussage zu bekommen, wie sie das Profil von RTL sieht, wieviel Provokation sich der Sender leisten soll und wieviel gediegenen Mainstream und wie man beides unter einen Hut bekommen kann.

Und mehr oder weniger gilt das für die anderen Senderchefs genauso.

Bei keinem einzigen der Programme, die Schäferkordt aufzählt, spürt man so etwas wie Herzblut. Oder auch nur ein besonderes Interesse an diesem einen Film oder dieser einen Serie. Eine Ausnahme gibt es. Über „Deutschland sucht den Superstar“ sagt Sie zu dem Interviewer: „Das ist wahrscheinlich die glamouröseste Show, die Sie in Deutschland 2007 haben.“ Das kann sie nicht ernst gemeint haben.

Ich fürchte, da ist nicht nur die Angst, irgendetwas zu sagen. Sondern auch die Angst, irgendetwas zu tun. RTL ist bei der für Privatsender entscheidenden Zuschauerschaft mit riesigem Abstand Marktführer. Wer, wenn nicht RTL, kann neue Dinge ausprobieren, Ideen verwirklichen, Trends setzen, Visionen entwickeln, Vorreiter sein, etwas riskieren, auch mal Ausdauer zeigen, wenn es nicht so gut läuft, die anderen vor sich hertreiben? Stattdessen verhält sich RTL selbst wie ein Getriebener, immer gehetzt von den Renditeerwartungen der Besitzer einerseits und dem unberechenbaren Verhalten der Zuschauer andererseits.

Was für ein Drama: Die Fernsehmacher wissen nicht mehr, was die Zuschauer sehen wollen — und was sie senden wollen, haben sie längst vergessen.

46 Replies to “Das große Nichts”

  1. Und was lernen wir daraus? Die Fingerchen immer schön von der Fernbedienung lassen, den Füllstoff zwischen den Werbeblöcken weiterhin genüßlich ignorieren. Außer es handelt sich natürlich um die Fernebdienung des DVD-Players, bzw. (für die etwas rückständigeren Herrschaften) die des Videorekorders.

  2. Ich kam kürzlich in den Genuss einer Präsentation der RTL-Beauftragten für den Bereich „Fiction und Serie“ beizuwohnen. Im wesentlichen Beschränkte sich der Vortrag der Dame auf eine kurze Umreißung des bestehenden RTL-Sendeplätze für Serien und die Chancen, neue Formate durchzusetzen, die wären „scheiße“. „Scheiße“, offenbar das Lieblingswort dieser Frau, wäre zum Beispiel der Montag-21.15h-Sendeplatz. Als seien es Sendeplätze allein, die ein Format attraktiv machten und nicht andersherum. Man muss dazu sagen, dass die Dame vor Studenten einer Filmschule sprach, von deren Absolventen sich im besten Fall nicht wenige eine Zukunft beim Fernsehen vorstellen können. Die Veranstaltung kann aber als nichts anderes als eine Entmotivationsveranstaltung angelegt worden sein. Die angekündigte „Zukunft“ sieht düster aus. Am Sonntagabend („Scheiß Sendeplatz gegen den Tatort“) wolle man Eventmovies etablieren. Dann gibt es die Serienschiene unter der Woche. Der große Plan von der RTL-Serienbeauftragten, ihre Vision, die sie schilderte, ist folgende: Einen Arzttag und einen Krimitag durchsetzen. Dafür macht sie sich stark. Wahnsinn. Worte der Begeisterung kamen ihr natürlich selbst nur mit zynischem Mundwinkeltiefstand über die Lippen und man muss sich schon fragen, warum die Frau derart frustriert wirkte und ob sie vielleicht ihr Ziel schon derart niedrig angesetzt hat, weil alles andere ohnehin nicht durchsetzbar wäre. Aber ein Arzttag und eine Krimitag („Familienserien bei RTL ist schwierig…“), das klingt doch zu sehr nach Dr Stefan Frank und Dr Bruckner am Dienstag und Doppelter Einsatz und Cobra 11 am Donnerstag oder so ähnlich. RTLs Serienvision für 2008 scheint das Programmschema von 1996 zu sein. Geplaudert wurde ansonsten eigentlich wenig, die Dame hatte zwei Serienpiloten im Gepäck, die sie auch irgendwie wenig begeistert ankündigte. „Die Anwälte“ mit Kai Wiesinger war ganz hübsch gefilmt, nervte mit übertriebener Stimmungsmusik unter jeder Szene und war ziemlich belanglos und langweilig nach wenigen Minuten. Doch es kam noch dicker. „Die 25. Stunde“, so der Arbeitstitel, ist eine Serie, in deren Mittelpunkt eine Journalistin steht, die Probleme damit hat, Familie und Beruf zeitlich zu managen und die, nachdem sie einen orientalischen Jungen aus einem nach einer Explosion zusammen stürzenden Lokal gerettet hat, von dessen Großvater mit einem besonderen Geschenk bedacht wird. Sie kann die Zeit um eine Stunde zurückdrehen oder so ähnlich. Wie genau das aussieht, konnte ich abzuwarten nicht mehr ertragen. Man fragt sich sonst bei solchen Serien immer, wie die den Sprung ins Fernsehen schaffen, ob denn ernsthaft jemand dahinter steht, der mit Leidenschaft dafür kämpfte und an eine solche Serie glaubt. Eben, tatsächlich niemand. Bei solch lieblos zusammenschusterten Serien erinnert man sich ja schon fast begeistert an ein Schloss am Wörthersee zurück. Die ganze Zeit ging mir ein in diesem Blog so gerne wiederholter Satz durch den Kopf: „Warum befreit niemand das Fernsehen aus den Händen dieser Menschen?“. Das wird ein hartes Stück Arbeit.

  3. Was waren das noch für Zeiten, als Ex-MTV-Chefin Christiane zu Salm und Ex-Viva-Chef Dieter Gorny sich in Interviews gegenseitig persönlich angegriffen haben….

    Zu RTL: Die RTL-Primetime von heute ist immerhin anspruchsvoller, hochwertiger, aber vielleicht auch etwas langweiliger (nicht: anspruchsvoll, hochwertig und langweilig) als das RTL-Programm von vor drei oder vor zehn Jahren. Das ist wohl Schäferkordts Handschrift. Wobei ich deine Kritikpunkte, insbesondere an Schäferkordts Interviewscheu, teile.

  4. Aus so einem tatsächlich interessanten Konzept wie „Die 25. Stunde“ würden die Amerikaner eine Hammermystery-Serie zaubern mit vielen interessanten psychologischen Komponenten und neuen, problematischen Verwicklungen. Wenn ich aber hier schon „emotionale Geschichte mit Comic-Relief“ lese, omg. Eigentlich sollte man alle Autoren mal dazu verpflichten, die Werke von Charles Dickens zu lesen. Das sollte bereits einen Quantensprung an Qualität bewirken…

  5. Ach, das ist schon „Hammer“, wie die Journalistin in der Pilotfolge an der Polizeiabsperrung vorbei in das einstürzende Gebäude vordringt und dann dieses Kind von den Rettungskräften unbemerkte Kind findet und es herausträgt, während hinter ihr alles zusammkra—gähn, entschuldigung. außerdem gab es doch auch mal so eine Serie aus Amerika, wo so einem smarten Typen von einer Katze immer die Zeitung vom nächsten Tag gebracht wurde, damit er alles Unheil abwenden konnte. War sooo umwerfend auch nicht.

  6. Ich vermisse die Zeit, als das Fernsehen sich noch was getraut hat. Als es zu politischen Skandalen kam, weil Rudi Carell nen Witz über Palästinänser gemacht hat. (ARD) Oder als man „Far Out“ bei RTL-Samstag Nacht kritisierte.
    Ich werde auch nie vergessen, wie ich mich halb tot gelacht habe, als die erste Freitag-Nacht-News lief und dort ein „Bericht“ über Kinder, die in Luftschäften von Flughäfen rumturnen, kam…

    Das Fernsehen heute ist so extrem aalglatt und alles, was nicht von Anfang an Traumquote bringt wird sofort gekickt.

    Beispiel Bully Herbig: Der Mann hat damals die Prosieben-Verantwortlichen gequält, die Bullyparade hatte miese Quoten. Doch Prosieben sendete weiter und weiter.

    Mittlerweile darf Bully machen was er will und die alte Bullyparade gilt als Kult. Sowas wäre heute undenkbar, glaub ich.

  7. Ein Blick auf das was BBC und CHannel4 jedes Jahr an Fiktion-Formaten raushauen und man bekommt nur noch mehr depressionen. Woher kommt nur diese kotzerbärmliche Mutlosigkeit die in Deutschland jede Faser des Fernsehgeschäftes durchzieht, ganz egal ob Öffis oder Private? Wo kommen all diese Leute her die bei der Konzeption von Magazinbeiträgen reden „Man müsse Protagonisten finden und die auf eine Queste schicken“, wenns nur drum geht einen Bäcker beim Brötchenkneten zu zeigen, woher kommt dieser aufgeblasene Business-Approach der verhindert das auch nur irgendeine originelle Idee bis ins Hauptabendprogramm durchsickern kann. Wer sich diesen Parkinsonkamerakind-CSI-Abklatsch „Post Mortem“ antut, weiß nach einer Sendung, daß an der ganzen produktion niemand beteiligt sein kann, dem etwas an dem liegt was er produziert.

    Alles ganz scheusslich. creutz!

  8. Und in der Zwischenzeit schreiben in den USA Sender wie HBO TV-(oder soll ich sagen Erzähl-?)Geschichte mit Serien, die in ihrer epischen Erzählweise und Tiefe nur noch mit Dostojewski, Mann, Gaddis und solchesgleichen verglichen werden können.

  9. Dazu passt der schöne Spruch von Erik Spiekermann: „Es reicht nicht, keine Idee zu haben. Man muß auch unfähig sein, sie auszuführen.“
    Nuff said.

  10. @10: Dass an „Porst Mortem“ „niemand beteiligt sein kann, dem etwas an dem liegt, was er produziert“, glaube ich nicht. Siehe http://www.fernsehlexikon.de/blog/interview-hannes-jaenicke/
    Ich glaube, dass Jaennicke und die anderen Macher bei der Serie schon mit recht viel Herzblut dabei waren.

    Im übrigen bin ich einer der wenigen, der durchaus Verständnis für die Mutlosigkeit der deutschen Fernsehmacher hat. Wenn es von Feuilletonisten oder andere Medienkritikern im Vorfeld eines TV-Neustarts überwiegend lobende Worte gibt, ist das doch mittlerweile fast schon ein Indiz dafür, dass die Sendung floppen wird. An Beispiele wie „Blackout“, „Bis in die Spitzen“, „Verrückt nach Clara“, „Kuttner.“ oder „Mein neuer Freund“ (fand ich fast alles großartig) wird sich wohl jeder erinnern können.

    Ich glaube, dass die Schuld an der Misere nicht nur bei den Fernsehmachern, sondern auch bei den Zuschauern zu suchen ist. Die Deutschen haben nun mal weniger Verständnis für Popkultur als z.B. die Briten und anscheinend generell wenig Lust auf Experimente. Dass ein experimenteller Sender wie Viva Zwei oder auch das als Intellektuellensender gestartete Vox von Anfang an kaum gesehen wurden, lag wohl in erster Linie an den seltsamen Fernsehpräferenzen der Deutschen.

  11. @stefan: danke für die blitzrecherche, ich war zu träge im serienlexikon zu suchen.
    freunden toller fernsehserien und zum früher-war-alles-besser-mitsingen will ich dann hier einfach noch Fassbinders Berlin Alexanderplatz empfehlen, ich habe die Serie bei der Berlinale komplett im Stück geguckt und die ist ganz wunderbar und jetzt auch auf Dvd zu haben. Allein für die herzerwärmende Brigitta Mira…

  12. @stefan

    „creutz“ ist ein fluchwort, welches sich in meinem weiteren Bekanntenkreis eingebürgert hat, mit einer ähnlichen bedeutung wie „zefix“, „jesses“ oder „jemineh“.

    @hewi

    Okay Jaennicke ist kein schlechter Schauspieler, aber ihm hätte doch mal auffallen können wie grausam unteriridisch die Dialoge und Bücher dieser Serie sind. Es tut wirklich weh das anzugucken, von den Kameraazubis mit ihren pumpenden Zooms mal ganz zu schweigen. Das ist „CSI-Wanne-Eickel“, nur ernst gemeint.

  13. Fernsehen? Ich komme mittlerweile sehr gut ohne selbiges aus. Als fast 32-jähriger mit der Flimmerkiste sozialisiert und mit Faszination ein Programm wie MTV aus London verfolgt (Ray Cokes!), ist von alldem nichts mehr übrig. Fernsehserien, die austauschbar sind und um Erfolgsfall einfach dutzendfach geklont werden (CSI läßt grüßen), niveauloses Boulevardfernsehen auch im ÖR, „Call in Shows“ rund um die Uhr und noch viel mehr Schwachsinn. Politmagazine werden gekürzt, kritische Reportagen landen im Nachtprogramm usw. Nönö, ich höre lieber Radio (DLF), lese Nachrichten in der guten alten Zeitung (oder im Internet) und lasse den Fernseher fast immer aus.

  14. @Kai: Ja, damals als Ray Cokes noch bei MTV war konnte man sich den Sender noch anschauen. Für mich ist Cokes das typische Beispiel von „Sendermobbing, um Aalglatt zu werden“ – Ich hatte das Glück, mal viel mit Simone Angel oder auch Ray Cokes zu mailen. Die beiden gucken selbst kein MTV mehr :)

  15. Irgendwie gruselig, dass sich kaum einer der Kommentatoren an die Zeiten erinnern kann, als es noch keine Privatsender das deutsche Fernsehen bereicherten und das Programm auch schon schlecht war.

  16. öhm, klar ich schmöker natürlich ausschließlich und sowieso jeden tag im FERNSEHLEXIKON. dieses olle serienlexikon steht nur noch ganz untem im regal und schimmelt grellgelb vor sich hin.

    das FERNSEHLEXIKON wird übrigens in meinem haushalt auch zusammen mit einen skulputurenbuch als hantel-ersatz missbraucht. ich wollte das nur mal melden. es werden aber bestimmt keine seiten rausgerupft um sie unter wacklige tische zu stellen. aber doch ganz schön, dass es nicht nur das nostalgiezentrum im hirn sondern auch der oberarmmuskulatur junger herren zuträglich ist, oder?

  17. Nun mal ehrlich, wer braucht schon RTL ?. Das ist einer der Sender den man in der Programmliste ganz nach hinten legen kann. Ausser den eingekauften Serien (viele sind es nicht) läuft da nichts aber auch überhaupt nichts interessantes.
    Eines zeigt das Interview aber deutlich, dem deutschen Fernsehen fehlt einfach der Mut ungewöhnliche bzw. neue Formate zu produzieren. Es regiert einzig und allein der Quotendruck, also „riskiert“ man lieber nichts und versucht auf „altbewährtes“ zu setzen. Das der Schuss aber nach hinten losgehen kann, fällt anscheinend keinem der Programmmacher auf.

  18. Seit Frau Schäferkordt meine Lieblingsserie Abschnitt 40 abgesetzt hat ist die für mich sowieso gestorben.
    Was RTL im Bereich Fiction heute abliefert ist wesentlich weniger als schon vor 10 Jahren.
    Eine Wiederholung von Die Cleveren sehe ich mir immer noch lieber an als eine Erstausstrahlung von Post Mortem. Die Darsteller sind farblos, fast die gesamte Folge wird nur im Studio gedreht um Geld zu sparen, zwei Fälle mit derart unterschiedlicher Gewichtung sind zu viel, und und und.
    Bie Die Cleveren gaben sich noch erstklassige Gastdarsteller zu gut geschriebenen Drehbüchern die Ehre, bei Post Mortem kommt man nicht mal mehr als Experte in der Kölner Provinzschauspielerszene weiter, und was hat Herrn Lau-Uhle dazu qualifiziert in dieser Serie der Headautor zu sein? Wer ist der Kerl?
    Von der unnötigen Zoomerei mal ganz abgesehen.
    Das bei RTL noch mal was vernünftiges rauskommt glaube ich ebensowenig wie bei Sat.1 oder ProSieben, da fehlt Mut, Qualifikation und Herzblut.
    Ach das ist alles so traurig…

  19. Was ich jetzt wirklich ein ganz klein wenig süß finde, ist der Umstand, dass Du Dich tatsächlich darüber aufregst, dass die Manager kein Interesse mehr an ihrem Produkt haben. Das ist leider wohl mittlerweile die Regel geworden, denn die Medienindustrie heißt nicht umsonst Industrie. Sie ist ein seelenloser Wiedergänger, darauf aus ein Bilanzergebnis zu erzielen. Wie man das macht, ist wurscht. Das RTL gerade mit Serien wie Monk, House und CSI feststellt, dass man auch damit und nicht mit schlechten Serien Marktführer sein kann, überrascht den Sender vermutlich selber am meisten. Wobei Schäferkordt ja von Vox kommt, wo sie genau mit der Poiltik, anspruchsvolle Serien zur Prime Time, überaus erfolgreich war.
    Aber zum Thema: es ist überall so, dass die Betriebswirte die Macht übernommen haben. Die Musikindustrie war auch mal von Leuten bevölkert, die das Produkt lebten. Die gibt es alle nicht mehr. Gleiches Spiel im Radio. Es gibt sie leider kaum noch, die Menschen, die einen Bezug zu den Dingen haben, die sie herstellen.

  20. @Don: Du hast natürlich recht. Und irgendwann werde ich mich womöglich dran gewöhnt haben. Aber noch macht es mich fassungslos, dass diese Fernsehleute nicht einmal mehr vorgeben, sich für das, was sie verkaufen, zu interessieren. Dass sie es schaffen, die Frage, warum der Vorsprung vor der Konkurrenz gestiegen ist, zu beantworten, ohne auch nur eine einzige Sendung zu nennen.

    Und kann den Betriebswirten, die da beim Fernsehen die Macht übernommen haben, vielleicht mal jemand mitteilen, dass es im Lande eine qualifizierte Minderheit von gut verdienenden, nicht allzu alten Leuten wie mich gibt, die seit ein paar Jahren viel Geld für DVDs ausgeben, weil es das Fernsehen, das uns gefällt, zwar gibt, aber nicht bei uns im Fernsehen.

    Und schließlich: Wenn RTL und seine Chefin und die anderen Sender mit ihrer Angst und ihren Entscheidungs-Vermeidungsstrategien wenigstens Erfolg hätten! Haben sie aber nicht. Trotz des Riesenerfolges von DSDS liegt RTL bei den Quoten weit unter dem eigenen Ziel. Den gewachsenen Vorsprung vor der Konkurrenz verdankt der Sender allein der Tatsache, dass Sat.1 noch erfolgloser ist.

  21. Ich hab grad mal überlegt, welche deutschen TV-Produktionen im weitesten Sinn ich mir neben Nachrichten, gelegentlichen Dokumentationen (die mich dann meistens aufregen) und „TV Total“/“Harald Schmidt“ zum Einschlafen überhaupt noch ansehe. Ich kam auf genau eine: das ZDF-Nachtstudio.

    @4: Das mag vielleicht außenstehende Naivität sein, aber man sollte doch meinen, dass der 21:15-Uhr-Slot am Montag (also direkt nach dem Quotenknüller „Wer wird Millionär?“) ein umkämpfter Wunschplatz wäre. Man müsste halt nur was finden, was zur Zielgruppe passt.

  22. Ich denke mittlerweile, dass Anke Schäferkordt den Erfolg von VOX allein dem Können von Ladya van Eeden verdankt, wofür sie dann die Meriten einstricht, befördert wurde und jetzt bei RTL eben ihre mangelnden Fähigkeiten demonstriert.
    Woher sollen die Senderchefs denn ein Verständnis für deutsche Fiction bekommen wenn sie nur von Sendern kommen die reine Abspielkanäle für US-Produktionen sind?

  23. Ist von werbefinanzierem Fernsehen überhaupt Wagemut und Innovation zu erwarten? Schliesslich kommen auch die innovativsten Formate im englischsprachigen Ausland von Pay-TV-Sendern (HBO) oder öffentlich finanzierten Sendern (BBC). Ausnahmen bestätigen da die Regel (wie z.B. NBC mit „My Name is Earl“).

  24. Oder Fox mit den „Simpsons“. Oder Fox mit „Arrested Development“. Oder ABC mit „Boston Legal“. Oder ABC mit „Desperate Housewives“. Oder ABC mit „Lost“. Oder NBC mit „Seinfeld“. Oder.

  25. @Alex: Ein sehr berechtigter Einwand. Die Forderungen von Stefan und Co. müssten sich in erster Linie wohl an die Öffentlich-Rechtlichen und evtl. Premiere richten. Wobei ich (nochmals) betonten möchte, dass ich am deutschen Privatfernsehen auch ziemlich viel auszusetzen habe. Nur finde ich es nicht ganz so gruselig wie viele andere hier.

  26. Da schließe ich mich an. Die größten Innovationsbremsen sind ja wohl vor allem im Serien- und Showbereich die öfftenlich-rechtlichen Sender.
    Bei der ARD gibts Tatort, Musikantendampfer etc. und beim ZDF extrem viele Krimis ohne Anspruch zu allen Sendezeiten und Feste der Volksmusik.
    Premiere und Arena sind im Bereich fiktionale Eigenproduktionen gar nicht vertreten.

  27. @Stefan: Na gut, mag sein, dass es im amerikanischen und britischen Fernsehen bessere fiktionale Produktionen gibt als im deutschen. Aber was sollen den z.B. die Italiener erst sagen? Die schauen wahrscheinlich neidisch auf das deutsche Fernsehen. Z.B. auf das ZDF mit „Derrick“. Oder das ZDF mit „Dresden“. Oder Sat.1 mit „Kommissar Rex“. Oder ProSieben mit „Tsunami“. Oder RTL mit „Alarm für Cobra 11“. Oder RTL mit „Der Clown“. Oder. ;)

  28. Aber es tut sich doch momentan einiges. Zumindest bei den privaten Sendern. Nahezu alle Serien-Neustarts der letzten und nächsten Zeit haben einen ziemlich ansprechenden und modernen Look. Die Drehbücher sind auch ganz in Ordnung. Die Schauspieler ebenfalls. Wenn man dann irgendwann noch eigene, originelle Ideen hat, ist doch alles gut..

  29. ziemlich moderner look ist mir ziemlich egal. und ganz in ordnung reicht bei den drehbüchern halt nicht für das, was ich mir wünsche. die berlinberlin-nachfolge-serie war zum beispiel ziemlicher mist, was ich sehr bedauerlich fand. verrückt nach clara ist floppt zwar schlimmer, als es das verdient hat, kann aber auch nicht begeistern. die einzige aktuelle deutsche serie, die mir immer ganz gefällt, ist glaub ich „mein leben und ich“, wegen mitunter richtig guten geschichten und der tollen maren kroymann allein. wobei ich nichts zum thema krimiserien sagen kann, da die mich nicht interessieren.

  30. Die Fixierung auf optisch besonders ausgefallene Effekte zur Zeit verblüfft mich auch zur Zeit, Körperfahrten und Special Effects wie bei CSI geben die deutschen Produktionsbudgets nicht her, deshalb versucht man es mit besonders unkonventionellen Kamerafahrten, Schnitten etc. wie bei Post Mortem.
    Aber das darf doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Endeffekt um gute Drehbücher und deren Umsetzung durch gute Darsteller geht. Meine ich jedenfalls.
    Natürlich haben die Amerikaner mit ihren Autorenpools andere Möglichkeiten, aber die produzieren auch gut dreimal soviel Folgen pro Jahr, und bei uns haben die Serien doch jetzt auch schon einen ‚Headwriter‘ neben dem noch ein paar andere schreiben.
    Wie die in den nächsten Wochen startenden Serien Allein unter Bauern, GSG 9 und RIS sind kann ich jetzt noch nicht sagen, aber das da der große Durchbruch in Sachen Qualität kommt ist doch eher zweifelhaft, zumal ja ständig das geflügelte Word ‚industriell gefertigte Serie‘ die Runde macht, also viel für wenig Geld produzieren.

  31. Quote ist alles, darum dieses Repost eines Kommentars, den ich soeben im Fernsehlexikon abgegeben habe, welcher mir wichtig ist und zumindest einen Hauch Relevanz zu Deinem heutigen Blog hat. Und da isser auch schon:

    Kommentar zu Michaels Blog zum Thema „Deutschland ist schön“ (sat1) 10,2%:
    Mann, ich kann euch sagen, ein unterbezahlter Autor und Regisseur von Fließbandwitzen zu sein ist zuweilen ziemlich anstrengend – spätestens dann, wenn man auf Sites, wie diesen feststellen muss, dass 9 Monate Herzblut und der Wunsch endlich mal wieder was anderes zu machen, wieder mal umsonst waren.
    So, du gehst lieber aus dem Haus als Dir unsere Show an zu schauen? Wenn Du die Show langweilig findest – okay, damit muss ich leben, aber ihr vorzuwerfen, aber dass wir den gleichen Einheitsbrei gemacht haben, wie alle anderen Sketchshows – dass es keine Qualität, sondern nur Quantität hat, schmerzt.
    Ja, Little Britain war eine Inspiration, mehr nicht. Keine zwei aneinander hängenden Worte sind übernommen.
    Wir haben eine Menge Comedians an den Start gebracht,ein schlechtes Zeichen offenbar, aber es ist keine Panelshow.
    Wir haben keine 30 Sekunden Sketche, die in dem unvermeidbaren Kameraaufzieher Enden, (abgesehen von den Trennern zwischen den Sketchen), wie es 90% der aktuellen Sketchshows machen müssen, da die Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers (und Kritikers) nicht länger als eine Granufink Werbung zu sein scheint. Wir haben Szenen, wie ich sie in den letzten 12 Jahren selten inszenieren und schreiben durfte, mit engagierten Schauspielern, einem fantastischen Team, einem Sender, der uns jede Rückendeckung gab, obwohl alle wußten, dass wir etwas anderes machen. Und dann kommt der Zuschauer, für den wir das alles machten und der nimmt nicht mal ein bisschen wahr, dass es etwas anderes ist. Die Hürde der negativen Erwartungshaltung ist inzwischen so hoch, dass ich beim besten Willen nicht mehr weiss, wie man sie überwinden soll. Gerade las ich Herrn Kalkhofe (den ich als Kritiker sehr schätze), wie er sich beschwert, dass sich die Fernsehmacher keine Mühe mehr geben und S. Niggemeier aktuell auf seiner Seite, der sich Herrn Thoma aus ähnlichem Grund zurückwünscht. Recht haben sie beide. Dennoch muss ich sagen: bei „Deutscland ist Schön“ haben wir uns Mühe gegeben, Herzblut gepumpt und gekämpft. Jetzt müsst ihr es ihr nur noch bemerken und euren amüsanten aber simplen Zynismus mal für ein paar Momente im Zaum halten. Das nächste Mal vielleicht, ich probier`s weiter, ich kann nur Comedy.
    Beste Wünsche
    H. Schmidt
    (Regisseur und Co-Autor DIS)

  32. @ Nr. 35 (Stefan): Die italiener haben ja auch besseres Wetter, besseres Essen und besseren Rotwein, die brauchen unseren Trost sowieso nicht.

    Was mich auch noch nervt ist, dass, wenn schon mal was gescheites läuft, es immer zur Unzeit läuft. Six Feet Under auf Vox samstags um Mitternacht. Life on Mars als Doppelfolge, die Sopranos wurden vom ZDF gar nicht fertiggesendet.

    Und wenn mir mal was selbstproduziertes gefällt (z. B. Die Barbara Schöneberger Show im ZDF, oder Einfach Alsmann, fiktionales fällt mir leider nichts ein) lebt es nicht lange.

  33. Als wir neulich des Morgens während des Frühstücks TV schauten, zappten wir durch über 30 Programme, auf denen nichts, aber auch gar nichts lief. Auf zwei Sendern kamen Berichte über Essensherstellung („Abenteuer Leben“ oder ein anderes dieser „Sendung mit der Maus“ für Erwachsene ohne Hirn Derivate), die einem dem Magen umdrehen konnten.

    Seitdem glauben wir, dass Programmplätze nur noch von Computern besetzt werden. Ich meine, welcher Mensch kommt auf die Idee, sowas zu senden? Morgens? Das kann nur maschinell erzeugt sein…

    Die erfreulichen Sendungen einer ganzen Woche lassen sich an einer Hand abzählen. Dass dahinter keine Menschen mit Leidenschaft oder gar Temperament stehen, erscheint offensichtlich.

    Chris

  34. Letzten Endes ist doch eins der Hauptprobleme, dass das Management das für deutsches TV zuständig ist, etwas völlig verlernt oder verdrängt hat: Das Aufbauen eines Brands, einer Marke. Wer qualitativ hochwertiges Material (oder was er dafür hält) zwischen gequirlter Hundekacke ausstellt und erwartet dass der Zuschauer gefälligst alles immer genau beobachtet und ausprobiert, ist nicht nur schief gewickelt sondern, sorry strunzdumm. Woher soll man denn wissen, das etwas Gutes angeboten wird, wenn der Verkäufer sonst nur Zweifelhaftes anbietet. You build your own image.

    Vom deutschen Zuschauer heute werden folgende Eigenschaften erwartet: Er kann erahnen, wann die großangekündigte Sensation nicht nur ein bei Ausstrahlung in sich zusammenfallendes PR-Soufflee ist sondern etwas, das ihn tatsächlich interessieren könnte. Desweiteren muss er in der Lage sein, mögliche Programmverschiebungen erriechen zu können, da er in der Regel eben nicht permanent eine TV-Zeitung und Teletext studiert und konstante Änderungen in seinen Terminplaner einträgt. Und wenn es ganz hart kommt, muss er mittels Zeitmaschine sich die richtige Reihenfolge des zu sehenden Materials selbst zusammenstellen.

    Andererseits, das ist doch nicht zuviel verlangt, oder?

  35. fernsehen an, tagesthemen/heute journal gucken. was läuft denn danach. hmm. kurz reingeguckt. ach du kacke. aus.

    wenn die dialoge und charaktere auf dem traumschiff die glaubwürdigsten im deutschen fernsehen sind haben wir ein echtes problem.

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