Das Internet, diese Pest

Stefan Kornelius, Außenpolitik-Chef der „Süddeutschen Zeitung“ und einer der Gründer des „Medium Magazin“, kommentiert die Umstände der Hinrichtung Saddam Husseins und ihre fatalen Folgen. Einen der schärfsten Begriffe hat er erstaunlicherweise weder für das Chaos bei der Hinrichtung, noch für die Videoaufnahmen selber reserviert, sondern für das Medium, über das sie nun verbreitet werden:

„Die Seuche Internet garantiert, dass die Bilder auf immer abrufbar sein … werden.“

Und Kornelius konnte nicht einmal verhindern, dass sein Artikel nun auch Teil dieser ansteckenden Krankheit geworden ist.

33 Replies to “Das Internet, diese Pest”

  1. Warum schafft es YouTube, absolut garkeinen Quadratmilimeter zuviel nackte Frauenhaut vorzuführen, wenn man aber nach dem im Artikel erwähnten Video sucht, findet man dutzende, die schon hunderttausende Aufrufe haben und seit 3 Tagen online sind.

  2. […] “Die Seuche Internet” Stefan Niggemeier verweist in der aktuellen Diskussion um das Saddam-Hinrichtungsvideo auf einen polarisierenden Artikel von Stefan Kornelius in der SZ. Link zum Niggemeier-Beitrag >> Link zum Kornelius-Beitrag >> Tune your Nintendo Wii! Wie frau/man Wii zu mehr Anwendungsmöglichkeiten verhilft, weiß Bernd Kling von de.theinquirer.net. Links zu mehr Freude mit Wii >> […]

  3. Immer wieder putzig ist es auch dazu die Debatten auf JoNet (Journalisten-Mailingliste) zu lesen. Die laufen meisten nach gleichem Schema ab.

    „Darf man das zeigen?“

    „Darf man fragen, ob man es zeigen darf?“

    „Darfst du das fragen, ob ich das fragen darf?“

    „Wer bist du überhaupt?“

    „Was soll die Frage?“

    „Im Zweifel: nein“

    „Doch“

    „Ich könnte da Geschichten über den WDR erzählen…“

    „Pfeife!“

    „Pflaume!“

    Dann wirft häufig einer der Beteiligten nochmal einen lässigen Satz über Katzencontent ein und wie sich Blogs immer wieder mit sich selbst beschäftigen und unsinnige Metadiskussionen lostreten und alles lacht.

  4. Offener Brief an mich selbst mit 24.

    Lieber Sascha im Jahr 1999, ich schreibe Dir aus der Zukunft und ich bin Du. Das hier hat nichts mit Fluxkompensatoren zu tun, sondern mit Kultur und Zivilisation. Ich könnte Dich mit dem Traubenzucker des Lebens, Geld, verwöhnen, indem ich Dir ein paar Lottozahlen von 2001 raussuche, aber ich möchte nicht Deine kommenden Erfahrungen verzerren.

    Du gehst überall herum und erzählst, wie dämlich Du Computer findest, sie würden die Menschen vereinsamen lassen, sie würden unpersönlich sein, ein toter Bildschirm könne niemals ein lebendiges Buch ersetzen und so fort. Bitte lass‘ das bleiben, Du machst Dich damit total zum Kornelius, wie wir in der Zukunft sagen.

    Es ist nämlich so, dass schon immer und auch für immer zur Kultur die Technik gehört. Und darüber hinaus es die stark unterschätzte Kulturtechnik gibt. Gehen wir ruhig zurück in eine Zeit, die die Bronzezeit genannt wird und verharren wir einen Moment allein beim Namen; er ist symptomatisch für Deine Problematik, lieber Sascha. Kurz vorher war noch Steinzeit, jetzt Bronzezeit, wo war der Unterschied? Er lag in der Technik der Metallherstellung und – das Entscheidende, pass‘ jetzt gut auf! – in der Anwendung, der Schmiedetechnik. War die Bronzezeit ein Fortschritt, wo doch auch (und vor allem) Schwerter aus Metall hergestellt wurden und kaum Pflugscharen und nur sehr wenige Designtürklinken? Das ist eine rhetorische Frage, bitte beantworte sie nicht.

    Dieses an den Haaren herbeigezogene Beispiel zeigt Dir, Sascha, dass sich die Kultur, der Sinn des Lebens nebenbei gesagt, scheidet in die Kulturtechnik und die Inhalte. Solltest Du sie je wieder verwechseln, diese beiden Zwillingsschwestern, so darfst Du nur noch Spinettmusik von Wachstrommeln hören und musst fortan ein Handy mit Dieselantrieb benutzen und SMS in Fraktur schicken – mit anderen Worten, Du wirst zum Vollkornelius und taumelst besinnungslos zwischen den Symptomen, Techniken, Ursachen, Wirkungen und Blüten der Neuzeit umher, mal hierdran riechend, mal dortdrauf spuckend, auf jeden Fall aber distanzlos die technische Oberfläche für das Mass aller Dinge haltend.

    Nun, Sascha, Du hörst die leichte Enttäuschung zwischen meinen Zeilen, die zum Glück in Deinem Fall noch nicht zur Verbitterung geworden ist. Trotzdem muss ich Dir ein schweres Programm auferlegen, Dich dringlich bitten, es wahrzunehmen; die ein Computer ist ein Gerät, eine Million Computer sind eine Kultur und dazwischen ist ein Ding, das nennt man Internet. Du hörstest davon und kümmertest Dich nicht weiter. Ein Fehler, vergleichbar mit dem Fehler der Kalligraphen, die die Schreibmaschine als Eintagsfliege abtaten.

    Nun gehe hin und gründe im nächsten Jahr weitgehend ahnungslos eine Internetagentur, die immerhin den Effekt haben wird, dass Du mitten in die Kulturtechnik des Digitalen gestossen wirst und über Nacht lernen musst, wie man über Javaprojekte redet. Und weisst Du was, Sascha, Du altkluges Stück? Das Internet ist nicht nachtragend, es hilft Dir dabei, Dein Wissensmanko, Dein Kulturmanko aufzuholen. Das Internet ist die beste Erfindung überhaupt. Ohne ein verstümmelndes „seit“.

    Aber: Es ist eine Erfindung. Eine Kulturtechnik, nicht ein Inhalt. Wer es verdammt, weil er etwas Schlechtes darin gefunden hat, wird auch Schall verbieten wollen, wenn es donnert. Und nun gehe hin und verbreite die Kunde des guten Internets, kämpfe dafür und das heisst vor allem, kämpfe gegen die Ansicht, dass früher alles besser war. Denn die Nostalgiker, diese Menschen, die statt ihrer Erinnerung eine Verkläranlage im Kopf haben, die neigen dazu, dass Fortschritt in der Kulturtechnik schlecht ist. Sie vergessen, dass das Alte, das sie verehren, einst neu und durchaus revolutionär war. Aber das Neue ist ein Begriff, der nur in der Gegenwart benutzt werden darf. Das Neue ist Selbstzweck, aber zu recht. Alles wirklich Neue ist zunächst wirklich gut, ausser es ist wirklich schlecht.

    Wer behauptet, Fortschritt wäre doof, der soll einen beliebigen Tag in den letzten 2000 Jahren sagen, an den er die Menschheit zurückverfrachten möchte. Er wird verstummen müssen. So, Sascha, nun gehe hin und labere die Menschen voll. Und wenn Du einen Kornelius triffst, dann schaue ihn streng an, ermahne ihn, kläre ihn aber auch auf und dann streichle ihm mitleidig über den Kopf. Vielleicht hatte er länger keinen GV oder eine unglückliche Kindheit. Oder er hat irgendeine Seuche.

  5. […] Beschäftige ich mich also ein wenig weiter mit Saddam und dem Video seiner Hinrichtung. Herr Niggemeier hat da in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel gefunden, der das Internet als Verbreitungsmedium für dererlei Information verantwortlich macht. Die Seuche Internet. Na huch? War es nicht eben noch der Mensch als solcher, dessen Geifer und Sehlust solche Entwicklungen erst möglich machen? […]

  6. Herr Sobo, lassen Sie das bitte in Zukunft mit dem Kommentieren, ich liege immer unter’m Tisch vor Lachen. Schreiben Sie lieber wieder mal ein Buch …

  7. […] Überwachungsvolk Das Jahr 2006 brachte uns nicht nur Internet 2.0., sondern offenbar auch Demokratie 2.0. Denn sowohl bei den Bild-Volksreportern als auch beim Saddam-Hussein-Hinrichtungsvideo  machten bzw. machen sich hochwohllöbliche Medien- und sonstige Philosophen Gedanken über die volksherrschaftlichen Abgründe moderner Technik (zum Beispiel dort und dort und dort). […]

  8. Ja, ich über – spanne den Bogen.

    Die Seuche Internet hätte die braune Jauche
    und die Folgen einst unmöglich gemacht.
    Hätte es diese Seuche denn gegeben.

    KZ ? ja dürfen wir das denn schreiben?
    Endlösung? das versaut unsere Jugend.

    Es waren die damaligen Verschweiger, die
    ihren Anteil an der Geschichte hatten ohne
    jemals zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.

    Zeigt das Leben bitte wie es ist. Auch den Tod.
    So etwas anzusehen entscheide jeder für sich.

  9. […] Keine Ahnung, ob das Nichtwissen von Printleuten über das Web immer noch so ausgeprägt ist oder ob so etwas auch mit einer tief sitzenden Angst vor einer Technologie zu tun hat, die man weder versteht noch beherrscht. Aber es ist, vorsichtig formuliert, schon etwwas befremdlich, wie man dutzende von Aspekten der Saddam-Hinrichtung außen vor lassen kann, um sich in diesem Kontext über das Web auszukotzen. Im Übrigen verweist Stefan Niggemeier völlig zurecht darauf, dass das Kornelius-Epos inzwischen selbst Bestandteil dieser Seuche geworden ist.  Von cjakubetz Reaktionen auf diesen Beitrag via RSS 2.0 Bitte kommentieren Sie! Pings sind derzeit nicht möglich. Kommentare Bitte kommentieren Sie! […]

  10. @20: Hätte das Internet die „braune Jauche“ wirklich unmöglich gemacht? Hat das Internet denn verhindert, dass Videoüberwachung um sich greift? Oder dass biometrische Daten in den Pässen enthalten sind? Das Telefon-, Mail- und Wohnraumüberwachungs stattfindet? Die Daten künftig 6 Monate gespeichert werden? Kameras an Autobahnen Nummernschilder fotografieren? Sind Reiseverbote wegen eines G8-Treffens oder Millionenausgaben für die Absperrung ganzer Landstriche für die Besuche von Potentaten a la Bush verhindert worden oder werden sie verhindert? Wird das Web dafür sorgen, dass Firmen keine Auskünfte zur Internetnutzung erhalten oder wird der Innenminister durch das Internet etwa daran gehindert seine undemokratischen und verfassungsfeindlichen Phantasien zu artikulieren? Hätte das BVerfG ohne Internet gar den Abschuss von Flugzeugen legalisiert? Wurden der Krieg im Irak, Guantanamo oder die Beteiligung deutscher Soldaten an Angriffskriegen unmöglich gemacht? Hielt das Internet Schröder vor einer allzu deutlcihen Beteiligung Deutschlands am Irakkrieg ab?

    Bitte künftig ein bischen mehr Realitätsnähe. Wenn wir den Arsch nicht hochkriegen die Demokratie dieses Landes vor der Zerstörung zu bewahren, dann wird auch „Demokratie 2.0“ in Deutschland sicher beseitigt. Mit oder ohne Internet!

  11. In jedem Fall erscheint mir ein nicht kontrollierbares, wild gewachsenes und weltweit zugängliches Medium eindeutig der Demokratie förderlich. In allen Gesellschaftsbereichen. Genauso, wie es dem Journalisten einer auflagenstarken Tageszeitung gut tut, einer Diskussion seiner Thesen ausgesetzt zu sein. Wenn man natürlich das Ende der Demokratie nahen sieht, mag das irrelevant erscheinen.

  12. […] Jan 4, 2007 in Media, Asides Stefan Kornelius hat eine ganz passable Vita vorzuweisen, und ist im journalistischen Feld kein unbeschriebenes Blatt mehr. Blöd bloß, dass Kornelius nun die Blogosphäre (allen voran Stefan Niggemeier) bat, das Blatt herum zu drehen, und eine völlig neue Geschichte über ihn zu schreiben. Kornelius kann für jenen Satz, “Die Seuche Internet garantiert, dass die Bilder auf immer abrufbar sein … werden.” (Süddeutsche), guten Gewissens als äußerst konservativer Kopf charakterisiert werden. Gemeint sind in diesem Fall die Bilder von der Hinrichtung Saddam Husseins. Das Potenzial zur Aufklärung, welches das Internet bietet, bewertet Kornelius ernsthaft als eine Seuche. Wer weiß, vielleicht hat seine weiß-lackierte Weste am Ende selbst ein paar Flecken vorzuweisen, die er nicht aufzuklären bereit ist. Kornelius ist auch nur ein Mensch. Menschen machen Fehler. Fehler werden im Leben irgendwann bestraft. Ist jetzt der Augenblick gekommen, da Kornelius von der Blogosphäre gestraft wird?! Wir werden sehen. Allerdings ist die Dogmatik mit der Kornelius diesen Fall dem Internet in die Schuhe schieben möchte leicht zu durchschauen und bis auf diejenigen Anhänger, die Hussein bereits zuvor gehabt hat, wird kaum ein aufgeklärter Mensch derartiges Material als Mittel stigmatisieren wollen, das den Kultstatus einer Person erhöhen hilft. […]

  13. […] Blah blablah blablah, blablablablah blablah blah. Blablah blah blah blablablah, blablah blablah blah blablah, blablablablah blablah blah blablablah blah. Blablah blablablah blablah blah, blablah blah, blablah blah. Blablablah blablah blablah blah, blablablah blah blablah blah blablablah, blablah blah blablah blablah blah. […]

  14. @23:
    > In jedem Fall erscheint mir ein nicht kontrollierbares, wild gewachsenes und
    > weltweit zugängliches Medium eindeutig der Demokratie förderlich.

    Richtig! Gerade deshalb wird das politische Establishment nicht ruhen, diesem gefährlichen Medium die Zähne zu ziehen. Struktur und Historie des Internets sind m. E. kein dauerhafter Garant dafür, dass diese Absicht fehlschlagen muss.

  15. @ 27: Nein – nirgendwo fliegen einem gebratene Tauben ins Maul. Und auf Errungenschaften ist ein schlechtes Ausruhen. Man muss schon kämpfen, um seinen Teil vom Kuchen abzubekommen. Dazu bedarf es Engagement, Visionen, Gestaltungswillen, Ausdauer. Für Pessimismus ist immer noch Zeit.

  16. hey,

    BÜCHER sind schlimme Seuchen!!!
    Denn: Was lasen die Terror-Piloten, um Fliegen
    zu lernen? MEHRERE gedruckte Fach-BÜCHER!!

    Verdammt, lasst uns Bücher verbrennen!!
    und verbieten u.s.w.

    und auch Adolf Hitler laß dann und wann ein Buch,
    ja, er ist sogar Autor eines BUCHES!

    D.h.:

    „Die Seuche der Bücher garantiert, dass die Inhalte
    bis zum verbrennen der Bücher abrufbar ist … .”

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