Denn was man schwarz auf weiß besitzt…

„Wenn man sich die lange Perspektive anguckt, ist Print der Abfall, weil’s einfach ins Altpapier getragen wird, und online bleibt weiter bestehen.“ Ich weiß schon, was Dirk von Gehlen, der Redaktionsleiter von jetzt.de, mit diesem Satz meint. Er wehrt sich gegen den Reflex, eine Zeitschrift automatisch für etwas Hochwertigeres zu halten als ein Online-Magazin — eine Unterstellung, die sicher falsch ist.

Aber der Gedanke, dass Print das vergängliche Medium ist und Online das beständige, ist auch irreführend. Es ist ein interessantes Paradox: Gute Zeitungen werden in dem Bewusstsein produziert, dass das, was in ihnen steht, Bestand haben soll — dabei ist es schon am Tag nach ihrem Erscheinungsdatum oft mit erheblichem Aufwand verbunden, herauszufinden, was in ihnen stand. Online-Inhalte dagegen, oft unter großem Zeitdruck hergestellt und in dem Wissen, dass ihr Inhalt und ihre Bedeutung flüchtig ist, sind in der Regel noch Jahre später frei zugänglich.

Als Redakteur bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hatte ich das Glück, den Luxus der Produktion einer Wochenzeitung zu erleben, die es sich leisten konnte, gut sein zu wollen. Von Dienstag bis Samstagvormittag wurde in Konferenzen im Feuilleton immer wieder aufs Neue abgewägt: ob die Themenmischung stimmt, ob der Aufmacher der richtige ist, ob es nicht doch ein besseres Foto gibt, ob der Rhythmus der Seitenabfolge stimmt, ob nicht etwas fehlt, ob der Aufmacher wirklich der richtige ist. Es war ein anstrengender, manchmal nerviger Prozess, der natürlich nicht dafür garantierte, dass in der fertigen Zeitung alles gut war. Der aber von dem wunderbaren Gedanken getragen wurde, dass es wichtig ist, was am Ende in der Zeitung steht, auch der Rhythmus, das Foto, die Wahl des Aufmachers. Dass eine gute Zeitung nicht entsteht, wenn man sie in dem Bewusstsein produziert, dass sie schon am nächsten Tag im Altpapier liegt, sondern wenn man so tut, als sei das, was man da herstellt, von Dauer — egal, ob das eine Illusion ist oder nicht.

Das ist überwiegend nicht das Denken, das das Publizieren im Internet bestimmt, dessen Stärke die Schnelligkeit ist und gerade auch die Möglichkeit, etwas zu schreiben, das nicht über den Tag hinaus gültig sein muss. Das, insbesondere in Blogs, hingeworfen sein darf, halbgar und morgen überholt. (Darf, nicht muss.)

Falls die gedruckten Qualitäts-Zeitungen sterben, ist das einer der Punkte, um die ich mir am meisten Sorgen mache: dass der Gedanke verschwindet, dass man mit dem, was man schreibt, auch Geschichte schreibt. Ich liebe diese langen Artikel, in denen zum Beispiel die „New York Times“ erklärt, warum sie Barack Obama unterstützt (oder im Vorwahlkampf Hillary Clinton). Sie sind aus einem Gefühl für die eigene Wichtigkeit geschrieben, das natürlich leicht in Überheblichkeit kippt, aber im besten Fall zu hohen Ansprüchen an sich selbst führt. Diese Leitartikel sind lange, kluge, durchdachte Argumentationen, die von dem Gedanken durchdrungen sind, dass es einen Unterschied macht, ob die „New York Times“ für diesen oder jenen Kandidaten ist.

Das ist kein Entweder-Oder. Ich liebe die Möglichkeit der spontanen Wortmeldung von Jedermann in Blogs. Und auf die Geschwindigkeit, die das Publizieren im Internet den Medien ermöglicht, wird keine Generation von Lesern mehr verzichten wollen. Aber daneben möchte ich den Journalismus nicht missen, der sich die Zeit nimmt, eine Sache zu durchdenken, und der darauf setzt, nicht nur eine Stimme von vielen zu sein, sondern Kompetenz und Autorität auszustrahlen. Dieses Selbstverständnis wird sicherlich, hoffentlich, auch im Internet möglich sein, aber es hat es dort schwerer. Ich muss über die Überschrift, den Rhythmus, den Aufmacher dort nicht tagelang nachdenken. Ich kann sie noch nach der Veröffentlichung ändern, notfalls alle paar Minuten. Und der Aufmacher ist vermutlich schon nach einer Stunde ohnehin nicht mehr der Aufmacher.

Man könnte denken, dieses Foto (und dieses, dieses, dieses und diese hier) sei am vergangenen Dienstag aufgenommen worden, dem Tag, an dem Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Es ist aber am Mittwoch aufgenommen worden.


Foto: nedward.org

Diese Leute stehen nicht an, um ihre Stimme abzugeben. Sie stehen an, um eine Zeitung zu kaufen.


Foto: Kevin Prichard / Innovations In Newspapers

Die „New York Times“ war an vielen Orten ausverkauft, „USA Today“ erhöhte seine Auflage um eine halbe Million, die „Chicago Tribune“ hatte mit 20.000 zusätzlichen Exemplaren gerechnet und verkaufte schließlich 200.000 mehr. Wenn es schon eine historische Wahl war, wollten die Menschen auch ein Andenken daran — und ein großer Teil dieser Zeitungen wird nicht so schnell ins Altpapier kommen.

Zeitungen haben, in viel größerem Maße als Internetseiten, Möglichkeiten, die Größe eines Ereignisses zu symbolisieren. Dass etwas wirklich, wirklich Außergewöhnliches passiert ist, konnte man früher auch daran ablesen, ob die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ein Foto auf ihrer Titelseite druckte. Die „New York Times“ illustrierte die Wichtigkeit, die sie Obamas Wahlsieg beimaß, durch eine 96-Punkt-Überschrift — so groß war die Schlagzeile zuvor nur vier Mal überhaupt (zum Mann auf dem Mond, dem Rücktritt Nixons, dem 11. September und dem Jahrtausendwechsel). Natürlich sind das künstliche Kategorien: Schriftgrößen, Fotos auf der Titelseite. Aber sie bieten eine Orientierung. Sie machen die Behauptung, dass ein Ereignis historisch sei, anschaulich — viel mehr auch als die Fernsehsender, bei denen die Einblendung „Breaking News“ längst nicht mehr dafür sorgt, den Adrenalinspiegel steigen zu lassen, spätestens seit darunter auch die Halbzeitstände der Fußball-Bundesliga fallen.

Schwer zu sagen, welchen Wert eine historische „New York Times“ haben wird, wenn der erste schwarze amerikanische Präsident einmal Geschichte ist. In den letzten Tagen ist der Preis, den man für ein Exemplar bei E-Bay bezahlen muss, drastisch gesunken. Einer der ersten Verkäufer schaffte es, 400 Dollar zu erlösen — inzwischen liegen die Preise bei weniger als einem Zehntel.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die historische „New York Times“-Ausgabe auch insofern historisch ist, dass es das letzte Mal war, dass eine große Zahl von Menschen dem große Bedeutung beimaßen, was auf einem bedruckten Stück Papier stand. Werden sich zukünftige Generationen Screenshots von Internetseiten aufheben, um sich an geschichtliche Ereignisse zu erinnern? Ein Flickr-Nutzer hat von mehreren großen Internetseiten in der Wahlnacht alle halbe Stunde Aufnahmen gemacht und hochgeladen. Das ist vielleicht für Kommunikationswissenschaftler eine interessante Sache (und für Nerds natürlich, schon aus Prinzip), aber es symbolisiert gerade die Beliebigkeit, nicht die Besonderheit des Augenblicks. Und auch der Zusammenstellung „historischer Homepages“ fehlt im Vergleich zu den gedruckten Ausgaben jede Fallhöhe.

Es war eine gute Woche für Zeitungen. Aber Anlass zur Hoffnung sind die Rekordverkäufe nur dann, wenn hinter ihnen ein echtes Bedürfnis der Menschen nach etwas Bleibendem stand. Und nicht nur eine Art Nostalgie.

65 Replies to “Denn was man schwarz auf weiß besitzt…”

  1. 61 Dollar???! Vielleicht wäre das das bessere BILDblog-Geschäftsmodell: „Historische“ „Bild“-Zeitungen an doofe Amerikaner verkaufen.

  2. @ 1:
    Wie wäre es mit Goethe? „Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ bzw. dem ersten Halbsatz davon.
    Oder kurz und kantig: „Schwarz auf weiß“.

  3. So ganz verstehe ich die Tendenz des Artikels nicht. Es klingt fast nach einem „Wie kann es der dem deutschen Büchermarkt schlecht gehen, wenn Dieter Bohlen dauernd Bestseller schreibt?“. Die NYT wurde ja nicht wegen außerordentlich Geschriebenem gekauft, sondern nur wegen des „Events“. Dass hinter der NYT Qualität gesehen wird, hat sich diese sicherlich erarbeitet. Ähnlich wie FAZ oder SZ. Mit der Hereinnahme von Popkulturthemen, die wesentlich besser im Internet aufgehoben sind, weil sie seicht und weitgehenst zugänglich sind, riskieren die Zeitungen aber einiges: Den Gedanken an Anspruch bswp.. Ein kritischer, tiefer Artikel braucht nach wie vor einen gut ausgebildeten Schreiber. So seicht es klingt, die Zeitungen könnten vom Fernsehen lernen. Da schienen einige nach der MRR-Rede gar nicht mehr sehen oder zugeben zu können, dass Nichtseichtes im Fernsehen bei keinem großen Sender ernsthaft irgendwo noch aufgrund des Inhalts auf einen starken Sendeplatz kommt. (Ich erinnere mal daran, dass der hervorgehobene Quandts-Film in Erstausstrahlung von der ARD ängstlich und gekürzt ohne Ankündigung im Fernsehprogramm „spontan“ irgendwann nach 22 Uhr versendet wurde.)
    Nicht, dass dies genau MRRs Gedanke war. Aber wenn man hinterher hört, MRR habe unrecht, weil er das RTL-Programm nicht kenne, ist das doch schon albern – oder schlimmer: weltfremd. Es ist zu hoffen, dass die Zeitungen niemals derart weltfremd werden.

  4. Ich lese gerne Zeitungen Und hebe die ein oder andere auch auf was aber mit der zeit zu größeren Stapeln führt. Ich mag auch die vielen vielen Microfilme mit Zeitungen die man sich in der einen oder anderen Bibliothek ansehen kann.

    Papier … Papier ist geduldig und vergänglich das Internet diese fluoreszierende Leinwand ist beides nicht oder nicht in dem Maße das ist wahr aber wäre es denn so schwer die sowieso am Computer erstellte Zeitung später auch digital verfügbar zu machen?
    Vielleicht sogar in einem browserlesbaren Format so das man eine Art internationales frei zugängliches Zeitungsarchiv aufbauen könnte? Das würde meiner geliebten Zeitung doch auch eine gewisse Unsterblichkeit geben und ein paar Papier-stapel hier verkleinern.

    Der Journalismus schreitet nun mal weiter in Richtung der Netzte, selbst der Deutsche Presserat hält sich, seit neuestem, verantwortlich für Online Angebote also warum nicht ein paar gute alte Sitten übernehmen auch wenn vieles schneller und billiger ist.

  5. @Carsten: Der Artikel hat gar keine richtige Tendenz oder These. Es sind ein paar halbgare Gedanken über die Haltbarkeit und Flüchtigkeit von Print- und Online-Medien.

  6. Bahnbrechende Erkenntnisse, ach ne halbgare Gedanken…

    Ist das jetzt eigentlich Print- oder Online-Schreibe?:
    Zitat Niggemeier: „Das ist überwiegend nicht das Denken, das das Publizieren im Internet bestimmt, dessen Stärke die Schnelligkeit ist und gerade auch die Möglichkeit, etwas zu schreiben, das nicht über den Tag hinaus gültig sein muss. Das, insbesondere in Blogs, hingeworfen sein darf, halbgar und morgen überholt.“
    Falls Online, dann ist mir eine Entwicklung entgangen – allzu flüchtig geht es dann ja auch nicht mehr zu bei Netz-Lesern.

  7. Emphatisches Plädoyer für die (Wochen-)Zeitung. Aber der Wert des Gedruckten ist generell gesunken (unabhängig von der Existenz oder Bedeutung von Online-Medien). Statt ein Buch oder eine Zeitung zu lesen, geht der Trend immer mehr zur Häppchen-Kultur, zur „knackigen“ Schlagzeile. Bücher sind heute aktuell – und landen nach wenigen Wochen schon auf dem Grabbeltisch. In Zügen liegen schon morgens um zehn, elf Uhr die aktuellen Tageszeitungen von SZ oder FAZ.

  8. Es geht eigentlich gar nicht um flüchtige oder nicht-flüchtige Information sondern um Wertigkeit. Eine Zeitung ist deshalb (meistens) so viel wert, weil sie physisch ist, weil man sie angreifen kann, weil sie maschinell bearbeitet wurde. Online ist anders. Hier hat jede Publikation sein Standard-Layout in Standard-Farben, die Gestaltung der Seite zählt nichts, die Abfolge der Artikel ist unerheblich. Das ist der große unterschied, es gibt im Internet keine Art Direction, sondern nur den Einheitsbrei, es gibt niemanden, der anzeigt worauf in einer Redaktion eigentlich Wert gelegt wird.

    Ein Beispiel wie es auch anders geht ist das private Blog von Jason Santa Maria: http://www.jasonsantamaria.com/ – wer sich die mühe macht über die PREV-Links zurück zu blättern sieht wie (fast) jeder Eintrag sein eigenes Design hat und wie das plötzlich trotz Online-Medium den Eindruck erweckt etwas ganz toll Wertiges ansehen zu dürfen.

    Natürlich ist das in dem schnellen Newsgeschäft der Onlinetageszeitungen nicht tagtäglich möglich, aber bei besonderen Anlässen sollte man schon mal den Art Director herausholen und das Ergebnis dann auch (per Permalink) archivieren.

  9. @ 10:
    Ich bin geschütttelt und antworte wieder mit Goethe: „Eine blinde Schwalbe findet auch mal ein Korn“.

  10. Ich denke es ist eher Letzteres, die Nostalgie dieses Events, die die Verkaeufe angetrieben hat. Dass Leute in der Zeitung vom 5.11. mehr sehen als ein Souvenir, kann ich mir nicht vorstellen.

  11. @Stefan, was war’n vor dem Vorschlag von steve die Schlagzeile?
    Und: Ich bin sicher, dass war nicht von dir beabsichtigt, aber mir wurde ganz mulmig, weil ich gestern rund 10 Kilo Zeitungen entsorgt habe, die bis dato in meiner Wohnung verteilt waren. Erst war ich froh drüber, jetzt frage mich etwas deprimiert, ob da ein Stück „Zeit“-geschichte in die blaue Tonne gewandert ist… puh, das muss der Herbst sein…

  12. Der Vorteil einer gedruckten Zeitung ist auch der, dass man sie nachträglich nicht mehr abändern kann. Wer kann bei diesem Online-Beitrag noch nachvollziehen, wie die ursprüngliche Überschrift lautete?
    War es „Eine Zeitung zum Nicht-Wegwerfen“?

  13. Ein paar sehr schöne, sehr lesenswerte Gedanken zum Zustand (und implizit auch zur Zukunft) der Zeitungen. Gerade weil man ihnen anmerkt, dass sich ihr Macher Zeit genommen und sich etwas überlegt haben, mache ich mir um Wochenzeitungen wie „Zeit“ oder „FAS“ derzeit nicht allzu viele Sorgen. Anders sieht das natürlich bei Tageszeitungen aus, wo die Abläufe und die Qualität (gerade in den sogenannten aktuellen Ressorts) bei weitem nicht so luxuriös sind. Aber was spricht dagegen, diese News-Kompetenz ins Internet zu verlagern und eine gedruckte Zeitung wie die „NYT“ oder die „SZ“ künftig nur noch einmal oder zweimal die Woche (es muss ja nicht unbedingt sonntags sein) erscheinen zu lassen – voll mit Analysen, Kommentaren, Hintergründen und Reportagen (also all dem, was sich z.B. in der „SZ“ derzeit auf den Seiten 2-4 abspielt)?

  14. War das jetzt Absicht mit der Überschrift? Um zu zeigen, dass man Online viel willkürlicher abändern kann? Und gleichzeitig noch den Vorteil der Leser-Interaktion aufzeigen – sehr clever.

  15. Ich hab seit Anfang der Sixties Gedrucktes gesammelt, vor allem über „Beat“-Musik und dann die 68er Kulturrevolution. Aus Anlass eines Umzugs in eine kleiner Wohnung hab‘ ich 1999 alles zum Altpapier gegeben, fast eine Tonne bedrucktes Papier: Tageszeitungen, Musik- und Politik-Magazine, Flugblätter, Broschüren. Ich vermisse es nicht. Bin nun glücklich mit dem Internet; neben den bekannten Vorteilen zählt für mich: es spart Platz. Den Sammler-Tick hab ich komplett abgelegt.

  16. „Online ist anders“ hätte auch als Überschrift gepasst.

    Natürlich hat Online eine andere Wertigkeit als Papier. Die Formate sind gravierend unterschiedlich. Allerdings sind es auch die Nutzungsmöglichkeiten und -gewohnheiten. Ich „lese“ meine lokale Tageszeitung, die mir -neben Leitartikeln und Kleinanzeigen und dergleichen- morgens Nachrichten von gestern liefert die ich alle schon kenne. Ich „lese“ aber kein Online-Angebot irgendeiner Zeitung im vergleichbaren Sinne, denn Online-Nachrichten/Artikel sind für mich ein Produkt meines Feed-Aggregators, was in den meisten Fällen heisst dass ich Artikel nach Schlagzeilen und einer Handvoll Filtern selektiere. Dabei geht viel (das meiste) unter, dafür ist es aber eben minutenaktuell. Und ich möchte eigentlich beide Arten nicht missen.

    Zeitungen sind besser aber langsamer als Online? Zeitungen sind besser weil langsamer als Online? Online ist anders.

    Die „ewige Bereitstellung“ von Online-Nachrichten -im Gegensatz zu Papierzeitungen, die schnell im Altpapier landen- ist allerdings auch längst nicht so fortgeschritten, wie man das erwarten könnte. Längst nicht alle Angebote haben sowas wie ein Archiv, es gibt auch keine Garantie dafür, dass ein Link auf einen Artikel in sechs oder 12 Monaten noch funktioniert (egal ob bis dahin mal wieder das CMS überholt wurde und die jeweilige Link-Syntax sich geändert hat, oder der Artikel selbst eben verfallen und gelöscht ist). Auch eine funktionierende Volltextsuche muss man mitunter mit der Lupe suchen.

  17. @26/Jeeves
    Ich nicht. Bei mir stapeln sich Zeitungsartikel, die sortiert werden wollen…einige sind eben (noch) nicht online oder irgendwann weg (wie nona schreibt). Ich zweifle noch.

  18. Ein Grund, an „historischen“ (oder als solchen empfundenen) Daten eine Zeitung zu kaufen: Sie erinnern sehr intuitiv an ein Ereignis.
    Keine beliebige URL, kein PC oder Laptop, kein Bildschirm, sondern ein Gegenstand zum Anfassen, zum Durchschauen, zum auf den Fotos mit dem Finger Herumfahren, zum Zusammenfalten und (vergilbt) irgendwann wieder Hervorholen und erneut Zeigen.
    Ich habe immer noch die Ausgabe einer lokalen Zeitung zum Absturz eines „Kampfbombers“ der US Army in ein Wohngebiet in NRW Ende der Achtziger – und erinnere mich beim Anschauen und Anfassen unweigerlich an den Anruf meiner Mutter, die mich losschickte, nachzuschauen, im Chaos zu ergründen, ob mein Bruder noch lebte, der in diesem Stadtteil seinen Arbeitsplatz hatte (er lebte und lebt noch).
    Ein Schauder auf dem Rücken. Das Papier, die Zeitung lösen ihn wieder und wieder aus.

  19. @ 28/ Gregor

    „Bei mir stapeln sich Zeitungsartikel, die sortiert werden wollen…“

    Arbeiten Sie beruflich damit oder ist es nur Hobby?

    Ich schätze zwar sehr die Möglichkeiten, Online-Artikel als Texte einfach abzuspeichern. Zugleich misstraue ich ihnen aber sehr, seit ich in einem „Welt.de“ von 1995 ein ziemlich schamloses Plagiat aus dem SPIEGEL gefunden habe. Es kann natürlich auch sein, dass die WELT 1995 noch kein Online-Angebot hatte. Umso schlimmer. Jedenfalls neige ich doch dazu, Online-Artikel lieber mit ihren Printvorlagen zu vergleichen.

    So stapelt sich das Papier bei mir dann auch.

  20. @ Stefan: Ich habe heute Vormittag (ungelogen!), wenige Stunden vor erscheinen dieses Eintrages meine SZ-Ausgaben der letzten zwei Wochen (geschätzt) und so ziemlich alle SPIEGELausgaben der letzten paar Monate entsorgt :-(

    Versprochen: Ab morgen Archivier ich die. Fein säuberlich. im Keller. ;-)
    (müssen nur vorher noch die Getränkekästen raus)

    Um was ernsthafter zu werden. Ich komme kaum dazu die Süddeutsche, die mir seit einigen Wochen täglich in die Wohnung flattert, zu lesen. Außer in der Mittagspause und am Wochenende eigentlich garnicht, und bei gelegentlichen Zugfahrten. Wenn ich abends nach Hause komme ist die Zeitung leider tatsächlich „überholt“. Sprich: ich gucke im Internet was es Neues gibt.

    Vor einigen Monaten ist bei mir im Viertel für ein paar Stunden der Strom ausgefallen. Hab mich erst etwas aufgeregt weil meine Elektrogeräte logischerweise nicht funktionierten. Nach dem Aufregen, hab ich´s mir aufm Sofa bequem gemacht und Zeitung gelesen. Das war schön…

  21. Ich lese jeden Tag Zeitung, gedruckt. In der Metro, im Café. Im Sommer durch einen Park laufen, sich auf eine Bank setzen und Zeitung lesen: das hat nichts zu tun mit einfachem Aufschnappen nach Nachrichten. Und dafür braucht es Zeitungen, die es wert sind, so gelesen zu werden.

    Ich habe hier einen Vergleich mit dem Büchermarkt gelesen. Es wurde moniert, daß Bücher heute viel zu schnell verramscht würden. Das liegt daran, daß sie nichts haben, was über den Tag hinaus reicht. Sie sind geschrieben, um schnell zu amüsieren, schnell zu berühren, zu schocken, zu überraschen, aber nicht, um langsam eine Botschaft zu entfalten, die zu lesen sich übers hier und heute hinaus lohne. Die Freiheit der unbeschränkten Quantität erstickt peu à peu die Qualität, bis man sich fragt, wo sie denn geblieben sei und wie sie hat – vor ewigen Zeiten – möglich sein können.

  22. Jedes Medienprodukt sollte idealerweise so sorgfältig produziert werden, als ob es für lange Zeit Bestand haben sollte – dies sagt ein Radiomann, dessen Gelaber in der Sekunde versendet ist oder versandet, in der es ausgestrahlt wurde.

    Dieser kategorische Imperativ ist natürlich nicht konsequent durchzuhalten, aber immerhin sollte die bestmögliche Näherung versucht werden.

  23. @36/Thom
    Es wurde moniert, daß Bücher heute viel zu schnell verramscht würden. Das liegt daran, daß sie nichts haben, was über den Tag hinaus reicht. Sie sind geschrieben, um schnell zu amüsieren, schnell zu berühren, zu schocken, zu überraschen, aber nicht, um langsam eine Botschaft zu entfalten…
    Völlige Übereinstimmung! Das kann man aber inzwischen auch von sehr vielen Printmedien (Zeitungen) sagen und ist einer der Gründe, dass ich kaum eine Tageszeitung lese. Für Hintergründe und den notwendigen Abstand reicht mir ein Wochenblatt.

    Der einzige Grund eine regionale Tageszeitung zu lesen bestünde darin, dass es einen halbwegs informativen und kritischen Lokalteil gibt. Das ist aber immer schwieriger; im Raum Düsseldorf bleibt es fast ein Wunsch.

  24. @36 Thom: Ich könnte mit dem ebenso unbeweisbaren Gegenargument behaupten, daß der massenhaft „für dicke Frauen zusammengekloppte Leseschrott“ die guten Bücher, welche das auch immer sein mögen, finanzieren, die Quantität die Qualität erst ermöglicht.

    (Nebenbemerkung zu einer historischen, wenn auch traurigen Stunde: Zum erstenmal habe ich mein mir selbstauferlegtes Verbot, Max Goldt in der Öffentlichkeit zu zitieren, übertreten.)

  25. Wenn ich die Kommentare hier so sehe, scheint es vielen ähnlich zu gehen wie mir: Das aktuelle Tagesgeschehen bekomme ich im Internet.
    Tageszeitungen sind meist relativ uninteressant, weil sie größtenteils enthalten, was ich am Vortag online gelesen habe (und das dann oft auch noch als Agenturmeldung…), bestenfalls gibt’s noch lokale Infos (Sack Reis im Rathaus umgefallen!) oder wenige Seiten Hintergrundinfos und/oder Kommentare.
    Eine langfristige Chance gebe ich dagegen eher den Wochenzeitungen und -zeitschriften, die das bringen, was online oft untergeht: Hintergrundinformationen, Artikel über Geschehnisse, die im aktuellen Medienrauschen untergehen, etc.
    Nur schade, dass gerade bei den Wochenzeitschriften diese Chance nicht gesehen wird und man zu oft das Gefühl hat, eine Mischung aus Fernsehzeitung ohne TV-Teil und Auszügen der letzten Bild-Zeitungen (aber mit Hochglanz-Fotos) in der Hand zu halten…

  26. Ich alter Jungspund hab noch immer Schwierigkeiten in den Online-Seiten von diversen Zeitungen den Artikel zu finden um den es nun gehet, bis ich gelernt habe, dass er meistens links am Rand steht und der hauptsächliche Rest ja nur Werbung ist. Man.

  27. Dieser Blogbeitrag geht in die richtige Richtung, nämlich Online und Zeitung als unterschiedliche Medien zu betrachten. Die Zeitung hat, richtig gemacht, nicht nur gefühlsmäßig einen anderen Wert. Wer diesen Wert auch in den Augen des Lesers erhalten will, muss freilich in Qualität investieren. Selbst wenn die Tageszeitung ebenfalls ein Medium mit einem schnellen Verfallsdatum ist, kann sie als kollektive journalistische Leistung durchdachter, bedeutender, abgewogener und informativer sein. Online arbeiten Journalisten nach anderen Maßstäben: Aktualität steht im Vordergrund, daraus ergibt sich natürlich Flüchtigkeit; inhaltliche Wahrheit, Beständigkeit, Qualität der Erzählung und die Themenmischung auf den Seiten (wobei online nur die Titelseite/Homepage wirklich zählt) können im Netz nur in Momentaufnahmen bewertet werden, denn das Medium ist ständig im Fluss. Kommt noch Populismus dazu, weil Klickraten (Marktanteile) die Maßstäbe mitbestimmen, nach denen Themen ausgewählt, präsentiert und gewichtet werden, gesellt sich zur Aktualität noch Unterhaltung, oder positiv gesagt, Infotainment (bis hin zur Klickstrecke mit Paris-Hilton-Fotos).
    Die Zeitung kann aus dem Mangel an Aktualität und aus der geringeren Vollständigkeit, die sich aus begrenztem Platz ergibt, gepaart mit dem Gewicht, das sie durch die geringere Flüchtigkeit gewinnt, eine Tugend machen, indem sie die zeitliche Distanz zum Geschehen durch ein Mehr an Prioritätensetzung und Substanz ausgleicht, also dem Leser, der im Grunde schon über alle wichtigen Nachrichten schnell und oberflächlich informiert ist, an der richtigen Stelle Vertiefung und Anschauung bietet.
    Eine Zeitung, die nicht nur Grab für „online first“ schnell produzierte Online-Texte von gestern ist, sondern einerseits das bekannte Geschehen noch einmal intelligenter reflektiert, andererseits ihre Zweidimensionalität dazu nutzt, auf derselben Ebene auch neue, unbekannte, aber relevante Aspekte (die online aus Mangel an Aktualität unberücksichtigt bleiben müssen) abzubilden und weitere Themen zu setzen, könnte also von Onlinemedien nicht kannibalisiert werden.
    Online muss schnell gehen, muss viel bieten (auch viel Nebensache) und darf zeitweise schmutzig und roh sein. Es geht dabei mehr um schlaues Content-Management, als um Substanz und Intelligenz. Bei der Zeitung ist es umgekehrt: Da geht es um Produkt-Management, um Qualität in jedem Detail, um Substanz und Intelligenz mehr als um Aktualität und Vollständigkeit. Das eine informiert und unterhält so gut das im jeweiligen flüchtigen Moment leistbar ist. Das andere beharrt auf Glaubwürdigkeit und Beständigkeit, gibt Orientierung mit klaren Prioritäten und unterhält auf einem höheren Niveau. Metaphorisch: Fast Food und Fünf-Gänge-Menü konkurrieren nicht miteinander, sondern erschließen verschiedene Märkte, indem sie unterschiedliche Bedürfnisse des Publikums erfüllen.

  28. Ich glaube es gibt noch Zeitungen vom Tag meiner Geburt irgendwo. Das ist auch so ein schönes Andenken.

    Bloggen tue ich auch um etwas Bleibendes zu besitzen, etwa meine Gedanken nach einem Film.

  29. @ 39: Selbstverständlich. Die Süddeutsche oder die Frankfurter Rundschau versuchen ja praktisch täglich sich neu zu unterbieten.
    @ 40: Es könnte auch an einem Mangel meiner Lesefähigkeit liegen, aber weder Sinn noch Zweck deiner Replik eröffnen sich mir.

  30. […] Denn was man schwarz auf weiß besitzt… Falls die gedruckten Qualitäts-Zeitungen sterben, ist das einer der Punkte, um die ich mir am meisten Sorgen mache: dass der Gedanke verschwindet, dass man mit dem, was man schreibt, auch Geschichte schreibt. […]

  31. @43: Prinzipiell schon richtig, aber ich finde, für Hintergründe ist eine Tageszeitung auch das falsche Medium.
    Zum Einen für den Leser – denn wer will schon in der Bahn den 10seitigen Hintergrundbericht lesen oder am Wochenende (wenn man Zeit hat) danach suchen, in welcher Ausgabe der wo versteckt war?
    Zum Anderen aber auch für die Macher. Wie soll denn innerhalb der wenigen Stunden zwischen Ereignis und Redaktionsschluss (man bedenke auch den gewaltigen Vorlauf für Layout, Druck und Auslieferung!) etwas wirklich fundiertes zusammen kommen? Und bei Ereignissen, die sich über mehrere Tage dahinziehen, kann man ja auch schlecht immer wieder was neues aus den Fingern saugen oder die Hintergund-Artikel vom Vortag wiederholen…

    Mal ganz abgesehen davon, dass auch Online gute Hintergrundberichte möglich sind. Gute Bespiele dafür gibt’s sogar in der oft gescholtenen Wikipedia. Allerdings hat Papier halt nach wie vor den Vorteil, dass es haltbarer ist und sich überall ohne Augenschmerzen lesen lässt. Wie das mal aussehen wird, wenn es handliche, gute und billige E-Book-Reader gibt (der Kindle ist imho nichts davon), bleibt abzuwarten… Vielleicht zeigt mein noch unproduziertes Kind ja seinen Kindern mal auf seinem E-Book-Reader die alten gespeicherten Titelseiten von Online-Zeitschriften (die dann aber gestalterisch wohl mehr Richtung PDF als Web-Seiten gehen dürften…)

  32. @47: Ich kenne Online- und Zeitungsproduktion. Gute Hintergründe kosten auch Online Zeit, die dem Aktuellen und Unterhaltsamen abgeht. Und Zeit kostet Leser, die ja Online eher Vielfalt erwarten und nicht unbedingt die starke Vertiefung: Sie freuen sich im Zweifel mehr über den rasch gesetzten, kompetenten Link zu Basisinformationen oder frühere Debatten zum Thema, der diesem Medium weit mehr entspricht. Einen Widerspruch zum guten Hintergrundstück sehe ich auch Online nicht im Grundsatz, richtig gute Stücke werden auch gern gelesen, aber sie stehen in einem schleichenden strukturellen Gegensatz dazu, dass man einerseits die Schnelligkeit des Mediums auskosten und andererseits die Grundbedürfnisse des Publikums erfüllen will. Die Alternative in der Zeitung ist zudem keineswegs der zehnseitige Hintergrundbericht, von dem Sie schreiben. Der wäre eine krasse Übertreibung. Die Zeitung spielt ihre Tugend aus, indem sie angemessen (und damit auch der Länge nach erträglich) erklärt, was Sache ist, vor allem aber auch Reporter hinaus schickt, den Sachverhalt aus Sicht von Akteuren und Betroffenen, personalisiert und konkret, vom Ort des Geschehens, anschaulich zu machen. Eine gute Zeitung hat dafür Mitarbeiter und Korrespondenten, die nicht dem ständigen Produktionsdruck unterliegen, wie er online Alltag ist. Sie muss (schon wegen begrenzten Platzes) nicht nur Prioritäten setzen, sie kann das auch, und das ist eine ihrer Primärtugenden. Wer mit einer guten Truppe auf Grund veränderter Weltlagen schon einmal das komplette erste Buch (Nachrichten/Seite 3/Politik/Meinung) einer Tageszeitung in wenigen Stunden total neu konzipiert und gefüllt hat, weiß, wieviel Kraft in diesem Medium steckt, wenn alle Potenziale aktiviert werden. Jeder der Autoren kann sich bis zur Schlusszeit am frühen Abend auf seinen Aspekt des Themas konzentrieren: Das führt zu Texten, die einen ganz anderen Charakter haben, als das praktisch live immer wieder revidierte, unter Aktualitätsdruck und neben vielen anderen Pflichten dauernd umgestrickte Stück eines Journalisten, der naturgemäß kein Spezialist, sondern Generalist ist, im Internet. Deshalb ist es wichtig, dass die personelle Redundanz in den Print-Redaktionen, der Überhang an themenkompetenten, recherchestarken Schreibern, der in den meisten Zeitungen mehr oder minder bescheiden noch existiert, nicht mit wachsenden Sparzwängen ganz abgebaut wird. Leider ist das keine unbegründete Furcht, obwohl eigentlich alle Beteiligten auch dank Leserforschung wissen, dass solches Sparen an der Substanz nachhaltig mehr Glaubwürdigkeit und Qualität kostet, als es an Geld einbringt.

  33. @48/Anreger
    Ihre Ausführungen finde ich sehr interessant. Wenn ich Sie richtig verstehe, plädieren Sie für eine (fiktive) Übereinkunft zwischen Online und Print. Online ist für das brandaktuelle zuständig – Print eher für den Hintergrund.

    Dabei entsteht der Eindruck (ich sage nicht, dass Sie das explizit so gesagt haben!), dass Online aufgrund dieser Konstruktion nicht unbedingt den Anspruch auf tiefe Recherche und – sagen wir es platt – Wahrheit haben muss. Der Aktualität geschuldet müssten Fehler in Kauf genommen werden, die ja dann in der Zeitung (Print) in der Vertiefung korrigiert werden können. Dies stillschweigend (wenn auch zähneknirschend) akzeptiert, wäre allerdings fatal, denn (wie so oft) der erste Eindruck, die erste Meldung dürfte bei vielen prägend sein. Man merkt da am stärksten bei Kriegen (bzw. kriegerischen Krisen): Die Urteile über „gut“ und „böse“ entstehen nicht zuletzt aus den ersten Meldungen. Spätere Korrekturen fliessen selten in die Beurteilungen ein. Im Extremfall wäre man der schnellsten Propaganda ausgeliefert.

    Daher halte ich eine Dichotomie Online = schnell und ein bisschen ungenau / Print = langsamer und genauer für falsch. Wo steckt denn der Zeitdruck, den auch Sie bei den Onlinemedien sehen? Wer erhebt den? Der Leser? Ich glaube das nicht. Die Leute sitzen nicht vor der Kiste und warten wer zuerst die Meldung parat hat – die dann vielleicht falsch, lückenhaft oder sinnentstellend ist. Der „Druck“ entspringt einem (perversen) Wettkampf innerhalb der jeweiligen Redaktionen. Von diesem Trip des „wer hat den längsten die schnellste Information“ sollte man sich verabschieden.

  34. Die Frage bleibt doch (hat das hier schon jemand gesagt?), wie qualitativ hochwertiger Journalismus überhaupt finanziert werden soll. Ich habe den Eindruck, dass es für Zeitungsverlage schon schwer ist, die Printredaktion zu bezahlen.
    Also lieber die Online-Ableger abschaffen! Oder die gedruckte Zeitung! Oder beides? Kann man eigentlich viel Geld verdienen mit so nem News-Portal? Vielleicht sollte ich auch eins aufmachen?

  35. @50/Striedel
    Die Frage ist berechtigt. Aber auch umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn man mit qualitativ hochwertigem Journalismus kein Geld verdienen kann – wie sollte man dann mit „minderwertigem“ Journalismus Geld verdienen können? Oder sind die Onlineportale nur dauerhaft Spielweisen für Praktikanten und Nachwuchsredakteure? Und werden diese dann nicht „verdorben“?

  36. @49. Ich versuche nur, realistisch und pragmatisch zu sein. Natürlich wohnt Gott in der kleinsten Hütte, gelegentlich sogar in Online-Redaktionen, und im Print ist keineswegs alles Gold, was glänzt. Gleichwohl ist es eine Tatsache, dass ich bei der Verlaufsberichterstattung (online) nur so gut sein kann, wie die Informationen, über die ich verfüge, auf dem jeweiligen, momentanen Wissensstand. Mit zeitlichem Abstand, weniger Produktionsdruck und mehr Zeit für Recherche und Schreiben bin ich besser. Wenn es sich zudem um verschiedene Medien handelt, das eine sehr schnell und vielfältig, aber auch flüchtig, das andere eher statisch, dafür focussierter, bei nachgewiesen deutlich unterschiedlichem Publikumsverhalten, ist es doch eine nahe liegende Konsequenz, aus allen tatsächlichen Faktoren, die auf mich als Produzent einwirken und die ich auf das Publikum wirken lassen kann, jeweils das Optimum an Qualität und Wirkung herauszuholen. Solche Differenzierung geschieht derzeit ohnehin, mal mehr, mal weniger durchdacht. Ich bin eher für mehr durchdacht, zumal sonst die „Krise“, die echte und die fröhlich herbeibeschworene, mit konzeptlosem Spar- und Popularitäts-Opportunismus das Programm im Autopiloten bestimmt.

  37. @50. Eine Studie des Welt-Zeitungsverlegerverbandes hat ergeben, das der Printmarkt weltweit noch immer wächst. Dieser Markt ist sehr differenziert, aber es zeigt sich bei näherem Hinsehen schon durchgehend, dass Qualitätsjournalismus zwar eine hohe Investition erfordert, aber mit gedruckten Medien auch ungeheure Margen erzielt werden können. Das Umsatzwachstum ist auf deutlich kleinerer Basis im Internet größer: Auch dort zeigt sich klar, dass bei journalistischen Medien Qualität ein Erfolgsfaktor ist. Die unterschiedliche Definition, was spezifisch Qualität in diesem und in jenem Medium bedeutet, ergibt sich aus dem jeweiligen Charakter des Mediums wie auch aus den spezifischen und unspezifischen Erwartungen an den jeweiligen Titel oder die Marke. „Bild“ funktioniert anders als „Bild online“, „Bild online“ wiederum ist nach anderen Faktoren erfolgreich als „Faz.net“ oder „Spiegel.de“, und diese beiden unterscheiden sich ebenfalls stark voneinander. Identifizieren Sie eine Nische, in der Sie noch Spielraum für einen neuen Titel sehen, platzieren Sie ihn darin zielsicher und entwickeln Sie ihr spezifisches Alleinstellungsmerkmal mit klarem Mehrwert für Ihr Zielpublikum ohne faule Kompromisse, und auch Sie werden mittel- oder langfristig Geld damit verdienen. Das gilt für Online und für Print.

  38. Upturn-philosophisch:
    Wer sagt eigentlich, dass jeden Tag eine Zeitung produziert werden muss? Wer sagt, dass jede Zeitung jede Rubrik ausfüllen muss? Wieso nicht einfach auch mal eine Woche keine Zeitung und wieso nicht auch mal eine Zeitung die nur aus zwei Seiten besteht, weil einfach nichts „wissenswertes“ auf der Welt passiert; dementsprechend wäre dann natürlich der Festpreis für eine Zeitung Geschichte und die Ressort-Leiter würden ins Schwitzen geraten, wenn gerade ihre Rubrik nichts zu vermelden hat. Sind wir nicht zu sehr daran gewöhnt mediensüchtig ein lineares, systemisches, lückenloses Verfahren immer wieder zu erfüllen? Wo ist der Sinn? Nicht jeden Tag ereignen sich Ereignisse (echte Ereignisse) und über die lässt sich zumeist eh erst hinterher, nach einigen Tagen des Durchdenkens und Sackenlassens etwas Konstruktives schreiben.

  39. @51 Gregor K.
    Wenn man mit qualitativ hochwertigem Journalismus kein Geld verdienen kann – wie sollte man dann mit „minderwertigem” Journalismus Geld verdienen können?
    Wird das nicht seit dem es „Journalismus“ gibt und jeden Tag auf Neue bewiesen, dass das (leider) sehr gut funktioniert? Nicht umsonst nannte schon vor über hundert Jahren Gustav Freytag und dann Karl Kraus diesen Zweig menschlichen Tuns abwertend „Journaille“.

  40. @56/Jeeves
    Naja, mein Einwand bezog sich auf die Aussage, man könne mit qualitativ gutem Journalismus online kein Geld verdienen. Wenn das stimmt frage ich mich, warum es überhaupt Online-Portale gibt. Bzw. ob sie nur zur Revierabsteckung dienen, also im Moment eine Spielwiese sind. Schlechte Onlinepräsentationen (ich sag mal süddeutsche.de) haben imagemässig offensichtlich keinerlei Auswirkungen auf das Printprodukt. Mich würde interessieren, woran das liegt.

  41. @55 # Ste

    In den USA war das, wie ich gerade erfahren habe, schon früher einmal so. Von einer in den Boden eingelassenen Hinweistafel in Williamsburg / Virginia möchte ich darum folgendes online übermitteln (Ich hätte gern ein Foto eingefügt, hat leider nicht geklappt).

    Auf der Tafel steht nämlich:

    1790s
    From this date your latest news is more than one week old

  42. @57/ Gregor Keuschnig
    Naja, mein Einwand bezog sich auf die Aussage, man könne mit qualitativ gutem Journalismus online kein Geld verdienen.
    So habe ich das nicht ganz gemeint. Ich frage mich vielmehr, wie Zeitungsverlage ihre/n Online-Ableger finanzieren wollen, wenn sie offenbar schon Schwierigkeiten haben, ihre Print-Journalisten zu bezahlen.
    Ich glaube nicht, dass Online-Journalismus freiwillig so schlecht ist, wie er es eben häufig ist. Ich glaube, dass die Qualitätsmängel auf die klamme Finanzlage der entsprechenden Verlage zurückzuführen ist. Praktikanten sind halt billiger als gute Journalisten. Vielleicht irre ich mich aber auch, wie z.B. der interessante Kommentar 53 nahelegt.

  43. Das ist ein extrem guter Blog-Artikel, vielleicht der beste, den ich bisher gelesen habe. Man möchte sich direkt einen Screenshot oder wenigstens ein Wong-Lesezeichen machen…
    (Auch wenn der Tonfall ein wenig an „Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedralen leben..“ aus dem „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier erinnert, ein Buch, das ich nun wieder gar nicht mag)

    Der Grund, warum Zeitungen und Bücher so schnell nicht aussterben ist der gleiche wie der, warum wir nicht bereit sind, alte Häuser abzureißen oder mal eben einen Hochhausturm vor den Kölner Dom zu setzen. Wir brauchen Kontinuität und Materialität, weil wir das unbestimmte Gefühl haben, dass sie uns stabilisiert. Wir müssen Dinge auch anfassen können, nur sehen oder hören, was im nächsten Moment schon weg ist, macht uns Angst.

  44. Ein aktueller Hinweis zum Thema: Die Print-Ausgabe der New York Times wurde heute zielgerichtet parodiert. Auch diese Aktion zeigt, dass die alte Machart mit bedrucktem Papier noch nicht ihren Stellenwert verloren hat. Mit einer Webseite von ähnlichem Zuschnitt wäre der Attacke auf die Glaubwürdigkeit der Zeitung nur halb so spektakulär ausgefallen. Siehe auch: http://american-arena.blogspot.com/2008/11/ein-witz-auf-kosten-der-new-york-times.html

  45. Welchen Schluss ziehen wir also daraus? Blogs müssen qualitativ so hochwertig werden, dass sie auch inhaltlich mit offline-Medien mithalten können. Dann haben wir das beste aus beiden Welten kombiniert. Wenn man dann noch für eine Archivierung der relevanten Blogs sorgt (wie es die Nationalbibliothek ja, trotz aller Vorschusskritik von paranoiden Bloggern, tun will), dann ist alles gut :)

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