Der „Economist“ empfiehlt Obama

Das ist sicher eine der unwichtigeren Wahlempfehlungen für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten, aber trotzdem schön zu lesen: Die kluge, konservative Wirtschaftszeitschrift aus Großbritannien für die Welt stimmt für Obama.

There is no getting around the fact that Mr Obama’s résumé is thin for the world’s biggest job. But the exceptionally assured way in which he has run his campaign is a considerable comfort. It is not just that he has more than held his own against Mr McCain in the debates. A man who started with no money and few supporters has out-thought, out-organised and outfought the two mightiest machines in American politics—the Clintons and the conservative right.

In den Vereinigten Staaten haben sich aktuell 234 amerikanische Zeitungen für Obama ausgesprochen, 105 für McCain. Vor vier Jahren stand es zwischen John Kerry und George W. Bush ungefähr unentschieden. Mindestens 47 Zeitungen, die damals für Bush waren, haben sich jetzt für Obama ausgesprochen; eine umgekehrte Bewegung zu McCain gab es nur in vier Fällen.

Die Empfehlungen von Zeitungen sind laut einer Studie des National Bureau of Economic Research nicht völlig wirkungslos. Einen Einfluss haben sie aber vor allem dann, wenn sie angesichts der Linie der Zeitung von den Lesern als überraschend wahrgenommen werden.

49 Replies to “Der „Economist“ empfiehlt Obama”

  1. Vielleicht unwichtig – Aber der Economist ist nicht konservativ, sondern eher liberal. „die Homosexuellenehe, der Subventionsabbau, die Legalisierung der Prostitution, die Freigabe weicher Drogen (etwa Marijuana) sowie eine liberale Einwanderungspolitik“; das hört sind nicht unbedingt konservativ an. (Quelle: Wikipedia. Achja, und ich lese ihn auch.)

  2. ist vielleicht eine naive frage: wieso ist es in deutschland nicht üblich, daß zeitungen rechtzeitig zu einer bundestagswahl eine wahlempfehlung abzugeben?

  3. wäre doch mal eine gute möglichkeit der presse sich mit dem wahlprogramm der parteien ernsthaft auseinanderzusetzen

  4. Ich würde „konservativ-liberal“ sagen, oder liberalkonservativ oder ähnlich. Wohlgemerkt nicht amerikanisch „liberal“ sondern deutsch „liberal“ (was amerikanisch etwa „centrist“ wäre).

    Der Artikel erwähnt etwas recht Bemerkenswertes, was durchaus gerne übersehen wird: „If only the real John McCain had been running“.
    McCains Wahlkampf hat deutlich unter vielen unglücklichen Entscheidungen gelitten (die offensichtlichste heisst „Palin“ mit Nachnamen), ebenso wie unter der Notwendigkeit, sich kontrastreich von Obama abgrenzen zu müssen und viele wählerstimmgewaltige Grüppchen des konservativen Lagers unter einen Hut zu bringen. Es hatte häufig den Anschein, dass das, was er da gerade zu vertreten hatte, nicht unbedingt oder überhaupt nicht seiner eigenen Haltung entsprach, es ihm aber von der Partei und den Kampagnenstrategen aufgedrückt wurde (er war hinter den Kulissen auch mit der Auswahl von Palin als Vize ganz und garnicht einverstanden). Dass sich sowas negativ auf den Ausdruck seiner Glaubwürdigkeit auswirkt und intern für kontraproduktive Differenzen und Spannungen sorgt dürfte klar sein. Ich wundere mich schon eine ganze Weile, wie und warum angesichts der Unzahl von Blödsinnigkeiten in diesem republikanischen Wahlkampf (nicht nur aber auch und vor allem mit, um und von Palin) Obamas Umfragevorsprung „nur“ in diesem 5-15 Punkte-Bereich liegt. Er ist halt schwarz und heisst „Hussein“…

  5. @fabian:
    Ich denke mal, es ist für eine Zeitung einfacher, sich für einen von 2 Kandidaten, die recht unabhängig von ihrer Partei sind, auszusprechen, als für eine Partei, die anschließend wohlmöglich noch einen Koalitionspartner braucht.
    Im übrigen widerspricht eine Wahlempfehlung einer kompletten Zeitung meinem Empfinden nach ein wenig der – idealtypischen – redaktionsinternen Meinungsvielfalt. Mag aber auch daran liegen, dass ich im hiesigen Mediensystem aufgewachsen bin.
    Man kann es natürlich auch pessimistischer sehen: Die überraschenden (und damit wirkungsvollen) würden durch die angesprochene „subtile“ Parteilichkeit der Medien eh ausbleiben.
    Obwohl… http://www.bildblog.de/search/steinmeier/

  6. @fabian: sehe ich genau so; in Deutschland sind die Lager mehr oder weniger bekannt –
    eigentlich sind die ‚endorsements‘ transparenter als die ’subtile Parteilichkeit‘ um die Worte meines Vorschreibers zu bemühen…

  7. Vielleicht unwichtiger im Vergleich zu den grossen Amerikanischen Zeitungen, aber ich glaube schon recht einflussreich auch in den USA. Immerhin werden 80% der weltweiten 1.3m Auflage ausserhalb des UK verkauft. Davon 750k in Nordamerika, wovon der Loewenanteil auf die USA entfallen duerfte (gerade gefunden, 680k). Ein Grossteil dieser Leser duerfte eher in „einflussreichen“ Positionen sitzen und vermutlich auch eher um Rat gefragt werden oder Vorbildfunktion haben.

    Und konservativ? Ich weiss nicht. Wirtschaftsfreundlich ja, aber konservativ? Soweit ich mich entsinnen kann hat sich der Economist bei den letzten 2-3 Wahlen immer fuer Blair und Labour entschieden. Zugestanden, einige behaupten Blair waere nur ein als Labour verkleideter Tory gewesen, aber immerhin. Bei der naechsten Wahl vermute ich allerdings doch eher Cameron, es sein denn Brown schafft noch irgendein Wunder.

  8. @ fabian: Deutsche Zeitungen machen das nicht (zumindest nicht kollektiv), weil sie Angst vor Niggemeier haben. Leuchtet doch ein, oder?

  9. Ich sehe das ein bisschen wie FabianP. Die Frage, die ich mir schon lange, eigentlich immer, wenn ich wieder von einer Wahlkampfempfehlung einer amerikanischen Zeitung lese, ist: warum wird das als selbsverständlich hingenommen? Natürlich hat jeder Redakteur das Recht, in einem subjektiven Beitrag, sprich einem Kommentar, seine eigene Meinung kund zu tun. Wäre ja schlimm, wenn nicht. Aber die Empfehlung einer Zeitung (weiß eigentlich jemand, wie genau die zustande kommt? Also entscheidet da der Chefredakteur oder ist das Zufall, wer gerade mit dem Artikel beuaftragt ist oder wird da intern abgestimmt? Und was denken die Mitglieder der Redaktion, deren Meinung dann nicht als „Empfehlung der Zeitung“ seinen Weg in die Öffentlichkeit findet?) widerspricht irgendwie meiner Auffassung einer objektiven Presse. Mag sein, dass ich da konservativ bin, aber das will mir nicht gefallen. Hieß es nicht mal, ein Journalist hat sich mit keiner Sache gemein zu machen? Inwiefern geht das obejktive Berichterstatten mit einer so deutlichen Parteinahme zusammen?
    Falls da jemand mehr Einblick hat – für Informationen bin ich immer dankbar. Oder für Erklärungen.

  10. @Jonas Schaible: Es gab ja schon Versuche, diesen Brauch auch hier einzuführen. Übrigens findet man hier auch einen Hinweis darauf, wie solch eine Entscheidung zustande kommt:

    Die Chefredaktion der „FTD“ hatte der Redaktion zwar von vornherein klargemacht, dass der Wahlempfehlung kein basisdemokratisches Verfahren vorausgehen würde. „In der Regel werden Entscheidungen einvernehmlich gefällt. Hier muss jedoch die Chefredaktion entscheiden“, hatte Chefredakteur Christoph Keese erklärt.

    Es hängt sicher von den Arbeitsweisen der jeweiligen Redaktion ab, ob diskutiert und abgestimmt wird oder ob der Chef entscheidet. Unternehmenskulturen und somit Entscheidungsprozesse sind sehr vielfältig, und ich vermute mal stark, dass das auch hierfür gilt.

    Ob diese Praxis dem Objektivitätsgebot widerspricht? Na ja, snafu hat da in Nr. 5 m.E. schon etwas Wichtiges angesprochen – es ist doch meist eh ein offenes Geheimnis, mit wem ein Blatt sympathisiert. Ich bin sogar gerade beim Nachgoogeln zum ersten Mal auf den Begriff „implizite Wahlempfehlung“ gestoßen. Solche seien „üblich“, heißt es dort. Man könnte also auch sagen, dass eine explizite Empfehlung eher der Transparenz dient, also aufklärerisch wirkt, wenn tendenziöse Berichterstattung ohnehin die Regel ist.

  11. @2/fabian
    In der Ausgabe 40/1998 gab es auf der ersten Seite der „Zeit“ einen Artikel des damaligen Chefredakteurs Roger de Weck mit dem Titel „Zeit für den Wechsel“. Obwohl es im Untertitel hiess „Schwarz-Rot oder Rot-Grün – jede Koalition ist besser als die jetzige“ konnte man eine kaum verbrämte „Wahlempfehlung“ für Tot-Grün herauslesen (es ging um die Ablösung von Kohl). Das gab damals mächtig Ärger auf der Leserbriefseite.

    Vermutlich um das angeschlagene Image ein bisschen zu korrigieren, hiess die Titelseitenschlagzeile übrigens in Nr. 44 „Hasenfüße am Werk“ und in Nr. 47 „Der Fehlstart“.

  12. @14/Sebastian:
    Danke für den Link und die Infos.
    Dass Zeitungen auch so gewissen Parteien, zumindest aber politischen Gesinnungen, näher stehen, ist ja bekannt. Das ist, bei aller Objektivität, auch nicht zu verhindern – hängt dann aber in letzter Instanz auch oft vom jeweiligen Redakteur ab, und das nicht nur in Kommentaren, sondern auch in Berichten. Hier besteht in meinen Augen aber noch einmal ein Unterschied zu einer konkreten Wahlempfehlung. Natürlich kann man es so sehen, dass damit eine ohnehin erkennbare Sympathie in Worte gepackt und damit Transparenz geschaffen wird – aber stellt man den Zeitungen damit nicht einen Persilschein aus? Wenn man schon hinnimmt, dass die Zeitungen öffentlich Partei nehmen, kann man dann noch wirklich erwarten, dass sie im Rest des Jahres neutral berichten oder akzeptiert man damit dann nicht auch, dass immer tenedenziös gearbeitet wird? Klar, auch so düfte das oftmals der Fall sein, aber ich denke, dass die Redaktionen im hiesigen Modell noch eher in der Pflicht stehen, eine möglichst ausgewogene Berichterstattung zu bieten.

    Was denken denn die hier leseneden und kommentierendne Journalisten? Herr Niggemeier, Herr Weinreich (und andere?)?

  13. Der Economist hat mal einen sehr gute (vernichtende) Titelstory über Berlusconi gebracht. Seit der Zeit kauf‘ ich ihn ab und zu. Obwohl mich eher Kultur als die Economy interessiert.

  14. Was denken denn die hier lesenden und kommentierenden Journalisten? Herr Niggemeier, Herr Weinreich (und andere?)?

    siehe z.B. # 12

  15. @16/Jonas Schaible
    Eine Erklärung könnte sein, dass in den USA eine Wahlempfehlung für eine Person (den Kandidaten zur Präsidentschaft) ausgesprochen wird – nicht unbedingt für eine Partei. In Deutschland beispielsweise kann der Bundeskanzler nicht direkt gewählt werden, wir haben kein Präsidialsystem (was ich für ein Glück halte). Wenn man sich in den USA für einen Kandidaten ausspricht, bedeutet das nicht automatisch, dass man auf immer und ewig der jeweiligen Partei des Kandidaten zugeordnet werden kann. Diese weltanschaulichen Differenzen zwischen den Parteien gibt es in den USA weit weniger. Die Unterschiede sind letztlich nicht so gross, wie sie in einzelnen Themen scheinen. Am Beispiel der Waffengesetzgebung und der Todesstrafe kann man das sehr gut sehen: Ein Demokrat, der nicht mit fünf Wahlmännern dastehen will, kann es sich schlichtweg nicht erlauben, diesen „Konsens“ zu verlassen.

    Letztlich zeigt auch die verlinkte Liste, dass etliche Zeitungen, die weiland Bush unterstützten auf Obama umgeschwenkt sind. Das bedeutet nicht zwingend, dass sie beim nächsten Mal auch wieder einen Demokraten unterstützen.

  16. @13/16/Jonas Schaible

    Ich denke, ich weiß gar nicht, was eine „ausgewogene Berichterstattung“ ist bzw. sein soll. Ich habe sicher eine Ahnung davon, das muss reichen, genauer will ich es gar nicht wissen. Denn nach meiner Erfahrung im praktischen Journalismus führt eine „ausgewogene Berichterstattung“ oder „objektive Presse“, wie Du sagst, jedenfalls das, was in Deutschland darunter verstanden wird, konsequenter Weise ins Nichts. Zumal: in der Praxis erweist sich die so genannte ausgewogene Berichterstattung doch immer wieder als Berichterstattung, wie sie sich die Spin Doctors und/oder die Objekte der Berichterstattung vorstellen. Ich glaube nicht, dass jemand, der seine Aufgabe auch darin sieht, Transparenz herzustellen und Zusammenhänge darzulegen, gleichzeitig hundertprozentig dem verlogenen Unfug einer „ausgewogenen Berichterstattung“ gerecht werden kann.

    Insofern ist es mir lieber, jemand seziert Schein und Sein derjenigen, die sich zur Wahl stellen, und kommt dann zu einem fundierten Urteil. Ob man das nur Leitartikel oder schon Wahlempfehlung nennt, ist mir relativ schnurz. Ich nehme ich eh nicht für bare Münze, sondern bestenfalls als Angebot.

    Vom Gastgeber hier erwarte ich allerdings grundsätzlich fundiertere Argumentationen, wenn er mich nun schon ständig mit seiner Obama-Präferenz beglückt und mal flink behauptet, es sei gerade die Mutter aller Wahlwerbespots auf den Markt gekommen. (Mir haben die Spielberg-Clips „Don’t vote!“ viel besser gefallen, auch wenn ich da gerade Äpfel mit Birnen vergleiche.) Außerdem glaube ich wirklich, Stefan hätte ganz schön losgeledert, hätte ein deutsches Medium seine Empfehlung abgegeben.

    Ich bin im übrigen ganz bei #10/vera, die sagt, dass die endorsments viel transparenter als die „subtile Parteilichkeit“ deutscher Medien ist. Ich würde letzteres nur anders nennen: Verlogenheit, Verkommenheit. Jeder kennt doch die Geschichten, wie journalistische Top-Positionen hierzulande nach Parteibuch bzw. wenigstens parteipolitischer Präferenz vergeben werden.

    Danke noch an #14/Sebastian für den FTD-Verweis. Ich hatte auch so etwas in Erinnerung, war nur zu faul zum Suchen :)

  17. Wieder ist eine US Bank pleite
    Mit der Freedom Bank ist das 17. US-Finanzinstitut im diesen Jahr pleitegegangen. Die regionale Bank wurde am Freitag von den Aufsichtsbehörden geschlossen, wie der staatliche Einlagensicherungsfonds der US-Banken (FDIC) mitteilte.

    Dieses mal könnte man bei der US-Wahl eher von der Wahl des „Konkursverwalters“ sprechen. Von 1.10.2008 bis 30.09.2009 ist die Staatsverschuldung der USA um gewaltige 300 Milliarden $ regerecht explodiert. Am 16. Oktober 2008 waren die USA bei sage und schreibe – 10.331.139.000.000 $

  18. Sorry, Herr Niggemeier, aber der Economist ist nicht konservativ, sondern liberal – und zwar in jeder Hinsicht, wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch.

    In Wahrheit ist die Zeitschrift neoliberal im eigentlichen Sinne (nicht zu verwechseln mit dem polemischen Kampfbegriff, mit dem die internationalen Sozialisten die Witwen und Waisen schrecken wollen).

    Dass Sie ihn für konservativ halten, zeigt entweder, dass Sie ihn nicht lesen, oder Ihre eigene politische Schlagseite.

  19. Ich lese den „Economist“, nicht regelmäßig, aber mit Begeisterung, weil er so klug ist und dabei so unterhaltsam (eigentlich wollte ich „witzig“ schreiben, aber das Wort hätte man mir auch wieder um die Ohren gehauen). Ich kenne keine andere Publikation, die es auf vergleichbare Weise schafft, mir in relativ kurzen Artikeln vorher völlig unbekannte Vorgänge in fernen Ländern nahezubringen. Ich mag den Stil, die Haltung, die Intelligenz — auch dann, wenn ich anderer Meinung bin.

    (Sehr schön ist übrigens auch die widerwillige Wahlempfehlung des „Economist“ für John Kerry vor vier Jahren: „The incompetent or the incoherent?“)

    Ich habe den „Economist“ „konservativ“ genannt, weil er (laienhaft ausgedrückt) sicher in wirtschaftlichen Fragen das Gegenteil von „links“ ist. Weil Andrew Sullivan, wo ich zuerst von dem Endorsement las, ihn „conservative“ nannte. Weil „liberal“ im amerikanischen Zusammenhang missverständlich ist. Und, zugegeben, weil es natürlich der größere Kontrast ist zu einer Wahlempfehlung für Obama. Vermutlich war all das Quatsch.

    (Manchmal bin ich erstaunt, wie sehr jedes einzelne Wort von mir hier auf die Goldwaage gelegt. Andererseits bin ich daran vermutlich selber schuld.)

  20. @Jens Weinreich, #21

    Hm. Grundsätzlich würde mich schon interessieren, warum eine ausgewogene Berichterstattung „konsequenter Weise ins Nichts“ führt, warum der Versuch, ausgewogen zu berichten, immer darin enden soll, dass die Zeitung den „Objekte[n] der Berichterstattung“ nach dem Mund redet bzw. warum eine ausgewogene Berichterstattung per se „verlogene[r] Unfug“ ist.
    Auch ich erwarte, dass man, wie Sie schreiben, „Sein und Schein“ seziert – aber das eine schließt doch das andere nicht aus. Wieso sollte man nicht Transparenz schaffen, die Dinge kritisch betrachten und trotzdem möglichst wenig tendenziös berichten können? „Ausgewogen“ heißt ja nach meinem Verständnis nicht, dass man sich nie wertend, kritisch oder lobend äußert und immer beide Seiten gleichermaßen darstellt, sondern, dass man prinzipiell einmal unvoreingenommen ist. Das kann ich aber doch bei einer Zeitung, die so klar Position bezieht, nicht mehr erwarten.
    Oh und inwiefern rechtfertigt zu kritisierende (Partei-)Vetternwirtschaft und versteckte Wahlwerbung in deutschen Zeitungen das konkrete Parteiergreifen in den USA? Ich finde beides verwerflich und/oder unangebracht. Aber vielleicht bin ich da auch wirklich zu idealistisch und naiv.
    Ohne Frage haben Sie, im Gegensatz zu mir, wirklich Einblick in die Arbeit einer Redaktion und können das daher sicher auch besser einschätzen, aber so als Nicht-Involvierter wüsste ich trotzdem gerne, warum Sie die Dinge so sehen, wie Sie sie sehen. So wirklich nachvollziehen oder gar teilen kann ich Ihre Position da nämlich nicht. Helfen Sie mir auf die Sprünge.
    Übrigens sehe ich persönlich durchaus einen Unterschied zwischen Leitartikel und konkreter Wahlempfehlung. Aber gut, jedem das Seine.

    An dieser Stelle @Gregor Keuschnig, #20: Der Unterschied zwischen der eher personenfixierten Präsidialdemokratie und der parlamentarischen Demokratie hierzulande ist sicher ein Punkt, gerade, weil wir in Deutschland ja eine größere Vielfalt an einigermaßen einflussreichen Parteien haben als in den USA – und trotzdem. So groß ist dieser Unterschied auch wieder nicht und auch eine Wahlempfehlung für eine Partei hier würde doch nicht bedeuten, dass die Zeitung auf immer und ewig diese Linie fahren muss. Ebensowenig wie die Zeitungen in den USA bei jeder Wahl zwingend den Demokraten oder Republikaner unterstützen [Gibt es eigentlich nennenswerte Zeitungen, die sich für einen der anderen, unbekannteren Bewerber aussprechen?] Aber am Rande bemerkt: es geht mir auch nicht darum, warum deutsche Zeitungen das nicht machen – das finde ich gut – sondern eher, warum es in den USA gang und gäbe ist. Und das ist dadurch nicht wirklich erklärt.

    P.S: Die „Don’t vote“-Videos sind wirklich klasse – danke für den Link!

  21. Das ist so langweilig, was ihr diskutiert. Ich schliesse mich dem ‚Economist‘ an: Barack Obama! Vote!

  22. Es ist nicht nur, daß er mehr getan hat als, sondern auch, daß er nie „nicht nur“ und „mehr … als“ in einen Satz gesteckt haette und hat, wenn es sich auf ein und die selbe Sache bezog.

  23. überrascht sind also die leser einer konservativen, entschuldigung: rechten zeitung dann, wenn sie obama empfiehlt. oder wenn die nyt mccain gut finden würde. die frage ist nur, was diese leser dann daraus machen. wahrscheinlich wählen wie immer, leserbriefe schreiben oder das abo kündigen. das ist dann schon weniger überraschend …

  24. @Stefan 24.

    Es ist schon richtig, dass der Economist das Gegenteil von links ist, wenn man darunter sozialistisch versteht. Aber das Gegenteil von sozialistisch ist nicht konservativ, sondern liberal. Gerade in Europa sind konservative Parteien sehr etatistisch geprägt und so gut wie nie (neo-)liberal.

    Daher darf es auch nicht verwundern, wenn sich der Economist in den USA für den „linkeren“ Kandidaten ausspricht, in Europa aber tendenziell für die „rechteren“. Aber sich zB auch deutlich gegen jemanden wie Berlusconi stellt.
    Das erscheint mir alles konsistent.

    Ich hatte den Economist eine Zeit lang abonniert, aber man liest sich relativ schnell satt und jetzt kaufe ich ihn nur ab und zu.

    (Dass jedes Ihrer Worte auf die Goldwaage gelegt würde, ist mir zwar noch nicht aufgefallen – eher noch, dass selbst die flauesten Witzchen einer durchzechten Nacht von den Fans als größte humoristische Leistung des Abendlandes bejubelt werden – aber wer selbst penibelst selbst die kleinsten Rechtschreibfehlerchen bei anderen dokumentiert, sollte da nicht empfindlich sein.
    Nix für ungut, ich lese hier ja trotzdem immer wieder gerne.)

  25. Hm, das mit dem „liberal“ und dem Economist trifft es eigentlich schon ganz gut. Zumindest sieht er sich selbst so. Der Economist beschwerte sich auch vor einiger Zeit in einem seiner Leader, dass es in den USA ja für wirklich liberale unmöglich sei, eine der beiden (relevanten) Parteien zu wählen. Das ging in etwa so: „It is impossible to elect a party that keeps the government out of the board room and out of the bed room“, wo der Economist sie auch nicht haben will. Und den Menschen größtmögliche Freiheit in privaten (Abtreibung, sexuelle Orientierun) und wirtschaftlichen Dingen zu lassen ist doch wirklich „liberal“, wenn auch nicht „libertarian“.

    Ganz andere Frage: Wo guckt man denn morgen Nacht am besten Fernsehen. Nen amerikanischen Sender einschalten oder ist auf irgendeinem deutschen sinnvolles Programm zu erwarten?

  26. Für mich ist eigentlich noch wichtiger, wann soll ich schauen. Entweder nehme ich mir morgen einen halben Tag frei und schaue bis kurz nach 3Uhr oder ich gehe heute sehr früh ins Bett und schaue dann ab kurz nach 4Uhr. Dann kann es aber passieren, dass OH, PA, FL etc. schon zu Obamas gunsten ausgegangen sind bzw. prognostiziert werden und alles schon so gut wie gelaufen ist. Bei mir geht aber leider nur entweder oder. Was würdet ihr machen?

  27. Natürlich wirkt eine Empfehlung nur, wenn sie überraschend ist. Eine nicht überraschende Empfehlung ist ja eine, die schon vorher implizit in der Tradition der Berichterstattung steckte.

    Die Wirkung kann aber verstärkend oder schwächend sein. Wenn die FAZ empfehlen würde, bei der nächsten hessischen Landtagswahl Ypsilanti zu wählen, gäb es drei Möglichkeiten:

    1. Der Empfehlung folgen, weil ich an das Urteilsvermögen der FAZ-Macher glaube.
    2. Auf keinen Fall folgen, weil die FAZ immer für die Konservativen ist und somit also die Frau Ypsilanti eine verkappte Konservative sein müsste.
    3. FAZ abbestellen (das wäre dann meine Wahl).

  28. Mal ganz anders gefragt (re 33-35), wozu ueberhaupt aufbleiben und/oder sich die Nacht um die Ohren zu schlagen um das Ergebnis „live“ mitzubekommen? Welchen Vorteil hat dies ein paar Stunden frueher zu wissen? Reicht es nicht im Laufe des Mittwoch ein bisschen die Nachrichten zu verfolgen?

    Mittwoch morgens das Radio anmachen und man weiss Bescheid wer gewonnen hat. Also mir ist das genug.

  29. @Armin Weil es ein interessanter Liveevent ist. Bei den letzten Wahlen gab es bspw. immer interessante Wendungen, wo es sich lohnte diese live ferngeschaut zu haben. Es ist ja auch weniger aufregend ein ganzes Fussballspiel anzuschauen, wenn man das Ergebnis schon kennt

  30. @40: Es ist ein wei verbreitetes Missverständnis, dass es am Wahlabend noch Wendungen gibt. Das Spiel ist vorbei, wenn die Wahllokale schließen. Die Medien bereiten uns das ganze nur so auf, als ob die Nachrichten nach Ende des Spieles jedes Tor einzeln ansagen würden.

  31. Mich würde interessieren, wie viele Amerikaner sich wegen einer Wahl in Europa die Nacht um die Ohren schlagen würden.

    Aus meiner Sicht ist die Wahl zwischen weißem Todestrafenbefürworter und schwarzem Todesstrafenbefürworter ohne jede Relevanz. Der eine wirkt etwas charmanter, hat den weniger löchrigen Schafspelz an, und schon quietsch das deutsche Volk vor Vergnügen und sieht über Katzbuckelei vor Waffennarren und fragwürdiger außenpolitischer Sichtweise fähnchenwedelnd hinweg.

  32. @42 aber die Wahllokale schliessen in Amerika nicht zeitgleich. Ausserdem muss man bei knappen Staaten eine breitere Basis für die Hochrechnung haben, um einen Sieger zu bestimmen nachdem man die Fehlerabweichung abgezogen hat. So könnten entweder bereits die ersten Hochrechnungen ein klares Bild zeigen und es würde schnell ein neuer Präsident (von den Medien) „gekürt“ oder es wird so eine Zitterpartie wie 2000 wo die Präsidentenmacher von Fox News aus reiner „Übermüdung“ heraus George Walker Bush Florida zugesprochen haben.

  33. Eine Sache noch zu den Wahlempfehlungen: amerikanische Zeitungen haben eine eigene Editorialredaktion, die getrennt von der Nachrichtenredaktion arbeitet. (Wenn man z.B. ein wenig beim Public Editor der New York Times stöbert, gibt es mehrere Beiträge, in denen das Thema zur Sprache kommt, wie z.B. hier oder hier).

    Korrigiert mich, wenn ich da falsch liege,aber meines Wissens ist das bei deutschen Zeitungen nicht so…

  34. @ Jörg Friedrich, # 42 und Armin, # 37

    Das sehe ich ähnlich wie danbreit (#44). Ich könnte mir bei der hiesigen Bundestagswahl ja auch den Hochrechnungsabend sparen, weil natürlich mit der letzten Stimmabgabe um 17:59:59 das Ergebnis – auch wenn es noch keiner kennen kann – feststeht, und einfach bis zum nächsten Morgen und dem (vorläufigen) amtlichen Endergebnis warten. Mache ich aber nicht. Ich finde es spannend, nach der ersten Prognose zu sehen, wie die Reaktionen sind und wie sich diese (sowohl die Prognosen als auch die Reaktionen) im Laufe des Abends verändern.
    Würde ich bei der US-Wahl rein vom Interesse her auch gerne machen, aber… die von danbreit (#35) genannten Möglichkeiten kommen beide nicht für mich in Frage: lange wach bleiben und morgen den halben Tag freinehmen kann ich nicht, und früh ins Bett will ich nicht: Da ist mir das Werder-Spiel dann doch wichtiger! So, und jetzt ab in die Kneipe…

  35. @43: Wirklich unangenehm bis höchst verwunderlich diese Parteilichkeit in den deutschen Medien. Die große FAZ am So., die ja ach so seriös informiert, titelt doch in ihrer Ausgabe vom 2.11. im Kulturteil (des Herrn Niggemeier):
    „Worst case scenario“ – Was würden Sie tun, wenn McCain die Wahl gewinnt !
    Gratulation zu dieser distanzierten, objektiven und kritsichen Würdigung des amerikanischen Wahlkampfes.

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