Die Frau, die nicht Frau von der Leyen ist

In ein paar Stunden wird Frank-Walter Steinmeier sein Wahlkampfteam vorstellen, und die Frau, die für die Familienpolitik zuständig sein soll, wird aller Voraussicht nach Manuela Schwesig heißen.

Manuela Schwesig ist seit vergangenem Oktober Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, und ihr größter Vor- und Nachteil ist, dass sie noch kein Mensch kennt. (Vielleicht ist das in Wahrheit auch nur ihr zweitgrößter Vor- und Nachteil, und ihr tatsächlicher größter Vor- und Nachteil ist, dass sie so gut aussieht, aber das ist jetzt gar nicht das Thema*.)

Um den Menschen eine solche Unbekannte vorzustellen, oder genauer: anstatt den Menschen eine solche Unbekannte vorzustellen, bekommt sie von den Medien sogleich ein Label oder eine Schublade, und der „Spiegel“, der Frau Schwesig passend zu ihrer Bundes-Premiere in dieser Woche einen Tag lang begleiten durfte, hatte gleich eine naheliegende Kurzformel gefunden und sie direkt in die Überschrift geschrieben: „Die Anti-von-der-Leyen.“ Inhaltlich belegt der Artikel die Behauptung, die darin steckt, zwar nicht so recht. Eigentlich besteht der politische Gegenentwurf im „Spiegel“ nur aus einem Satz: „Dass [Schwesig] aber das Gefühl habe, bei all dem Geburtenratensteigern gerate anderes aus dem Blick: die Kinderarmut, die Probleme Alleinerziehender, die mangelnde Bildung schon bei den Jüngsten.“

Aber es gibt ja eine viel offenkundigere und eingängigere Art des Anti-von-Leyenismus: die Biographie. Der „Spiegel“ schreibt:

Schwesig ist für Ursula von der Leyen eine durchaus ernstzunehmende Gegnerin, sie ist ihr erster leibhaftiger Gegenentwurf. 35 Jahre alt, ostdeutsch, ein Kind, sozialdemokratisch. Von der Leyen ist 50 Jahre alt, westdeutsch, sieben Kinder, konservativ.

Ihr erster leibhaftiger Gegenentwurf? Nun gut. Das erschien am Montag.

Am Dienstag berichtete das „Hamburger Abendblatt“ über das Schattenkabinett Steinmeiers und das „Engagement“ der „bis dato weithin unbekannten 35-jährigen Manuela Schwesig“ — einer Frau, von deren Existenz der Autor vermutlich auch erst durch den „Spiegel“ erfahren hat:

Die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern soll das Gegenmodell zur beliebten CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen geben. Lange hatte die Parteiführung nach einer geeigneten Kandidatin für diesen Job gesucht. Schwesig ist alleinerziehende Mutter eines zweijährigen Sohnes, sie steht anders als von der Leyen nicht für eine konservative heile Welt. Ob das reicht, um den in den Umfragen taumelnden Genossen Auftrieb geben zu können, wird aber bezweifelt.

Die Logik ist von erschütternder Schlichtheit: Als sei es etwas Bemerkenswertes, dass nicht schon die bloße Tatsache, dass die Schattensozialministerin „nicht für eine konservative heile Welt“ steht, die SPD aus dem Getto einer 20-Prozent-Partei befreit. Der Text ist auch merkwürdig reaktionär in der Art, wie er schon aus dem Fehlen eines Ehemannes eine nicht-heile Welt im konservativen Sinne konstruiert. (Es sei denn, man geht davon aus, dass außer einem Mann auch noch 1 bis 6 Kinder fehlen.)

Der „Abendblatt“-Text hat aber ein größeres Problem: Es heißt Stefan, ist seit neun Jahren Manuela Schwesigs Mann und wähnte sich bis Dienstag glücklich verheiratet.

Was tat der Autor, nachdem er auf den Fehler hingewiesen wurde? Er ließ das Wort „alleinerziehend“ unauffällig aus der Online-Version seines Textes löschen. Und, immerhin: Die Zeitung druckte am Mittwoch eine Korrektur, in der sie darauf hinwies, dass die Sozialministerin in Wahrheit verheiratet sei.

Ohne dieses, nun ja: Detail wirkt die Argumentation des „Abendblatts“ zwar noch verwegener. Aber das wäre ja nur dann ein Problem, wenn die Argumentation auf den Fakten aufbauen und daraus Schlussfolgerungen ziehen würde — und nicht von der Behauptung des Gegensatzes ausgehen und sich dann entsprechende (Schein-)Belege zurechtsammeln würde.
 

*) „Financial Times Deutschland“: „Die 35-Jährige Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern wird in Schwerin als ‚Deutschlands jüngste und schönste Ministerin‘ gefeiert.“ — dpa: „Jung, Frau, Mutter, Ostdeutsche und dazu noch ausgestattet mit einem gewinnenden Lächeln. Es dürften zunächst wohl diese offenkundigen Eigenschaften gewesen sein, die Manuela Schwesig auf die Liste möglicher Mitglieder im Schattenkabinett von SPD- Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier brachten.“ — „Der Spiegel“: „Es ist ein schwüler Sommertag, sie trägt die blonden Haare offen, sie ist sehr hübsch. Vermutlich spricht sie deswegen besonders ernst und bedacht. Das Schöne und die Politik sind einander häufig feind.“

40 Replies to “Die Frau, die nicht Frau von der Leyen ist”

  1. auch der beste medienblogger verschreibt sich mal: „Der TeXt ist auch merkwürdig reaktionär in der Art…“

    lg, bastian

  2. Ich als einer von vielen leibhaftigen Gegenentwürfen von Frau von der Leyen (und auch von Frau Schwesig) muss eins sagen: Ich ziehe die herbe und strenge Schönheit von Frau von der Leyen vor.

  3. Mal ernsthaft, wen interessiert’s wie die Olle aussieht. Ich will Ministerinnen, die Ihren Job gut machen. Wen ich hübsche Frauen sehen will, gibt es ja genug Internetseiten für alle Farben und Situationen. Dickster Minuspunkt ist wohl die Zugehörigkeit zur Verräterpartei.

  4. What’s your point? Der Spiegel hat recherchiert und ist zu einem Urteil gekommen, dass Dir etwas zu klischeehaft erscheint? Das Abendblatt hat einen Fehler gemacht und korrigiert?

  5. Eigentlich stellt der Blogeintrag hier doch gut dar, was das Problem wirklich ausmacht – es gibt keine Inhalte.
    Da ist es mittlerweile ein Argument, gut aussehend zu sein, aus dem Osten zu kommen oder was weiß ich, 6 Finger zu haben.
    Ich hatte eigentlich immernoch den Idealismus zu glauben, man interessiere sich für Qualifikationen und politische Vorstellungen von Personen. Die Zeiten scheinen aber ja entgültig vorbei zu sein. Bestes Beispiel dafür ist ja Her von und zu (und mir über) Guttenberg. Nichts geleistet – nette gegrinst und schon ist man laut Umfrage der beliebteste und angesehenste Politiker des Landes. Andere die sich täglich, auch auf kleinster Ebene, den Arsch aufeißen – gelinde gesagt und man verzeihe mir diesen Ausdruck – erfahren kenie Beachtung, einfach weil sie in die „Bravo“ oder „Superstar“-Politikschiene nicht mehr passen…

    Alles blöd!

  6. Um mal auf den Nebenaspekt hinter dem Sternchen einzugehen: Ich will hier nicht den wütenden Feministen geben, aber warum können deutsche Journalisten eigentlich nicht über halbwegs gutaussehende Politikerinnen berichten, ohne deren unfassbare Schönheit zum definierende Aspekt ihres Charakters zu überhöhen? Sind die auch alle Gegenentwürfe zu Frau von der Leyen (sprich ledig) und hormonell herausgefordert?

  7. Als ich heute früh den Spiegelartikel gelesen habe, habe ich mich aber auch schwer über den gegen Ende erwähnten Mann gewunderten. Mit nur einer halben Tasse Kaffee und noch etwas Schlaf im Auge las sich die Beschreibung von Frau Gegenentwurf irgendwie so, als wäre sie tatsächlich alleinerziehend. Vielleicht war der/die AutorIn vom Abendblatt auch noch etwas müde – oder Frau Kullmann vom Spiegel hat es da sehr geschickt geschafft, Frau Schweswig neben ostdeutsch, hübsch und nur-ein-Kind auch noch das positive Merkmal einer „gefühlten“ Alleinerziehenden zuzuschreiben.

  8. „Der „Abendblatt”-Text hat aber ein größeres Problem: Es heißt Stefan, ist seit neun Jahren Manuela Schwesigs Mann und wähnte sich bis Dienstag glücklich verheiratet.“

    *lach* Köstlich formuliert! Man stelle sich vor, die Presse würde die Wirklichkeit abbilden…der arme Kerl hätte doch einen Schock fürs Leben bekommen, und fmylife.com wäre um einen Eintrag reicher.

  9. Gegenentwurf? Genau! Die ist doch noch gar nicht am Markt – außer im Testmarkt MV! Der Entwurf geht möglicherweise gar nicht in Serie. Egal, was das Packagedesign angeht, war hier ein ambitionierter Gestalter am Werk. Dennoch, dieser Entwurf wird es, gerade wegen seiner formalen Leichtigkeit, schwer haben. Obwohl der letzte neue Entwurf – der fürs Wirtschaftsministerium – ja genau mit dieser Leichtigkeit punktet, ohne erkennbar bessere Produkteigenschaften aufzuweisen.

  10. Mich irritiert, wie bis dato fast unbekannte Politiker als Shooting Stars von den Parteien aus dem Hut gezaubert werden, ohne wirklich eine entsprechende Leistung erbracht zu haben. Und die Medien üben sich in Hofberichterstattung, die mangels Fakten größtenteils aus Kaffeesatzleserei besteht (wie man hier schön sehen kann). War bei Guttenberg nicht anders, und ist mir erstmals als besonders penetrant aufgefallen, als die FDP Anfang der 90er Klaus Kinkel aus dem Hut zauberte, und der SPIEGEL ihn mit einem geradezu empörend kratzbucklerischen Artikel umgarnte. Man sieht: da geben sich die Parteien alle nix. Die Medien sollten vielleicht statt weichgespülter Porträts mal harte Interviews an den Start schicken.

  11. Aber, aber, Herr Niggemeier,

    was ist denn an derartigen Perlen des Qualitätsjournalismus auszusetzen; Wer sich für solch intensive Recherche-Arbeit nicht begeistert, ist vermutlich dann auch nicht bereit, seine Flatfee auf Rechner, Drucker und sonstige Lesegeräte zu zahlen, wie!? (Wann schlägt Burda eigentlich endlich die Zwangsabgabe auf Brillen vor?)
    .
    Ähem, mich würde ja interessieren:
    Was war zuerst da? Die Idee des Spiegel eine Landesministerin zu porträtieren oder die Ernennung der Dame zum Mitglied im „Kompetenzteam“? Gab es beide Ideen und die haben sich dann gegenseitig befruchtet um eine zufällige zeitliche Koinzidenz herbeizuführen? (Und wenn die Politiker wirtschaftspräch verwenden, wann werden eigentlich die ersten Ministerien offgeshoret, weil die Costcenter Staatssekretäre mit den Profitcentern Parteizentralen nicht mithalten können?)

    Tjaja, Diekmanns Schreihalsblättchen ist wohl nicht die einzige Schrift, die „unabhängig, überparteilich“ eher als Zweitnamen denn als Richtlinie versteht – und der arme Augstein dürfte sich vor lauter im Grabe umdrehen in Dauerrotation längst bis zum Erdkern durchgegraben haben. (Oder sind das vielleicht gar keine Maulwurfshügel sondern…, ach was)

    Danke fürs Finden

  12. @Oliver (3) + Muriel (6)
    Mich nervt das auch unfassbar, dass bei Politikerinnen immer wieder das Aussehen Thema ist. Und inhaltlich muss man halt leider sagen, dass Zensursula, konservativ hin oder her, und so traurig das auch ist, die Speerspitze der Emanzipation in Deutschland darstellt. Während bis Schröder die Familienministerin ja nur für „Gedöns“ zuständig war, hat vdLeyen wenigstens das Problem erkannt (Vereinbarkeit von Familie + Beruf, i.e. Ausbau der Kinderbetreuung) und ordentlich Geld locker gemacht. Wobei es mir lieber gewesen wäre, sie hätte das Schwachsinns-Elterngeld auch in die Kinderbetreuung gesteckt, aber naja.

  13. Also nur um mal bezug auf einen meienr Vorredner zu nehmen…
    Ich glaub in den meisten Familien ist die Frau „gefühlt“ alleinerziehend, weil der Kerl nur noch mehr Dreck macht und ihm jede Arbeit die über „gutschi-gutschi-gu“ hinaus geht eh zu viel is…
    *grml* also nennt die Arme Frau nich nur schön (was in der Politik ja schon fast einem Todesurteil gleichzukommen scheint) sondern meinetwegen auch alleinerziehend, muss ja trotz Ehemann nicht so weit weg vom Schuss sein XD

  14. Bedauerlich, dass die Personalityshow weiter geht.

    Mal ist es Guttenberg, bei dem Adelstitel und Aussehen als bestechenste Merkmale herhalten müssen, nun ist es eine blonde Frau aus dem Osten, als Gegenentwurf für eine blonde Frau aus dem Westen.

    Inhalte, inhaltliche Gegenentwürfe gar? – Ach wo, interessiert kein Schwein, zu anstrengend, zu unsexy, will keiner lesen.

    Scheint ein allgemeiner Trend zu sein, Berlusconi wählt ja schon länger auf der Basis von Modezeitungen potente Mitarbeiterinnen an.

    2018 – Heidi Klum wird Bundeskanzlerin, Günter Jauch wird Innenminister, Barbara Salesch Justizministerin und der Schuldnerberater von RTL kommt zu Ehren als Finanzminister.

    Dann hat man immerhin einen garantierten Unterhaltungswert.

  15. Am bemerkenswertesten am Spiegel-Artikel war allerdings die Fotoauswahl. Frau Schwesig im Sonnenschein inmitten einer Gruppe herumtollender Kinder, gegenüber Frau von der Leyen, in, pardon, es ist so, kämpferischer Hitlerpose. Holzhammermedien.

  16. Das mit der Hitlerpose ging übrigens keinesfalls gegen Frau von der Leyen, wahrscheinlich sagte sie in diesem Augenblick, in dem sie die Fäuste ballte „starke Kinder“ oder etwas ähnlich wünschenswertes.

  17. Im Oktober sah der Spiegel es auch noch irgendwie anders (Vielleicht war da einfach noch kein Foto zur Hand):

    „Sie gilt als politisches Ausnahmetalent, hat parteiintern eine Blitzkarriere hingelegt. Aber noch ist Schwesig zu neu, um sie bereits für Bundesämter ins Gespräch zu bringen.“ — DER SPIEGEL 43/2008 vom 20.10.2008, Seite 56

    Aber hee, immerhin ist Frau Schwesig im Kinderschutzbund aktiv. Nicht auszudenken, wenn sich Zensursula umsonst die ganze Arbeit mit den Netzsperren gemacht hätte …

  18. @jo: Der Kinderschutzbund setzt sich allerdings wirklich auf größtenteils vernünftige Weise für Kinder ein, etwas, wobei man bei der einen oder anderen Organisation mit dem Wort „Kinder“ im Namen da eher seine Zweifel haben darf.

  19. Interessant auch die Berichterstattung über den neuen Mittelstandsbeauftragten Harald Christ im Kompetenzteam von Steinmeier.

    Je nach Zeitung handelt es sich um den Chef einer Gesellschaft in Hamburg zur Schiffsfinanzierung, einen Berliner Banker oder um den Boss einer Treuhandagentur in Frankfurt.

    Scheint ein richtiges Multitalent zu sein.

  20. @22:
    Laut eigener Homepage könnte tatsächlich alles stimmen.
    Er war bei der Bank24 in Frankfurt angestellt, ist jetzt Geschäftsführer der HCI (einer Hamburger Investmentbank) und er hat eine BErliner Adresse angegeben.

  21. @22: Bei der Daily Show war vor kurzem ein Clip mit einer Obama-Kritikerin zu sehen, die angeblich Anwältin, Zahnärztin und Maklerin war. Vielleicht haben ja beide die gleichen Multitasking-Seminare besucht.

  22. @ Limited (22) : Ja, interessanter Typ. Multimillionär aus „eigener Kraft“, Arbeiterkind, offen schwul.

    Mit jungen 27 Jahren wurde er Deutsche-Bank-Direktor, seit 2008 ist er Allein-Aktionär der Christ Capital AG. Und Anfang Juni übernahm er 51% der Reformhauskette Vitalia, deren Filialenzahl er ausbauen will. Vor einigen Jahren gründete er die Krämer & Christ GmbH, die einen Teil ihres Gewinns für soziale Belange verwendet. Zudem plant er, eine Stiftung zu gründen, die als Holding und Testamentsstiftung sein Vermögen für Jugend, Kultur und Bildung verwenden will. (von hier: http://bit.ly/kcRZv).

    Dumm für Ihn, dass er in der Verräterpartei und damit unwählbar ist.

  23. Harald Christ ist nur meine persönliche Randnotiz. Ich will das Blog hier damit nicht zuspammen.

    Ich finde diese Personalie nur irgendwie irritierend.

    Drei Fulltimejobs zugleich? Nicht unmöglich, aber doch eher unwahrscheinlich.

    Die Homepage: http://www.haraldchrist.de/ ist allerdings unteridisch und zeugt von wenig Kompetenz.

    Vielleicht ist das ein eingeschlafenes Projekt, aber wenn ich von dieser Visitenkarte im Netz ausgehe, würde ich so jemandem keine Versicherung abkaufen, geschweige denn Konzepte zur Mittelstandsförderung.

  24. Wos, Alta? Sind 72 Jungfraun in Kompetenzteam von Soze? Sind auch dabei Muslima? Oda wälsch doch lieber wieda CDU, weil einssige Religionpartei neben PBC? Weissch noch nich.

  25. …oder „das politische Lied“ der mächtigen Kassierer. Vollständiger Text:
    Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten.
    Wer war mit dabei? Die Grüne Partei.

    hmm, steht in puncto Komplexität und Differenziertheit den oben besprochenen Artikeln eigentlich auch nicht nach.

  26. @29

    Die SPD hat im August 1914 geschlossen für die Kriegskredite gestimmt und außerdem die Revolution von 1918/19 niederschießen lassen. Das sind die historischen Ereignisse, an die ich zuerst denke, wenn jemand die SPD als „Verräterpartei“ tituliert. Von daher finde ich deine Unterstellung äußerst gewagt.

    Vermutlich bezog er sich aber ohnehin auf die jüngste Vergangenheit: Hartz-Gesetze, Afghanistan-Krieg, …

  27. Nachtrag: Der Slogan „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!“ wurde meines Wissens erstmals im Anschluss an die gescheiterte Novemberrevolution 1919 populär.

  28. Als Mitglied in der sogenannten Verräterpartei tangiert es mich wenig, was wer um 1918 herum verbrochen hat.

    Das war ein in einem bestimmten Kontext einzigartiges Ereignis.

    Wer daraus das Substrat Verräter herauspressen möchte, kann dies gerne tun. Ich bin schlimmeres gewohnt.

    Hier geht es doch wohl eher um die Gepflogenheiten medialer Inszenierung.

    Ich bin nun nicht ganz jung, aber auch nicht ganz alt. Kann jemand aus persönlicher Erfahrung sagen, ob diese Stilisierung der Person unter Absehung von Inhalten auch in den 50/60er Jahren schon derart dominierend war?

    Scheidung, verheiratet, jung oder alt wird auch damals eine Rolle gespielt haben, diese Form der Reduzierung auch?

  29. # 35
    In Deutschland wird „historische Verantwortung“ nun einmal groß geschrieben. Und das bedeutet eben auch, dass jeder heutige SPDler die Verantwortung trägt für das, was seine Parteivorfahren getan haben.

    Ich persönlich lehne solche Konzepte ja als absurd ab, aber wer selbst so argumentiert – und das tun meines Wissens alle großen Parteien – der muss sich gefallen lassen, auch sonst nach denselben Maßstäben gemessen zu werden. Ganz oder gar nicht lautet in dem Fall die Devise. Moralische Ideale sind schließlich keine Pantoffeln, die man abtritt, wenn sie unbequem werden.

  30. @ Stefan
    Find‘ ich aber nicht nett, dass du meinen sachdienlichen Hinweis für Bildblog zum Abendblatt-Artikel bei Niggemeier verbrätst… ;-)

  31. @Martin: Oh, ich hatte den sachdienlichen Hinweis gar nicht gesehen. Ich weiß, das klingt jetzt unwahrscheinlich, auch vom zeitlichen Ablauf, und tatsächlich habe ich auch schon BILDblog-Hinweise hier benutzt, wenn es für BILDblog nicht richtig passte, aber in diesem Fall war der Ursprung wirklich ein anderer.

    Wenn ich den Hinweis gelesen hätte, hätte ich vermutlich noch zwei Worte zum politischen Hintergrund von Herrn Kain geschrieben, der mir nicht bekannt war.

    Trotzdem: danke!

  32. Diesmal liegt es aber nicht am fehlenden Kaffee (@ich #8): Heute auf SPON:
    „Und wo war überhaupt Manuela Schwesig? Am Vormittag hatte man nämlich noch sie, die Real-Life-Alleinerziehende und rot gewendete Von-der-Leyen-Variation, bei Illner angekündigt.“
    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,641022,00.html

    Ist Real-Life-Alleinerziehende jetzt der Anglizismus für die „gefühlte Alleinerziehende“ (#14). Oder war der Ehemann und Vater im Spiegelporträt nur „virtuell“, vielleicht so ein kleines Programm für das Iphone? Nur warum zieht man einem Gadget nach – und dann auch noch nach Thüringen?

    Oder hat Christian Buß – der ja eigentlich auch nur über eine Maybritt Illner-Sendung schreibt – das Scheswig-Porträt genauso kaffeefrei gelesen wie ich – und ist auch seitdem nicht mehr richtig wach geworden?

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