Die Gutbürger

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Wolfram Weimers „Focus“ gebärdet sich als einsames Kampfblatt gegen den Mainstream linker Weltenretter. Und läuft orientierungslos jedem Populisten hinterher.

Leidenschaft ist kein schlechter Antrieb für Journalismus. Manchmal jedoch brechen aus einem Artikel unvermittelt Emotionen in einer Weise aus, dass man sich als Leser fühlt wie ein Bewohner Pompejis im Sommer 79.

Beim „Focus“ ist das in dieser Woche wieder passiert. Die Illustrierte hat die „wichtigsten Debatten-Anzettler 2010“ gekürt, darunter Thilo Sarrazin, Hans-Olaf Henkel, der Papst. Dieses Jahr habe den öffentlichen Debatten eine „zumindest punktuelle Berührung mit der Realtät“ beschert, stellt ein ungenannter Autor in einem Begleittextchen fest, und dann kommt’s: „Nach vielen Jahren des wohlfeilen Gutmeinens, Beschwichtigens und Problemezurechtbiegens durch die Vertreter eines linksliberalen, feministischen, sozialstaatsfixierten Multikulti-Wischiwaschi-Mainstreams mag dies ein Fortschritt sein.“

Da hatte sich wohl was aufgestaut.

Sie dürfen das jetzt rauslassen beim „Focus“. Nicht dass er früher der Sympathie für linke Gedanken verdächtig war, nicht einmal in Form einer Servicegeschichte „Die 100 besten Feministen in ihrer Nähe“. Aber seit Wolfram Weimer vor einem halben Jahr die Chefredaktion übernommen hat, ist eine politische Verortung rechts von der Konkurrenz Teil des Versuches, das Blatt wiederzubeleben.

Weimar sagt natürlich nicht „rechts“. In einem Interview mit dem „Medium Magazin“ hat er die „Grundlegitimation“ des „Focus“ beschrieben als seine „Position als bürgerliches Gegenstück zum ‚Spiegel'“. Nun ist es schwer, sich ein treffendes Adjektiv für den heutigen „Spiegel“ vorzustellen, das einen Gegensatz zu „bürgerlich“ bilden würde; allenfalls „wertelos“. Weimar aber sagt, er identifiziere sich mit den „Werten des Kulturkonservatismus in Deutschland, also mit dem Familiären, Heimatliche, der kulturellen Identität bis hin zu religiösen Facetten“.

Das klingt kuschelig vage, und das ist es auch. Die Familie zum Beispiel, hat der „Focus“ festgestellt, feiert gerade „ein wundersames Comeback“. Die Belege dafür sind dünn. Die Vorwerk-Familienstudie, auf die die Autoren sich berufen, sieht jedenfalls nur eine „unverändert hohe Wertschätzung“ von Familie, während der Freundeskreis an Bedeutung gewinnt. Aber es gibt gerade so viele schöne Fotos, die Staatsoberhäupter zu Weihnachten im Kreis ihrer Angehörigen zeigen. Von Angela Merkel gibt es sogar ein zauberhaftes Bild, auf dem sie eine Dose mit roten Kugeln hält. Der „Focus“ hat dazu geschrieben: „Auch Kanzlerin Merkel weiß: Weihnachten braucht Rituale wie die alljährlich glänzenden Kugeln am Christbaum.“

Vielleicht verliert man als bekennender Wertkonservativer ein bisschen das Gefühl für lächerliche Überinterpretationen; vielleicht hat das aber auch nichts mit der politischen Gesinnung zu tun.

In Wahrheit ist diese publizistische Welt gar nicht kuschelig, sondern definiert sich fast ausschließlich aus ihrem Widerspruch zu einem als links wahrgenommenen Mainstream. Der Medientheoretiker Norbert Bolz (auch in der „Focus“-Debatten-Anzettler-Hitliste) stellt klar, dass Patchworkfamilien keine richtigen Familien sind. (Die Kanzlerin ist da wohl eine Ausnahme. Sie brate zu Weihnachten eine Gans, verrät der „Focus“, „natürlich für die ganze Familie“. Wer damit gemeint ist, bleibt offen.)

Bolz behauptet: „Die Sehnsucht gilt der klassischen Familie. Dieses Sehnsuchtsbild darf man sich indes als moderner Mensch nur verdeckt eingestehen.“ Das eigene „fortschrittliche Bewusstsein“ zensiere diese Wünsche; Familie zeige, „dass Menschen eine archaische Erbschaft in sich tragen, die sie immun macht gegen politische Korrektheit.“

Das ist der perfekte Satz: Aggressiv-konservativ, weil er sich gegen die politische Korrektheit richtet, was immer die in diesem Zusammenhang sein mag. Und kuschelig-konservativ, weil wir genetisch immun seien gegen solche linken Gedanken.

Die „bürgerliche“ Publizistik, die der „Focus“ versucht oder auch das geistesverwandte Online-Angebot „The European“, arbeitet sich mit einem erstaunlichen Furor an den Weltverbesserern und Möchtegernweltverbesserern ab. Sie verachtet die engagierten Kämpfer gegen echte oder wahrgenommene Probleme auf der Welt. Sie sieht sich umstellt von Denkverboten und hat daher einen revolutionären Gestus, obwohl sie eigentlich nur möchte, dass alles wieder wird, wie es früher war. Dass nicht alles in Frage gestellt wird. Die gute alte Familie zum Beispiel. Oder auch die Natürlichkeit des Klimawandels. Hat es sowas nicht früher auch immer schon gegeben, und sind die warmen Sommer nicht schön?

Aus dem Dagegensein entsteht eine oft blinde Lust an der Provokation – dafür steht Michael Miersch, der gerade als neuer Wissenschaftschef zum „Focus“ kam. Er schrieb gleich einmal mit typisch filigraner Ironie die „zehn Öko-Gebote“ des „Gutmenschen“ auf, etwa: „Du sollst nicht zweifeln! Die Ökobewegung irrt nie. Wer daran zweifelt, dient den Ungläubigen.“

Manchmal ist es auch nur ein bräsiges Muss-das-denn-sein, wie es Gunnar Schupelius verkörpert, der gerade engagiert wurde, das Berliner „Focus“-Büro zu leiten. Schupelius hat bislang mit großer Treudoofigkeit in der Boulevardzeitung „B.Z.“ versucht, intellektuelle Debatten anzustoßen wie die, warum Autofahrer eigentlich immer die Dummen sind.

Es geht diesen „bürgerlichen“ Publizisten vor allem darum, dass sie Recht haben. Sie kämpfen verbissen Kämpfe, die sie nach eigener Wahrnehmung längst gewonnen haben. Roger Koeppel hat vor kurzem in einem Editorial seiner Schweizer Zeitung „Weltwoche“ gegen „linke Journalisten“ gewettert, die er zu einer Plage hochstilisierte, schlimmer als Hitler und Brustkrebs zusammen. Das Schlimmste an ihnen sei, dass sie nicht nur keine anderen Meinungen respektierten, sondern immer Unrecht hätten: „Sie werden durch die Wirklichkeit ins Unrecht gesetzt.“ Sie blieben ihren falschen Thesen aus Bequemlichkeit treu, „denn natürlich wissen sie: Es ist anstrengender, gegen den Strom zu schwimmen.“

Dass Koeppels „Weltwoche“ und Weimers ungleich harmloserer „Focus“ so uninspiriert und uninspirierend sind, liegt daran, dass sie herausgefunden haben, dass es genau so bequem ist, reflexartig immer gegen den Strom zu schwimmen – oder gegen das, was sie zum Strom erklären. In Wahrheit schwimmen sie natürlich oben auf der Welle, wenn sie etwa hinter Sarrazin hinterherschwappt.

Sie glauben, dass sie für eine schweigende Mehrheit sprechen, wenn die längst laut grölt. Natürlich ist der „Focus“ begeistert von Theodor zu Guttenberg und der Antagonismus, den Weimer beschwört, besteht darin, die allgemeine Begeisterung ins Absurde zu übertreiben. „Er ist wie eine Mischung aus Armani und Konrad Adenauer“, schrieb er über den Verteidigungsminister. „Und im großen Kulturverlust der Formlosigkeit tut es gut, dass er der Sichtbarkeit der Macht auch durch äußere Form ein Stück Würde zurückgibt.“ Natürlich geht es auch um innere Werte, schreibt Weimer, beziehungsweise nicht: „Dabei ist gar nicht so bedeutsam, welche Haltung er gerade hat, sondern dass er eine hat und diese auch offen vertritt.“

Das scheint auch die Strategie zu sein, die der „Focus“ verfolgt. An den Leserzahlen gemessen, ist das Interesse daran eher gering. Dabei war 2010, wie der „Focus“ über seine Zusammenstellung der „wichtigsten Debatten-Anzettler“ schrieb, „ein Jahr der ‚konservativen‘ Themen“. Konservativ in Anführungsstrichen. Wer weiß schon, was das heißt?

36 Replies to “Die Gutbürger”

  1. Ich frage mich immer, wie Leute es mental zusammengeschustert kriegen, einerseits total unkorrekt und unangepasst zu sein, und dabei andererseits eine Meinung zu vertreten, die die überwältigende Mehrheit, geradezu genetisch determiniert, mit ihnen teilt.
    Müsste man sich nicht zumindest für eins entscheiden?

  2. Der Witz an der ganzen Sache ist doch, das die Themen dieser Leute, der ganzen Henkels, Barings, Broders usw., die wahre „Politische Korrektheit“ sind. Mit nichts anderen wird man den ganzen Tag durch und gerade die „Mainstream“-Medien zugeblasen. Bolz beschwert sich über linke Tabus, und ist selbst einer dieser omnipräsenten Talkshow-Professoren.

    Es geht dabei im Grunde nur darum, seine ganzen -mehr gefühlten als gewussten- Ressentiments, Abneigungen, um nicht zu sagen Rassismen in die Welt zu brüllen, und sich dabei noch als Märtyrer zu gerieren.

    Wenn ein Thilo S. die Formulierung „nicht hilfreich“ als mit Scheiterhaufen und Folter gleichwertigen Druck empfindet, dann grenzt das schon an Größenwahn.

    Vielleicht sollten die ganzen Leute keine neue Partei, sondern eine neue Religion gründen, mit St. Thilo als neuen Propheten und seinem Buch als „Neuestes Testament“.

    (Wobei der wichtigste Unterschied zwischen Jesus und Thilus sicher der ist, das der eine einen Kreuzgang machen musste und der andere allein mit Rentenerhöhung sich eine Kreuzfahrt leisten kann.)

  3. Ich danke für diesen Text.
    Sollte beim Frisör doch öfter mal den Focus aufschlagen, der Humor gefällt mir ;)

  4. In diesem sehenswerten Auftritt (drei Jahre alt und heute noch aktueller als Ende 2007) demonstriert Kabarettist Hagen Rether sehr schön die subtile Stimmungmache des „Spiegel“ gegen den Islam. Und war es nicht der „Spiegel“, der (neben der „Bild“) mit seinen auszugsweisen Vorabdrucken aus „Deutschland schafft sich ab“ erst für die beispiellose Aufmerksamkeit auf dieses Buch sorgte?

    Der „Focus“ hat es sich nun also auch offiziell zur Aufgabe gemacht, den „Spiegel“ rechts zu überholen, und ich muss seit längerem anerkennen, dass man diese Herausforderung mit Bravour meistert.

  5. @david:

    Nur so am Rande: Der Focus war schon immer rechts vom Spiegel.
    Das ist quasi seine Existenzberechtigung.

  6. Ja gut. So erfolglos wie der Mann bisher ist – und vermutlich bleiben wird – bleibt er wohl nicht lange beim Focus. Aber eigentlich ist es natürlich auch egal, was aus dem Focus wird.

  7. Fantastisch: „Sie glauben, dass sie für eine schweigende Mehrheit sprechen, wenn die längst laut grölt.“

    Du hast mit allem was Du schreibst Recht, jedoch fürchte ich, dass der Focus nur eine von vielen unsäglichen Printpublikationen darstellt. Ok, in der Hinsicht sind die anderen ein ganzes Stück voraus.

    Nach der (Bundes- und Landes-) Politiker-Verdrossenheit stellt sich bei mir die (vor allem festangstellte Print-) Journalisten-Verdrossenheit ein.

  8. Dass es eine gesellschaftlich gestützte Mehrheit mit einem linkstenorigen Konsens gibt, stelle ich in meinem Arbeitsalltag als Technik- und Motorfahrzeugtester selbst immer wieder fest. Wer aus dieser Richtung keine dummen Sprüche kriegt, kann sich glücklich schätzen.

    Davon unabhängig sind die genannten Protagonisten im Focus auch meiner Meinung nach eine Sammlung von Horsten, die ihre rechte Grundeinstellung mit der von Freidenkern verwechseln. Das ist genauso scheiße. Offenbar schwindet aber eh das Interesse an ihnen, wenn man nach Leserzahlen geht.

    Ich wünsche mir weiterhin (auch in der Presse) eine größere gesellschaftliche Mitte, in der es mehr um Freiheit als um Zwänge geht.

  9. Das passt ja prima, dann setzte ich’s doch noch hierher :

    Es muss wohl einiges drüber und drunter gegangen sein an jenem Sonntag in der Redaktion des „European“, als der Ausschnittdienst meldete, „The European“ sei erwähnt worden, und zwar in dem großen renommierten Haus „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.

    Bevor die aufgestaute Leidenschaft sich auch nur einigermaßen abkühlen konnte, muss jemand so etwas wie eine Erwiderung zusammengekloppt haben (Link in #5, ist schon ok, Sebastian), dann setzte er in hellblau „Florian Guckelsberger“ drüber und fett „Eine Replik von Chefredakteur Alexander Görlach, im Namen der Redaktion“ drunter. So erschien es noch am selben Tag auf den Seiten des „European“. Was immer dies bedeuten mag, für die „Redaktion“ und ihren Chefredakteur, deren Leidenschaftslosigkeit, Diskursivität, „Debatten-Kultur“ und „Debattengleichschaltung“ besagt es wenig Gutes.

    Der erste Satz ging gleich schon mal daneben. Rhythmisch, diskursiv und grammatikalisch. Wie muss Herrn Görlach – denn um ihn handelt es sich – die Hand gezittert haben, als er versuchte, hier auf Ironisch zu lügen und das dann auch noch mit einem Genitiv zu verkoppeln! Das konnte nicht gut gehen. Niggemeier hat nicht „aus seiner Sicht bürgerliche Medien“ verrissen, sondern konservative, rechte wie den „Focus“, die mit „bürgerlichem“ Anstrich daher kommen.

    Der zweite Satz beginnt gleich mit einer Lüge: Herr Niggemeier behauptet nicht, den „European“ als „Debatten-Magazin“ zu sehen, vielmehr bezeichnet er, ganz en passant übrigens, den „European“ als ein dem „Focus“ „geistesverwandtes Online-Angebot“. Zum zweiten Teil des Satzes kann ich wenig sagen, weil ich den „European“ bisher noch nicht kannte. Da ich mir aber nicht vorstellen konnte oder wollte, Herr Niggemeier habe sich einen derartigen Vorwurf aus den Fingern gesaugt und ihn dann von der „FAS“ unwidersprochen ins Blatt heben lassen, und da ich zudem „im nun ausklingenden Jahr“ „Zeit zum Recherchieren“ hatte, habe ich mal ein bisschen recherchiert. Und fand z.B.: theeuropean.de/toni-roiderer/4023-ein-appell-fuer-mehr-lebensqualitaet: ‚Seid’s ihr deppert? Ein Appell für mehr Lebensqualität‘. Der Aufsatz beginnt mit den Worten: „Ich bin über diese neuen Bestrebungen in Richtung eines Alkoholverbots überhaupt nicht verwundert. Diese Besserwisser und diese ganzen Weltverbesserer, die das Rauchverbot in Bayern so vehement vorangetrieben haben, die gehen natürlich jetzt auch auf ein Alkoholverbot. Und als Nächstes fordern sie dann wahrscheinlich ein Lachverbot oder ein Verbot der allgemeinen Fröhlichkeit.“ „Über den Autor“: „Der gelernte Metzger, Gastwirt […], ist Chef des „Gasthof Zum Wildpark“ in […].“ Den würde ich gerne mal fragen: Wer ist eigentlich Ihr diskursives Pendant, wenn Sie solche Texte verfassen ?

    Im dritten und vierten Satz dann kontert Herr Görlach Niggemeiers Vorwurf, „die neuen Konservativen“ seien“ „von dem Gedanken beseelt, “dass sie recht haben““, mit dem Satz: „Was ein geballter und vor allem neuer Vorwurf!“ Genau! Und vor allem: Was ein gelungener und vor allem schöner Satz! Auch diskursiv gesehen: Was ein geballter Vorwurf ist, darüber sinniere ich jetzt schon, seit ich das gelesen habe. Und warum ein Vorwurf, nur weil er nicht neu ist, schon deswegen nicht zutreffend sein kann, leuchtet mir ebenfalls nicht ein. Beweist nicht ein Vorwurf, der immer wieder vorgebracht wird, dass er bisher unwiderlegt geblieben ist? Aber vielleicht fehlt mir einfach auch nur das diskursive Pendant.

    Zu Beginn des zweiten Absatzes bemängelt der Chefredakteur des „European“, dass die „Beschreibung Herrn Niggemeiers […] vor allem als Verriss des neuen Focus unter Wolfram Weimer angelegt ist“, und „Wir“, d.h. die „Redaktion“ des „European“, sich „in der Beschreibung Herrn Niggemeiers“ nicht wiederfindet. Tja – vielleicht das nächste Mal, liebe Redaktion des „European“?

    Als Beleg für die Tatsache, dass „bei uns keine Debattengleichschaltung in rechte und linke Diskussionsverläufe“ stattfindet, führt Herr Görlach, der als Chefredakteur des „European“ sicherlich nicht wissen muss, wie man Juso buchstabiert, seine Pendant-Herausgeberschaft eines Buches an. Dieses Buch ist wahrscheinlich auch deshalb im Netz so schwer zu finden (nicht einmal der andere Pendant-Herausgeber, der „ehemalige JuSo-Chef Björn Böhning“, erwähnt es auf seiner Webseite), weil es – bislang jedenfalls – nicht erschienen ist. Es soll, mit einem reisserischen Titel ausgestattet, im „Mai 2011“ erscheinen – so jedenfalls eine Ankündigung bei Amazon. Bis dahin kann noch viel passieren, aber hoffen wir das Beste: im Mai 2011 suchen dann „zwei Autoren mit einer verschiedenen Grundierung“ „Antworten auf aktuelle, drängende Fragen“. Natürlich ist so etwas „Nicht umsonst“: Das 120-Seiten-Taschenbuch soll 10 Euro kosten. Ob sie diskursive Antworten auch finden, wird noch nicht verraten, ich bin mir aber da ganz sicher.

    „Behauptungsjournalismus wird große renommierte Häuser wie die FAZ nicht aus ihrer Krise führen.“, Punkt, behauptet Herr Görlach schließlich im vorletzten Absatz, und im letzten illustriert er, was er damit meint: „Der Vorwurf fällt nach der Lektüre auf Herrn Niggemeier zurück.“ Punkt. Im Namen der Redaktion des „European“. „Wir sind mit unserer Debattenkultur auf The European auf jeden Fall schon weiter als die FAZ“, Komma, denn Herr Görlach kann die fehlende Debattenkultur bei der „FAZ“ auch belegen: „die FAZ [hebt] Stefan Niggemeier als Alibi-Onliner immer mal wieder gerne und unwidersprochen ins Blatt“.

    Ich glaube, da ist mir sogar die FAZ noch lieber.

  10. Der ‚Focus‘ und sein publizistischer Zwergwuchs war nie ein journalistisches Magazin, immer nur eine Dienstleistungsagentur für gedrucktes Faselblasülz Ewiggestriger – intellektuell oder wissenschaftlich nie satisfaktionsfähig. In Kategorien wie ‚rechts‘ oder ‚links‘ lässt sich dieses faktenferne Gebreie daher nur schwer einordnen, eher passt schon ‚vorn‘ oder ‚hinten‘, wobei dieser hinterherzuckelnde Train aus Marketendern sich selbst als stolze Vorhut der Gesellschaft wahrnimmt, weil er die Gulaschkanonen bewachen muss.

  11. Miersch leitet Forschung, Technik, Medizin – mehr braucht man über dieses langweilige Gesinnungsblättchen nicht zu wissen, um es
    liegen zu lassen.

  12. Der Focus unter Eimer ist so überflüssig wie ein Kropf. Wir brauchen mehr engagierte Journalisten, die sich mutig für gerechtere Umverteilung, professionelleres Gender-Mainstreaming und nachhaltigere Multikulti-Visionen einsetzen. Im rechten Focus sind leider nur sehr selten Beiträge von mutigen Vertretern dieser Zunft zu finden.

  13. Ein wundervoller Text! Ich hatte mir in seiner Zeit als Cicero-Chefredakteur mal eine Ausgabe gekauft (ich meine, es war die Ausgabe im Überformat), nur um mir ein Editorial von Wolfgang Weimer zu sichern, in dem er eine Realitätsferne dokumentierte, die so gewaltig war, dass sie glatt unter das Label „Fantasy“ passte!
    Ironisch finde ich es freilich, dass dieser Text in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist, von der man – allerspätestens nach der Bilanz von Thilo Sarrazin ausgerechnet in der Weihnachtsausgabe – haargenau dasselbe sagen könnte….

  14. @ Nur mal so :

    Genau, was ist bloß aus dem Spiegel geworden! Vom Focus erwartet man ja nichts anderes. Mein Beispiel ist da immer

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-30157997.html,

    vom März 2004, Köhler war noch gar nicht zum Bundespräsidenten gewählt. Man sehe einfach selbst. Und staune. Ein siebenköpfiges Autorenteam! Wenn man den entsprechenden Artikel im Focus vom selben Tag daneben hält („nur“ vier Autoren), muss man sogar zugeben, dass der nicht nur etwas kürzer, sondern auch etwas weniger dreckig ist.

    http://www.focus.de/politik/deutschland/bundespraesident-hart-aber-herzlich_aid_198725.html

    Aber was sollte auch anderes dabei herauskommen, wenn sich der Focus rechts vom Spiegel positioniert und der Spiegel glaubt, ihm rechts Marktanteile abjagen zu müssen. So ist er selbst immer weiter nach rechts gerückt, bzw. Richtung „Mitte“, so dass heute da, wo er mal war – und das war ja keineswegs „links“, wenn man sich mal die Inserenten in den 80ern oder 90ern angeschaut hat : Cartier und BMW, Champagner, teure Uhren und hastunichtgesehen – eigentlich ein Riesenloch klaffen müsste. Ist aber nicht. Offensichtlich ist kein „Markt“ mehr da dafür da.

    Siehe auch die magere Beteiligung an diesem Thread – während nebenan auf dem Kindergarten-Thread so richtig die Post abgeht.

  15. @Genierßer

    auch sehr schöne Beispiele!
    Der Spiegel verliert sich wieder sehr in seiner eigenen Interpretationsseligkeit, während der Focus am Ende in kurzer Form Fakten bringt (wobei die Sinnhaftigkeit eher zweifelhaft ist).

    Wenn man nun den tatsächlichen Bundespräsident Köhler hernimmt bleibt von beiden Artikeln viel heiße Luft und wilde Spekulation.

  16. „Schupelius hat bislang mit großer Treudoofigkeit in der Boulevardzeitung „B.Z.” versucht, intellektuelle Debatten angestoßen wie die, warum Autofahrer eigentlich immer die Dummen sind.“

    Mach mal einer aus angestoßen ein anzustossen. Dann stimmt alles.
    Frohes Neues Jahr!

  17. Herr Niggemeier, ich danke Ihnen für diesen Text, er spricht mir aus der Seele! Und ich muss ganz allgemein sagen: viele Zeitungen lassen eine Haltung erkennen. Das ist okay so. Man erkennt sie im Spiegel, in der FAZ, in der Süddeutschen und so weiter. Aber im Unterschied zum Focus hetzen diese Blätter in der Regel nicht, und sie schreiben auch nicht derart manipulativ. Mir geht jedenfalls jedesmal die Hutschnur hoch, wenn ich den Focus mal wieder ausversehen gelesen habe.

  18. Mein Lacher des Tages:

    „Dabei ist gar nicht so bedeutsam, welche Haltung er gerade hat, sondern dass er eine hat und diese auch offen vertritt.”

    Wie kann man so etwas

    a) ernst meinen und

    b) auch noch publizieren?

  19. interessant. Hätte nicht gedacht, dass Kategorien wie „links“ oder „rechts“ heutzutage noch eine Rolle spielen. „Links“ gegen „rechts“, „liberal“ gegen „bürgerlich“, sind das nicht Begriffe von gestern ?

  20. Sie sprechen/schreiben mir aus der Seele! Ich kenne kaum jemanden, der die politische Meinungslandschaft so treffend beschreibt. Ich wundere mich, dass die FAS ihre Beiträge überhaupt veröffentlicht.
    Es wird immer unerträglicher, wie sehr es in Mode zu sein scheint, auf Probleme nur noch mit anti-intellektuellem Geschrei zu antworten. Egal, wie hirnlos und hohl und vor allen Dingen unwahr Argumente auch sind; solange es stammtisch-like klingt, immer ein bißchen nach Weltuntergang klingt (an dem alle, von der Mitte bis zur Linken Schuld sind) und daran erinnert, dass früher doch alles besser gewesen sein soll, wird jaulend applaudiert.
    Am besten lässt sich das in politischen Talkshows beobachten, wenn irgendwelche Landeier irgendein möchtegern-konservatives Geschwätz von sich geben, dabei immer Lauter werden und mit dem Finger schwenken – und das ganze Publikum dann tosend applaudiert. Hauptsache es ist alles so unkompliziert wie möglich.
    Nicht mehr lange, dann haben wir eine ähnlich unerträgliche Medienlandschaft, wie in den USA. Wo sich Rechte als Liberale ausgeben und in Nadelstreifen auf Fox darüber debattieren, ob Obama ein Weißen-Hasser sei und auch vielleicht sogar ein anti-christlicher Terroristenfreund.

    Kant und Lessing drehen sich im Grab um.

  21. Gefällt mir! Daumen hoch.
    (Nur kurz kommentiert, um vielleicht die Aufmerksamkeit hierher umzulenken.
    Also eigentlich, damit er nicht im Dschungel übersehen wird) ;-)

  22. Der Schupelius? Der ist Focus-Büroleiter in Berlin geworden? Ogott, ogott, ogott!!! Was sagt es über das selbst ernannte Debattenmagazin, wenn Berlins ungefähr dümmster Journalist zum Focus gehen darf?

  23. Da sage nochmal jemand Linke seien kritikunfähig und humorlos. /ironie aus

    Ich finde es eigentlich auch eher bedenklich wenn ein Medienjournalist sich öffentlich mit politischen Dingen beschäftigt, vor allem wenn sie tendizell in eine Richtung gehen und gezielt Stimmung machen, wo bleiben denn Kritik am Kommunismus der Linkspartei? Ich weiß dass sie damit vielen ihrer Leser hier auf die Füße treten würden, vielleicht würde es ihrer Neutralität und ihrem Weltbild gut tut mal von ewigen Jasagern weg zukommen. Ach, ich vergas, Propaganda gibt es nur von neoliberalen Rechtskonservativen. Das Kabarett in Deutschland ist auch zu 100% wertkonservativ, von der Atomlobby bezahlt und proamerikanisch.

    Mir ist durchaus die Opferrolle der Linken klar und dass man ohne sie in der Gesellschaft nunmal nichts zu melden hat, nur macht man sich damit lächerlich.

    Schöner Artikel aus der Welt dazu, Herr Niggemeier ein wenig über den Rand schauen könnte ihnen nicht schaden.

    http://www.welt.de/debatte/weblogs/Sex-Macht-und-Politik/article6066290/Johannes-Rau-Nikolaus-Brender-und-der-rote-Medienfilz.html

  24. @Vincent:

    Und Sie halten dieses voreingenommene, einseitig die Fakten selektierende Welt-Pamphlet für objektiv und seriös? Na Halleluja!

  25. @32: Auf dieser Seite gibt es auch Menschen, die Nachdenkseiten für kritisch und seriös halten :)

    Insgesamt schwacher Artikel, der einfach nur sagt „Nö, ist net so“ anstatt es aufzuschlüssen und zu widerlegen.

  26. @Mike (#33): Warum widerlegen, wenn zitieren ausreicht?
    “Dabei ist gar nicht so bedeutsam, welche Haltung er gerade hat, sondern dass er eine hat und diese auch offen vertritt.”
    (Weimer über KTvuzG – s. oben.)

  27. @33: Journalisten/Magazine, die derart voreingenommen an ihre Themen gehen, kann ich einfach nicht ernst nehmen. Die eigentlich gebotetene Objektivität ist beim Focus leider kaum der Fall. Und dabei ist mir egal, ob das jetzt politisch links oder rechts ist. Es wäre in beiden Fällen eine Schande. Und solange Weimer dieses Glaubwürdigkeitsproblem nicht in den Griff kriegt, werden sämtliche Relaunch-Versuche scheitern.

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