Die „Krone“ als Königsmacher

Die österreichische „Kronen-Zeitung“ ist wahrscheinlich die, relativ zur Bevölkerungszahl, größte Zeitung der Welt. Sie wird täglich von über vierzig Prozent der Österreicher gelesen. Und sie ist bekannt dafür, besonders wenig Skrupel zu haben, diese Position für eigene Ziele zu missbrauchen. Der Aufstieg von Jörg Haider ist ohne die „Krone“ und ihre Kampagnen undenkbar.

Vor der Nationalratswahl vor einer Woche gab es eine Art Pakt zwischen SPÖ und „Krone“: Die SPÖ schwenkte mit einem offenen Brief an „Krone“-Herausgeber Hans Dichand auf die Linie der EU-feindlichen Boulevardzeitung ein, sprengte damit die große Koalition und wurde dafür von der „Krone“ im Wahlkampf mit positivsten Schlagzeilen und Berichten beschenkt.

Bei der Wahl erzielte die SPÖ das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte, schaffte es aber, stärkste Partei zu bleiben und ihren Vorsprung vor der — von der „Krone“ systematisch diffamierten — ÖVP deutlich auszubauen. Wie groß ist die Macht der „Krone“ (für die auch der ehemalige RTL-Informationsdirektor Hans Mahr schreibt) also wirklich?

Das Wahlverhalten von Nur-„Krone“-Lesern unterscheidet sich nach einer Umfrage der GfK dramatisch von denen, die nur andere Zeitungen lesen:

(Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen: Sie besagen zwar, dass die „Krone“-Leser ganz überwiegend im Sinne der „Krone“-Berichterstattung wählen. Ob sie das aber tun, weil sie die „Krone“ lesen, oder ob sie die „Krone“ lesen, weil sie bestimmte Parteien bevorzugen, ist damit nicht gesagt. Der Unterschied im Wahlverhalten ist jedenfalls frappierend.)

Mehr über die Macht der „Krone“:

32 Replies to “Die „Krone“ als Königsmacher”

  1. „(Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen: Sie besagen zwar, dass die „Krone”-Leser ganz überwiegend im Sinne der „Krone”-Berichterstattung wählen. Ob sie das aber tun, weil sie die „Krone” lesen, oder ob sie die „Krone” lesen, weil sie bestimmte Parteien bevorzugen, ist damit nicht gesagt. Der Unterschied im Wahlverhalten ist dennoch frappierend.)“

    Außerdem wäre zur Interpretation der Zahlen auch noch interessant, wieviele Österreicher nur die Krone lesen und wieiviele nur andere Zeitungen lesen.

  2. @niels: Die Zahlen findest Du im Blog von Georg Guensberg (auch oben verlinkt). Exklusivleser der „Krone“ machen danach 17 Prozent der Wählerschaft aus. (Wobei ich nicht verstehe, warum sich die einzelnen Leserschaften und Nichtleserschaften zu weit über 100 Prozent addieren.)

  3. Stefan: Danke für den Link.

    „(Wobei ich nicht verstehe, warum sich die einzelnen Leserschaften und Nichtleserschaften zu weit über 100 Prozent addieren.)“

    Gute Frage. Ich kann es mir nur so erklären, dass die zweite Gruppe „Leser der Krone und anderer Zeitungen“ nicht die Gruppe derjenigen umfasst, die Krone und mindestens eine andere Zeitung lesen, sondern alle die entweder die Krone oder mindestens eine andere Zeitung oder die Krone und mindestens eine andere Zeitung lesen. Dann wäre aber wiederum überraschend, dass die Summe <100 % ist.

  4. Man sollte nicht unerwähnt lassen, dass Fessel-GfK im Wesentlichen das Äquivalent zu Allensbach in Deutschland ist und die Zahlen dementsprechend gefärbt sein werden.

  5. Du hast in deinem ersten Satz bereits leichte Zweifel anklingen lassen, ob denn die Aussage von der relativ zur Bevölkerungszahl größten Zeitung der Welt überhaupt stimmt.

    Deine Zweifel waren berechtigt. Hierzu darf ich kurz den renommierten österreichischen Journalisten Armin Wolf zitieren, der in seinem Weblog (http://zib.orf.at/zib2/wolf) am 09.07.2008 folgendes von sich gab:

    „Die relativ größte Tageszeitung der Welt ist nämlich eine der
    absolut kleinsten und sie erscheint in unmittelbarer Nähe von Zürich – in Vaduz. Es ist das Liechtensteiner Vaterland. Laut eigenen Angaben druckt das „Vaterland“ jeden Tag 10.500 Stück, am Dienstag sogar 18.600, und erreicht damit bis zu 24.000 Leser. Das sind zwei Drittel aller lebenden Liechtensteiner (Neugeborene eingeschlossen). Dagegen ist die „Krone“ geradezu ein Minderheitenprogramm. Von 8,3 Millionen Österreichern lesen sie 2.947.000 (lt. MediaAnalyse 2007), also etwas mehr als ein Drittel.“

    Nichtsdestotrotz ist die Krone in Österreich (leider) das mediale Um und Auf der politischen Meinungsbildung.

    lg aus Österreich

  6. @chelsea

    Sehr viel dramatischer finde ich den sehr hohen Stimmanteil der rechten Parteien unter den „Krone”-Lesern.

    Das kann nur den wundern, der nicht weiss, dass SPÖ -Wähler einigen Argumenten dieser Rechtsherrschaften durchaus nicht abgeneigt gegenüberstehen. Es zeigt aber auch, dass die Aussagekraft derartiger Statistisken bei Null liegt.

  7. @scipio: Wieso zeigt es das? Die rechten Parteien teilen ja mit der „Krone“ die Ablehnung der EU. Und die Fremdenfeindlichkeit.

  8. Lieb finde ich auch das Wortspiel Rainer Nikowitz‘ im heutigen „profil“, der Werner Faymann die ‚Schöpfung der Krone‘ nennt.

  9. @Stefan

    Kommt drauf an, wie der Entschluß zustande kommt, eine bestimmte Partei zu wählen. Ich halte nichts von der These, dass man den tumben Massen via Tageblatt irgendwelche Wahlvorschläge unterjubeln kann, sondern gehe davon aus, dass vorzugsweise Zeitungen gelesen werden, die eine bereits feststehende Meinung bestätigen. Das würde in unserem Fall bedeuten, dass die Statistik nur aussagt, dass Grüne die KRONE nicht und ÖVPler sie eher ungern lesen. Der Gesamtaufbau beider Statistiken zeigt aber für SPÖ, FPÖ und BZÖ eine gewisse Gleichförmigkeit, sodaß eine Aussage über den Einfluss der KRONE nicht getroffen werden kann. Also nada.

  10. @ scipio: Gegenthese: In Vorarlberg hat die Kronen Zeitung einen Marktanteil von nur 5,6 %, dementsprechend sieht auch das Wahlergebnis im Ländle anders als bundesweit. Ich bin mir sicher, dass viele Krone-Leser anders wählen würden, wenn man ihnen täglich eine andere Zeitung vor die Tür legt.

  11. Schreibt der Robert Löffler als „Telemax“ noch für die Krone? Der war eigentlich immer gut, aber wieso der ausgerechnet in diesem Ekelblatt… das war mir immer unerklärlich.

  12. Schröder hatte seinerzeit bekanntlich das Trio aus „Bild, BamS und Glotze“ beschworen, Faymann münzt das nun auf die österreichischen Verhältnisse um.
    Welche Bedeutung die Volksvertreter dem Flimmermedium beimessen, zeigte das fast schon hysterische Gefeilsche um Redezeit oder um das letzte Wort, das bei so mancher der im ORF übertragenen Konfrontationen vor der Nationalratswahl ausbrach.
    Für den Bundestagswahlkampf in Deutschland, der zweifellos nicht sachlicher und unpopulistischer ablaufen wird, lässt sich also das Schlimmste befürchten.

  13. PS: Weitere Informationen über die Machenschaften (oder Leserbriefbetrügereien) der Kronen Zeitung auch hier und hier.

    Der öffentlich-rechtliche ORF hat die erwähnte Dokumentation (Tag für Tag ein Boulevardstück) übrigens bis heute nicht ausgestrahlt. Wahrscheinlich aus Angst, auch aus dem Krone-Fernsehprogramm zu fliegen. Im jetzigen Wahlkampf zog der ORF gar einen Bericht über die Macht der Krone zurück.

  14. @19/Ille
    Für den Bundestagswahlkampf in Deutschland, der zweifellos nicht sachlicher und unpopulistischer ablaufen wird
    Also ich lege mich mal weit aus dem Fenster, aber dieser eminent ausländerfeindliche Ton, den FPÖ und BZÖ im zurückliegenden österreichischen Wahlkampf angeschlagen haben (und der nach Korrespondentenberichten noch „gemässigt“ war im Vergleich zu den Wahlkämpfen davor), wird es im Bundestagswahlkampf ganz sicher nicht geben. Auf diesem Niveau ist man (noch) nicht angekommen. Aber nach drei, vier weiteren „Grossen Koalitionen“ kann man da für Nichts garantieren…

  15. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass sich SPÖ-Spitzenkandidat Faymann als einziger Kandidat weigerte in Diskussionsrunden im österreichischen Privat-TV aufzutreten.

    Manche vermuten dahinter eine Absprache mit dem öffentlich-rechtlichen ORF.

  16. Eines der Lobgedichte des Krone-Hausdichters Wolf Martin (der mit einem ziemlich interessanten Werdegang aufwarten kann):

    Was taugt zur Lösung der Probleme?
    Wohl nie und nimmer das Extreme!
    Seit alters ist’s der Weisen Sitte,
    stets einzutreten für die Mitte.
    Wie glücklich ist doch unser Staat!
    Mit Werner Faymann wird sie Tat!
    Mit klarem Wort und offnem Blick
    macht er die beste Politik!”

    Frei übersetzt aus dem Nordkoreanischen, vermutlich.
    Aber es gab auch kritischere Töne .

    Sehr schön auch die Wahlempfehlung der Haustiere für Faymann in der Krone Tierecke.

  17. @ Gregor Keuschnig, 22:

    Ich denke auch, dass sich der Populismus im deutschen Bundestagswahlkampf weniger auf dem Gebiet der Migration und des Ausländerrechts abspielen wird, sondern eher im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

    In Österreich sticht die Ausländerkarte besser als in Deutschland, weil Migranten im Alltag des Durchschnittsösterreichers präsenter sind als im Leben des gemeinen Deutschen. So gibt es in Österreich z.B. noch Asylwerberheime in Kleinstädten und Dörfern – dass sich dort Konflikte quasi als sich selbst erfüllende Prophezeiung der gegenseitigen Vorurteile leichter aufbauen und entladen als in Großstädten, dürfte kaum verwundern.

    Abgesehen davon muss man allerdings sagen, dass Migranten wohl in kaum einem Land der Erde so viel staatliche Förderung erhalten wie in Österreich. Ich selbst habe in der Alpenrepublik an diversen einschlägigen Projekten mitgearbeitet – die Freigebigkeit und Nachsichtigkeit der öffentlichen Hand war für mich mehr als erstaunlich. Leider bringt eine gewisse, nicht ganz unerhebliche Zahl der Geförderten diesem Service des Staates nicht die gebührende Wertschätzung entgegen – dass dies bei vielen Österreichern für Verdruss sorgt, kann ich durchaus nachvollziehen. (Dass es in Sozialprojekten für Inländer nicht anders zugeht, versteht sich von selbst – aber auch da regt sich bei Bekanntwerden des Missstandes der Unmut der Bevölkerung.)

  18. @ Ille

    In Österreich ist auch deswegen das Ausländerthema so wichtig, weil Österreich und insbesondere Wien einen im europäischen Vergleich sehr hohen Ausländeranteil hat.

    In Wien liegt der Ausländeranteil bei über 17%, der Anteil der Nicht-EU-Ausländer bei ca. 14%. Dazu kommen noch fast 13% österreichische Staatsbürger, die nicht in Österreich geboren wurden. (Quelle: Eurostat)
    Das sind europäische Spitzenwerte – deutlich höher als Paris oder Berlin. Und Asylwerber mit offenem Verfahren sind darin noch nicht eingerechnet.

    Der hohe Ausländeranteil in Verbindung mit einer undifferenzierten Einwanderungspolitik und falsch verstandener Toleranz bei der Integration – bzw. weitgehend fehlender Integrationspolitik – hat zu stark empfundenen Problemen bei der Bevölkerung geführt.

    Leider wird das Ausländerthema fast vollständig den beiden Rechtsparteien überlassen, während Sozialdemokraten und Grüne die Ausländerproblematik meist aus ideologischen Gründen kleinreden oder ganz leugnen.

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