Die Seelen-Verkäufer von „Spiegel Online“ (2)

Abruptes Ende einer Partnerschaft: „Spiegel Online“ hat die Unterdomain eurojackpot.spiegel.de abgeklemmt, auf der, als „Service von WestLotto“, im redaktionellen Gewand für die Lotterie geworben wurde. Geschäftsführung und Chefredaktion von „Spiegel Online“ erklärten, die Werbung hätte in dieser Form „nicht live gehen dürfen“. Dass dies dennoch geschehen sei, sei ein „Fehler“.

Es war ein erstaunlicher hartnäckiger Fehler. Denn auf diesen Seiten erschienen nicht nur ein paar einzelne Werbe-Kolumnen. Im Laufe eines Jahres wurden hier auch hundert vermeintliche Nachrichtenartikel publiziert, die im Auftrag der staatlichen Lotteriegesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für das Glücksspiel warben.

Zum Beispiel:

  • Riesige Spannung – Größter Jackpot in Deutschland steigt weiter
  • Überragend: Rekordjackpot von 47 Mio. Euro wartet kommenden Freitag
  • YouTube-Star beschenkt Obdachlosen mit Lotterie-Gewinnerlos
  • Eurojackpot-Reporter beim Eurovision Song Contest
  • Ungarischer Obdachloser gewinnt Lotterie-Jackpot von zwei Millionen Euro
  • Passend zum Valentinstag: Großgewinne über ganz Europa verteilt
  • Britische Lotterie-Millionärin teilt Gewinn mit ihrem Ex-Mann
  • Weihnachtliche Bescherung für drei Eurojackpot-Tipper aus Deutschland
  • Ein Dorf wird Millionär
  • Der große Glücksatlas
  • Wenn halb Europa Lotto spielt
 und am Ende Deutschland gewinnt
  • Kellnerin in den USA erhält Lotterie-Lose als Trinkgeld und gewinnt

„In loser Reihenfolge“ wurden andere Länder vorgestellt, die auch an der Lotterie teilnehmen („Spanien: Beliebtes Reiseziel im sonnigen Süden“); der Unternehmens-Sprecher erklärte, was ein glückliches Leben ausmache und welche Rolle das Glücksspiel dabei spiele („Es ist vor allem der Traum vom Glück, der viele Lotteriespieler antreibt“), neue Forschungsergebnisse wurden mitgeteilt („Glückliche Menschen werden seltener krank“).

All diese vielen Dutzend Artikel, die plump bis halbsubtil für die Lotterie warben, erschienen im redaktionellen Design von „Spiegel Online“, gekennzeichnet bloß als „Service von WestLotto“. Von jeder „Spiegel Online“-Seite führte ein Link am Fuß zur Themenseite mit den jeweils aktuellen Beiträgen.

Und bei „Spiegel Online“ hatte bis eben niemand diesen „Fehler“ bemerkt.

[via Jan in den Kommentaren]

43 Replies to “Die Seelen-Verkäufer von „Spiegel Online“ (2)”

  1. Immerhin grinst einem jetzt nicht mehr dieser PR-„Journalist“ entgegen. Da hat sich doch sehr schnell etwas positiv verändert.

    Eine andere Frage bewegt mich inzwischen bei diesem „Service“-Angebot.
    Ist die Form, in der das passiert ist, nicht auch strafrechtlich relevant? Die Gesetzeshüter sind doch gerade bei Glücksspielwerbung in der letzten Zeit besonders eifrig.

    Einerseits ist Spielsucht natürlich ein ernstzunehmendes Problem. Wenn dagegen aber sogar die Aktion Sorgenkind vor einer möglichen Sucht durch den Kauf eines Loses aufmerksam machen muss, ist das doch ein wenig übertrieben.

    Der Glücksspielhinweis findet sich in diesen Artikeln jedenfalls nicht. Der steht nur hellrosa auf weiß/noch heller rosa auf der ominösen Sammelseite. Daher die Frage: Hat man mit diesen Beiträgen nicht sogar schon gegen das geltende Werbe(ge/ver)bot verstoßen?

  2. Wie toll Stefan, dass durch Seiten wie Deine, ein Bloßgestellter wie SPON es nicht einmal mehr wagt, irgendeinen rundgespülten PR-Verteidigungs-Schiss abzusondern, um sich aus der Affäre zu stehlen. Klar war das kein „Fehler“. Aber sehen wir es mal als positives Zeichen, dass es direkt gelöscht wurde. Sehen wir es als Zeichen medialer Evolution, dass saubere Kritik zum Einlenken führt und nicht zur absurden Verblümung ohne Veränderung. Offenbar bist du denen zu Relefant. ;)

  3. Besser spät als nie, wie der Volksmund treffend sagt. Ob das nun ein „Fehler“ war, lassen wir mal besser dahingestellt. Hauptsache, ein „Fehler“ weniger.

    Bleibt noch abzuwarten, wann und unter welchem Namen dieser Fehler wiederholt wird :)

  4. So viel zum Thema, man müsse auch die „Seite“ von SPON zeigen und vorher eine Stellungnahme einholen. Natürlich war das alles kein „Fehler“ sondern System, der Fehler ist erwischt worden zu sein. Ich bin aber schon gespannt auf die nächsten Ausreden, vielleicht war alles ein verwirrter Einzeltäter?

  5. Ich lese dein Blog schon lange sehr gern, und es hat wirklich meinen Horizont erweitert. Ich finde das wirklich verdammt gut und generell super geschrieben. Und auch noch witzig. Nur das alte Design fand ich besser. Grün ist nicht gut.

    Nach den letzen beiden Artikeln beschleicht mich allerdings etwas: Zum einen kann es doch auf Dauer kein befriedigendes Geschäftsmodell sein, immer nach den Fehlern, Lügen und Schummeleien anderer Leute zu suchen und da dann den Finger draufzuhalten.

    Einerseits ist das natürlich hilfreich, wenn wie hier zum Beispiel für eine saubere Trennung und Ehrlichkeit im Pressewesen „ gekämpft“ wird (Wobei, wer liest solche Artikel ohne es zu checken, dass da nicht viel drin ist außer Werbung? ).
    Andererseits, wo führt das hin? Irgendwann traut sich keiner mehr irgendeinen Beschiss , egal in welcher Branche er lebt oder arbeitet, und die Welt ist auf Linie gebracht. Unterm Strich ist mir da der Beschiss lieber.

  6. Beim Altpapiersortieren wurde ich gehindert die BRAVO Nr. 02 / 2014 zu entsorgen. Insbesondere wegen des Artikels:

    „Dein Perfekter Valentinstag mit deinem Schwarm“ (Doppelseite24/25)
    „Du bist schon ewig verknallt in ihn – doch bis jetzt habt ihr euch nur mal angelächelt […]
    Nach ca. zehn Zeilen folgen – „Beauti-Tipps:“ Ca. 8-10, (duschdas, mentos, Zahnweiß, etc.)

    Und nirgends steht „Anzeige“.

    „Unsere Kinder und Jugendlichen werden ziemlich „hinterhältig“ auf „native advertising“ eingestimmt…

  7. Was auch wichtig ist (handwerklicher Tipp): Immer reichlich Screenshots von allen Aspekten solcher Fundstellen anfertigen, bevor man solche „Fehler“ publiziert, sonst steht man hinterher mit leeren Händen da… (Herr Niggemeier weiß das offensichtlich, aber vielleicht will ja der eine oder andere Finder solcher „Fehler“ auch mal einen Fund dokumentieren.)

    Zur Sache: Erst kommt das Fressen, dann die Moral, das war in Lyssas Lounge noch anders, damals. (Böser Tiefschlag, ich weiß – die Lounge hat ihre Gastgeberin nur sehr mittelbar ernähren können, soviel sei zugestanden.) Die Grenzen zwischen Fressen und Moral müssen, siehe auch das Beispiel mit der „Bravo“, immer wieder neu gesichert werden. Journalisten sind an dieser Grenze schon lange keine Wegweiser mehr.

  8. #6 @Carom

    Mh. Danke für den „Tipp“.
    War vermutlich eher allgemein gemeint.

    (Mit leeren Händen wollt ich ja nach dem Aussortieren gern dastehen…)
    ;-)

  9. Die Seite eurojackpot.spiegel.de war nur kurz offline. Sie ist seit gestern abend wieder da.

    Zum Meckern: Der ganze Journalismus lebt doch nur noch vom Meckern, Kollegen anpissen und anderen „Korruption“ unterstellen. Hab bei Telepolis da genug mitgemacht. Finde das bei Stefan auch nicht immer optimal, aber er ist definitiv noch einer der konstruktiveren Kollegen, er meckert nicht nur und kritisiert das ewige Kollegen mobben auch. Hier greift er auch niemand persönlich an.

    @ 5 Andreas:

    > Irgendwann traut sich keiner mehr irgendeinen Beschiss , egal in welcher Branche er lebt oder arbeitet, und die Welt ist auf Linie gebracht. Unterm Strich ist mir da der Beschiss lieber.

    Solange alle anderen mit Beschiß arbeiten, kann man ohne Beschiß halt nicht überleben. Ob mir das allerdings lieber ist? Naja, lieber als Verleumdungen und Hetzjagden sicher. Trotzdem: So einen Sch**** wie diese Lotto-Kolumne (bei der sicher bald auch noch der Glücksdoktor Hirschausen mitgewirkt hätte) braucht keiner.

  10. Aha, ein „Fehler“ und hätte „nicht live gehen dürfen“. So, so, als wenn Marketing und Chefredaktion nicht genau wussten, was da abläuft.
    Nun gut, zumindest wird der Spiegel sich jetzt wahrscheinlich einer juristischen Auseinandersetzung mit Westlotto stellen müssen, um die vertragliche Lage zu erörtern, aber darüber wird man nichts erfahren…

  11. Gelegentlich vertreibe ich mir die Zeit mit Autozeitschriften. Da ist das doch üblich, dass eine 30-Seiten-Beilage rund um Audi (oder einen anderen deutschen Hersteller) oder auch mal 20 Seiten in der Mitte zum Thema „Luxus-Uhren“ dabei ist. Auch da ist die Trennung nach Werbung und redaktionellem Inhalt schwierig. (Highlight war kürzlich in der Uhrenbeilage das Argument für Luxusuhren: Dort gehen die Minutenzeiger bis zur Skala, während günstige Anbieter bei der Zeigerlänge sparen würden… hab ich mich von dem Lachkrampf kaum erholt.)

    Aber Autozeitungen sind sicher ein schlechtes Beispiel, weil dort der redaktionelle Teil selten mit dem gebotenen Abstand zum Testwagen-Bereitsteller glänzt.

  12. @#5:
    „Zum einen kann es doch auf Dauer kein befriedigendes Geschäftsmodell sein, immer nach den Fehlern, Lügen und Schummeleien anderer Leute zu suchen und da dann den Finger draufzuhalten.“

    „Geschäftsmodell“…? Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass Stefan hiermit auch nur einen direkten Pfifferling verdient. Selbst mit Werbung und Flattr ist ein auf diese Art geführtes privates Blog ein monetäres Verlustgeschäft; da zahlt man drauf. Ein Hobby, dass man sich halt leistet, und allenfalls indirekt die Visibilität mehrt. Geld verdient der Hausherr woanders.

    „(Wobei, wer liest solche Artikel ohne es zu checken, dass da nicht viel drin ist außer Werbung? ).“

    Email-Spam funktioniert auch deswegen als lohnendes Geschäft, weil es zahlenmässig immer noch genug Dumme gibt, die drauf reinfallen und es für eine dufte Idee halten, sich in Nigeria eine Viagrarolex zu bestellen. Dass du und ich es durchschauen ist kein Kriterium. Also: doch, es lesen genug Leute solche Artikel, ohne es als schleichende Werbung zu durchschauen.

    „Andererseits, wo führt das hin?“

    Zu einer besseren Welt? Stimmt, gottbewahre, wer würde das schon wollen…

    „Unterm Strich ist mir da der Beschiss lieber“

    Das hängt vermutlich davon ab, ob man der Bescheisser ist, oder der Beschissene.

  13. Die Seite ist nun übrigens bereinigt: Es gibt nur noch einen Eintrag „Glück kann man lernen“, die PR-Kolumne mit den älteren Postings ist nicht mehr zu finden.

  14. @DL2MCD: Ich glaube, das sind alles nur noch Sachen im Cache. Laut Spiegel Online ist der Server gestern abgeklemmt worden, alles, was man jetzt noch sieht, sind noch alte Versionen.

  15. @nona 12

    Es ist nicht so wichtig,mit dem Geschäftsmodell, und ich will auch nicht den Niggemeier ansich kritisieren, ich finde seine Artikel ja gut bis sehr sehr gut, zumeist. Mich beschäftigt aber grade deswegen das leise Unbehagen dabei, das wollte ich kundtun.
    Ob es eine bessere Welt ist, wenn keiner mehr lügen oder bescheißen kann, weiß ich nicht. Aber ich bezweifle das stark.

  16. @14: Ja, stimmt, Stefan. War nur ulkig, weil es erst weg und dann wieder da war

    @15: Nein, gerade in der Medienbranche wird Stefan dafür angefeindet und gehaßt, ein „Geschäftsmodell“ ist das definitiv nicht, die „Geschäftsmodelle“ anderer darzulegen. Damit wird man unter den Bloggern und Lesern anerkannt, aber bei den Medien vielleicht als Aushängeschild als Autor genommen, aber nicht wirklich geschätzt.

    Würde es Stefan darum gehen, Geld zu machen, würde er selbst so krumme Dinge aufziehen, statt sie aufzudecken. Wie es geht, weiß er ja gut genug.

    Leider gibt es im Verlagswesen viele halb kriminelle Leute, die gierigst hinterm Geld her sind. Ich könnte da auch etliches erzählen, schon aus den 90ern, hab aber keine Lust und kein Geld, mich dann mit Anwälten rumzustreiten. Advertorials sind da jedenfalls noch das Harmloseste.

    Es tröstet aber, daß solche „nicht nachhaltigen“ Geschäftsmodelle meist scheitern. Flurschaden haben sie bis dahin dennoch angerichtet.

  17. Es tröstet aber, daß solche „nicht nachhaltigen“ Geschäftsmodelle meist scheitern. Flurschaden haben sie bis dahin dennoch angerichtet.

    Das finde ich nicht. Die Tatsache, dass die Anzeigenverkäufer bei SPON den Journalisten schon so weit reinreden können, dass sie ganze Seiten bekommen, ohne dass es ein offenes-Brief-Dauerfeuer gibt, spricht da meines Erachtens für sich.

    Als Blome beim Spiegel als neuer Vizechef vorgestellt werden sollte, revoltierten die Ressortleiter bis in Die Zeit. Hier wird seitenweise billiges PR-Hack als Redaktions-Lasagne umettiketiert. Es. Passiert. Nichts. Ich weiß nicht, ob das ein Wandel in der Redaktionskultur ist, ich hoffe es ein bißchen, ganz sicher will ich nicht, dass es so bleibt.

  18. @Andreas/#15: Ich stimme ja durchaus zu, dass „so ein kleines bisschen Flunkern“ eine der, sagen wir mal, querdenkenden Farben ins Leben bringen kann, so dass nicht alles gar so furchtbar stromlinienförmig und langweilig ist. Die Wahrheit zu sagen halte ich zwar prinzipiell für durchweg moralisch besser als die Unwahrheit zu sagen, aber gut.

    Hier geht es jedoch ziemlich konkret um direkten profitgelenkten Beschiss an der Breite der Rezipienten, und das von einer Branche, die sich üblicherweise mit gusto (und Recht) als vertrauenswürdige Säule der Demokratie hinstellt, und die grundsätzlich einem nicht ganz unwichtigen Berufsethos folgt (oder folgen will), zu dem u.A. sowas triviales wie „Wahrheit“ gehört. Und das in Zeiten, in denen der ganze Berufsstand im digitalen Umbruch begriffen ist und die Auflagen stetig gen Boden taumeln. Man sollte meinen, dass es gerade in einem solchen Zeitklima wichtig wäre, seinen Ruf nicht dauernd mit solchem Schmu zu ruinieren, denn damit beschädigt man sich nachhaltig das, was so ziemlich das wichtigste Kapital des Journalismus sein dürfte: das Vertrauen der Kundschaft. Die Menschen bezahlen nicht für Verlagsprodukte, in denen sie wahre Nachrichten erwarten, aber dauernd mit unwahrem Beschiss konfrontiert sind. Die Krise der Zeitungen ist nicht zuletzt eine Vertrauenskrise, und mit „Partnerangeboten“ und „Advertorials“ und „Native Advertising“ und ähnlichem Bullshit stärkt man bei den Lesern kein Vertrauen, sondern demontiert es zusätzlich.

  19. Uli (4)

    „So viel zum Thema, man müsse auch die „Seite“ von SPON zeigen und vorher eine Stellungnahme einholen.“

    Aber das spricht doch nicht dagegen. Im Gegenteil. Es ist doch nun, wo SPON sich dazu geäußert hat, erst richtig amüsant geworden. Bockmist wird ja oft durch versuchte Schönfärberei unübersehbar, und beim Spiegel-Verlag sind offenbar wahre Experten am Werk. Nee, wat schön. :-)

  20. @17 Daniel: Ich spreche von ganz anderen „Geschäftsmodellen“ als Advertorials.

    Mal kurz angerissen:

    – „Faxpolling“ auf 0190-Nummern, mittels dem denen der Leser sich seine Zeitung teuer selbst drucken sollte.
    – ebensolches „Faxpolling“, auf dem dann in ASCII-Zeichen nackte Mädels abrufbar waren
    – Amateurfunk-Hobby-Mailboxen nach Public-Domain-Software plündern, um sie dann in Compuserve einzuspielen, wo man für zahlen mußte

    Klar, kann man machen, auch wenn der letzte Punkt klar gegen alle Regeln verstieß. Mich ließ der Mailboxbetreiber gewähren, weil er wußte, daß mein Job dran hing, dem Wiellen der neuen Chefs zu gehorchen. Aber als seriöser Fachverlag so einen Mist veranstalten?

    > Das finde ich nicht. Die Tatsache, dass die Anzeigenverkäufer bei SPON den Journalisten schon so weit reinreden können, dass sie ganze Seiten bekommen, ohne dass es ein offenes-Brief-Dauerfeuer gibt, spricht da meines Erachtens für sich.

    Das war immer schon so. Wie gesagt, mein erstes Erlebnis mit als Redaktion verkauften und aufgemachten Anzeigen stammt aus den 90ern.

    Bei web.de werden ein paar News mit Horoskopen und Partnervermittlung garniert, und beim Spiegel ebenso.

    > Als Blome beim Spiegel als neuer Vizechef vorgestellt werden sollte, revoltierten die Ressortleiter bis in Die Zeit. Hier wird seitenweise billiges PR-Hack als Redaktions-Lasagne umettiketiert. Es. Passiert. Nichts. Ich weiß nicht, ob das ein Wandel in der Redaktionskultur ist, ich hoffe es ein bißchen, ganz sicher will ich nicht, dass es so bleibt.

    Leider ist das kein Wandel. Bei sowas wird die Redaktion ja nicht gefragt, und die Anzeigenabteilung hat in Verlagen mehr zu melden, weil sie das Geld reinschafft. Abos gibt es ja kaum noch, und das Geld der Anzeigenkunden wird höher gewertet als das der Käufer. Wenn ein Anzeigenkunde über einen Redakteur meckert, selbst wenn völlig grundlos, ist der fällig. Mir selbst schon passiert:

    http://schreibenfuergeld.wordpress.com/2011/04/11/krieg-der-oszilloskopenhersteller/

    Zum Journalistenberuf gehört zwar ein gehöriges Maß Leidensfähigkeit, aber wer nicht im richtigen Moment die Klappe hält und beide Augen schließt, ist raus. Folglich bleiben die, die mitmachen.

    Das Vertrauen der Leser leidet damit natürlich, aber nun, daß man der BILD nicht alles glauben muß, was drin steht, weiß jeder, und gekauft wird sie trotzdem.

  21. @RH: yep, kann ich bestätigen; ich war vorher noch nie auf der site, insofern kann das auch nicht n cache-rest sein.

  22. Ja, jetzt schaut es aber anders aus. Die komische Kolumne ist weg, es geht nur noch um Lottogewinne (und natürlich um die ARD-Themenwoche Glück mir Dr. Glückshausen) und es steht auf jeder Unterseite „Ein Service von Westlotto“.

    Da hat der Praktikant wohl letzte Nacht aufräumen müssen (der ist noch neu und weiß deshalb noch, wie man’s richtig macht).

  23. Vielleicht haben sie es auch erst weggenommen und dann festgestellt, dass sie aber einen Vertrag mit Lotto haben. Irgendwie traue ich denen das auch noch zu.

  24. Laaangsam. eurojackpot.spiegel.de ist (bzw.: war) eine Seite von Spiegel Online. spiegel.eurojackpot.de ist eine Seite von Eurojackpot.

    Auf spiegel.eurojackpot.de sind noch die Artikel zu sehen, die vorher auch auf eurojackpot.spiegel.de waren, was es nun nicht mehr gibt.

  25. @DL2MCD: Nein. Es geht nicht bloß um Lottogewinne, sondern genau den Themenmix, den ich oben beschrieben habe. Die Formulierung „Ein Servicde von Westlotto“ stand da immer schon, auch auf den „Spiegel Online“-Seiten. Da ist nichts „aufgeräumt“ worden.

  26. LOL, das wird ja immer bekloppter. Jetzt wurde also die Spiegel-Seite gespiegelt :D – samt SpOn-Icon im Browsertab. Damit es keiner merkt, daß es „eigentlich“ nicht mehr Spiegel ist, von der Gestaltung her aber nach wie vor und „spiegel“ steht immer noch in der Domain. First-, Second- und Third-Level-Domains kann in D ja eh‘ keiner unterscheiden, Juristen am allerwenigsten, und man würde für ein fremdes Markenzeichen in der Third-Level-Domain genauso abgemahnt wie in der Second-Level-Domain. Von daher ist es nicht wirklich ein Unterschied, technisch ja, rechtlich nein.

    Nun, die Beiträge von“Journalist“ Oliver Schönfeld sind jedenfalls wech. Aber das waren sie wohl schon gestern, Deinem Screenshot nach.

  27. Interessant wäre dazu auch mal ein Kommentar vom Land NRW als Eigentümer von WestLotto. Das Land wird diese Werbekampagne ja wohl kennen oder abgenickt haben.

    Der Gesetzgeber schaltet also Werbung, die als journalistisches Machwerk daherkommt.

    Das könnte man dann noch mit vielen anderen Themen weiterspinnen: PKW-Maut, ESM, VDS, Netzneutralität… Und der unaufmerksame Leser denkt sich: Donnerwetter, wenn die seriösen Medien das alles so positiv darstellen, muss es ja so sein.

    Ein paar Landesbanktöchter werden sich dafür bestimmt finden lassen.

  28. Nun ja, direkt zu Unterstellen, dass der Fehler der Chefredaktion bekannt war, halte ich nicht für berechtigt. Aus meiner Erfahrung bei anderen Firmen kann ich nur sagen: Shit happens.

    Auch bei durchaus übersichtlichen Firmen weiß oft die eine Hand nicht was die andere tut. Manchmal sitzen beide Hände sich direkt gegenüber und erfahren erst über Ihren Dienstleister, was die andere Hand gerade macht.

    Gerade Chefs neigen dazu sich die Firma so vorzustellen, wie sie sein sollte, ohne zu überprüfen, ob es wirklich so ist. Ich erinnere mich da an ein Gespräch, was etwa so verlief:
    „Das Gelb Ihrer Webseite ist ja auch ein *räusper* ziemlicher Augenbrenner“
    „Gelb? Ach, das ist Schnee von Gestern. Die haben wir doch letztes Jahr schon neu Designen lassen.“
    „Gestern war sie aber noch Gelb!“
    „Wie?!? Das ist doch vor einem Jahr neu gemacht worden! Ist das neue
    Layout nicht online?“

    Ich kann mir daher auch vorstellen, dass ein Chefredakteur nicht alle Seiten seiner Online-Redaktion überprüft. Und Dienstanweisungen werden von einem Chef auch mal gerne nur einem Praktikanten mitgeteilt, in der Überzeugung, seine Firma wisse ja jetzt beschied. („Wie? Das machen wir doch schon seit Monaten nicht mehr so.“ oder „Das haben wir noch nie so gemacht!“)

    Außerdem gibt es auch Firmen, die ein sehr sportliches Betriebsklima haben. Die Überbringer schlechter Nachrichten haben da ganz schlechte Karten. Entweder ist der Chef sauer, dass dem Angestellten das erst jetzt auffällt (obwohl es nicht sein Job ist) oder er wird vom Verantwortlichen des Bockmists gemobbt, weil er eine Petze ist. Wenn er den Verantwortlichen hingegen direkt anspricht, dann kommt der Standardspruch: „DAS lassen Sie man schön meine Sorge sein.“
    So sind alle Mäuschen-Still und ignorieren den Fehler und hoffen darauf, dass der Krug an einem vorbei geht, wenn es Ärger gibt.

    Daher kann ich aus meiner Erfahrung heraus sagen, dass man einen Fehler nicht wirklich ausschließen kann. In einer Redaktion wird es sein, wie bei anderen Firmen auch: Shit happens. Und das meist täglich.

  29. @Klaus (#31): Das mag alles richtig sein, aber Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Die Firma ist verantwortlich für das, was sie produziert und ausliefert. Da kann kein Chef (oder hier: Chefredakteur) sich darauf berufen, dass er nicht wusste, was da so passiert, dass seine Anweisungen nicht oder nur unvollständig umgesetzt worden seien. Und wenn man sich mit Behauptungen schon so weit aus dem Fenster lehnt wie der Spiegel das in dieser Angelegenheit getan hat, sollte man vielleicht vorher nachschauen, ob die Behauptung auch stimmt.

    Wenn Firmen so funktionieren, wie Sie es schildern (und sie tun es, ich kenne das auch aus eigener Anschauung), kann man das deshalb doch nicht einfach mit „ist halt so“ wegwischen! Für diese Art Schlamperei gehört den Leuten ordentlich auf die Finger geklopft, und wenn sich wegen des sportlichen Betriebsklimas intern keiner traut, den Oberen zu sagen, was Sache ist, muss der Laden eben mal öffentlich an die Wand fahren und von außen die Leviten gelesen kriegen. Wie hier.

  30. Klaus (31):

    Soooo viele Seiten hat SPON nun aber nicht, dass eine Redaktionsleitung den Überblick verlieren kann. Und so ein Deal mit Lotto dürfte eigentlich kaum an denen vorbei gelaufen sein.

  31. Lustig, eine derartige dauerhafte Täuschung als „Fehler“ zu bezeichnen. Die offensichtliche Methode, den Werbecharakter zu vertuschen, muss ja wohl bewusst angewendet worden sein. Sonst hätte man ja einfach „Anzeige“ schreiben können. Es ist wie immer: erst wird Mist gebaut und dann wird alles heruntergespielt. Nur dass der Spiegel sowas sonst auch immer kritisiert…

  32. Will nicht meckern, aber es ist recht schwer zu lesen, wenn der Text ins Dunkelgrüne übergeht. :-)

  33. Also, ich bin etwas verwirrt. Im Post hieß es, die Subdomain eurojackpot.spiegel.de sei offline. Ich habe sie gerade aufgerufen und sie ist meines Erachtens bis auf den nun deutlichen Hinweis „Anzeige“ genauso bedenklich wie vorher. Das ist eine etwas kurze Schamfrist, oder?

  34. @38: Naja, das ändert sich momentan täglich. Es ist aktuell aber nur noch ein Eintrag drauf.

    spiegel.euroackpot.de ist dafür nun „forbidden“.

  35. Mir sind in dem Zusammenhang sind mir auf Spiegel Online auf der Hauptseite auch regelmäßig die Werbeboxen für Euro-Jackpot – Verlosungen mit den aktuellen Gewinnsummen aufgefallen. Allesamt hübsche Werbe-Affiliate-Links von Partnerprogrammen, die nochmal Summen für Leads, aktive Spieler und Spielumsatz zahlen.
    Dürfte sich lohnen, gerade im Zusammenspiel mit der „redaktionellen“ Berichterstattung. Hier ein Beispiel von der Lotto24 AG auf Affilinet, das vor einem Jahr beworben wurde: https://db.tt/7bumlKqX

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