Frank Plasberg

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn man den Moderator einer politischen Talkshow nach Betrachten seiner Arbeit fragen möchte, ob er unser politisches System verstanden hat. Ob er weiß, dass es auf einem Wettstreit von Ideen und Personen beruht. Und es darum merkwürdig ist, einen Politiker wie Norbert Röttgen, der den CDU-Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen durch seine Kandidatur um den Parteivorsitz die Möglichkeit gibt, eine Wahl zu treffen, fast als eine Art selbstmörderischen Irren darzustellen. Die Redaktion hat sogar eine fiktive „Bild“-Schlagzeile vom Tag nach der möglichen Niederlage Röttgens gebastelt, damit Plasberg ihn fragen kann, ob er sich das auch gut überlegt hat.

Oder der Einspielfilm, in dem gezeigt wurde, dass auch gegen umweltverträgliche Arten der Energiegewinnung immer irgendwo Naturschützer demonstrieren – als sei das keine Binse, als bestünde Politik nicht immer daraus, Abwägungen zu treffen, als belege der Protest gegen ein Wasserkraftwerk irgendwo, dass die Technik auch nicht verträglicher ist als Atomkraft.

Man müsste mal die Eierlikör-Vorräte in der Redaktion von „Hart aber fair“ kontrollieren, oder welche Drogen auch immer zu der Idee geführt haben, dem Umweltminister drei Landschaftsaufnahmen von Brücken zu zeigen, damit er auswählt, welche seiner Vorstellung vom Einsatz der Atomenergie als Brücken-(!)-Technologie entspricht (Plasberg: „A, B oder C, Herr Röttgen!“).

Es war eine lächerliche einhundertste Sendung im Ersten, die wie eine doppelte Karikatur wirkte. Eine Karikatur auf eine Berichterstattung über Politik, die nur noch daraus besteht, Haltungsnoten zu verteilen. Jeden der erstaunlich zahlreichen Versuche seiner Gäste, über Inhalte zu reden, blockte Plasberg ab und führte die Diskussion auf Stilfragen zurück. Und eine Karikatur auf das, was aus „Hart aber fair“ geworden ist: Die Karnevalsversion einer politischen Talkshow, bestehend nur aus Mätzchen und einer endlosen Abfolge von Tä-täääs. Plasberg stellte Röttgen mit ernster Sinnlosigkeit Fragen wie: „Welche Note würden Sie sich in Rhetorik geben“ und: „Können Sie Kanzler“ – und legte dann treuherzig nach, warum es „politischer Selbstmord“ für einen Politiker wäre, die Frage zu beantworten, als wäre seine Redaktion nicht die erste, die ein entsprechend selbstbewusstes Bekenntnis einem Gast in einem lustigen Einspielfilm immer wieder als selbstmörderische Hybris vorhalten würde…

… was zufällig ein Begriff ist, der einem einfallen kann, wenn man die Interviews liest, die Plasberg zur Jubiläumsshow gegeben hat. Natürlich entspricht es dem üblichen Medienzyklus, dass viele Kritiker den Mann nach Jahren des Lobs jetzt nicht mehr gut finden. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht stimmt.

28 Replies to “Frank Plasberg”

  1. Und wenn Röttgen geantwortet hätte, dass er den Begriff „Übergangstechnologie“ lieber mag, hätte man ihm drei Bahnübergänge zur Auswahl gezeigt, richtig?

    Ich gucke diese Unterhaltungsshows mit Politikern als Gästen gar nicht mehr. Eine politische Diskussion kann man dort eh nicht erwarten.

  2. Was ist denn das Problem? Durch dieses Kasperletheater im Fernsehen wird die Rolle des Parlaments und der Straße als Stätte der politischen Debatte wieder gestärkt. Eine interessante Gegenentwicklung dazu, dass noch vor wenigen Jahren die Talkshow-Demokratie als unaufhaltsame zukünftige Staatsform an die Wand gemalt wurde.

  3. „als wäre seine Reaktion nicht die erste, die ein entsprechend selbstbewusstes Bekenntnis einem Gast in einem lustigen Einspielfilm immer wieder als selbstmörderische Hybris vorhalten würde…“
    Das sollte wohl Redaktion heißen.

  4. Schöner Artikel, der genau das ausspricht, was ich mir jedesmal bei diesen politischen Talkshows denke. Die Journalistenfragen beziehen sich nahezu ausschließlich auf irgendwelche Stilfragen und ob man das so oder so sagen müsste und ob Frau Merkel nicht doch lieber grün tragen sollte und Röttgen Ministerpräsident werden soll, damit schwarz-grün eine Zukunft hat etc. pp. Inhalte sucht man vergeblich, selbst die Politiker wirken oft völlig gelangweilt oder fassungslos ob der absolut sinnlosen Veranstaltung. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, die Bevölkerung etwas direkter anzusprechen, geh ich kaputt.

    Und Plasberg setzt dem ganzen dann noch den Hut auf indem er dabei so unglaublich selbstgefällig tut als würde er Klartextfragen stellen und die Politiker endlich einmal sagen könnten was sie wollen.

    Die selben Journalisten wundern sich dann über niedrige Wahlbeteiligungen. Für mich kein Wunder, wenn das politische Berichterstattung ist.

  5. Thomas bringt es auf den Punkt, das gleiche hatte ich mir bei der Maischberger gestern auch gedacht. Statt eine durchaus interessante Diskussion zum Thema Integration zuzulassen drehten sich ihre Fragen nur darum ob Herr Sarrazin den jetzt „recht habe“, ob das mal „gesagt werden musste“, was Frau Merkel nun sagen sollte usw. usf.

    Inhalte Fehlanzeige und dabei drehte sich die Sendung sogar darum das Politiker heute nicht mehr so „kantig“ sind wie zu Strauß Zeiten, keine Visionen mehr haben, Politik nur noch als Job betrachten usw. Kein Wunder das wir nur noch den Typ Selbstdarsteller ala Merkel bekommen.

  6. Hieß „Plasberg“ nicht ursprünglich „Blasberg“??
    Hinter dieser Schreibform verbirgt sich nämlich die dazugehörende Eigenschaft so wie er ist. Richtig!! „Blasiert“ !!!
    Diese Blasiertheit steigerte sich bei ihm meiner Ansicht nach von Sendung zu Sendung, bzw. Thema zu Thema und gipfelte in der genannten 100. Sendung bisweilen in dümmlicher Klugscheißerei und fragwürdiger Quotenhascherei.
    Ich empfinde so ein Getue zudem als Ohrfeige für den politisch interessierten Zuschauer, der versucht, sich über so eine Sendung eine Meinung im politischen Dschungel zu bilden. Stattdessen wird er über lange strecken mit vordergründig intelligentem Boulevardjournalismus zugeschissen. Schade eigentlich

  7. Seit Jahren aus meiner Wahrnehmung ausgeblendet bin ich dann doch ein wenig erschüttert von dieser Farce. Eine wirklich unabhängige Expertenrunde ist das, unter anderem mit Wolfgang Clement und Frank Schätzing. Moment mal, die haben da tatsächlich einen RWE-Aufsichtsratsvorsitzenden und einen Romanautor eingeladen? Was zum Teufel?!…

  8. Schade eigentlich, dass die Sendung sich so entwickelt hat. Zu WDR-Zeiten, und auch noch zu Beginn der ARD-Zeit, so war meine Wahrnehmung, war Hart aber fair eben DIE Sendung, die noch Inhalte anspricht und auf inhaltvolle Antworten wertgelegt hat.

    Oder verkläre ich mal wieder die Vergangenheit?

  9. Die Proteste gegen die Wasser- und Windkraftwerke waren natürlich der Knaller. Astroturfing in Perfektion. Und Plasberg tat auch noch so erschüttert; leider hat Künast sich nicht getraut, denen mal auf die Füße zu treten!

  10. Zu WDR-Zeiten war das alles noch anders. Irgendwie nimmt sich die Sendung mittlerweile selbst zu wichtig. Während früher die Gäste (richtigerweise) im Rampenlicht standen, geht es heute nur noch drum, eine Pointe nach der anderen abzufeuern. Und man wird das Gefühl nicht los, dass sich das gesamte Produktionsteam in verrückten Sitzungen „Highlights“ ausdenkt und gegenseitig mit „Geile Idee!!“ anfeuert.
    Das ist schade. Auch unter dem ARD-Schirm wäre wieder mal ein bisschen Zurückhaltung angemessen.

  11. … irgendwo las ich: Plasbergs mit seiner ARD-Sendung HART ABER … gilt als
    publizistische Aasgeier. Ob das stimmt weiß ich nicht … was meinen Sie?

  12. @Martin: Solange ich die Sendung kenne, ist das nichts als eine total überflüssige Krawallshow. Ich hab mich schon immer gewundert, was das Publikum da eigentlich essentielles mitzunehmen vermag, ausser blödsinniger Aufregung. Und dieser Sch**ß wurde in „den Medien“ auch noch ernsthaft rezipiert!

    Vielleicht liegt dem unterirdischen Niveau ja der Fakt zugrunde, dass der Moderator auch gleichzeitig Chef der Produktionsfirma ist. Und heisse Luft verkauft sich nunmal besser als schwere Kost, wohl auch in der ARD.

  13. @martin & @keffster: ich habe aufgehört plasberg zu verfolgen, als die sendung vom WDR zur ARD wechselte. irgendwas ist bei diesem redaktionswechsel oder der erweiterung derer schief gelaufen. und es wird langsam mal zeit, dass ihm das einer in der sendung live vor den latz knallt. auch der „faktencheck“ auf der webseite am tag danach ist mehr und mehr verflacht.

  14. „Hart aber fair“ ist mal gut, mal schlechter. Die Redaktion und auch Frank Plasberg machen mal einen guten Job, mal einen schlechten. Stefan Niggemeier schreibt mal gut, mal weniger. Ich mache hin und wieder gute Arbeit, gelegentlich auch mal schlechte.

    Interessant wäre es doch nun, ob die von Stefan Niggemeier kritisierte Sendung in irgendeiner Weise typisch für HAF ist. Ansonsten wäre es lediglich eine Momentaufnahme und aus meiner Sicht bedrucktes Fastfood (mit netten Formulierungen). Dazu gibt es sicherlich verschiedene Ansichten, die letztlich auf unterschiedlichen Geschmack gründen. Ich zum Beispiel finde, dass Plasberg und sein Team unterm Strich eine gute Sendung machen.

    Die gestrige Sendung jedenfalls (mit Sarrazin) empfand ich als sehr gut gemacht. Sie hat sich wohltuend von dem unterschieden, was bislang im TV dazu gelaufen ist.

    Man sollte bei allem auch nicht vergessen, dass die Produktion einer solchen Sendung um ein Vielfaches kreativer ist als ein paar Zeilen Kritik und unsere Blog-Kommentare hier.

  15. @theo:

    Aber grade das ist doch was kritisiert wird. „Kreativ“ ist kein aus sich heraus positives Merkmal, sondern eher Zusatz zu bereits gelungenem. Genauso gut könntest du ne Sendung machen die nur 2 Stunden ne Lavalampe zeigt und dann sagen sie sei wesentlich „bunter“ als die paar Zeilen Kritik und ein paar Blogkommentare.(Mal abgesehen davon das ich nicht ganz verstehe was es mir als Endkonsument bringt wenn die Produktion „kreativer“ verläuft, es ist mir auch egal ob die Arbeiter die mein Auto bauen dabei Hula tanzen und Mariuhana rauchen solange das Endprodukt dann stimmt)

    Plasberg moderiert eine Polit-Talkshow, und deren erster Anspruch ist nunmal Bildung und Diskurs. Wenn Plasberg damit werben würde ein schlechter Harald-Schmidt-Imitator mit Titanic-Anleihen zu sein, okay. Aber er bewirbt sich als „Hart, aber fair“ und eben als Beitrag zur politischen Bildung. Das was ich bisher von der Sendung gesehen habe ist eher wischi-waschi mit ner großen Dosis unfair.

  16. fabiank22:

    Ich meinte mit dem „kreativ“-Vergleich nur, dass es weitaus anspruchsvoller ist, so ne Sendung zu gestalten als zu schreiben „Das was ich bisher von der Sendung gesehen habe ist eher wischi-waschi mit ner großen Dosis unfair“. Oder sagen wir mal so: der Satz ist kein zwingender Beweis für eine (mich) überzeugende Urteilskraft.

  17. „Hart aber Fair“ war die erste Sendung, die zu 100 Prozent ADHS-gerecht produziert wurde. Jeder der sich zumindest 60 Sekunden am Stück konzentrieren kann, ist als Zuschauer geeignet. Denn spätestens nach dieser Zeitspanne unterbricht der narzisstische Plasberg oder ein Jingle poppt ins Bild. Wirklich zukunftsträchtig dieses Format…

  18. uniquolol, Sie werden Thomas Bernhard zu schätzen wissen, denke ich:

    „Wir beschreiben die anderen als gemein und niedrig und suchen dafür alle möglichen Argumente und sind es selbst in ein noch viel gravierenderem Ausmaß.“

  19. @theo:
    „Sie werden Thomas Bernhard zu schätzen wissen“

    Absolut! aber…

    „Wir beschreiben die anderen als gemein und niedrig“

    …ich schätze ADHS-Betroffene nicht als gemein und niedrig ein, wie Sie es offensichtlich tun.

  20. die Quantitätstheorie des Irrsinns greift und der Medienzyklus hat auch nicht immer recht: Lobeshymnen auf Plasberg waren auch schon vor vier Jahren völlig unverständlich, schon zu WDR Aktuelle Stunde Zeiten ist das moderativ ein Grauen, inhaltlich manchmal nicht ganz so schlimm. Zu alten Canale Grande und Studio Moor Zeiten hätten wir mal den schönen Test gemacht, wie man Handwerklichen Journalismus in der Kategorie 3minus ordentlich in Sprache und Talk umwandelt – und zwar mit Bleigiessen und Buchstabenformen. Plasberg hätte kaum ein x geschafft, geschweige ein U. Selbstgefälligkeit hoch 5 – ! Noch schlimmer, dass Plasberg natürlich auch einen Unmoderator wie Hirschhausen produziert, der natürlich im dank Seniorenunterstützug 16 Prozent holt und mit Kinderpartyshows wahrscheinlich jetzt jeden Mist verbocken darf. Sargnägel der dt TV Unterhaltung werden von solchen Moderatoren – ob Plasberg oder Hirschhausen – inflationär eingeschlagen-leider

  21. @mathias
    …“und es wird langsam mal zeit, dass ihm das einer in der sendung live vor den latz knallt“

    auf den gast warte ich auch!

    das wird ein fest…

  22. Was ich total lustig finde: Bei der Sarrazin-Debatte habt ihr Frau Kelek und Frau Balci nichts entgegenzusetzen! Die üben Kritik am Islam und sind selbst Musliminnen! Da fällt euch nichts mehr ein, was ihr linken Deppen! Ach wie dumm ist das nur, dass diese Frauen Türkinnen sind, da kann man doch den von euch so heiß geliebten „Nazi”-Vorwurf nicht bringen! Mist, wa?! Amüsiert mich jedes mal ;)

  23. Was ich jedesmal witzig finde ist: Der „rechte Depp“ Steffen Rau lebt offensichtlich in einer Art Paralleluniversum!

    Also Steffen, nochmal für Doofe: Es geht hier weniger um ein konkretes Thema, welches in Plasbergs Krawallshow „behandelt“ wurde, als vielmehr um die Machart der Show an sich. Nun gut, als Zuschauer dieser Sendung ist es für dich evtl. auch schwer, deine Betrachtung auf diese unglaubliche (hui!) Metaebene zu heben.

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