Gehirn-Gymnastik mit Hitler und Josef Joffe

Josef Joffe, der Herausgeber der „Zeit“, äußert sich in der aktuellen Ausgabe zu Kritik an seiner Arbeit:

Ein Wort in eigener Sache: Dieser Autor hat vor zwei Wochen (Zeitgeist 6/14) mit Blick auf die „Raus mit Lanz“-Petition geschrieben: „In analogen Zeiten hieß es: ‚Kauft nicht beim Juden!'“ Das geht gar nicht, echauffierten sich die Hohepriester des Digital-Tempels und deren Jünger.

(sic!)

„Die ZEIT sei ein ‚Scheißblatt‘, war einer der subtileren Kommentare. Und: ‚Mir fällt zu diesem Vergleich nichts mehr ein.‘ Dieser Spruch stammt übrigens von Karl Kraus, dem zu Hitler nichts mehr eingefallen war.“

Anscheinend habe ich Joffe also dadurch, dass ich geschrieben habe, dass mir zu seinem Vergleich nichts mehr einfällt, versehentlich mit Hitler verglichen.

Joffe hält den Nazi-Vergleich aber für zulässig, prinzipiell und konkret im Fall der Petition gegen Markus Lanz. Er kritisiert die „Sprachpolizei“ und schreibt:

Die Pauschalverdammung (…) verdeckt die eigentliche Frage: Wann ist der Vergleich legitim? Wieso ist die Kampagne gegen Markus Lanz anders als der Juden-Boykott? Beide kamen aus der Anonymität, beide wollten den Feind wirtschaftlich schädigen, beide mobilisierten das Ressentiment. Was war dann anders? Der Boykott dauerte einen Tag, am 1. April 1933; die Anti-Lanz-Kampagne steht noch heute im Netz. Natürlich ist das, was später für die Juden folgte, in nichts mit dem Fall Lanz zu vergleichen.

Maren Müller aus Leipzig, 54 Jahre alt, Betriebswirtin, alleinstehend, ehemalige SPD-Stadträtin in Borna, früher Mitglied bei Die Linke. Endlich weiß man mal, wie diese viel beschworene Anonymität im Netz aussieht.

Manche [Nazi-]Vergleiche (…) rangieren zwischen unzulässig und infam, manche sind legitim und richtig — zumindest regen sie das Gehirn zur Gymnastik an. Denken ohne Vergleichen ist nicht vorstellbar. Vergleichen ohne Denken ist unverzeihlich. Zum Schluss doch noch ein Rekurs auf Adolf H. Er hat offensichtlich Reflexe in den Hirnen hinterlassen, die selbst siebzig Jahre danach ihre Träger dazu animieren, auch den räsonierten Vergleich der Empörungslust zu opfern. Links wie rechts.

Wenn ich das richtig verstehe, ist der übermäßig Empörungslustige also laut Joffe nicht derjenige, der einen Vergleich mit den Nationalsozialisten anstellt, sondern derjenige, der einen solchen Vergleich als untauglich ablehnt. Letzterer sei ein spätes Opfer Adolf Hitlers.

PS: Joffes Irrtum, es gäbe eine Agentur, bei der man „kommerzielle ‚Shitstorm-Pakete'“ in unterschiedlichen Größen kaufen könne, korrigiert die „Zeit“ — nicht.

80 Replies to “Gehirn-Gymnastik mit Hitler und Josef Joffe”

  1. Ich verstehe nicht, was ein „Digital-Tempel“ sein soll. Meint Joffe damit Nachrichtenseiten, Foren, Blogs und Social Networks im Internet? Wenn ja – was qualifiziert einen Nutzer dieser Seiten zum „Jünger“?

  2. Beim Versuch, Josef Joffe bei der Gehirngymnastik zu folgen, hat sich mein Gehirn leider eine schwere Bänderdehnung zugezogen. Hoffentlich muss es seinen Arm nicht in einer Schlinge tragen, denn die wäre ja wieder Hitler.

  3. Peinlicher als ein Nazivergleich ist nur der darauf folgende Versuch, den Vergleich inhaltlich zu rechtfertigen.

  4. Schlimm, diese ständige öffentliche Anprangerung von JJ. Das ist ja wie… Ich komm grad nicht drauf, es liegt mir aber auf der Zunge. Dennoch ein netter Twist, seine Gegner mal als Opfer von AH zu beschimpfen. Ist aber auch schlimm, diese ganzen Reflex-belasteten, Gymnastik-faulen, 70-jährigen Gehirne im Digitaltempel und deren Jünger. Schön auch, dass immer, wenn einem Deutschen etwas nicht mehr einfällt, es auf jeden Fall immer Hitler sein muss, was ihm grad nicht eingefallen ist. Klingt für mich absolut plausibel. Mich hat der Kommentar jedenfalls wachgerüttelt. Ich wäre jederzeit bereit, den Lanz bei mir auf dem Dachboden zu verstecken. Da steht auch schon mein Fernseher.

  5. Ein jüdischer (oder schwuler) Mensch kann an der ihm vorgeworfen Tatsache, jüdisch (oder schwul) zu sein nichts ändern. Ein Herr Lanz (oder auch ein/e Homohasser/in) kann dagegen an seinem kritisierten Interviewstil (an seiner/ihrer Meinung zu Schwulen – Lesben schein offenbar nicht so das Problem zu sein?) sehr wohl etwas ändern. Insofern scheint es nicht abwegig zu sein, anzunehmen dass Herr Joffe noch der alten (nicht nur Nazi-)Ideologie anzuhängen, dass sich Menschen niemals ändern, dass die Gene den Charakter des Menschen unabänderlich bestimmen würden. Die Konsequenzen aus einer solchen Geisteshaltung können durchaus fürchterlich sein (Thema Resozialisierung, um nur ein Beispiel zu nennen).

  6. Wenigstens werden im Laufe der Zeit immer weniger dieser antiqierten Hitler-Karten ausgespielt werden – da sorgt schon die Natur dafür. Aißerdem ist es der Job der Joffes und Broders dieser Welt das schlechte Gewissen der Deutschen ständig warm zu halten.

  7. Zeit-Abo soeben gekündigt. Ist wirklich nicht mehr auszuhalten diese mit Haltung verwechselte Borniertheit des Herausgebers. Schade.

  8. Der räsonierte Hitlervergleich, Herr Joffe, setzt zumindest die Fähigkeit und Bereitschaft voraus, zwischen der Beurteilung eines Menschen aufgrund seines Handelns und der Beurteilung von Menschen aufgrund tatsächlicher oder zugeschriebener Gruppenzugehörigkeit, Herkunft oder Wesensart zu unterscheiden. Das finden manche schwierig, aber es lohnt sich. Damit ergeben zum Beispiel moderne Verfassungen gleich viel mehr Sinn.

    Es sind übrigens erstmal nur Phantasiebilder von Ihnen, dass die Mitzeichner etwas einem Mob Vergleichbares waren, wutentbrannt und von Ressentiment getrieben waren und die Absicht hatten, Lanz wirtschaftlich zu schädigen. Der letztere Gedanke ist z.B. mir, der ich in all den Wochen die Petition gar nicht so blöd fand und die „Berichterstattung“ verfolgt habe, nie gekommen. Es ist durchaus möglich, jemanden nicht im Fernsehen sehen zu wollen, ohne ihm persönlich Übel zu wünschen.

    Wer ist es eigentlich, der hier Rot sieht, der mit heiligem Ernst ein Web-Zwonull-Tagesthema zur Kulturkrise aufbläst, in missionarischem Eifer vernichtende Urteile über Menschen austeilt und dem die drastischsten Bilder zur Artikulation seiner Empfindungen gerade drastisch genug sind? Ein räsonierter Vergleich mag Aufschluss geben.

  9. „Der alte Mann und das Netz“ trifft es ziemlich genau.
    Ich habe mich sowieso schon öfter gefragt, aus welchem Paralleluniversum Joffe seine Botschaften schickt…

  10. Ich finde, dass hat der Gute doch sehr treffend selber kommentiert -?

    Vergleichen ohne Denken ist unverzeihlich.

  11. Mmh, wenn ich jetzt mein Abo kündige, kann ich ja keine Besserung der ‚Zeit‘ mehr erreichen.
    Ich gebe ihr darum noch einen Monat – vielleicht schafft sie es in der Zeit, Herrn Joffe loszuwerden.
    Sollte er dadurch in Notlage geraten, werde ich ihn im Fahrradkeller schlafen lassen. Er darf auch seine Schreibmaschine mitbringen.

  12. Er stellt ja mit dem Vergleich nicht nur die „Täter“ auf eine Stufe, sondern automatisch auch die „Opfer“.

    Beide kamen aus der Anonymität, beide wollten den Feind wirtschaftlich schädigen, beide mobilisierten das Ressentiment. Was war dann anders? Der Boykott dauerte einen Tag, am 1. April 1933; die Anti-Lanz-Kampagne steht noch heute im Netz.

    Dieser Absatz, diese Begründung für den Vergleich – macht mich fassungslos.
    1) Was war an dem Aufruf zum Boykott der Geschäfte von jüdischen Besitzern anonym? Dass die Petition es nicht ist, geschenkt.
    2) „Beide wollten den Feind wirtschaftlich schädigen“ – 2014 zu behaupten, die Nationalsozialisten hätten mit ihrem Aufruf zum Boykott auf die wirtschaftliche Schädigung ‚der Juden‘ gezielt, ist nur wahr, wenn man beide Augen zukneift und ganz starr einen winzigen Punkt fixiert.
    Die Petition gegen Lanz darauf zu reduzieren, man wolle seinen wirtschaftlichen Ruin erreichen…

    3) „Beide mobilisierten das Ressentiment“. Das Ressentiment??? Antisemitismus, das Verbreiten von Lügen darüber, die „jüdische Rasse“ wolle sich die finanzielle Weltherrschaft sichern und müsse durch Boykott von Ladengeschäften daran gehindert werden, kann man als Herausgeber einer „seriösen“ Wochenzeitung damit vergleichen, dass man einem Moderator des ÖR TV vorwirft, handwerklich schlecht zu arbeiten?

    Der große Unterschied dieser beiden laut Joffe in jeder Hinsicht vergleichbaren Aufrufe besteht also in in ihrer zeitlichen Dauer (impliziert: die Petition gegen Lanz ist sogar schlimmer als der Boykott-Aufruf 1933).

  13. Wieso gibt es eigentlich keinen Redakteur bei der Zeit, der solche Texte mal gegenliest und gegebenenfalls die Veröffentlichung unterbindet, weil Blödsinn?
    Oder hat Herr Joffe da aus irgendwelchen Gründen absolute Narrenfreiheit?

  14. Ich lese überwiegend online und schreibe hin und wieder auch Kommentare in unterschiedlichen Medien. Nun habe ich eine überraschende Veränderung meiner Lesegewohnheiten festgestellt. Ich neige vermehrt dazu, die von einigen Journalisten (Herr Joffe ist so ein Kandidat), zu einem Thema verfassten Artikel einfach nicht mehr zu lesen. Zumindest bei mir geläufigen Themen lese ich vielfach nur noch die Überschrift und – zack – geht es direkt zu den Kommentaren. Denn zumeist hat einer der ersten Kommentatoren die Knackpunkte oder Widersprüche des Artikels bereits auf den Punkt gebracht. Falls der redaktionelle Teil dann immer noch interessant erscheint oder Unklarheiten bestehen, sehe ich mir eventuell den eigentlichen Artikel noch einmal ausführlicher an. Das geschieht jedoch immer seltener.

    Ich überspringe in diesen Fällen also, wie selbstverständlich, die vermutlich zeitraubend und mühevoll vom Journalisten erbrachte und zudem urheberrechtlich geschützte Leistung.

    Da diese, also meine neue Angewohnheit, sich immer häufiger bewährt, stelle ich mir gerade grüblerisch belustigt die Frage: Wenn solche Art „Lesegewohnheit“ um sich greift, wohin könnte diese Entwicklung dann letztendlich führen…?

  15. Re Karl Kraus: Lassen Sie sich alles über Josef Joffe und Karl Kraus in der nächsten Ausgabe der Konkret von Hermann L. Gremliza erklären. Es könnte aber auch sein, daß Hermann L. Gremliza nichts mehr zu Josef Joffe einfällt.

  16. Warum nur fühle ich mich bei den Ergüssen von Joffe zunehmend an die Forenbeiträge von Konstantin Neven DuMont erinnert? Bizarr.

  17. Zumindest die Vorstellung von Stefan Niggemeier als „Hohepriester des Digital-Tempels“, der von seinen Jüngern angebetet wird, hat etwas. Eine entsprechende Zeichnung von Hauck & Bauer wäre doch ganz witzig!

  18. Der Boykott dauerte einen Tag, am [sic] 1. April 1933
    Ist das so? Danach durfte man wieder beim Juden kaufen?
    Die ZEIT sei ein ›Scheißblatt‹, war einer der subtileren Kommentare.
    Mit ein bisschen Mühe hätte man sicher subtilere gefunden.
    @8 Ein Herr Lanz.. kann dagegen an seinem kritisierten Interviewstil…sehr wohl etwas ändern.
    Wollen Sie Lanz etwa „umerziehen“? Dann wäre er nicht nur ein Opfer von Niggemeier, sondern auch ein spätes Opfer von Hitler. Damit hätten Sie Niggemeier mit Hitler verglichen!
    @27 Niggemeier als Hohepriester hat schon was. Es sollte ein Bacchustempel sein, er auf einem Fass Gutedel sitzend.
    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wir-sind-gutedel/

  19. Aus der Kategorie „Zeit“-loses Klugscheißerwissen: Der erste Satz aus Karl Kraus‘ Buch Dritte Walpurgisnacht (1933) lautet: „Mir fällt zu Hitler nichts ein.“

  20. Wenn Joffe wirklich glaubt, der Judenboykott 1933 sei aus der „Anonymität“ des Volkes gekommen statt aus der staatlichen Werkstatt Goebbels‘, dann ist es mit seiner Bildung und seinem historischen Verständnis auch nicht gut bestellt – und er fällt auch noch heute auf Goebbels‘ Propaganda vom „Volkszorn“ rein. Dabei war eher Gegenteiligiges der Fall: Der nazi-staatlich organisierte Boykott musste nach eben 1 Tag abgebrochen werden wegen Nichtbeteiligung der Volksmassen.

  21. Sehr geehrter Herr Joffe,

    Mensch, natürlich ist Ihr Vergleich unpassend!
    Sagen Sie doch selber, da zum Schluss:
    „Der Boykott dauerte einen Tag, am 1. April 1933; die Anti-Lanz-Kampagne steht noch heute im Netz“ . Noch HEUTE!

    Und dann, denken Sie doch mal nach!
    Heute ist das der gemeine Pöbel, der sich da OHNE JEDEN GRUND auf einen völlig Unschuldigen stürzt und mit dieser Aktion ja nicht nur seine wirtschaftliche Situation ruinieren will – man will den doch fertig machen! An Leib und Seele!

    Kann man doch mit 33 nicht vergleichen-
    Damals war das schließlich ’ne gewählte Regierung, die aus guten und für jeden nachvollziehbaren Gründen
    (Hakennase, dunkle Haare, unbezwingbarer Drang, sich die Weltwirtschaft untertan zu machen) da so’ne Entscheidung getroffen hat.

    Und wie gesagt – war ja nur ein Tag! Das kann man doch mit dem Lanz heute nu wirklich nicht vergleichen, müssen Sie doch auch sehen!

  22. Joffe ist unglaublich. Demaskiert die ganze argumentative Hilflosigkeit seiner Hybris im Alleingang. Hatte wahrscheinlich gehofft dem digitalen Plebiszit auf Papier zu entkommen. Wird noch mal die ZEIT anzünden und dazu Harfe spielen.

  23. Nuja, ich muss ja die Zeit und den Joffe nicht lesen und gut ist das.
    Ich bin ja schon was Älter und erinner mich noch an die Zeit als ‚Die Zeit‘ irgendwie im weitesten Sinne für eine verlässliche Erklärung der Realität stand (das war bevor ich mein Abo gekündigt hab :-)).
    Das mit dem Digital Tempel zeigt doch eigentlich sehr schön , was das eigentlichw Problem (für Herrn Joffe) ist : Herr Joffe/Die Zeit müssen sich jetzt transparent das ‚Recht haben‘ mit mehr Leuten teilen oder sogar gegen sie verteidigen. Ich finde, das ist schade für Die Zeit und gut für alle Anderen.
    Der Vergleich mit der Judenverfolgung ist für mich immer noch extrem weit daneben .

  24. Der Satz, dass Korrekturen durchaus ein Qualitätsmerkmal sind, hat seine Gültigkeit wohl gänzlich verloren. Herr Joffe, aber nicht nur er, leidet offenbar unter Unfehlbarkeitswahn.

  25. Ja in der Tat, wieder so ein Fall von „der alte Mann und das Netz“ – die Merkbefreiung strahlt nur so zwischen jeder einzelnen Zeile hindurch. Dass er unrecht haben oder weit am Ziel vorbei geschossen haben könnte, passt offenbar nicht in sein Weltbild. Selbstkritik und Selbstreflex(kt)ion finden in deutschen Medienlandschaften nicht statt. Mia san mia. Was folgt ist das übliche Winden und Abwiegeln, um das wackelige Pseudokonstrukt der vermeintlichen intellektuellen Grösse aufrecht zu erhalten.

    (Lieber Herr Joffe, wenn sich Beitragszahler über wiederholt schlechte Moderationsleistungen einzelner Vertragsnehmer in zwangsbeitragsfinanzierten Sendern echauffieren, dann ist das nichtmal im Allerentferntesten dasselbe wie wenn eine kriminelle Regierung die gezielte Diskriminierung von und den Genozid an kompletten Bevölkerungsteilen organisiert. Das ist so dermassen offensichtlich, und ein Vergleich dahingehend so dermassen dumm und dreist, dass man die gute alte „Verharmlosung der Judenverfolgung“-Keule noch nichtmal auspacken muss. Wo ist eigentlich der Zentralrat wenn man ihn mal braucht?)

  26. Oh Mann. „Die Hohepriester des Digital-Tempels und deren Jünger“? Darauf muss man auch erst mal kommen – ich weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Und ich will hier nicht auf all die Platitüden von Morozov eingehen, aber spätestens seit der NSA-Sache müsste doch selbst Josef Joffe begriffen haben, wie absurd eine solche hierarchische Einteilung ist, die noch dazu alles in dieselbe Hierarchie steckt…
    Aber wenn Nazi-Vergleiche plötzlich OK sind (tschuldigung, das ist das erste und letzte Mal, dass ich einen von mir gebe, Kritik daran ist also völlig willkommen):
    Das ist wie wenn die Nazis im Dritten Reich bestimmte Einzelpersonen diffarmiert hätten, indem sie sie zu Rädelsführern von Minderheiten mit einem eher schlechten Leumund erklärt hätten, und umgekehrt, womit wiederum billige Ressentiments geschürt werden bzw. der negative Ruf der bis dahin noch respektierten Gruppe überhaupt erst entsteht. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, dass eher technikfeindliche Leute vom Dorf wie meine Eltern sowas lesen und sich in all ihren Vorurteilen bezüglich dem Fortschritt und Leuten, die häufiger mal das Netz benutzen und eben nicht nur für das Allernötigste (worin sie sich dann auch recht gut auskennen), so wie sie (zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass ihre Verbindung schrecklich langsam ist), bestätigt fühlen.

  27. Toll, da gelingt einem nochmal ein Kommentar ohne Rechtschreibfehler (soweit ich sehen kann) und dann schreibt man den eigenen Namen falsch…

  28. Was ich nicht verstehe: sind denn auch die Unterzeichner der Anti-Schwulmachunterricht-Petition eigentlich auch Nazis, und die Schwulen (oder Ro-Grün in Stuttgart) die neuen Juden?

    Und wenn Herr Joffe „Sanktionen“ gegen Iran fordert, fordert er dann nicht eigentlich „Kauft nicht beim Perser“, was ihn selbst widerum zum Nazi macht?

    und wenn janosch tatsächlich sein Abo kündigt, ist das nicht praktiziertes „Kauft nicht beim Joffe“. Ist janosch also auch Nazi?

    Man kommt da manchmal nicht mehr mit.

  29. Bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass in der Zeit-Redaktion bzw. -Herausgeberschaft der finstere Entschluss sich manifestiert hat, unter Ausschluss der Wirklichkeit mit aller Gewalt das journalistische Ancien Régime zu reinthronisieren. Wie anders wäre zu erklären, dass Joffe haarsträubende historische Fehlurteile (siehe #21 und #30) mit stark selektiver Wahrnehmung von Publikumskommentaren kombiniert? – Siehe #28: „Mit ein bisschen Mühe hätte man sicher subtilere gefunden.“ Selbstverständlich, Twipsy, hätte man das; aber wer dem Establishment das Wort redet, braucht eben nützliche Idioten und keine eloquenten Kritiker. Ein Paradebeispiel für diese zynische Bedürfnislage findet man hier: http://www.zeit.de/2009/22/Der-Intellektuelle
    In den Kommentaren zu diesem ebenso dummen wie reaktionären Erguss von Zeit-Redakteur Adam Soboczynski findet sich eine ganze Reihe von großartigen, gleichermaßen wohlformulierten wie kritischen Beiträgen (ganz besonders dieser: http://www.zeit.de/2009/22/Der-Intellektuelle?commentstart=57#cid-348267), deren Existenz von Soboczynskis Jubelpersern aber schlicht geleugnet wird: (z.B. hier: http://www.zeit.de/2009/22/Der-Intellektuelle?commentstart=81#cid-348861). Daran zeigt sich, wie sehr das Verfolgen einer reaktionären kulturpolitischen Agenda jegliches Erkenntnisinteresse zu überfahren droht. In diesem Zusammenhang sehe ich auch die wiederholten Hackerangriffe auf diesen Blog.

  30. Mein erster Gedanke: Eigentlich hätte der Niggemeier jetzt mal „Größe“ zeigen sollen und die Kommentare zulassen, um die ganze Bandbreite des Joffe’schen Universums wirken auf jeden ausreichend zu lassen.

    Muß aber zugeben, daß da doch Diverses steht, was unbedingt gesagt werden muß.

    Ich wäre ja doch mal an einer Stellungnahme des Chefredakteurs interessiert, warum sich die ZEIT solche Kommentare/Kommentatoren leisten können dürfen muß.

    Ehre sei meinem gehuldigten digitalen Hohepriester.

    Ein Jünger

  31. Sonst ist die ZEIT mit sog. Nazi-Vergleichen wesentlich dünnhäutiger, selbst wenn sie ersichtlich satirisch gemeint sind, ihr aber offenbar nicht in den eigenen engstirnigen Kram passen.

    Jüngst wurde in der ZEIT ein Autoren-Kommentar mit dem aus meiner Sicht völlig unpassenden Titel „Fuck the EU“ veröffentlicht, in der der Autor das Stimmverhalten der Schweizer geißelte und ihnen eben diesen Fuck-Titel in den Mund legte. Die nicht nur dort, sondern auch in vielen anderen Medien erkennbare aufgeregte Intoleranz in Deutschland über den Schweizer Volksentscheid spießte das Titanic Magazin mit dem zugegebenermaßen harten, aber ersichtlich satirischen Artikel „Deutsche wehrt Euch! Kauft nicht bei Schweizern“ und ähnlichen Text- und Bild-Anleihen an alte Nazi-Sprüche auf.

    http://www.titanic-magazin.de/heft/2012/juni/leo-fischer-kauft-nicht-bei-schweizern/

    Da mich der unmögliche Kommentartitel in der ZEIT „Fuck the EU“ geärgert hatte, schrieb ich hierzu einen Leser-Kommentar mit der Überschrift „Titanic unterstützt Sichtweise der ZEIT“. In dem Text gab ich den obigen Link zum Artikel des Titanic-Magazin wieder und bemerkte zusätzlich noch „Satire darf das.“, um deutlich zu machen, dass auch mein Kommentar satirisch gemeint sei.

    Die Folge davon war, dass Zeit Online meinen obigen Nick kurzerhand sperrte.

    Soviel zu Nazi-Vergleichen, merkwürdigen Zeit-Titeln und einer seltenen Dünnhäutigkeit gegenüber erkennbarer Satire und abweichenden Meinungen in der ZEIT.

    PS: Ich kommentiere hier normalerweise unter einem neueren Nick, der sich für Herrn Niggemeier meiner email-Adresse entnehmen lässt.

  32. Dazu fällt mir dann nur noch Sir Alec Guinness ein: „Schlechte Argumente bekämpft man am besten, indem man ihre Darlegung nicht stört.“

  33. Neulich bei den Joffes. Sonntagnachmittag. Kaffeezeit.

    JJ (aufgeregt): Ich hab wieder komische Dinge über das Internet-Dings gehört. Mob. Nazis. Ist schon wie 33. Und überhaupt.

    Familie (palmierend): Ach Josef. Ach Opa. Laß mal. Davon verstehst Du nichts. Neuland. Und so.

    JJ (beleidigt): Wenn mir hier keiner zuhören will, dann schreib ich es halt in die ZEIT.

  34. Ich bin unbedingt dafür, dass der Herr Joffe dieses Thema argumentativ weiterführt und vertieft. Interessante Perspektive das.

  35. da biste platt; joffe sacht nicht einfach mal „ja, sorry, war n scheissvergleich *grummel*, sondern kippt fröhlich grinsend benzin literweise in die offene flamme seiner borniertheit. echt faszinierend.

  36. Habe ich den Einwand überlesen? Falls nicht, sei ergänzt, dass ein wesentlicher, wenn nicht der entscheidende Unterschied zwischen dem Boykott von 1933 und der Lanz-Kampagne ist, dass es sich bei „den Juden“ um eine ganze rassistisch angegriffene Bevölkerungsgruppe handelte, die von der Staatsmacht selbst durch den Boykott massiv bedroht und auch geschädigt wurde, während Lanz ein geradezu unangreifbares und nicht im Geringsten bedrohtes Mitglied der Medienelite ist, gegen das Teile des Publikums meutern. Was Herrn Joffe außerdem aufgefallen sein sollte bei seinen intensiven historischen Studien zum Boykott gegen jüdische Geschäfte: es endete damit keineswegs. Auch vor den massenweisen Mordaktionen in den Vernichtungslagern wurde die Lage für Juden systematisch verengt und verschärft. Dies isoliert zu sehen von dem Boykott, erfordert schon eine sehr verengte Sichtweise. Sein Vergleich ist daher nicht nur dumm. Er ist in seiner Beschränktheit auch gefährlich, da in gröbster Weise verharmlosend.
    Die „Zeit“ deshalb als ein „Scheißblatt“ zu bezeichnen, verbietet sich mir aber. Einerseits, weil ich pauschalierte Urteile ablehne. Und andererseits, weil es sich tatsächlich um eine der besten Zeitungen unseres Landes handelt. Selbst den Besten unterlaufen Dummheiten, das ist menschlich. Und es liegt mir auch fern, die Lanz-Kampagne zu unterstützen. Seine Art des Umgangs mit Talkshowgästen ist immer gleich oberflächlich und grenzwertig, jedoch keineswegs jenseits des gesellschaftlich Akzeptablen. Ehe man sich hier in einem Einzelfall empört, möge man schauen, wen man damit genau in diesem Fall unterstützt. Der Feind meiner Feinde, um es überhöht zu formulieren, ist nicht automatisch mein Freund.

  37. @Journalistenlehrer: Zwar Wiederholungsgefahr, aber: Es spielt keine Rolle, ob Lanz‘ Verhalten „jenseits des gesellschaftlich Akzeptablen“ liegt. (On a personal note: Da sind Sie aber sehr tolerant, wenn Sie das, was er da nicht mnur mit Wagenknecht gemacht hat für akzeptabel halten.) Denn niemand sagt: „Raus aus der Gesellschaft“, sondern nur „Raus aus dem Rundfunkbeitrag“. Und das sagen dieselben, die Lanz bezahlen. Mir scheint, bei Ihnen schwingt da dieselbe Idee mit, die Josef Joffe fälschlicherweise umtreibt: die Idee, dass da jemand irgendwie „geächtet“ werden soll.

  38. @Wendy: Nein. Ich frage mich jedoch in der Tat, warum Kritik gleich mit „Raus-aus …!“-Forderungen begleitet werden muss. Selbst wenn man dies im Falle Lanz für gerechtfertigt hielte, bleibt doch mit dem Blick auf das Danach die Frage, wo das hinführen würde. Was, wenn künftig die Regel gälte: Gibt es nur genug Aufregung darum, um ihn oder sie, werfen wir wen oder was auch immer umgehend raus? Ich halte es lieber mit dem Grundsatz des Grundgesetzes: Eine Zensur findet nicht statt. Ich kann Herrn Lanz aushalten, auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern, zumal ihn viele (vor allem wohl Ältere) sogar gut finden, was ich respektiere.
    Aber nein: Ich halte nicht für richtig, wie Lanz mit Frau Wagenknecht umgegangen ist. Andererseits kann man nicht sagen, dass deren Meinung grundsätzlich unterdrückt würde, oder etwa sie selbst nicht in der Lage wäre, sich ihrer Haut jederzeit und gegen jeden (sicher auch gegen Lanz) zu erwehren. Ich stimme nicht Herrn Joffe zu mit der Bemerkung, dass Lanz die Aufregung und Empörung nicht wert ist, die um ihn erregt wurde. Wer politisch-analytisch vernünftige Beiträge hören möchte, sollte Lanz nicht schauen. Auf meiner Fernbedienung gibt es zahlreiche Tasten, die mir das wirksam ersparen.

  39. @journalistenlehrer

    Ich habe ein Obst-Abo. Für teuer Geld. Da ist ein Apfel drin, der grün angesprüht ist und innen faul und eigentlich eine Birne. Zu fordern „Raus aus meinem Obstkorb“ kommt doch einer Zensur gleich. Der arme falsche Apfel. Aber ich muss mich ja zum Glück nicht empören, weil ich kann mir das ersparen und einfach was anderes essen aus dem Korb.

  40. Lanz fragte mehrmals: „Stehen sie rückhaltlos hinter der EU?“

    Jegliche Kritik am Grosstaat, in dem demokratisch nicht legitimierte Kommissionen „Gesetze“ machen, verbieten wollen.
    Wer hat so etwas zuletzt gefordert ?
    Mit wem kamann man dann LANZ vergleichen ?

  41. Das Obstkorb-Beispiel ist schön, aber man kann das noch etwas zuspitzen – denn wie Journalistenlehrer das Dammbruchargument für Lanz benutzt („wo das hinführen würde“), so kann man es auch umdrehen: Was, wenn der faule Apfel im Korb dafür sorgt, dass der Käufer irgendwann nur noch faules Obst bekommt, weil der Händler merkt, dass er damit durchkommt? Er bekommt sein Geld ja so oder so.

  42. @Linus: Meinen Sie nicht, dass der Vergleich zwischen Lanz und einem faulen Apfel, der weggeworfen gehört, in dieselbe Richtung geht wie der zwischen Lanz und verfolgten Juden? Ich halte derlei für zynisch.

    Und bitte, @wretwum: Ich lasse mir es als Journalist ebenfalls von niemandem vorschreiben, wen ich was wie frage. Nachher darf man mich dafür kritisieren. Aber es kann nicht sein, dass man meine Freiheit einschränkt. Und ich erwarte, dass mein Arbeitgeber ggf. hinter mir steht, so lange ich nicht mit meinen Fragen gegen Strafgesetze oder gegen Persönlichkeitsrechte verstoße. Das nennt sich in der Binnensicht der Medien „innere Pressefreiheit“. Lanz genießt sie entweder so wie ich, oder niemand genießt sie – Lanz nicht, ich nicht, weder Freund noch Feind. Überlegen Sie sich das: Nicht nur Linksliberale sind Gebührenzahler. Auch NPD-Wähler. Die nächste Welle der Empörung ergießt sich eventuell über solche Talkshowgastgeber, die dafür „faule Äpfel“ genannt werden, dass sie mit als einseitig und bohrend empfundenen Fragen auf einen Neonazi oder einen Homophoben losgehen und diesen nicht zu Wort kommen lassen wollen, obwohl er, auch wenn es uns nicht passt, die Meinungsfreiheit genießt wie du und ich.
    Vorletzter Punkt: Es ist im vorliegenden Fall falsch gewesen, Frau Wagenknecht nicht ausreden zu lassen bzw. ihr nicht zuzuhören. Aber nachdem sich sogar Gregor Gysi parteiintern von EU-Positionen der Wagenknecht-Plattform distanziert hatte, darf ja wohl ein Lanz das Thema aufbringen und auch fragend zuspitzen. Oder ist das neuerdings verboten, weil die Zahl der am lautesten gegen solche Fragen wetternden Facebook-Kommentatoren die Pressefreiheit automatisch aushebelt?
    Letzter Punkt: Der Gebührenzahler entscheidet nicht über das Programm. So wenig wie der zahlende Zeitungleser inhaltlich über die Zeitung entscheidet. Er hat jedoch die Möglichkeit, ab- und umzuschalten. Auch das hat mit Freiheit zu tun: Der Freiheit anderer, Dinge zu tun, die mir nicht passen, aus der sich meine Pflicht ergibt, diese Dinge zu dulden, ohne jedoch wiederum mitmachen zu müssen.
    Und er hat natürlich die Freiheit, solche Parteien zu wählen, denen das öffentlich-rechtliche System mit seiner Gremiendemokratie und seiner inneren Pressefreiheit so wenig passt wie ihm selbst.
    Im Zweifel sind es (im demokratischen Spektrum) die Linke und die CSU sowie (jenseits dessen) die NPD, die für Zensuranliegen bzw. die Abschaffung der Gebührensender besonders empfänglich sein mögen. Viel Spaß mit denen – und mit den Medien, die es im Vollzugsfall gäbe.

  43. @Peter: Darüber, dass Lanz‘ Einfluss den gesamten ö.-re. Rundfunk total verlanzen könnte (so meinen Sie Ihre Metapher ja wohl), musste ich angesichts des journalistischen Kleingärtners Lanz dann doch sehr herzlich lachen.

  44. […] Gehirn-Gymnastik mit Hitler und Josef Joffe « Stefan Niggemeier Die Zeit ist unfähig zur Korrektur: “Joffes Irrtum, es gebe eine Agentur, bei der man »kommerzielle ›Shitstorm-Pakete‹« in unterschiedlichen Größen kaufen könne, korrigiert die »Zeit« — nicht.” […]

  45. @Journalistenlehrer: Immerhin wissen Sie, was eine Metapher ist. Dann sollten Sie auch im Stande sein, das Bild, das Linus verwendet hat, sinnvoll zu interpretieren und nicht absichtlich unsinnig zu überspitzen.

    Aber in #55 schreiben Sie ja, dass Sie sich von Niemand etwas vorschreiben lassen. Menschen, die so argumentieren sind oftmals nur beratungsresistent. Oder sie sind Lehrer.

  46. @Journalistenlehrer:
    „Selbst den Besten unterlaufen Dummheiten, das ist menschlich.“

    Das Begehen von Dummheiten mag menschlich sein. Aber die Besten, die die Dummheiten begangen haben, zeichnen sich dadurch aus, dass sie einsichtig sind, um Verzeihung bitten, sich korrigieren, ihre Dummheit zeitnah erkennen. Kriegen sie das nicht hin, sind sie nicht die Besten, sondern dumm.

  47. @Stefan Niggemeier: Das Kraus Zitat steht ganz zu Beginn in Kraus‘ Buch „Dritte Walpurgisnacht“ und ihm fällt darin eben sehr viel zu Hitler ein. Er gibt darin eine sehr genaue Analyse der zeitlichen Umstände ab.

  48. @58 Die Metapher mit dem faulen Apfel ist menschenverachtend – sie gehört zum Sprachgebrauch des Antisemitismus seit der Mitte des 19. Jh. Mehr Schnuffeltuch für Linus – mehr Styropor-Felsen für polyphem.

  49. @polyphem: „Fauler Apfel muss raus.“ Metapher korrekt interpretiert oder überzogen? Was fällt Ihnen dazu ein? Oder allgemein zu „fauler Apfel“? Den toleriere ich jetzt in meinem saftigen Obstkorb? Entweder die Metapher passt nicht zu dem, was gesagt werden soll. Oder sie ist zynisch, weil ein solcher Vergleich auf einen Menschen nie passt, aber natürlich suggestive Wirkung hat.
    Und warum werden Sie im zweiten Satz Ihres Kommentars persönlich und verfälschen mein Zitat? Machen Sie uns jetzt den Lanz, oder was ;-)?

  50. Unsere Qualitätsmedien schiessen sich selbst in die Irrelevanz. Ich habe ca. 20 Jahre lang diverse Tageszeitungen, SPIEGEL und ZEIT gelesen – ein Morgen ohne Tageszeitung war undenkbar schon als Schüler; in den letzten 10 Jahren ist mein Konsum von Papiermedien praktisch auf NULL gesunken; wenn ich heute mal eine Zeitung oder ein Wochenblatt in die Hand nehme – vielleicht beim Arzt -, lege ich es meist nach kurzer Zeit verärgert aus der Hand. Selbiges gilt auch fürs Fernsehen – Watchever erfüllt meine Bedürfnisse nach filmischer Unterhaltung in ausreichendem Maße und Nachrichten, Politsendungen oder Talkshows sind einfach ungeniessbar seicht und parteiisch heutzutage -Europa – ja/nein? OMG….
    Tja, und dann sowas – dazu fällt auch mir nichts mehr ein.

  51. @journalistenlehrer

    Man liest aber auch wirklich immer nur das, was man lesen will, oder?

    Davon ab: Der Apfel-Juden vergleich täte nur funktionieren, wenn man Birnen als Äpfel bezeichnet (mit nem Hakenstil) und sie mit Pestiziden einsprüht.

    Ich bin ja eher für Obstsalat, solang sich das Obst in meinem Korb nicht gegenseitig auf den Sack geht.

  52. @Journalistenlehrer: Ich glaube, so richtig ist meine Zuspitzung auch nicht angekommen, war vllt. unklar formuliert – das tut mir leid.

    „Dass Lanz‹ Einfluss den gesamten ö.-re. Rundfunk total verlanzen könnte“
    Nein, das will ich nochmal deutlich sagen: ich stelle mir Lanz nicht als eine Art von Seuche oder Virus vor, die sich von „einfach so“, aus sich selbst heraus ausbreitet, wenn man ihr nicht irgendwie entgegenwirkt und sozusagen den faulen Apfel aus dem Korb nimmt, auf den Boden wirft und zerstampft. Und ich glaube auch nicht, dass Linus das so gemeint hat.

    Der Apfel ist selbst nicht schuld daran, dass er faul ist. Markus Lanz ist eigentlich nur ein harmloses Pflänzchen. Das, was sich mit der Petition „entlädt“ (wenn man mal unterstellt, dass da wirkliche Wut im Spiel ist), ist ja nicht einfach purer Hass auf Markus Lanz, sondern auf das ganze ÖR-System, dem man nichts besseres entgegensetzen kann, und Lanz ist auch nicht das einzige Symptom dieses viel tieferen Problems. Wenn man einen Obsthändler also mal nett darauf aufmerksam macht, dass er einem ’nen faulen Apfel angedreht hat, dann entschuldigt der sich normalerweise. Hat das ZDF aber nicht wirklich, und die Leitartikelschreiber tun so, als ob es total verwerflich ist, wenn all die, die den Apfel bezahlen, den Mund aufmachen und sagen, das er faul ist. Sie räumen meist in der allerersten Passage ein, dass Lanz kein guter Moderator ist, aber diese Meinung im Internet zusammen mit anderen in Form einer Petition zu äußern, das geht ihnen dann doch zu weit.

  53. Weil sich das gerade anbietet, nehmen wir doch ein drastischeres Beispiel:
    Was tun Sie, wenn jemand Ihnen ein Auto angedreht hat, dessen Bremsen nicht richtig funktionieren? Ist es nicht schön, dass man sich da wenigstens irgendwo beschweren kann?

    Ich glaube, jedem hier ist klar, dass man auch umschalten kann. Aber darum geht es nicht. Wenn Florian Silbereisen in mehreren Musikantenstadl-Sendungen irgendeine Garagenband aus seiner Nachbarschaft spielen lassen würde, wäre der Aufschrei zwar nicht genauso groß, aber das Problem wäre das Gleiche. Es geht hier nicht darum, dass Lanz einfach nur für manche Leute nervig ist, sondern dass er Wagenknecht nichts als Lautstärke und hohle Phrasen entgegensetzen konnte, und gefühlt die ganze Sendung damit verbracht hat, dies auch zu tun. Anstatt jemandem eine Plattform zu bieten, dessen Meinung man zwar nicht teilen muss, der aber besser informiert ist als er.

  54. @Journalistenlehrer, @kampfstrampler
    Viele Tiermetaphern haben es ja in den täglichen Sprachgebrauch geschafft. Vom „Miethai“ über das „Dreckschwein“ bis zum „Schweineigel“. Darum hatte ich mir beim scheinbar harmlosen Vergleich von Äpfeln und Birnen nichts gedacht. Der Missbrauch fauler Äpfel war mir nicht bekannt. Ich kannte nur Schillers faulichte Äpfel, deren Geruch ihn sinniger- und sinnlicher Weise bei der Arbeit beflügelte. Ich bitte also tausend Mal um Vergebung, aber da ich nicht einmal Niemand treffe, werfe ich als Altökologe trotzdem weiterhin mit echten Felsbrocken, denn Styropor geht gar nicht.

    @Journalistenlehrer: Meine „Verfälschung“ des Zitats sollte nicht persönlich sein, sondern ein (ironischer) Extrakt aus ihren Ausführungen, der das Wesentliche zuspitzt. Das Fazit hatte ich ja auch verallgemeinernd (und „sie“ klein) geschrieben. Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass Sie nicht gelegentlich vor einem Interview, das Sie führen wollen/sollen mit Kollegen/Vorgesetzten/Untergebenen über den Fragenkatalog sprechen, den Sie abarbeiten wollen? Der Satz „..Und ich erwarte, dass mein Arbeitgeber ggf. hinter mir steht, so lange ich nicht mit meinen Fragen gegen Strafgesetze oder gegen Persönlichkeitsrechte verstoße…“ ist ziemlicher Mumpitz. Denn: Die Erklärung zu Strafgesetzen und Persönlichkeitsrechten ist überflüssig, da deren Einhaltung selbstverständlich ist, und wenn dann ihr Arbeitgeber nur noch gegebenenfalls hinter Ihnen stehen soll, bedeutet das doch eigentlich auch nur – nichts; es sei denn, dass dieses „ggf.“ für „kritiklos“ und „bedingungslos“ stehen soll. Aber das können Sie nicht wirklich so meinen.

  55. @68 Niemand hat die Absicht, mit weichen Wurfgeschossen von der Zinnober-Mauer aus Richtung Uralt-Umwelt-Pionier zu schmeißen (Bommi-Baumann-Pionier-Kommando: „Schmeißt – weg!“) – Niemand hat den Vorsatz, als Blender des scharfsichtigen Zyklopen zu wirken. Schließlich bin ich ja auch nicht Niemand (Outis-seufz). Aber als jemand, der mit wachsender Begeisterung Unzucht mit Metaphern treibt (kennen Sie noch den hessischen Sportreporter Hans-Joachim „Es klappert die Mühle“Rauschenbach?! Verdienter Held der Metaphern-Metamorphose!), weiß ich selbst, wie oft ich mich in Ton und Bild im Dschungel der Gleichnishaftigkeit vergaloppiere … also Friede den Höhlen, Krieg den Palazzo-Kolumnaden! Fröhliches Schmeißen unter Blockwarten – und den Alpha-bis-Zeta-MännchInnen ein Wohlgefallen.

  56. Wer Unzucht mit Metaphern treibt
    Und knitterlichte Verse schreibt,
    Wer Griechen nach dem Leben trachtet
    Und wer in Höhlen übernachtet,
    Der weiß ob eigener Beschwerden,
    Dass Niemand ehrlich ist auf Erden. :-)

  57. […] Gehirn-Gymnastik mit Hitler und Josef Joffe Josef Joffe, der Herausgeber der »Zeit«, äußert sich in der aktuellen Ausgabe zu Kritik an seiner Arbeit: Ein Wort in eigener Sache: Dieser Autor hat vor zwei Wochen (Zeitgeist 6/14) mit Blick auf die »Raus mit Lanz«-Petition geschrieben: »In analogen Zeiten hieß es: ›Kauft nicht beim Juden!‹« Das geht gar nicht, echauffierten sich die Hohepriester des Digital-Tempels und deren Jünger. (sic!) »Die ZEIT sei ein ›Scheißblatt‹, war einer der subtileren Kommentare. Und: ›Mir fällt zu diesem Vergleich nichts mehr ein.‹ Dieser Spruch stammt übrigens von Karl Kraus, dem zu Hitler nichts mehr eingefallen war.« Anscheinend habe ich Joffe also dadurch, dass ich geschrieben habe, dass mir zu seinem Vergleich nichts mehr einfällt, versehentlich mit Hitler verglichen. Joffe hält den Nazi-Vergleich aber für zulässig, prinzipiell und konkret im Fall der Petition gegen Markus Lanz. Er kritisiert die »Sprachpolizei« und schreibt: Quelle: Stefan Niggemeier […]

  58. Letztlich sagt Joffe damit doch, dass Juden seiner Ansicht nach damit selbst schuld waren.

    Der Grund für die Kritik an Lanz war schließlich dessen Verhalten.

    Da Joffe das jetzt gleichsetzt sagt er damit aus:

    Der Grund für das Boykott der Juden war deren Verhalten.

    Mal die Folgen noch völlig außer acht gelassen, wodurch das Ganze noch widerlicher wird…

  59. Immer wieder lustig.

    Ich bin vor ziemlich genau einem Jahr bei der ZEIT „rausgeflogen“, weil ich die Hatz auf Gysi mit der Bösartigkeit von Verfolgungen zur brauen Zeit verglichen habe.

    Nur heiße ich nicht Joffe, aber – wichtiger: Lanz ist auch nicht bei der Linken.

    Ich habe das als Gottesurteil angenommen und meine Daten mit.

    Ein Jahr ohne ZEIT heißt Zeit haben für Interessantes und Wesentliches. Man kann das Blatt getrost ignorieren, Herr Niggemeier. Samt Joffe.

  60. @polyphem – Sie schreiben: „Die Erklärung zu Strafgesetzen und Persönlichkeitsrechten ist überflüssig, da deren Einhaltung selbstverständlich ist, und wenn dann ihr Arbeitgeber nur noch gegebenenfalls hinter Ihnen stehen soll, bedeutet das doch eigentlich auch nur — nichts; es sei denn, dass dieses „ggf.“ für „kritiklos“ und „bedingungslos“ stehen soll. Aber das können Sie nicht wirklich so meinen.“

    Doch. Es bedeutet, dass man sich als Journalist darauf verlassen können muss, dass kritische Fragen gegen wen auch immer und (auch scharfe) Kritik von außen nicht gleich zum Rausschmiss führen. Intern kann der Arbeitgeber natürlich Kritik üben. Aber was hier erwartet wird: Online regen sich Leute auf, dass Lanz nicht so handelt, wie sie es erwarten, und der Sender soll ihn aus dem Programm nehmen – ich bitte Sie. Täte er das, wäre dies das Ende der inneren und der äußeren Pressefreiheit.
    Ich habe leider Erfahrungen mit Verlegern, die jeden kritischen Leserbrief eines Parteifunktionärs oder eines Anzeigenkunden zum Anlass für eine Standpauke nehmen. Schreiben 20 oder 200 Leser, gibt es Krisensitzungen. Das ist Unfug: Man muss über jeden (nicht fehlerhaften) Artikel und jede Sendung glücklich sein, der/die Reaktionen hervorruft – daran zeigt sich doch seine/ihre Relevanz.
    Ob und wie man dann mit dem kritischen Publikum spielt, steht hier nicht zur Diskussion (Ich würde dafür plädieren: So intensiv und offen es nur geht).
    Aber wenn Lanz rausfliegt, weil er z.B. Frau Wagenknecht angeblich zu hart gefragt hat, dann wäre ein Shitstorm wirklich gerechtfertigt. Denn das muss er dürfen, egal, ob es ihr oder ihren Freunden oder seinen Feinden passt oder nicht.

  61. Ist Joffe Jude, oder warum gibt es noch keine Rücktrittsforderung vom Zentralrat?
    Selten so eine Verharmlosungen des Nazi-Terrors gelesen.

  62. In der ganzen Debatte gehen die eigentlich wichtigen Dinge völlig unter:
    1. Joffe solidarisiert sich mit Lanz. Er hält also dessen unsägliche Interviewmethode für akzeptabel.
    2. Wohin driftet die EU? Dazu hätte Sarah Wagenknecht recht interessante Dinge sagen können. Das wurde aber von Lanz und Jörges auf unerträgliche Weise „boykottiert“. Ich habe in der Situation an 33 gedacht. Oh je, schon wieder ein Nazivergleich!

  63. @Jornalistenlehrer:

    Lanz ist ein schlechter Journalist. Das geben sogar viele seiner Verteidiger zu.
    Meine Erfahrungen in der bürgerlichen Arbeitswelt sind zugegebenermaßen begrenzt, aber ich stand dann doch unter dem Eindruck, dass ein schlechter Journalist zu sein eventuell ein legitimer Grund für den Verlust einer prominenten Anstellung als Journalist sein könnte.

    Wenn nicht — toll, einen Arbeitgeber, der so sehr hinter mir steht, hätte ich auch gerne. Vielleicht hätte ich Journalist (oder Lehrer?) werden sollen.

  64. Zu Joffe, den ich schon seit Jahren ignoriere, fällt mir jetzt auch nichts mehr ein – außer: „Den sollte man nicht einmal ignorieren!“ (war das nicht auch von Karl Kraus?)

  65. und plötzlich….

    geht der Thread weiter :-) Ich glaub ich werte das mal statistisch aus wann wieviele Einträge sind.
    Faszinierend !

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